Lebensweg, Leistungen und Laster eines lupenreinen Demokraten
Rezension von Knud Böhle
1. Erster Überblick
1.1 Eine wissenschaftlich fundierte biografische Studie
Der Historiker Walther L. Bernecker, der sich seit rund 50 Jahren mit der neueren Geschichte Spaniens von A wie Anarchismus (Bernecker 1977) bis V wie Vergangenheitsaufarbeitung (zuletzt Bernecker 2023) eingehend beschäftigt, hat nun Ende 2024 die erste deutschsprachige Biografie des spanischen Königs Juan Carlos I de Borbón vorgelegt.1 Die detailreiche Darstellung wendet sich an einen »größeren deutschsprachigen Leserkreis« (S. 9). Die einen mögen den König vielleicht wegen seiner Leistungen im Transformationsprozess von der franquistischen Diktatur zur Demokratie, der so genannten Transición – grob gerechnet Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre – in Erinnerung haben, andere bei seinem Namen eher an seine Korruptions- und Liebesaffären denken, die etwa ab 2008 nach und nach ans Licht kamen.2
Die vorliegende Biografie betrachtet den ganzen bisherigen Lebensweg und verknüpft ihn mit der Zeitgeschichte. In dieser wissenschaftlich fundierten, biografischen Studie (S. 8) ist es Bernecker wichtig, die Bedeutung einzelner Persönlichkeiten im historischen Prozess exemplarisch auszuleuchten ‒ hier konkret bezogen auf Juan Carlos. Das schließt ein, sich in den König hineinzuversetzen und sein Verhalten aus seiner Sicht und im Licht der Zeitumstände verstehen zu wollen. Insbesondere die Passagen, »die auf das persönliche (Fehl-)Verhalten eingehen, kommen ohne einen empathischen Zugang nicht aus« (S. 9).
Verzahnt wird in der Studie also die spanische Geschichte des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts mit dem Schicksal der bourbonischen Dynastie. Über die Person des Königs Juan Carlos I ist die entscheidende Phase der Demokratisierung Spaniens nach Francos Tod mit dem strategischen Ziel der bourbonischen Dynastie, in der Nach-Franco-Ära eine wichtige politische Rolle zu spielen, verschränkt.
1.2. Eine politische Biografie
Als politische Biografie (S. 8) ist die Studie in zweierlei Hinsichten besonders aufschlussreich: Erstens wird die unwahrscheinliche Geschichte der 1930 abgeschafften Bourbonen-Dynastie erhellt, der es durch die Umstände möglich gemacht wurde und gelang, sich in die demokratische Verfassung von 1978 einzuschreiben und damit im Gefüge der politischen Institutionen erneut zu etablieren. Folgt man dem Buch, ist es schwer vorstellbar, dass diese »mission impossible« ohne die Persönlichkeit und die Tatkraft des Königs Juan Carlos I, der nach dem Tode Francos alles auf die Karte der Demokratie setzte, hätte erfolgreich sein können.
Zweitens wird der Absturz des Königs, seine Skandale, seine Abdankung, sein Rückzug aus der Öffentlichkeit, schließlich sein freiwilliges Exil ausführlich beleuchtet. Der aktuelle Aufenthaltsort des mittlerweile 86-jährigen Juan Carlos ist bezeichnenderweise kein Kloster, sondern Abu Dhabi, wo er in einer Art freiwilligem Luxusexil lebt.
Neben psychologischen Aspekten, die sein (Fehl)Verhalten verständlich machen sollen, wird auch die soziologisch institutionelle Seite befragt: Hätte das Fehlverhalten des Königs womöglich verhindert werden können? Bemerkenswert in dem Zusammenhang sind das lange Beschweigen der Skandale von Seiten der Medien sowie die mangelhaften familiären und politischen Kontrollmechanismen. Bemerkenswert ist gleichzeitig aber auch das unablässige Bemühen staatlicher Stellen – von der Exekutive über die Legislative bis zu den Geheimdiensten –, das Ansehen des Königs als Person und Institution in der Öffentlichkeit nicht beschädigen zu lassen. Bis heute ist Juan Carlos, der auch nach seiner Emeritierung 2014 noch als König angesprochen werden darf, nicht rechtskräftig verurteilt.
Im Folgenden soll auf Basis des vorliegenden Buches ‒ einführend oder zur Erinnerung ‒ der Lebensweg von Juan Carlos, gerafft und zugespitzt auf politisch relevante Aspekte, kurz dargestellt werden.
An manchen Stellen, und dann auch im Schlussabsatz, wird auf der Grundlage des von Bernecker ausgebreiteten Materials aufgezeigt, dass in der Beurteilung des Königs als Person und politischer Figur durchaus kritischere Akzente, als sie der Autor selbst setzt, gerechtfertigt sind. Leserinnen und Leser der Biografie werden sehen, welches Bild des Monarchen in ihnen im Lauf der Lektüre entsteht.
2. Juan Carlos 1938 bis 1974
Juan Carlos, Sohn des Juan de Borbón y Battenberg (20. Juni 1913 – 1. April 1993) und Enkel des früheren Königs Alfonso XIII (17. Mai 1886 – 28. Februar 1941), wurde am 5. Januar 1938 in Rom geboren. Unter dem Druck der internationalen politischen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Diktator Francisco Franco in einem Gesetz über die Nachfolge in der Staatsführung vom Juli 1948 verfügt, dass Spanien in Übereinstimmung mit seiner Tradition als Königreich verfasst ist (Art. 1) und der Staatschef den Cortes jederzeit die Person vorschlagen kann, von der er meint, dass sie eines Tages zu seiner Nachfolge berufen werden sollte (Art. 6).3
Im selben Jahr, Juan Carlos ist gerade mal zehn Jahre alt, vereinbaren sein Vater, meistens als Don Juan angesprochen, und der Diktator, den Jungen in Spanien ausbilden zu lassen. Für die Dynastie der Bourbonen erhöht sich damit die Chance, in der Zukunft politisch in Spanien wieder eine Rolle zu spielen. Im November 1948 kommt Juan Carlos in Spanien an und seine schulische und militärische Erziehung beginnt.
Zwei persönliche, beziehungsweise familiäre Ereignisse aus der Zeit der Ausbildung, ein tragisches und ein erfreuliches, seien kurz genannt. Juan Carlos ist 18 Jahre alt, als es zu einem tödlichen Unfall kommt, bei dem ein Schuss aus seiner Pistole dem jüngeren Bruder Alfonso das Leben kostet. Der Hergang ist letztlich ungeklärt und wurde nicht weiter untersucht: Der Vater der beiden Jungen, Don Juan, vermied selbstherrlich eine Untersuchung, veranlasste keine Obduktion und entsorgte die Schusswaffe im Meer.
Das freudige Ereignis ist die Heirat mit der Prinzessin Sofia von Griechenland im Jahr 1962. Bekanntlich entstammen dieser Ehe drei Kinder, zwei Mädchen, Elena und Cristina, und ein Junge, Felipe, der am 30. Januar 1968 geboren wurde. Manche wollen wissen, dass Juan Carlos sich danach einer Vasektomie unterzog (S. 188), was etwa im Zusammenhang mit Vaterschaftsklagen, die es später durchaus gab, relevant sein konnte.
Politisch ist von Interesse, wie Bernecker ausführt, dass Juan Carlos bereits zu Beginn der 1960er Jahre immer wieder seiner Überzeugung Ausdruck verliehen haben soll – selbstverständlich nicht öffentlich –, »dass er keiner franquistischen Monarchie vorstehen wolle, da diese in einem demokratischen West-Europa keine Zukunft habe« (S. 39). In der althergebrachten Formel der bourbonischen Monarchen, König aller Spanier sein zu wollen, die Juan Carlos später gerne verwendete, drückt sich vernehmbar die Ablehnung des Franco-Regimes aus, das auf der Unterscheidung von Siegern und Besiegten im Bürgerkrieg (1936-1939) beruhte und den Alltag der Spanier unter der Diktatur prägte.
Im Juli 1969 ernannte Franco Juan Carlos zu seinem Nachfolger und verlieh ihm den Titel Prinz von Spanien. Nach seinem Tod sollte Juan Carlos als König das Amt des Staatsoberhaupts einnehmen und die Diktatur fortsetzen. Entsprechend musste der Prinz auf die franquistischen Gesetze und die Grundsätze der Nationalen Bewegung schwören. »Für Juan Carlos«, so Bernecker, »müssen die Jahre im ‚Wartestand‘ zwischen 1969 und 1975 ganz besonders schwierig gewesen sein« (S. 64). Diese Einschätzung bezieht sich zum einen auf den innerdynastischen Konflikt, da sein Vater Don Juan bis 1977 nicht auf seine Anrechte als König verzichtete und zum anderen darauf, als Vertreter der Diktatur auftreten zu müssen, die er letztlich überwinden wollte. Dazu mögen Loyalitätskonflikte ihn belastet haben: gegenüber Franco, hohen Militärs und einzelnen Persönlichkeiten des Franquismus, die Juan Carlos während seiner Lehrjahre kennen und schätzen gelernt hatte.
3. Juan Carlos in der Transición
3.1 Der paktierte Wechsel des politischen Systems
Aus den 60er-Jahren stammt in Grundzügen die Strategie, mit der es gelingen sollte, das alte System nach Francos Tod auszuhebeln. Der rechtliche Rahmen der Diktatur bestand aus einem Ensemble an Verfassungsgesetzen, die geändert oder durch zusätzliche Gesetze erweitert werden konnten. Im Rahmen der franquistischen Legalität, so die Grundidee, sollte ein politisches Reformgesetz als Verfassungsgesetz durchgesetzt werden, welches frühere Gesetze überschrieb und außer Kraft setzte und letztlich eine neue, demokratische Legalität ermöglichen würde. Torcuato Fernández-Miranda, einer der entscheidenden Lehrer und Vertrauten von Juan Carlos, wird als der Stratege angesehen, der diesen Reformansatz ersonnen hat, den er selbst auf die Formel brachte: »de la ley a la ley, a través de la ley« (im Sinn wie oben beschrieben: vom Gesetz zum Gesetz durch das Gesetz).
Die Staatskunst würde natürlich darin bestehen, zum einen die Cortes, das franquistische Pseudoparlament, dazu zu bringen, sich selbst abzuschaffen und zum anderen große Teile der anti-franquistischen linken Opposition für dieses Vorgehen zu gewinnen. Das gelang und wurde dann als »paktierter Umbruch« (ruptura pactada) bezeichnet. Relevante Reformkräfte im franquistischen System setzten entschieden auf die Karte der Demokratie, aber sie wollten keinen radikalen Bruch und nicht Verlierer des Wandels werden. Das kommt sehr deutlich auch in einer späteren Äußerung des Königs zum Ausdruck: »Ich wollte auf keinen Fall, dass die Sieger des Bürgerkriegs die Besiegten der Demokratie würden« (S. 174). In der Konsequenz bedeutete das freilich auch das Weiterwirken franquistischer Amtsträger und Strukturen im demokratischen Rahmen.
In der politisch und historisch wichtigen Phase, den Jahren der Transformation des Franco-Regimes in eine parlamentarische Demokratie, sehen wir Juan Carlos als treibende Kraft im Reformprozess im Zusammenspiel mit der Regierung Adolfo Suárez und dem Parlamentspräsidenten Torcuato Fernandez-Miranda sowie den anti-franquistischen Oppositionsparteien. Der Druck der Straße (Demonstrationen, Protestbewegungen, Streiks) wirkte sich zudem positiv auf das Tempo der Veränderungen aus. Der politische Reformprozess insgesamt und die Verfassungsgebung insbesondere mussten aber so behutsam voranschreiten, so die Einschätzung der meisten Reformkräfte, dass die franquistischen Militärs und andere uneinsichtige Anhänger des Franco-Regimes den Reformprozess nicht zunichte machten.
3.2 Der janusköpfige König
Damit das gelingen konnte, war die Figur des, wenn man so will, janusköpfigen Königs entscheidend, der den Militärs Kontinuität und den Reformkräften demokratischen Aufbruch signalisierte. Auf die Persönlichkeit und die Position des Königs kam es entscheidend an. In der Figuration der Transformation fungierte er als Mittler zwischen alter und neuer Legalität. Beides zusammen, Persönlichkeit und Position als Königsfigur, machen ihn aus Sicht des Rezensenten zur historischen Figur. Bei Bernecker macht es den Eindruck, als betone er vor allem die Bedeutung der Persönlichkeit und weniger die der Königsfigur.
Im Reformprozess nach Francos Tod, eine Monarchie als künftige Staatsform zu fordern, entsprach den Interessen der Dynastie und den alt-franquistischen Kräften, die im Erhalt der Monarchie eine Verteidigungslinie sahen, die nicht aufgegeben werden durfte. Von Seiten der anti-franquistischen demokratischen Opposition war die Akzeptanz der Monarchie als Staatsform ein pragmatisches Zugeständnis: Der Reformprozess sollte nicht an dieser Frage scheitern. Anders gewendet: Die Drohung der Militärs im Hintergrund, den Reformprozess gegebenenfalls zu torpedieren, wirkte sich auf die Verfassung aus ‒ zugunsten der Staatsform Monarchie und der dynastischen Interessen der Bourbonen.
Es gibt zwei Ausnahme-Situationen, in denen die ambivalente Figur des Königs und seine Persönlichkeit für den Gang der Demokratisierung entscheidend waren. In beiden Situationen kam es auf den Einfluss des Königs auf die reaktionären Militärs an. Erstens, was oft vergessen wird, darauf weist Bernecker nachdrücklich hin, wurde mit der Legalisierung der kommunistischen Partei Ostern 1977 offenbar eine rote Linie für die reaktionären Militärs überschritten (S. 94). »In jenen Wochen war Juan Carlos rund um die Uhr damit beschäftigt, die Militärs zu beschwichtigen«. Und dadurch hat er sich zweifellos »in jener kritischen Phase der Transition um den Demokratisierungsprozess verdient gemacht« (S. 95).
Eine zweite Ausnahme-Situation, in der die ambivalente Figur des Königs und die Person Juan Carlos für den Gang der Demokratisierung entscheidend waren, wird in Spanien kurz als 23-F angesprochen. 1981 hatte als Krisenjahr begonnen: Wirtschaftskrise, zahlreiche Terroropfer (nicht nur der ETA) sowie eine Regierungskrise, die im Januar zum Rücktritt des Ministerpräsidenten Adolfo Suárez geführt hatte. Am 23. Februar 1981 (23-F) unternahmen in der Krise dann Angehörige der paramilitärischen Polizeitruppe Guardia Civil unter Oberstleutnant Antonio Tejero sowie die Generäle Milans del Bosch und General Alfonso Armada (ein langjähriger Vertrauter des Königs) einen Staatsstreichversuch, der nicht zuletzt durch das entschiedene Auftreten des Königs vor und abseits der Fernsehkamera zu einem Ende kam.
In der Diskussion, was der König selbst mit dem Putsch zu tun hatte und was er von dem Putsch wusste, formuliert Bernecker vorsichtig: der König hat und hätte keiner Initiative zugestimmt, die einen Verfassungsbruch impliziert hätte (S. 127). Nach Auffassung des Rezensenten ließe sich sogar noch stärker akzentuieren, dass der König überhaupt kein Interesse haben konnte, die demokratische Verfassung, der er seine Position und die Institutionalisierung der Monarchie im politischen System verdankte, durch den Rückfall in eine Militärdiktatur oder eine Regierung der Konzentration mit militärischer Führung, aufs Spiel zu setzen. Eine solche Lösung wäre im damaligen Demokratisierungsprozess und internationalem Kontext wohl nur sehr kurzlebig gewesen. Auf die Karte der Demokratie und der Verfassung zu setzen, ohne wenn und aber, lag so gesehen im unmittelbaren Eigeninteresse des Königs, seiner Dynastie und der parlamentarischen Monarchie.
3.3 Zur Legitimationsfrage
In der Verfassung heißt es zur Monarchie: Die Krone Spaniens ist erblich in der Linie der Nachfolger S. M. Don Juan Carlos I von Borbón des legitimen Erben der historischen Dynastie (zit. nach Bernecker S. 81).4 In dem oben bereits angesprochenen Kontext der Drohung der Militärs, blieb den Verfassungsvätern »auch nicht viel anderes übrig als die Monarchie als Staatsform anzuerkennen« (S. 83). 1978 nahm die spanische Bevölkerung mit 88-prozentiger Mehrheit die Verfassung an. Diese Zustimmung »wurde dann jedoch zugleich als Zustimmung zur parlamentarischen Monarchie und als deren demokratische Legitimation gedeutet« (S. 83).5
Die Legitimation der Monarchie im Rahmen der neuen demokratischen Ordnung konnte sich, das analysiert Bernecker sehr genau, weder umstandslos auf die konstitutionelle Monarchie gründen, die mit und wegen Alfonso XIII gescheitert war, und mit der II. Republik (1931-1939) geendet hatte. Sie konnte sich aber auch nicht auf die von Franco ersonnene und damit kontaminierte Königsdiktatur gründen. Bernecker spricht bezogen auf den eingeschlagenen Weg von demokratisch-charismatischer Legitimation, die der Monarch durch seine aktive politische Rolle im Demokratisierungsprozess unter Beweis zu stellen hatte (S. 82). Das Charisma spielte vor allem in Zeiten des Übergangs in der Tat eine entscheidende Rolle, als die Militärs und andere autoritäre, antidemokratische Kräfte beschwichtigt werden mussten, und gleichzeitig der antifranquistischen Opposition die Ernsthaftigkeit des angestrebten Systemwandels überzeugend vermittelt werden musste, um sie für die »ruptura pactada« zu gewinnen.
War die Demokratie einmal gefestigt und die Monarchie in der Verfassung als Staatsform parlamentarische Monarchie und der König als Staatsoberhaupt verankert, reduzierte sich gleichzeitig die Macht des Königs: es blieben ihm im Wesentlichen repräsentative Aufgaben. An die Stelle des Charismas traten damit Vorbildlichkeit, Mustergültigkeit und Nützlichkeit als entscheidende Tugenden. Aus Sicht der Dynastie dürfte der Machtverlust dadurch aufgewogen worden sein, dass Spanien weiterhin eine bourbonische Erb-Monarchie war, die fortan das Staatsoberhaupt stellen würde.
Viele Beobachter betrachten die Phase der Transformation 1982 für abgeschlossen, als die PSOE (Partido Socialista Obrero Español), eine Partei eindeutig nicht-franquistischer Provenienz, in den Wahlen die absolute Mehrheit gewann. Der König konnte sich danach in seiner Rolle als Repräsentant Spaniens und als Motor guter Beziehungen zu der arabischen Welt und Lateinamerika hervortun. Die Auftritte des Königs waren »– vor allem in Iberoamerika und im arabischen Raum – bei der Anbahnung großer Geschäfte ausgesprochen hilfreich. Regionalen Usancen entsprechend flossen dabei auch nicht unerhebliche ‚Vermittlungsgelder‘« (S. 146). Seine Rolle als Wirtschaftsemissär »kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden« (S. 141).
Die Phase in der Juan Carlos I für die Demokratisierung stand und außenpolitisch und außenwirtschaftspolitisch sichtbar die Interessen Spaniens vertrat, dürfte mindestens bis zu den Krisenjahren ab 2008 reichen. Der bekannte britische Historiker Paul Preston (2003) titelte in seiner Biografie, die damals hohen Sympathiewerte des Königs reflektierend »El Rey de un pueblo«, was sich etwa als König eines Volkes, König aller Spanier, als Volkskönig oder als beim Volke beliebter König verstehen lässt.
4. Vom Sympathieverlust in Spanien zum Umzug nach Abu Dhabi
Mit den multiplen Krisen des Landes ab 2008 ändert sich auch der Blick auf den König und sein Verhalten. Die überarbeitete und ergänzte Fassung von Prestons Biografie des Königs (Preston 2023) behält zwar noch denselben Titel »El Rey de un pueblo«, endet aber mit dem trockenen Fazit angesichts der verlorenen Faszinationskraft des Königs: »es poco probable que se le vuelva a llamar ‚El Rey de un pueblo‘« Sinngemäß übersetzt heißt das: Es ist nicht gerade wahrscheinlich, dass man ihn jemals wieder »Volkskönig« nennen wird (Preston 2023, S. 714).6
In der Biografie Berneckers wird das ganze Ausmaß an (mutmaßlicher) Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Amtsmissbrauch und außerehelichen Beziehungen ausführlich dargestellt. In der Summe führen die Faken und Vorwürfe im Juni 2014 zur Abdankung des Königs, im Mai 2019 zum Rückzug aus allen Ämtern und Pflichten und im August 2020 zum Umzug nach Abu Dhabi, »um – wie es in einem später veröffentlichten Brief hieß – die Arbeit Felipes vor dem Hintergrund der Vorwürfe zu ‚erleichtern‘« (S. 226).
Hier sollen nur wenige, aber signifikante Beispiele aus einer Fülle von problematisch bis kriminell zu nennenden Handlungen hervorgehoben werden. Bereits in der Phase der Transición, 1981, werden dem König vom saudischen Königshaus eine Million Dollar bereitgestellt, die angeblich zur finanziellen Absicherung von Adolfo Suárez nach dessen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten bestimmt waren. Zugleich sollte die Summe ihn von weiteren politischen Aktivitäten abhalten. (S. 192). Hier kommen die Einmischung eines ausländischen Staates in die inneren Angelegenheiten Spaniens und zumindest der Versuch der Bestechung eines Politikers zusammen. Übrigens fielen andere Zuwendungen zu anderen Zwecken aus arabischen Staaten noch weit höher aus.
Anders gelagert ist der vom spanischen Staat finanzierte Umbau des Anwesens La Angorrilla, wo Juan Carlos mit Corinna Larsen »jahrelang ein familienähnliches Zusammenleben zelebrierte« (S. 188f.) – keine 20 km vom Königspalast entfernt. Es wundert da nicht, dass die Königin Sofia über ihren Mann einmal sagte »Er wird sterben ohne zu wissen, was Schamgefühl ist« (S. 166).
In der Affäre des Königs mit der Sängerin und Schauspielerin Bárbara Rey, die den Monarchen erpresst haben soll, war es erneut die Staatskasse, aus der über mehrere Jahre Schweigegeld von insgesamt mehr als drei Millionen Euro gezahlt wurde (S. 190). Das private Vermögen, das der König über die Jahre angehäuft hatte und sich laut New York Times (2012) auf ca. 1,8 Mrd. US-Dollar belief, brauchte nicht einmal für diese Ausgaben angetastet zu werden (S. 194).
Der Staat zahlte nicht nur, er schützte den König auch vor gerichtlichen Prozessen. Das ist abzulesen an einem unscheinbaren Gesetz von 2014, das einen Tag nach der Abdankung des Königs in Kraft trat und die in der Verfassung enthaltene Immunität des Königs nun in einem weiten Verständnis ausdeutet: alle Handlungen des Königs während seiner Amtszeit als Staatsoberhaupt, unabhängig von ihrer Art, wurden in die Straffreiheit einbezogen und waren damit rechtlich nicht einzuklagen (Ley Orgánica 4/2014, 11. Juli 2014).7
Wie konnte es soweit kommen? Ein Erklärungsstrang bringt etwa falsche Freunde, zu enge Kontakte mit korrupten Wirtschaftseliten und die Selbstwahrnehmung des Königs ins Spiel, der seine erste Lebenshälfte als Aufopferung für die Monarchie verstanden zu haben scheint. Sogar ein auf seine Kindheit zurückgehendes »tiefgreifendes Armutstrauma« (S. 243) wird für sein Fehlverhalten mit verantwortlich gemacht.
Der andere Erklärungsstrang setzt beim Fehlen funktionierender Kontrollmechanismen an. Es gab keine innerfamiliären Kontrollmechanismen. Die Massenmedien machten das Fehlverhalten des Königs nicht publik, selbst wenn sie davon wussten (»ungeschriebener Verschwiegenheitspakt«) (S. 245f.). Sie erlagen, wie auch die Regierungschefs, so Bernecker, »dem sprichwörtlichen Charme des Monarchen – einem Charme, der ihm schließlich zum Verhängnis wurde, da er zu gesellschaftlicher Kritiklosigkeit führte, die wiederum den König seine Vorbildfunktion in einer parlamentarischen Monarchie einbüßen ließ« (S. 246).
Anders gelesen wurde der König vielleicht nicht Opfer seines Charmes, sondern seines undemokratischen Kerns. Delikte wie Steuerhinterziehung, Steuerflucht in Steueroasen, Geldwäsche, Schmiergelder, Schweigegelder aus der Staatskasse sind anti-demokratisch und stehen in direktem Widerspruch zu Gesetzestreue und Vorbildlichkeit, die ein Bürger von seinem Staatsoberhaupt erwarten darf.
Für ein Staatsoberhaupt, dem so viel daran lag, positiv in die Geschichtsbücher einzugehen (S. 192) und das nicht müde wurde, die Tugenden der Demokratie und die Verantwortung der Amts- und Würdenträger jahrein, jahraus zu predigen, und sich dennoch über die Gesetze des demokratischen Gemeinwesens stellte, ist die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit frappierend.
Sein Fehlverhalten mag durch allerlei Entschuldigungsversuche relativiert werden, lässt aber den Schluss zu, dass der König trotz aller Verdienste in der Transición von seiner Persönlichkeit her kein »lupenreiner Demokrat« ist. Eher sehen wir mit der Lupe Muster des alten Bourbonen Alfonso XIII, der »sich immer wilderen Frauenabenteuern und korrupten Geldgeschäften« hingab (S. 17).
5 Schluss
Das Verhalten des Königs auch aus einer Innensicht zu verstehen, war Bernecker wichtig: »Direkte Zitate des Königs oder von Personen aus seiner näheren Umgebung« sollten helfen, diese Sicht zu vermitteln. Ohne Frage machen die entsprechenden Passagen den Text lebendiger und atmosphärisch dichter. Das eklatante Fehlverhalten des Monarchen wird dadurch freilich nicht entschuldigt, aber das Urteil über den König wird durch die gegebenen Erklärungen abgemildert.
Eine politische Biografie sollte vielleicht noch stärker herausarbeiten, dass menschliches Fehlverhalten eine Sache ist und politische Verantwortung eine andere. Zu kurz kommt in der vorliegenden Biografie das demokratische Defizit der Person, das die Missachtung der politischen Verantwortung begünstigt. Nach der Einrichtung der parlamentarischen Monarchie in der Verfassung von 1978 sind es die demokratischen Tugenden eines hauptsächlich repräsentativ agierenden Staatsoberhaupts, die zählen. Genau diesen Tugenden, die man auf den Nenner strikter Gesetzestreue bringen kann, handelt der König zuwider.
Während Bernecker sein Buch mit der Annahme schließt, »dass letztlich das Bild des ausgleichenden und beliebten Königs obsiegen wird, der mit Geschick und Weitsicht einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung der Demokratie in Spanien geleistet hat« (S. 248), würde der Rezensent eher annehmen, dass er auf Dauer von den Historikern als höchst ambivalente historische Figur wahrgenommen werden wird.
Position und Persönlichkeit erlaubten ihm im Übergang, als Mittler zwischen Franquisten, insbesondere den reaktionären Militärs, und den demokratischen Kräften zu fungieren. Der Druck und die Drohungen der reaktionären franquistischen Kreise bilden den Kontext, in dem die Monarchie in die Verfassung gelangen konnte. Der Einsatz des Königs für die demokratische Staatsform entsprach gleichzeitig dem Eigeninteresse der Bourbonen-Dynastie, im künftigen politischen System eine Rolle zu spielen. Nach Erreichen dieses Ziels scheint dem Staatsoberhaupt zunehmend weniger an den demokratischen Werten gelegen zu haben, die er vorbildhaft hätte leben sollen. Seine persönlichen Interessen wurden ihm wichtiger als die Demokratie und die Sorgen der Spanier. Nach seinem verdienstvollen persönlichen und politischen Engagement bei der Demontage des Franquismus, setzte mit Verzögerung in den Nullerjahren eine Entzauberung des vormals beliebten Königs ein, dem seine nicht mehr aufzuhaltende Demontage folgte.8
Anmerkungen
Zahlreiche Buchpublikationen von Walther L. Bernecker lassen sich im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek finden. Die genannten Titel sind: Die soziale Revolution im spanischen Bürgerkrieg. Vögel: München 1977; ISBN: 978-3-920896-43-4 sowie Geschichte und Erinnerungskultur. Spaniens anhaltender Deutungskampf um Vergangenheit und Gegenwart. Verlag Graswurzelrevolution: Nettersheim 2023; ISBN: 3939045519. ↩︎
Damit beschäftigt sich nebenbei bemerkt auch eine sehenswerte Dokumentation für den NDR von Anne von Petersdorff und Georg Tschurtschenthaler (Regie): Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat. Deutschland 2023 (180 Minuten). Englischer Titel: JUAN CARLOS – DOWNFALL OF THE KING. Autoren: Christian Beetz, Pedro Barbadillo, Anne von Petersdorff. Produktion: gebrueder beetz filmproduktion. Vertrieb: NBCUniversal Global Distribution. Die Dokumentation war bis vor Kurzem abrufbar in der ARD-Mediathek; derzeit wird sie zum Beispiel noch von Sky angeboten [zuletzt überprüft am 25.01.2025]. ↩︎
Die seit 1938 erlassenen franquistischen Verfassungsgesetze gibt es in deutscher Übersetzung auch online [zuletzt überprüft am 25.01.2025]. ↩︎
Die Verfassung des Königreichs Spanien vom 29. Dezember 1978 gibt es in deutscher Übersetzung auch online [zuletzt überprüft am 25.01.2025]. Zur Diskussion der Verfassung siehe statt anderer Aschmann, Birgit; Waldhoff, Christian (Hrsg.): Die Spanische Verfassung von 1978: Entstehung, Praxis, Krise? (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft Bd. 44). Aschendorff Verlag: Münster: 2020, ISBN: 978-3-402-14872-3 sowie Hermann-Josef Blanke, Siegfried Magiera, Johann-Christian Pielow, Albrecht Weber (Hrsg.): Verfassungsentwicklungen im Vergleich. Italien 1947 – Deutschland 1949 – Spanien 1978. Schriften zum Europäischen Recht (EUR), Band 200, Duncker & Humblot: Berlin 2021, ISBN 978-3-428-15929-1. ↩︎
Dass kein Referendum über die Staatsformfrage stattfand, dessen Ausgang unsicher gewesen wäre und womöglich eine in dieser Frage gespaltene Gesellschaft offenbart hätte, wurde so umgangen. Der Verzicht auf ein Referendum dürfte der Stabilität der Institution Monarchie genutzt haben. Einmal in der Verfassung festgeschrieben, müsste schon Außergewöhnliches passieren, sollte sich an der Staatsform etwas ändern. Das liegt auch an den hohen Hürden für eine Verfassungsänderung der entsprechenden Artikel. Eine Änderung verlangte erstens, dass beide Kammern der Änderung mit 2/3-Mehrheit zustimmen würden, woraufhin zweitens das Parlament aufzulösen wäre und Neuwahlen stattfänden, nach denen dann drittens die beiden neu zusammengesetzten Kammern wiederum mit einer 2/3 Mehrheit der anhängigen Verfassungsänderung zustimmen müssten, bevor dann viertens der Änderungsvorschlag in einem Referendum eine Mehrheit finden müsste. Der Fall, dass der König abdanken würde, um Schaden von der Institution Monarchie/Staatsoberhaupt abzuwenden, war in der Verfassung nicht vorgesehen. Diese Lücke zu schließen verlangte aber keine Verfassungsänderung. Sie wurde durch ein entsprechendes Gesetz zur Abdankung (Ley Orgánica 3/2014, 18. Juni 2014) geschlossen, dem die Inthronisierung des neuen Königs folgte. Am 19. Juni 2014 dankt Juan Carlos I ab und sein Sohn wird als König Felipe VI vereidigt. Dieser ist bestrebt, sich als mustergültiges Staatsoberhaupt zu verhalten. ↩︎
Die vollständigen bibliografischen Angaben lauten: Paul Preston: Juan Carlos. El rey de un pueblo. Plaza & Janes: Barcelona 2003; ISBN: 9788401378249 und Paul Preston: Juan Carlos. El rey de un pueblo. Tercera edición actualizada (abril 2023). Penguin Random House: Barcelona 2023; ISBN: 978-84-19399-55-7. ↩︎
Eher kurios wirkt dem gegenüber die kolportierte Fürsorge des spanischen Geheimdienstes, der »dem König weibliche Hormone und Testosteronhemmer verabreicht haben soll, um seine Libido zu zügeln und seine Sexualität unter Kontrolle zu bekommen« (S. 191). ↩︎
Sebastian Schoepp spielt in seiner Besprechung von Berneckers Buch in der Süddeutschen Zeitung vom 18. November 2024 mit dem Begriffsduo »Held der Demontage« und »Held der Selbstdemontage«. Held der Demontage, angelehnt an Überlegungen von Hans Magnus Enzensberger, war der König bezogen auf das franquistische System, das er an entscheidender Stelle zu demontieren half. »Held der Selbstdemontage«, so der bitter-ironische Titel der Rezension, wurde er dann später in eigener Verantwortung. Der eigentliche (tragische) Held der Demontage des Franquismus war für Enzensberger Adolfo Suárez. »Es ist das typische Los des historischen Abbruchunternehmers, dass er mit seiner Arbeit immer auch die eigene Position unterminiert«. Ganz anders erging es Juan Carlos I, den sein Beitrag zur Demontage des Franquismus zum beliebten König werden ließ. Seine Selbstdemontage begann damit, dass seine persönlichen Interessen grundlegende Anforderungen an ein demokratisches Staatsoberhaupt missachteten. Darauf folgte die tatsächliche Demontage, obgleich mit einiger zeitlicher Verzögerung. Die Europeana bietet den Artikel von Hans Magnus Enzensberger: Die Helden des Rückzugs (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9.12.1989) dankenswerterweise als elektronisches Faksimile [zuletzt überprüft am 25.01.2025]. ↩︎
Walther L. Bernecker:Juan Carlos I., König von Spanien. Ein biographisches Porträt. edition tranvía – Verlag Walter Frey: Berlin 2024; ISBN: 978-3-946327-42-4
La misteriosa «Entrevista a Hitler» de Eugeni Xammar, del 8 de noviembre de 1923
Contribución al debate de Knud Böhle (en alemán: Spanienecho, 5 de julio de 2024), traducción de Pascual Riesco Chueca (Spanienecho, 7 de agosto de 2024)
1. De qué trata esta contribución al debate
1.1 Objetivos
Hace poco más de cien años, el 8 de noviembre de 1923, se inició el golpe fraguado por Hitler-Ludendorff en la cervecería Bürgerbräukeller de Múnich. Ese mismo día se encontraba en Múnich el corresponsal español en el extranjero Eugeni Xammar. Según él, Hitler le concedió (a él y a su amigo y colega Josep Pla) una entrevista precisamente durante aquella jornada.
Pocas horas antes del golpe de Estado que debía convertirlo en dictador de Alemania por una noche, Adolf Hitler nos había concedido una entrevista que no dudamos en calificar de interesante (Xammar 2005, p. 204).
Por la noche, informa a sus lectores, presenció el golpe de Estado de Hitler en el Bürgerbräukeller.
Bien organizado y bien representado, un golpe de Estado como el que hemos tenido la suerte de presenciar en Múnich al cabo de veinticuatro horas de llegar, es una de las cosas que surten más efecto y que dejan un recuerdo para toda la vida (ibid., p. 187).
Así consta en los artículos publicados por Xammar en LaVeu de Catalunya.1 Su artículo «El golpe de estado como espectáculo» (Xammar 2005, pp. 187-192) apareció allí el 17 de noviembre de 1923, seguido el 24 de noviembre de 1923 por «Adolf Hitler o la necedad desencadenada» (ibid., pp. 204-208), cuyo contenido principal es la entrevista que Xammar afirma haber mantenido con Hitler en las oficinas del Völkischer Beobachter, en adelante abreviado como VB, el 8 de noviembre de 1923.2
De estos dos artículos se ocupa el presente escrito. El artículo sobre el golpe en el Bürgerbräukeller es de alcance más limitado y solo tiene interés como evidencia de que Xammar ciertamente no estuvo presente en el acontecimiento sobre el que escribió. La entrevista a Hitler, en contraste, es la «la peça més controvertida del periodisme català» (Sánchez Piñol 2009; en la misma línea, Pla Barbero 2018). Porque si realmente hubo un encuentro y una conversación entre Hitler y Xammar en ese día histórico, sería sumamente interesante para la investigación sobre la persona de Adolf Hitler y el nacionalsocialismo.
Por supuesto, la importancia de una entrevista de este tipo como fuente histórica aumentaría aún más si se consigue desvelar aspectos inéditos acerca de su contenido. Sin embargo, para ello se requiere un meticuloso rigor textual y crítico de las fuentes. Habría que aclarar, por ejemplo, si la situación de la entrevista era formal o informal, si el entrevistador extranjero entendió correctamente las palabras de su entrevistado, si el entrevistador recordaba correctamente, si el entrevistador informó textual y verazmente de lo que se había dicho, o si atribuyó a su entrevistado algo que no había dicho o que no quería decir. Pues, en este último caso, la entrevista perdería gran parte de su validez como fuente histórica de información. Huelga decir que una entrevista a Hitler completamente inventada por un periodista de 1923 carece de valor para la investigación sobre el nazismo. Por lo tanto, la cuestión principal que hay que aclarar es si Eugeni Xammar entrevistó realmente a Hitler o simplemente se lo inventó. Si la entrevista llegó a producirse, habría que analizarla más a fondo en términos de crítica textual y de fuentes.
En el presente texto se defenderá la tesis ―aprovechando la discusión previa de autores españoles sobre el carácter genuino o no de la entrevista― de que hay que abandonar el supuesto de que la entrevista tuvo lugar. En las subsiguientes referencias a esta entrevista, que creemos fingida, acudiremos a una mención abreviada: «entrevista», o «entrevista a Hitler».3
Seguidamente rastrearemos y analizaremos las vías que han permitido a la «entrevista», una vez publicada en traducción alemana, acceder inesperadamente al estatus de fuente histórica fidedigna en la investigación alemana sobre el nacionalsocialismo.
La siguiente discusión pretende contribuir al debate sobre la autenticidad de la «entrevista» con el fin de dejar en claro si se trata de una entrevista falsa, carente de valor para la investigación histórica, o de una valiosa fuente histórica.
1.2 El corresponsal en el extranjero Eugeni Xammar
Antes de entrar en más detalles sobre la «entrevista», conviene presentar brevemente a Eugeni Xammar (1888-1973). El catalán es uno de los más destacados periodistas españoles, de una estirpe que hubo de desaparecer en gran medida de la conciencia pública durante los largos años del franquismo. Los artículos que escribió entre 1922 y 1924 como corresponsal en el extranjero desde Alemania para periódicos catalanes, y entre 1930 y 1936 para el diario madrileño Ahora, sólo volvieron a estar a disposición del público en edición antológica más de veinticinco años tras el final de la dictadura franquista.4
En tanto que corresponsal extranjero, Xammar adoptaba la perspectiva de observador ajeno al contexto, que, precisamente por su distanciamiento, lograba mostrar a su público español los aspectos grotescos y tragicómicos de la situación alemana. Por otra parte, Xammar estaba siempre bien informado, hasta el último detalle, sobre las personas, configuraciones y aconteceres de Alemania acerca de los que escribía.5La lectura de varios periódicos diarios, ciertamente no solo alemanes, constituía un recurso decisivo para mantenerse bien informado.6La combinación de su inconfundible estilo y sus amplios conocimientos imprime carácter a sus reportajes desde Alemania, que son asimismo de sumo interés para los lectores e historiadores alemanes que se ocupan de las décadas de 1920 y 1930. En su artículo, Xammar no nos interpela en su condición de nacionalista catalán políticamente conservador, sino ante todo como corresponsal de asuntos extranjeros catalán-español, democrático-burgués, activo en Alemania durante la República de Weimar.
1.3 Algunos datos sobre el golpe de Hitler-Ludendorff del 8 y 9 de noviembre de 1923
La Revolución de noviembre de 1918 tuvo su inicio en el levantamiento de los marineros de Kiel y pronto se extendió por toda Alemania. Condujo a la proclamación de la república y al derrocamiento de la monarquía en Berlín el 9 de noviembre de 1918. El 11 de noviembre de 1918, el armisticio de Compiègne puso fin a las hostilidades de la Primera Guerra Mundial, y el 28 de junio de 1919 se firmó el Tratado de Versalles.
La legitimidad de la República de Weimar era cuestionada por grupos y partidos monárquicos, nacionalistas, de extrema derecha y antisemitas. En el terreno propagandístico, los interrogantes sobre quién era culpable de la guerra desempeñaron un papel fundamental. El Mando Supremo del Ejército (OHL) intentó culpar a la socialdemocracia, a los políticos demócratas y a la «judería» de la derrota militar del Reich alemán en la Primera Guerra Mundial, una derrota de la que el principal responsable no era otro que el OHL («leyenda de la puñalada por la espalda»).
Para los enemigos de la República de Weimar en particular, el 9 de noviembre tenía un alto valor simbólico. Un escritor satírico alemán no podría haber sido más sarcástico que Xammar a la hora de penetrar en el meollo de los insultos y mentiras que circularon tras la derrota de Alemania en la Primera Guerra Mundial; de paso, Xammar también sabe tender un puente que va desde el 9 de noviembre de 1918 hasta el golpe de Estado de Hitler-Ludendorff.
El día siguiente de nuestra llegada [a Múnich] era el día 8 de noviembre, vigilia del quinto aniversario de la revolución alemana. La revolución alemana del 9 de noviembre fue organizada deprisa y corriendo por cuatro judíos pagados por Bélgica en el preciso momento en el que el ejército alemán iba a alcanzar la victoria decisiva. Esto en Baviera lo saben hasta los perros y los niños, y cuando llega el día del fin del año de la revolución criminal, los bávaros, con el alma enlutada, llenan las cervecerías hasta los topes. […] Discursos, gritos, canciones patrióticas y cerveza. Sobre todo cerveza. […] El aire se espesa y uno respira la atmósfera de golpe de Estado. Lo que parece extraño es que haya tardado cinco anos en llegar (Xammar 2005, p. 188 ss).
Una portada contemporánea de Simplicissimus, que incluimos aquí meramente como ilustración, está dedicada a los bávaros mencionados por Xammar.
Wolfgang Schieder (2023) describe sucintamente el complot Hitler-Ludendorff:
Los rumores de un inminente golpe del NSDAP circulaban por Baviera desde principios del otoño de 1923. Hitler encendió los ánimos con mítines multitudinarios y repetidos discursos en el circo Krone. Con todo, no había preparado logísticamente su golpe, si hemos de creer que la idea de dar ese arriesgado paso estaba tomada desde el principio. No era la primera ni iba a ser la última vez en que Hitler actuó de forma vacilante […]. El 26 de septiembre, el gobierno del estado bávaro de Eugen von Knilling declaró inesperadamente el estado de emergencia y nombró al ex ministro presidente Gustav Ritter von Kahr comisario general con poderes dictatoriales. Kahr prohibió los mítines públicos del NSDAP y se hizo así con el control. Programó una reunión para el 8 de noviembre en el Bürgerbräukeller de Múnich, a la que estaban invitadas todas las fuerzas antirrepublicanas de Baviera, con la excepción del NSDAP. […] De improviso, el movimiento de Hitler entraba en competencia con los grupos conservadores de Baviera. Esto le obligó a actuar sin preparación. Para adelantarse a Kahr, improvisó y adelantó la fecha del golpe […] (p. 41).
El 6 de noviembre de 1923, Hitler y sus compañeros de armas habían tomado una decisión fundamental: organizar un putsch. La fecha inicialmente prevista para la acción era el 10 o el 11 de noviembre. El 7 de noviembre de 1923, Hitler se reunió con los líderes de las organizaciones paramilitares pertenecientes a la Kampfbund para completar los preparativos del golpe.7 Es en esta reunión cuando se decide adelantar su fecha. A las ocho de la tarde del 7 de noviembre se tomó la decisión de dar el golpe el mismo 8 de noviembre y aprovechar el acto de von Kahr en presencia del gobierno bávaro y de muchos políticos de alto rango para tomar el gobierno y marchar sobre Berlín al día siguiente. Basándose en «falsos rumores» (Wien 2023, p. 233), los golpistas querían evitar que en el acto del Bürgerbräukeller se crearan hechos que contrarrestaran sus propias intenciones de derrocar al gobierno. La reunión conspirativa no concluyó hasta la noche del 8 de noviembre de 1923. El desarrollo del intento de golpe de Estado en la noche del 8 de noviembre de 1923 y al día siguiente es resumido así por Wolfgang Schieder:
Una vez iniciada la reunión, Hitler hizo que las SA acordonaran el Bürgerbräukeller y entró sin anunciarse en la abarrotada sala con unos pocos seguidores leales. Se subió a una silla y, ante el barullo que no cesaba, disparó al techo con una pistola. Luego gritó marcialmente: «Ha estallado la revolución nacional. La sala está ocupada por seiscientos hombres fuertemente armados. Nadie puede abandonar la sala. Si no hay calma inmediata, haré colocar una ametralladora en la galería. El gobierno de Baviera ha sido depuesto. Se ha formado un gobierno provisional». Nada de esto era cierto; la proclamación de una «revolución nacional» no era más que una farsa. Pero Hitler consiguió obligar a los tres líderes más importantes de los conservadores bávaros, el comisario general von Kahr, el comandante del Reichswehr (fuerzas armadas imperiales) en Baviera, Otto von Lossow, y el jefe de la policía estatal bávara, Hans Ritter von Seißer, a aceptar sus intenciones nacionalistas y revolucionarias. Sin embargo, parece que solo lo consiguió después de que el general Ludendorff también apareciera en escena en el Bürgerbräukeller y aprobara la revolución nacional de Hitler. Sin embargo, nada más escapar del Bürgerbräukeller, el trío de políticos bávaros anuló todas sus promesas y decidió oponerse a los planes golpistas de Hitler y Ludendorff. […]
Durante la noche del 8 al 9 de noviembre, los golpistas se dieron cuenta de que sus planes habían fracasado. Para Hitler fue una catástrofe a la que no veía salida. Fue Ludendorff quien propuso un escape con su apodíctica fórmula «marchemos». A sugerencia suya ―no de Hitler―, los golpistas decidieron desfilar por el centro de la ciudad la mañana del 9 de noviembre, posiblemente para ocupar el Ministerio de Guerra bávaro. […] La marcha, de unos dos mil hombres, se constituyó hacia el mediodía. Encabezada por Ludendorff, Hitler, su íntimo Scheubner-Richter, su guardaespaldas Graf, Hermann Göring y Friedrich Weber, líder nacionalsocialista del partido de extrema derecha «Liga del Oberland». En el Feldherrnhalle, el monumento bávaro a las anteriores victorias monárquicas, los golpistas se encontraron con una unidad armada de la policía estatal, que al parecer abrió fuego contra ellos inmediatamente sin previo aviso. Algunos golpistas respondieron a los disparos. En pocos minutos, catorce golpistas y cuatro policías yacían muertos en el suelo. Hitler no fue alcanzado […] (pp. 42 ss.).
Tras un infructuoso intento de fuga, Hitler fue detenido el 11 de noviembre y puesto bajo custodia.
1.4 La estructura del presente ensayo
Tras esta introducción (sección 1), se describe seguidamente el contenido de la «entrevista a Hitler» del 8 de noviembre de 1923, con el fin de sentar las bases necesarias para las explicaciones posteriores (sección 2). La sección tercera da voz a los críticos españoles que han expuesto dudas fundadas sobre la autenticidad de la entrevista. A continuación (sección 4), se plantean otras objeciones críticas basadas en el estudio de las fuentes. Posteriormente, se explica el antisemitismo exterminador de entonces en Alemania, esbozando el contexto en el que se sitúan y deben interpretarse las frases sobre la eliminación de los judíos en la entrevista (sección 5). Sigue un intento de reconstruir el curso de la jornada de Adolf Hitler en aquel 8 de noviembre de 1923 para aclarar si en dicha jornada pudo caber una entrevista con Xammar (sección 6). A continuación, se analiza la recepción de la «entrevista» en Alemania, donde ha llegado a convertirse en una respetada fuente de erudición histórica (sección 7). La sección 8 trata del fantástico reportaje de Xammar sobre el fallido golpe de Estado de Hitler que comenzó la noche del 8 de noviembre. La última parte (sección 9) trata de evaluar la entrevista fingida y el reportaje sobre el golpe en el Bürgerbräukeller, que Xammar no presenció en términos del daño que los artículos podían causar, situándolos en el contexto de la cultura mediática en la España de la época.
2. Descripción del artículo con la «entrevista a Hitler»del 8 de noviembre de 1923
El 24 de noviembre de 1923, el artículo «Adolf Hitler o la necedad desencadenada» apareció en La Veu de Catalunya.8 El fallido putsch Hitler-Ludendorff del 8 de noviembre quedaba más de dos semanas atrás. Hitler estaba en la prisión de Landsberg am Lech desde el 11 de noviembre de 1923.
El artículo contiene la siguiente información sobre el contexto de la entrevista. Se realiza en el despacho de Hitler en la redacción del VB. Hitler lleva su familiar gabardina con una cruz de gancho bordada en la bocamanga, no se quita la gorra, saluda con un marcial golpe de talón, ofrece a Xammar (y a su acompañante Josep Pla) sendas sillas y empieza a decir que los españoles son bienvenidos en Baviera, mientras que los italianos, ingleses, rumanos y holandeses no son de fiar: todos judíos. Queda asi introducida la cuestión judía como tema destacado.
[Hitler:] La cuestión judía es un cáncer que roe el organismo nacional germánico. Un cáncer político y social. Afortunadamente, los cánceres políticos y sociales no son una enfermedad incurable. Tenemos la extirpación. Si queremos que Alemania viva, debemos eliminar a los judíos…
[Xammar:] ¿A garrotazos?
[Hitler:] Ojalá, si no hubiera tantos. El pogromo es una gran cosa, pero hoy por hoy ha perdido buena parte de su eficacia medieval. […] ¿Qué ganaríamos con apalear la población judía de Múnich si en el resto de Alemania los judíos continuaran siendo, como ahora, los dueños del dinero y de la política? En toda Alemania hay más de un millón de judíos. ¿Qué quiere hacer? ¿Los quiere matar a todos en una noche? Seria la gran solución, evidentemente, y si eso pudiera ocurrir la salvación de Alemania estaría asegurada. Pero no es posible. Lo he estudiado de todas maneras y no es posible. El mundo se nos echaría encima, en lugar de dar nos las gracias, que es lo que debería hacer. […] Ya hemos visto que el pogromo no era posible. No queda sino la expulsión: la expulsión en masa. Con la expulsión de los judíos hace más de cuatro siglos, España…
[Xammar:] ¿Cree usted que hizo un buen negocio? (Xammar 2005, pp. 206-207, énfasis añadido, KB).
En dos ocasiones, Xammar interrumpe al monologante Hitler. En una de ellas le pregunta, de forma un tanto maliciosa y provocativa, si los judíos deberían ser destruidos a porrazos. El Hitler de la «entrevista» responde que ésa sería la mejor solución, pero que un pogromo ya no puede ser una solución hoy en día, y que la expulsión masiva es el método recomendable.
Cuando Hitler quiere referirse a la expulsión de los judíos en España, Xammar lo interrumpe de nuevo con una pregunta que alude a la clásica pregunta sobre si la expulsión de los judíos ha perjudicado a la economía española. El Hitler de la «entrevista» no responde a esta pregunta. En vez de ello, desarrolla su argumento de que el error de los Reyes Católicos fue permitir la conversión de los judíos para evitar la expulsión, y repite que la solución al problema pasa por la expulsión de toda la raza judía.
El problema judío, entérese de una vez por todas, no es religioso. Es un problema de raza. El modo de resolverlo es la expulsión. Pero la expulsión rigurosa de todos cuantos sean de raza judía, tanto los practicantes como los indiferentes y como los conversos (Xammar 2005, p. 207, énfasis añadido por KB).
El artículo también contiene referencias al tipo de antisemitismo vigente en Baviera por entonces. El Hitler de la «entrevista» le dice a su entrevistador que, ciertamente, teniendo Xammar la nariz que tiene, habría sido objeto de alguna paliza. Declara este: «Hitler se ríe, y yo también, pero no tan a gusto como él» (Xammar 2005, p. 207). Constan documentalmente ataques y lesiones a judíos por nazis de la época (Reinicke 2018).
También es conocida e históricamente documentada la expulsión de judíos de Baviera a instancias del Comisario General del Estado Gustav von Kahr, a quien el gabinete bávaro había otorgado poderes dictatoriales el 26 de septiembre de 1923. El Hitler de la «entrevista» se refiere a ello:
[Hitler:] En Baviera la expulsión de judíos ya ha empezado, pero con timidez. Von Kahr expulsa, poco a poco, a todos los judíos que no son ciudadanos bávaros. Es muy poca cosa, pero hay que reconocer que no puede hacer más. Von Kahr tiene las manos atadas.
[Xammar:] ¿Por quién, si se puede saber?
[Hitler:] Se va a quedar de piedra. El defensor principal de los judíos en Baviera es el arzobispo de Múnich, el cardenal Faulhaber (Xammar 2005 p. 207).
Esta declaración no solo se emite en la «entrevista a Hitler». Ya había sido publicada dos días antes en el Völkischer Beobachter.
El 6 de noviembre, dos días antes del putsch, el Völkischer Beobachter había reaccionado al sermón de Faulhaber con ocasión del día de los Santos con un artículo titulado «El cardenal Faulhaber como protector de los judíos»; lo atacaba en tanto que «protector de los judíos» porque había afirmado «que los judíos también son seres humanos y que no debemos dejarles pasar hambre y frio en invierno». Pero todavía en el Congreso Católico de 1922, sin embargo, había hablado «de forma muy diferente» «utilizando palabras muy duras contra la prensa judía» (Antonia Leugers 2014).
Desde el punto de vista de los lectores catalanes, es probable que la «entrevista» haya constituido una lectura sumamente divertida que juega con el horror: infoentretenimiento. Llama la atención poderosamente la forma periodística que reviste el tema de la expulsión de los judíos en la «entrevista». La expulsión de los judíos orientales de Baviera en 1923, la expulsión de los judíos en España bajo los Reyes Católicos y, en el futuro, la expulsión masiva por Hitler, se convierten en un relato bien trabado. El lector español atento comprende a través de la comparación: este Hitler es aún más antisemita, aún más radical, aún más racista que los Reyes Católicos.
Si la «entrevista» se representara como una pieza teatral, parecería un esperpento o un farsa de labriegos, según los énfasis creativos del director.9 La risa podría quedarse atascada en la garganta de algunos. Los protagonistas de la obra son, por un lado, un periodista español culto, brillante, provocador, entrometido; por otro, un patán poco presentable con un antisemitismo delirante. El propósito de la obra es divertir e instruir (¡!) al público. Hoy, la «entrevista» parece una fantasía literaria. A continuación, se analizarán con más detalle algunos aspectos del contenido.
3. Las dudas de los intelectuales catalanes sobre la legitimidad de la «entrevista»
En España, especialmente en Cataluña, se han planteado una y otra vez dudas sobre si la «entrevista a Hitler» fue una falsificación. En 2000, dos años después de la publicación de la edición catalana de los artículos de Xammar escritos entre 1922 y 1924 (Xammar 1998), se discutió públicamente por primera vez si la «entrevista» era una invención. Existen esencialmente dos pequeños artículos en periódicos catalanes en los que se argumentan las dudas sobre su autenticidad. También hay un artículo más extenso de Pla Barbero (2018) en la revista literaria Cuadernos Hispanoamericanos, que intenta reconstruir el debate y marca sus propios acentos.10
El periodista Lluís Permanyer (2000) escribe en La Vanguardia que la «entrevista a Hitler» era probablemente una invención, aunque no puede demostrarlo con datos irrefutables (Permanyer 2000, p. 2). En primer lugar, a Permanyer le parece poco probable que Hitler hubiera concedido una entrevista a los dos periodistas precisamente en el agitadísimo día del golpe de Estado.
En segundo lugar, el artículo no se publicó hasta el 24 de noviembre de 1923, es decir, en un momento en que Hitler ya estaba encarcelado tras el fallido golpe de Estado y no podía defenderse de las declaraciones que se le atribuyen, viéndolo del revés, el periodista podía tomarse impunemente muchas libertades en cuanto al contenido.
El tercer argumento ―y el más importante― esgrimido por Permanyer contra la autenticidad de la entrevista se basa en un examen de toda la obra de Xammar y Pla, que nunca volvieron a referirse a esta «entrevista», ni siquiera en sus textos autobiográficos. Según Permanyer, es difícil imaginar que alguien haya podido olvidar sin más un encuentro con Hitler, aunque fuera breve.
Resume pues Permanyer la cuestión: «En fin, una diablura inocente que cuadra con el perfil de Xammar, de Pla y también con el estilo de la época» (Permanyer 2000, p. 2).
Unos años más tarde, en 2009, el escritor Albert Sánchez Piñol, tampoco un desconocido en Alemania, retoma el caso en un breve artículo titulado «Mèrit i misteri» en el diario catalán Avui, en la estela de Permanyer. Como este, considera muy probable que la «entrevista a Hitler» sea una invención y que la «entrevista» nunca tuvo lugar, pero no quiere zanjar la cuestión.
Como Permanyer antes que él, duda de que Hitler hubiera podido encontrar tiempo para una entrevista el día del golpe de Estado del 8 de noviembre de 1923. Sospecha que el contenido de lo que tenemos ante nosotros podría proceder de rumores o de terceras personas cercanas a Hitler y no del propio Hitler. Los periodistas podrían haber añadido lo que se les ocurriera. También se refiere al hecho de que Hitler estaba en prisión en el momento de la publicación tras el fallido golpe de Estado. En otras palabras, Xammar tenía suficiente información, de fuentes diversas, para elaborar una entrevista con Hitler sin contar con Hitler.
En particular, Sánchez Piñol ve improbable que Hitler hubiera revelado a dos desconocidos algo que, por lo demás, evitó en la medida de lo posible: hacer una declaración pública precisa sobre su objetivo de exterminar a los judíos.11Sánchez Piñol también sospecha que las referencias a la historia de España en la «entrevista» son añadidos casi gratuitos de Xammar que no parecen corresponderse con los conocimientos de Hitler.12
Sánchez Piñol ofrece una explicación plausible para el silencio de Xammar, mantenido durante toda su vida, sobre la «entrevista a Hitler». Cuando Hitler llega realmente al poder en 1933, pasa de ser un bufón fracasado a convertirse en un respetable objeto de investigación histórica, de modo que incluso sus primeras declaraciones pasen a ser muy relevantes para la investigación sobre el nazismo y Hitler. Habría sido vergonzoso que se asociara a los periodistas con una entrevista ficticia.
Como en el caso de Permanyer, la conclusión vuelve a acudir al argumento «[es] típico de Pla y Xammar» y el breve artículo termina con una dosis de humor: «Vaya par. ¿Ves lo brillantes que eran? Incluso cuando la pifian, no se puede evitar hablar de ellos».13
También es interesante el artículo de Pla Barbero, filólogo y especialista en Josep Pla, que conoció los artículos de Permanyer y Sánchez Piñol y trató con detalle el estatus de la «entrevista» (Pla Barbero 2018, en línea). Sostiene que la «entrevista» de alguna manera existió, pero al mismo tiempo reconoce que el contenido de la «entrevista» publicada estaba totalmente al arbitrio de los periodistas. Escribe: «[Xammar y Pla] tenían todas las credenciales literarias necesarias para haber reescrito el recuerdo de su entrevista con Adolf Hitler, fuera como fuera este encuentro, fugaz, improvisado, predeterminado, exclusivo o con otros periodistas» (Pla Barbero 2018, en línea).
Pla Barbero demuestra así lo que le cuesta prescindir de la idea de que la «entrevista» existió de algún modo. Por ello, a diferencia de Permanyer y Sánchez Piñol, no interpreta el silencio sobre la «entrevista» como un indicio claro de que se trataba de una entrevista falsa. En cambio, se pregunta por qué los periodistas nunca volvieron a referirse a la «entrevista»: «quizás no se sintieron nunca muy orgullosos de ello. O temían que se les reprochara no haber detectado en el dictador al loco peligroso que ya era».
La discusión española sobre el asunto ofrece un resultado importante: afloran serias dudas de que la «entrevista» pudiera haber tenido lugar el 8 de noviembre de 2013, el día del golpe, como afirma Xammar. Sin embargo, no puede dudarse de que Xammar podría haber tenido suficiente conocimiento de diversas fuentes para inventar una «entrevista a Hitler». Otro argumento en contra de la autenticidad de la «entrevista» es que contiene declaraciones de Hitler que no parecen encajar con él, como la abierta referencia al exterminio de judíos ante dos extranjeros, o las declaraciones sobre la historia de España. El hecho de que Hitler estaba en la cárcel cuando se publicó la «entrevista» alimenta aún más la sospecha de que se puso en boca de Hitler, con desahogo, cosas que procedían de la imaginación de Xammar.
Por tanto, aun en caso de haber existido una reunión entre Xammar y Hitler, el contenido reproducido en el artículo del periodista sería fruto de una manipulación y falsificación, y, por lo tanto, completamente desechable como fuente histórica. Sería indistinguible lo que se debe a la imaginación de Xammar y lo que Hitler dijo realmente. Un argumento de peso a favor de que la «entrevista» fue inventada en su totalidad o en gran parte es el hecho de que después de que Hitler llegara al poder y se convirtiera en una figura histórica, los periodistas no volvieron a referirse a la «entrevista», nunca más en toda su vida.
4. Algunos aspectos complementarios desde el punto de vista de la crítica de fuentes
A la luz de las fuentes disponibles, la cuestión de qué dimensión tuvieron las supuestas reunión y entrevista merece ser analizada. Xammar afirma que se les concedió «una entrevista», pero ¿fue realmente una entrevista? En una entrevista, el entrevistado sabe que lo que diga se publicará en un determinado órgano de prensa. En una entrevista entre un corresponsal extranjero y un político, también cabe suponer que el político intenta deliberadamente decirle al periodista lo que quiere que se publique. Es muy diferente, por ejemplo, si el Hitler de la entrevista suponía que estaba concediendo una entrevista destinada a ser publicada en un periódico (catalán) o si pensaba que el encuentro era una conversación informal y privada con personas afines.
El propio título del artículo y la caracterización de Hitler como un «un necio monumental, magnífico y destinado a hacer una carrera brillantísima (De esto último él está aún más convencido que nosotros mismos)» (Xammar 2005, p. 204) dejan claro que este artículo no llegó a oídos de Hitler ni de ninguno de sus compañeros de armas. Xammar, que trabajó como corresponsal extranjero en Alemania hasta 1937, debió de sentirse aliviado de que los nazis, obviamente, nunca se enteraran de sus cáusticas valoraciones sobre Hitler. Eso podría haberle costado caro ante unas SA y una Gestapo vengativas y asesinas. Por esta razón, Xammar no tuvo ciertamente ninguna motivación para atraer atención hacia sus artículos sobre Hitler hasta 1945.
Una segunda cuestión ya ha sido abordada por los autores catalanes escépticos. ¿Hasta qué punto puede diferir lo publicado de lo realmente dicho y cómo afronta el historiador esta diferencia? Los autores españoles se preguntaron sobre todo qué había añadido Xammar como producto de su imaginación. Además, habría que preguntarse si Xammar recordaba todo correctamente cuando escribió su artículo. Sería preciso averiguar si la entrevista fue grabada de alguna forma o si la memoria y la capacidad de recordar del periodista fueron la única base de la reproducción. También habría que preguntarse hasta qué punto Xammar entendía el alemán (de Hitler) en aquella época, en 1923. El hecho de que tradujera el Dr. Faustus de Thomas Mann después de la Segunda Guerra Mundial no significa necesariamente que ya dominara perfectamente el alemán más de veinte años antes, en el otoño de 1923.
Hay otros detalles en el artículo que no cuadran. Se habla de una gorra, que Hitler no se quitó. Las fotos de la época, que circulan por internet y en publicaciones impresas, muestran a Hitler sin gorra o con un sombrero blando. La idea de que Hitler pudiera dar un taconazo marcial ante Xammar y Pla tampoco parece creíble. El placer de Hitler por reunirse con los españoles también parece inverosímil, incluso si se tiene en cuenta el hecho de que el dictador Primo der Rivera había llegado recientemente al poder en España. En la «entrevista» es esta alegría la que supuestamente motiva a Hitler a expresarse con especial franqueza.14 En cambio, inesperadamente, los italianos salen muy mal parados («todos judíos»), pese a que Hitler era apasionado admirador del fascismo italiano, lo usaba de modelo, y gustaba de encontrarse con Mussolini.15
En cuanto al contenido, la forma en que Hitler se refiere a la «mejor solución» en la «entrevista» no encaja con la argumentación habitual de Hitler en aquella época. En una época en la que Hitler se pronunciaba públicamente en contra de los pogromos y a favor de un «antisemitismo de la razón», el fanfarroneo sobre los pogromos no suena coherente.16 En este contexto, una comparación con el artículo de Josep Pla sobre la supuesta reunión con Hitler también resulta reveladora.
Ambos inventaron (o falsificaron) la «entrevista», cada uno a su manera. El artículo de Pla se publicó el 28 de noviembre de 1923, unos días después del de Xammar (reproducido en Xammar 2005, pp. 208-213). Es interesante observar que todo el exceso verbal sobre el exterminio de los judíos, que Xammar pone en boca de Hitler, no aparece en Pla. En otras palabras, el delirante fanatismo antisemita de Hitler, que está en el centro de lo publicado por Xammar, no desempeña ningún papel en lo escrito por Pla.
Otro detalle interesante es que Josep Pla (que no entiende alemán) habla de un monólogo en su versión y ni siquiera desea ofrecer la apariencia de una conversación con Hitler. Por otra parte, mientras Pla subraya en su artículo que Hitler quería una nueva guerra, este aspecto no aparece en el artículo de Xammar. En las versiones que ofrecen Pla y Xammar sobre la entrevista, la forma y el contenido son tan diferentes que la credibilidad de los relatos de ambos periodistas se resiente.
En cuanto al contenido, tampoco parece muy convincente la afirmación tajante que hace el «Hitler de la entrevista» cuando insiste en la expulsión masiva como método a elegir. Por un lado, el NSDAP no especificó qué métodos utilizaría para perseguir a los judíos hasta 1933. En segundo lugar, el programa de veinticinco puntos del NSDAP de 1920 ya incluía una combinación de medidas previstas: «privación de todos los derechos civiles, prohibición de ocupar cargos públicos y de ejercer la prensa para los judíos alemanes, su expulsión en caso de desempleo y la expulsión de la mayoría de los judíos inmigrantes» (Wikipedia: Solución final 2024). Los editores de la edición crítica del Mein Kampf consideran que el antisemitismo de Hitler en aquella época se caracterizaba por el rechazo de los pogromos, la lucha legal y la eliminación de los derechos de los judíos y, en última instancia, la expulsión total de los judíos (Institut für Zeitgeschichte 2022: Mein Kampf, volumen 1, capítulo 2, comentario 172). Tampoco aquí se mencionan explícitamente los medios que debían emplearse para alcanzar este objetivo, ya que no existía la correspondiente decisión.
En conjunto, la abundancia de pruebas tendentes a sugerir una falsificación es abrumadora. Sin embargo, el argumento más sólido en contra de la autenticidad de la entrevista es el hecho de que todavía no existe ningún documento o testimonio de un tercero que demuestre que la «entrevista» tuvo lugar realmente. O, dicho de otro modo: lo crucial no estriba en demostrar que la «entrevista» no tuvo lugar, sino en confirmar que la entrevista se realizó. En este sentido, se requiere una inversión de la carga de la prueba. Hay que buscar en las memorias de los empleados de VB, en los diarios y notas de colegas, amigos y familiares, en las notas de otros periodistas extranjeros que tuvieron trato con Xammar. Mientras no haya pruebas positivas de un encuentro correspondiente entre Xammar y Hitler, debe suponerse una entrevista ficticia.
5. Sobre el antisemitismo aniquilador en Alemania y en la «entrevista» de Xammar
A veces se afirma que Hitler dio a conocer su antisemitismo radical de forma inusualmente abierta en la «entrevista», como nunca lo había hecho antes. La presentación de la edición española aún hoy habla de una «turbadora entrevista» que Xammar (y Pla) realizaron al futuro dictador en 1923 y «en la que este ya prefigura el holocausto» (Acantilado 2024, en linea). El prefacio de la traducción alemana del libro también se refiere a la entrevista «en la que Hitler esbozó con toda franqueza sus planes para el exterminio de los judíos […]» (Berenberg 2007, p. 9).
Otros autores van incluso más lejos y encuentran en la «entrevista» referencias a los planes de exterminio de los judíos, al Holocausto y a la Solución Final. En un comentario de Arcadi Espada (2005) en El País, por ejemplo, se cita un pasaje de la «entrevista», que es interpretado como una anticipación del Holocausto. Espada lee la «entrevista» como si el asesinato masivo de los judíos fuera lo que Hitler propuso y ella constituyera en realidad el primer anuncio de la Solución Final.17
Situar el mundo de pensamiento de Hitler en el contexto del «antisemitismo de exterminio», como denomina Peter Schäfer al fenómeno (2000, pp. 229 y ss.), puede ayudar a categorizar mejor los pasajes relevantes de la «entrevista». El hecho es que en Alemania se generalizó un antisemitismo de exterminio desde principios del siglo xix, el cual se radicalizó aún más apoyándose en teoría racial en la segunda mitad del siglo xix. Los judíos no debían ser integrados, sino eliminados. Sería más moderno hablar del objetivo de la limpieza étnica por motivos raciales. Los medios para este fin se denominan destierro, reasentamiento, deportación (por ejemplo, a Madagascar como propuso de Lagarde en 1885), exterminio.
En este antisemitismo radical tradicional siempre anidaba una pregunta latente y una sorda amenaza referente a qué medios drásticos podrían usarse para deshacerse de los judíos, cómo podrían ser eliminados. Por esta razón, los documentos del antisemitismo aniquilacionista también contienen el «presagio» de una solución final. Dos ejemplos lo ilustran.
Christian Jansen ha analizado el Judenspiegel de Hartwig von Hundt-Radowsky de 1818. Consigue demostrar que los primeros elementos centrales del antisemitismo racista y eliminatorio ya estaban formulados, como ilustra la siguiente cita.
[Hundt propone] la esterilización de todos los judíos varones, una prueba más de su convicción racial acerca de la incorregibilidad de los judíos y de la modernidad de su programa de persecución genética. Se mostraba inflexible al afirmar que solo la eliminación completa de los judíos podría salvar a la sociedad mayoritaria: «Lo mejor, sin embargo, sería limpiar completamente el país de esa plaga, y para ello hay dos formas de hacerlo. O bien exterminarlos por completo, o bien expulsarlos […] del país. […] Lo preferible sería llevar a todos los judíos de Alemania […] a la frontera, de camino a la tierra prometida» (Jansen 2011, p. 32).
Alexander Bein, investigador del antisemitismo moderno, ve «el primer y más significativo intento de apuntalar científicamente el ahora emergente movimiento antisemita […] a través de la filosofía, la biología y la historia» en la obra La cuestión judía como asunto de raza, moral y cultura (1881) del filósofo y economista nacional berlinés Eugen Dühring (1833-1921). El argumento de los antisemitas de que la cuestión judía era cosa de raza y no de religión, y que por tanto convertirse al cristianismo no podía ser una solución, no era por lo tanto nada nuevo en 1923.
Presentar [la cuestión judía] como una cuestión de religión es, en opinión de Dühring, un engaño y una ofuscación deliberados. «Incluso si todos los judíos se convirtieran a las iglesias dominantes, como deseaban los liberales, la cuestión judía no dejaría de existir. Al contrario, solo aumentaría el peligro y la amenaza para el pueblo». Dühring está seguro de que se impondrá la evidencia de «cuán incompatible con nuestros mejores instintos es la implantación de las características de la raza judía en nuestro ser. Según ello, la cuestión judía pertenece menos al pasado que al futuro. […] Una vez que esta raza ha sido entendida a fondo», dice Dühring ofreciendo claras pistas para el futuro, «uno se fija desde el principio otra meta, para la cual el camino no puede allanarse sin los medios más poderosos. Los judíos son […] una Cartago interna, cuyo poder los pueblos modernos deben romper para no sufrir de él la destrucción de sus fundamentos morales y materiales» y en otro lugar escribe Dühring: «Lo judío […] no puede eliminarse de otro modo que no sea por la eliminación de los propios judíos» (Bein 1958, p. 347).
Bein concluye que «la era de Hitler en realidad no tenía nada que añadir a los teóricos del antisemitismo» (Bein 1958, p. 360).18 La novedad no está en el pensamiento, sino en el hecho de que con el NSDAP nace un partido político que se caracteriza por un antisemitismo extremo, más o menos claramente expresado y violentamente practicado, según las circunstancias.19
Un discurso del 6 de abril de 1920 muestra claramente a Hitler en esta tradición de formular, por un lado, la máxima amenaza posible, pero sin especificar los medios:
Nos inspira la determinación implacable de llegar a la raíz del mal y exterminarlo sin contemplaciones. Para lograr nuestro objetivo, cualquier medio debe ser aceptable para nosotros, incluso si tenemos que coaligarnos con el diablo (reimpreso en Jäckel/Kuhn 1986, documento 61, pp. 184-204).
Pero incluso el vocabulario ―«erradicar», «eliminar», «suprimir», «extirpar», «hacer inofensivo», «exterminar», «destruir» o incluso, como en la presente cita, «exterminar»―, asociado a la noción enfermedades, alimañas o parásitos, sigue formando parte del antisemitismo de exterminio tradicional.
Cuando Hitler habla en la «entrevista» de un «tumor canceroso que se puede extirpar», sigue fiel al lenguaje del viejo antisemitismo de exterminio. Nada se pone en boca o se atribuye al Hitler de la «entrevista» en términos de antisemitismo que no pudieran conocer ya quienes, como Xammar, estaban familiarizados con Hitler, sus declaraciones y apariciones en cervecerías o en el circo Krone, el programa del NSDAP, el horizonte mental del antisemitismo tradicional, ideológicamente adaptado por vía racial, y la situación de Múnich en 1923.
Así lo confirma una entrevista que Hitler concedió en octubre de 1923 al periodista George Sylvester Viereck de The American Monthly, según Domeier un «simpatizante nazi» (2021, p. 426).20 En dicha entrevista, Hitler afirma:
Los judíos no son alemanes. Son un pueblo extranjero entre nosotros y se manifiestan como tal. […] Somos como un tuberculoso que no se da cuenta de que está condenado si no expulsa los microbios de sus pulmones. Las naciones, como los individuos, tienden a bailar de forma más frenética cuando están al borde del abismo. Por eso, digo, necesitamos medidas correctivas violentas, una medicina fuerte, tal vez una amputación. […] Queremos purgarnos de los judíos, no porque sean judíos, sino porque tienen una influencia nociva (Jäckel/Kuhn 1986, documento 578, pp. 1023-1026; traducción, PRC).21
El sueño (o la pesadilla) de una solución final siempre está latente en el lenguaje del viejo antisemitismo de exterminio. Sin embargo, ni leyendo a Hundt, ni a Dühring, ni al «Hitler de la entrevista», puede deducirse una anticipación mental o un anuncio de lo que significó históricamente la Solución Final en el transcurso de la Segunda Guerra Mundial. Lo que los historiadores y el público entienden por Solución Final es el asesinato sistemático de todos los judíos europeos en todos los territorios bajo control del régimen nazi durante la Segunda Guerra Mundial. En este contexto, la Solución Final ha de entenderse como un eufemismo destinado a evitar hablar de asesinato masivo sistemáticamente planificado. La decisión política de asesinar sistemáticamente a todos los judíos europeos es fechada por los historiadores en otoño/invierno de 1941. Por lo tanto, situar la Solución Final, es decir, el Holocausto, en la mentalidad de 1923 es una proyección hacia atrás históricamente inaceptable.
6. La agenda de Hitler el 8 de noviembre de 1923, un día sin entrevistas
Los escépticos (entre ellos Jordi Amat 2019) dudan de que la «entrevista a Hitler» pudiera haber tenido lugar en la redacción del VB el día del putsch, el 8 de noviembre, como indica Xammar. En cualquier caso, la reconstrucción de la agenda de Hitler el 8 de noviembre de 1923 sugiere que la «entrevista» no tuvo lugar, ni en ese lugar ni ese día.22 Todavía no hay pruebas factuales que apoyen otra alternativa: que la entrevista con Hitler pudiera haberse efectuado en otro día y lugar.
La decisión de dar un golpe de Estado el 8 de noviembre de 1923 no se tomó hasta las ocho de la tarde del día anterior, el 7 de noviembre de 1923. El escaso tiempo de preparación aumentó inevitablemente la presión temporal y redujo las posibilidades de éxito del plan. Por lo tanto, el número de acciones que había que planificar, organizar y poner en marcha en un plazo mínimo era considerable. Esto incluía determinar el curso exacto de los acontecimientos, involucrar y fichar a los co-conspiradores, organizar las tropas de la Kampfbund y proporcionar apoyo propagandístico a través de agitadores y oradores, publicar un número especial de la VB, imprimir octavillas y carteles.
Después de medianoche, hacia la una de la madrugada del 8 de noviembre de 1923, Hitler parece haberse reunido con Hermann Esser (redactor del VB en 1920, jefe de propaganda del NSDAP en el Reich de 1923 a 1925) en su piso de Thierschstrasse 41. Por la mañana, a las diez, Hitler habría convocado a Rudolf Hess en su piso para explicarle sus cometidos en la ejecución del golpe (Wien 2023, p. 268). No está claro si Hitler pudo entrevistarse seguidamente con Hermann Esser, «que guardaba cama por ictericia» (Görtemaker 2023, p. 144), como defiende un biógrafo de Hess.23 Lo que es indiscutible es que Hitler fue llevado por su conductor esa mañana a la residencia privada de Ernst Pöhner y mantuvo con él una conversación de una hora. Al antiguo jefe de policía de Múnich se le ofreció el cargo de primer ministro tras el putsch. Pöhner aceptó.
Hitler no apareció por la redacción del VB hasta alrededor del mediodía, como describe Volker Ullrich: «A la hora de comer, Hitler, pálido de excitación, fusta en mano, irrumpió en la redacción del Völkischer Beobachter y declaró al sorprendido redactor jefe Alfred Rosenberg y a Ernst Hanfstaengl, que también estaba presente, que se había decidido a dar el golpe de Estado» (Ullrich 2022, p. 199). En la redacción del VB se pusieron entonces en marcha los preparativos periodísticos y propagandísticos para respaldar el golpe y la esperada toma del poder por Hitler. Como el golpe planeado seguía siendo un secreto, la redacción de la VB habría tenido cuidado a partir de ese momento de no permitir el acceso a la redacción a personas desconocidas.24
Ernst Hanfstaengl, un germano-estadounidense admirador de Hitler, que por entonces hacía las veces de portavoz de prensa extranjera del NSDAP, se puso en contacto con los periodistas estadounidenses Larry Rue (Chicago Tribune) y H. R. Knickerbocker (Conradi 2007, p. 86) y al parecer también facilitó a otros corresponsales extranjeros información avisando de que merecía la pena ir al Bürgerbräukeller por la tarde.
Lo que hizo Hitler en la tarde del 8 de noviembre y cuál fue su paradero no es algo que pueda reconstruirse a la ligera. Una nota de Hanfstaengl, que deseaba urgentemente comunicarse con Hitler por la tarde, dice: «No se pudo localizar a Hitler en ningún sitio. Se dijo que estaba en el mando de la división con el capitán Dietl para deliberaciones de peso» (Hanfstaengl 1970, p. 131).25 Si Hitler hubiera estado en las habitaciones del VB por la tarde, Hanfstaengl no habría permanecido ajeno a ello. Con qué otras personas y en qué lugares se reunió Hitler esa tarde puede quedar de momento en el aire. En cualquier caso, parece seguro que no hubo reuniones en las salas del VB donde Xammar afirma haber entrevistado a Hitler.26
Alrededor de las 18 horas, Hitler se encontraba en el Alto Mando de las SA en la Schellingstrasse, donde esperaba a Max Erwin Scheubner-Richter. A las 19 horas Hitler «visitó de nuevo la redacción del Völkischer Beobachter y el Alto Mando de las SA en la Schellingstrasse. Hitler invitó a Rosenberg a ir con él al Bürgerbräu. Hitler se sentó junto al conductor en la parte delantera, su guardaespaldas Graf con Rosenberg en la parte trasera» (Wien 2023, p. 283). Hitler y Rosenberg llegaron al Bürgerbräu poco después de las 20.00 horas (ibid., p. 283).
De la lectura de la literatura secundaria consultada se puede concluir que Hitler apareció solo una vez, visiblemente alterado, en el VB, sobre el mediodía, para informar a personas selectas sobre los planes del putsch, pero que ese día no había estado previamente en la redacción. Probablemente tampoco estuvo en el VB por la tarde, pues Hanfstaengl, que lo estaba buscando, se hubiera percatado de ello. Parece además bien poco probable una entrevista con visitantes extranjeros desconocidos en las salas del VB en la tarde del 8 de noviembre de 1923, debido a los complejos requisitos de organización y comunicación de los preparativos del golpe, el ritmo frenético y la tensión asociados, así como las obligaciones de secreto y seguridad. Al final de la tarde Hitler acude al VB con su chófer, su guardaespaldas y Rosenberg poco antes de partir hacia el Bürgerbräu.
Que Hitler se hubiera tomado un tiempo considerable en estas circunstancias para que dos españoles que le eran desconocidos escucharan sus puntos de vista sobre la cuestión judía, así como sus ideas de política económica,27 es altamente improbable, al igual que es improbable que tal entrevista hubiera pasado desapercibida y nadie la hubiera considerado digna de ser grabada o recordada. Ni Ernst Hanfstaengl, el «enlace con la prensa extranjera» (Hanfstaengl 1970, p. 135), que dedicó varias páginas de sus memorias a los acontecimientos del día de la intentona golpista, ni el diario de Paula Schlier, que trabajaba como secretaria en la redacción del VB, contienen referencia alguna a la entrevista o a los periodistas españoles. Sin duda, ambos habrían considerado notable una entrevista concedida por Hitler el día del golpe.
7. La «entrevista a Hitler» como fuente para la investigación sobre nazismo en Alemania
Una traducción al alemán del artículo de Xammar que contiene la «entrevista a Hitler», fue publicada por primera vez en 2007 por la editorial Berenberg como parte de la colección de artículos titulada Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922-1924 (Xammar 2007, pp. 145-148).
En un principio no se suscitaron sospechas sobre la autenticidad de la entrevista descrita. Ni había motivos para ello. Y es que la propia introducción editorial a las ediciones catalana y castellana (González Prada 2005, p. 10) no dudaba en ningún momento de que esa entrevista hubiera tenido lugar realmente. Como ya se ha señalado, en el prefacio de la traducción alemana del libro se afirma que a Xammar y Pla «se les concedió una entrevista exclusiva» en la que «Hitler expuso sus planes para el exterminio de los judíos […] con toda franqueza» (Berenberg 2007, p. 9).
El libro en su conjunto fue, con razón, muy bien recibido por periodistas e historiadores alemanes. Y así se inicia la andadura de la «entrevista» en tanto que fuente relevante para la investigación sobre Hitler. A partir de las observaciones introductorias del editor, que nadie puso en tela de juicio, una interpretación se impuso entre los autores de las reseñas. No cabía duda de que la «entrevista» tuvo lugar realmente el 8 de noviembre de 1923.
Christian Welzbacher (Süddeutsche Zeitung, 9 de octubre de 2007) se suma a la conversación sobre una entrevista exclusiva y habla de un «momento periodístico estelar», y Volker Ullrich de «una de las escasas entrevistas que un corresponsal extranjero pudo mantener con Hitler en aquella época, pocas horas antes del intento de golpe de Estado» (Die Zeit, 4 de octubre de 2007). El historiador Ernst Piper (Tagesspiegel 07.01.2008) deduce del texto que Hitler «parloteaba abiertamente sobre sus planes de exterminio de los judíos». La lectura que hace Wera Reusch (Deutschlandfunk 4.10.2007) la lleva a considerar que Hitler explicó en aquella ocasión su programa político con total franqueza y, entre otras cosas, anunció el exterminio de los judíos. Sin embargo, una lectura atenta de la «entrevista a Hitler», como ya se ha argumentado anteriormente, muestra que no puede concluirse que allí se revelaran los planes de Hitler para el exterminio de los judíos.
En 2014, la historiadora Edith Raim analizó en detalle la «entrevista a Hitler». Aspiraba a usar la entrevista para «redefinir el papel del antisemitismo de Hitler en relación con el sorprendente contraste entre la palabra hablada y la escrita» (Raim 2014, p. 53). Podría la entrevista ofrecer evidencias de que Hitler expresaba su antisemitismo de forma más contundente en el discurso oral que en el escrito. Por último, la «entrevista» adquiere su consagración entre los historiadores al ser utilizada como fuente en la edición crítica de Mein Kampf (Institut für Zeitgeschichte 2022, nota 172, en línea). Los historiadores Domeier (2021) y Dipper (2022), por citar dos ejemplos, ya utilizan la «entrevista» en sus obras de forma habitual como fuente plenamente establecida, que no suscita sospechas.
Las reseñas muestran el asombroso poder de los «paratextos», en particular el encuadre mediante prefacios e introducciones. El «encuadre» por parte de editores competentes genera confianza y reduce el posible escepticismo y las dudas sobre la autenticidad de la entrevista. Por eso no es de extrañar que las reseñas de los diarios se basen en lo que queda sentado en los prefacios.28
Por supuesto, se habría esperado un tratamiento más crítico de las fuentes por parte de los historiadores, que tienen que preguntarse qué valor tiene la entrevista como fuente histórica. Independientemente de si la reunión y la entrevista tuvieron lugar realmente o no, una crítica en profundidad de las fuentes podría haber llevado a darse cuenta de que el valor de la entrevista como fuente histórica es extremadamente cuestionable. Los argumentos críticos más importantes contra la autenticidad de la entrevista ya se han mencionado anteriormente.
Una cuestión específica de crítica de fuentes se plantea en relación con la traducción de la que partieron los revisores e historiadores alemanes. Desde este punto de vista, es interesante la traducción del español «eliminar» como «aniquilar». En catalán y castellano, «eliminar» puede significar tanto «retirar, quitar de enmedio» como «aniquilar, exterminar». Dado que Hitler utilizó la frase «quitar de enmedio a los judíos» varias veces, «retirar» también habría sido una traducción posible y plausible en el contexto de la entrevista. Ello sería semánticamente compatible con una expulsión masiva, mientras que si elegimos la traducción en su acepción extrema (exterminar), implica matar y asesinar.
Las dudas sobre la autenticidad de la entrevista sólo se plantearon tardíamente en Alemania, y no por parte del gremio de historiadores. En 2022, Frank Henseleit, redactor, traductor y editor de las obras de Manuel Chaves Nogales, habla de la «entrevista a Hitler» de 1923 (Henseleit 2022, p. 30). Lo hace en el contexto de su introducción al volumen Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes, una recopilación de reportajes de Chaves Nogales desde Alemania en abril y mayo de 1933 para el periódico Ahora29. Utiliza una especie de digresión titulada «Eugeni Xammar y Josep Pla inventan una “entrevista” con Adolf Hitler: una farsa». En esta digresión, acusa a Xammar (y a Pla) de «fraude» en lo tocante a la «entrevista a Hitler» y a la editorial alemana de «dudosa práctica editorial» porque «no investigó el fraude periodístico a pesar de las repetidas referencias» (ibid. p. 35).
Henseleit ve el contenido esencial de la «entrevista» en «el anuncio de Hitler de que quería exterminar a los judíos como programa político prioritario» (ibid., p. 31). Dado que estas declaraciones fueron puestas en boca del «Hitler de la entrevista» por Xammar, Henseleit se pregunta por la motivación subyacente de Xammar. En su opinión, la «entrevista a Hitler» atestigua «un profundo antisemitismo en parte de la élite española y catalana» (ibid.., p. 32). «Las fantasías de Xammar sobre cómo resolver el “problema” […] surgieron de forma bastante obvia de un profundo antisemitismo…». (ibid., p. 33). Pero no hay justificación ni pruebas de que el artículo de Xammar del 24 de noviembre de 1923 exprese, no el antisemitismo de Hitler, sino el de Xammar y el de ciertas élites españolas.
Cabe señalar que Henseleit ha llevado el debate sobre la autenticidad de la entrevista al ámbito germanoparlante, y también coincide en señalar que en la discusión catalana y española es difícil liberarse de la idea de que la «entrevista a Hitler» existió de alguna manera (Henseleit 2022, p. 30s.).
8. Un artículo perfecto sobre el golpe de Hitler, escrito por alguien que no estuvo allí
El relato de Xammar sobre el golpe en el Bürgerbräukeller ha sido ampliamente elogiado en la prensa alemana. Ofrecemos algunos ejemplos: el editor y autor de la introducción, Heinrich von Berenberg (2007), fija el tono: «Ha producido algunas de las mejores y más sarcásticas páginas jamás escritas sobre el golpe de Hitler en Múnich en noviembre de 1923. Casi se podría pensar que Lion Feuchtwanger lo había estudiado antes de escribir su novela política clave Éxito» (2007, p. 9).
Paul Stänner (2008) opina en Deutschlandfunk: «Xammar ve los acontecimientos en Alemania, país que recorrió extensamente, como un espectador teatral que contempla un drama o como alguien que va al cine a ver una película: Hitler como actor en una de vaqueros; la crónica de este golpe de estado entre los vapores de cerveza y los humos de tabaco del Bürgerbräukeller ofrece una descripción encantadoramente cómica de una farsa macabra. Xammar sabía con quién estaba tratando, había entrevistado a Hitler poco antes».
Volker Ullrich (Die Zeit) aprecia en la crónica de Xammar «una de las descripciones más reveladoras de este acontecimiento, que oscila entre la seriedad sangrienta y lo grotesco» (Ullrich 2007). Andreas Mix (Berlíner Zeitung) sintetiza así: «con este reportaje grandilocuente, Xammar caracteriza el golpe de Estado de Hitler como una travesura de aficionados a cargo de pequeños burgueses fanfarrones: un espectáculo hecho de espesa alegría cervecera y grandes gestos» (Mix 2007). Ernst Piper (Tagesspiegel) descubre «un análisis claro de los acontecimientos que expone el intento de putsch en toda su ridiculez» (Piper 2008).
El núcleo decisivo en la presente discusión es el universalmente asumido testimonio presencial de Xammar, que aquí cuestionamos. Si se lee la obra estándar sobre el putsch de Hitler de 1923 de Harold J. Gordon jr. (1971, pp. 256-261), se aprecian claras divergencias con respecto a la versión de Xammar no solo en los detalles, sino también en el curso general de los acontecimientos en el Bürgerbräukeller. Como Xammar escribía para un público español, la exactitud puede haber sido menos importante para él que la exageración y la simplificación efectista, independientemente de si estuvo allí o no.
Lo especial de la descripción que hace Xammar del golpe no constituye el valor principal de su relato, como tampoco la exactitud de lo que describe. El mérito más destacable radica en sus extraordinarias dotes estilísticas, que incluyen la autoironía y el sarcasmo (véase la cita de la sección 1.4). Al principio del artículo sobre el golpe, Xammar escribe con autoironía (consciente de que no estuvo allí):
Elaborar una relación de los hechos que permita al lector hacerse cargo, sin haber estado allí, de lo que ha sido este golpe de Estado de Baviera, reconocemos que es tarea superior a nuestras fuerzas. Lo vamos a intentar, de todos modos, porque ésta es la forma que tenemos de ganarnos la vida y no nos queda otro remedio (Xammar 2005, p. 187).
La prueba de que él mismo no estuvo allí la proporciona un pasaje de sus memorias, grabado en 1974/75, que no puede ser más claro:
Aquella tarde, Josep Pla y yo saciábamos la sed en el Franziskaner Bräu. […] Ya he dicho, ¿no?, que aquella tarde en que Josep Pla y yo nos quitábamos la sed en el Franziskaner Bräu, en otra bodega muniquesa ―la Hofbräu, si no me equivoco― estaban ocurriendo grandes cosas. De corta duración, pero grandes. Para ser exactos, un golpe de Estado organizado por una variopinta colección de grupos y facciones de derechas, tanto autorizados públicamente como clandestinos, encabezados por tres grandes personalidades: el general Ludendorff, primer adjunto del mariscal von Hindenburg durante la guerra, el jefe del gobierno bávaro von Kahr y la joven estrella del delirante patriotismo germánico, Adolf Hitler. Cuando Josep Pla y yo nos acostamos en la noche más bien fría del 9 de noviembre, ni él ni yo teníamos idea de que aquella noche sería histórica. Y, como leímos en los periódicos al día siguiente, de forma espectacular (Xammar 1991, pp. 265 y ss., traducción PRC).30
De hecho, el curso del intento de golpe se conoció con bastante detalle a través de diversas declaraciones de von Kahr, que constituyeron la base de muchos reportajes periodísticos (Bischl 2023). Poco después de frustrar el golpe, parte de la prensa alemana también reconoció el carácter chapucero y grotesco del acontecimiento y lo explotó. El 10 de noviembre de 1923, Ernst Feder puso el título «El fin de la carnavalada» a un suelto en el Berliner Tageblatt, y la noticia se conoció también en América. Larry Rue, que realmente estuvo presente, escribió sobre los acontecimientos en el Chicago Tribune del 11 de noviembre bajo el título «Tribune Man Gives First Eyewitness Story of Ludendorff’s Ill-fated Bavarian Coup». El artículo también inventa el término «opera bouffe revolt» para referirse al intento de golpe.31
Por lo tanto, Xammar aún tuvo tiempo de hacer consultas, reunirse con colegas, leer periódicos alemanes e internacionales y trabajar en su artículo, que se publicó el 17 de noviembre de 1923 en el periódico catalán La Veu de Catalunya con el título «El golpe de estado como espectáculo» (2005, pp. 187-192.).
9 Consideraciones finales
En esta contribución al debate, hemos presentado argumentos en defensa de la opinión de que esta «entrevista», no confirmada por nadie ―ni por el propio Xammar ni por nadie más―, nunca tuvo lugar. Consideramos necesario invertir la carga de la prueba. No es necesario probar que la entrevista no tuvo lugar, sino que deben encontrarse pruebas positivas que demuestren, en su caso, que la entrevista en cuestión sí tuvo lugar. Mientras no existan tales pruebas, hay que suponer que la entrevista es una invención literaria.
Los historiadores deberían renunciar a la entrevista como fuente fiable. Hay cierta paradoja en el hecho de que Eugeni Xammar probablemente nunca habló de su entrevista inventada para no quedar como un falsario ante el gremio de historiadores y el público. Este silencio, sin embargo, hizo posible que la «entrevista» fuera considerada auténtica y utilizada como fuente histórica cuando fue redescubierta y reeditada.
Otro resultado importante de la discusión aquí presentada es que, aun si surgieran pruebas de una conversación entre Xammar y Hitler, la «entrevista a Hitler» no pasaría a ser una fuente históricamente fiable. Porque es más que obvio que los comentarios de Hitler en esta «entrevista» dependen decisivamente de la imaginación literaria de Xammar.
La extraordinaria influencia de los prólogos e introducciones de editores y redactores de renombre en la percepción e interpretación de los textos en las reseñas pertinentes resulta ser asombrosa. La fiabilidad y reputación de estas autoridades han impedido que se plantearan preguntas escépticas y se acometiera la imprescindible crítica de fuentes.
Un ejemplo que pone especialmente de manifiesto este problema es la interpretación de los pasajes sobre la cuestión judía en la «entrevista». Los editores y redactores han marcado la pauta. Se quisieron adivinar evidencias de los planes de Hitler para exterminar a los judíos e incluso se prefiguró el Holocausto y la Solución Final. Algunos incluso consideran que el texto es profético en este sentido.
Pero el texto, leído con atención, no permite tales interpretaciones. Proyecciones retrospectivas tras la catástrofe conducen a falsas interpretaciones científicamente inadmisibles. Estas interpretaciones también ignoran y distorsionan la evidente intención de Xammar. No pretendía profetizar nada, sino presentar a Hitler y su antisemitismo fanático como espantosos y al mismo tiempo como francamente ridículos y grotescos.
Una falsificación es una falsificación. De acuerdo con ello, Xammar no puede ser exonerado de la acusación de haber violado la ética profesional periodística. De otro orden es la cuestión del daño que Xammar pueda haber causado con su falsa entrevista. El perjuicio causado a sus lectores es probablemente insignificante. Del lado positivo, Xammar demostró drásticamente a sus lectores el antisemitismo radical y eliminatorio de Hitler, pero también les proporcionó un conocimiento detallado de la Baviera antisemita cuando informó sobre la expulsión de los judíos orientales en Baviera o sobre el conflicto del NSDAP con la Iglesia católica en la persona del cardenal Michael von Faulhaber.
El valor principal de los reportajes de Xammar desde Alemania, según nuestra interpretación, estribaba no en su factualidad (que a menudo era deficiente), sino en su conocimiento excepcionalmente bueno de la situación alemana y su estilo inconfundible y ameno, que se unían para formar una forma específica de infoentretenimiento.
En aras a una evaluación ponderada, que no solo aplique los estándares actuales al pasado, habría que incluir también las condiciones de contorno características de la «industria periodística española y sus estilos de redacción» en el marco de una crítica de fuentes extendida, «a fin de comprender los contextos en los que se escribieron los artículos» (Welzbacher 2007).
Merece la pena recordar la apreciación de Permanyer de que una entrevista ficticia era por entonces totalmente acorde con el carácter de Xammar y Pla y con el estilo de la época. La referencia al estilo de la época es interesante porque podría significar que (ya) entonces, en los años veinte, era más importante ofrecer una buena historia que una que se ciñera estrictamente a los hechos y en la que fuera esencial haber estado allí.
Una buena historia significaba contar al lector algo emocionante desde una perspectiva en primera persona. Para ello era útil la garantía explícita de que el reportero era un testigo presencial. Esto puede verse también, por ejemplo, en el caso del periodista y reportero estrella Manuel Chaves Nogales, aureolado como ningún otro por el prestigio de ser el «hombre que estuvo allí». En su reportaje sobre la defensa de Madrid durante la guerra civil, dice estar presente en Madrid como autor, pero como persona es demostrable que estuvo en Valencia durante aquellos días (Morató 2023, p. 20).
Xammar no pudo defraudar las expectativas de los lectores de la época en cuanto a la exigencia de que el autor estuviera allí e informara de experiencias vividas. Sus artículos, ambientados en el día del golpe hitleriano del 8 de noviembre de 1923, habrían resultado frustrantes y aburridos si se hubieran limitado a ser una recopilación de lo que había leído y de lo que había averiguado a través de conversaciones. La «entrevista» también podría haberse reconstruido y presentado como un relato del antisemitismo radical y fanático de Adolf Hitler a partir de discursos, documentos y conversaciones con nazis. Pero ello no era una opción atrayente. Frente a un Adolf Hitler indefenso en la cárcel, Xammar se arriesgó a intentar sacar adelante una entrevista ficticia a modo de esperpento que sacara chispas de un tema que en aquel momento solo interesaba moderadamente (estando el NSDAP ilegalizado e Hitler en la cárcel).
Se entiendan como se entiendan, los artículos de Xammar del 8 de noviembre de 1923 siguen inspirándonos hoy en día para reflexionar sobre las falsificaciones, la verdad literaria y la crítica rigurosa de las fuentes.
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[1] La Veu de Catalunya era el portavoz catalán del partido nacionalista catalán conservador burgués Lliga Regionalista, dirigido por Francesc Cambó. Además de los dos artículos periodísticos mencionados, Xammar también publicó, sobre el putsch de Hitler, el artículo «Von Kahr explica el golpe de estado de Múnich» (ibid., pp. 200-203) el 23 de noviembre de 1923. Más de un mes antes, el 9 de octubre de 1923, ya había presentado en el mismo periódico una breve y cáustica caracterización de Hitler, basada en una fotografía (ibid., pp. 168-169). Las citas de los artículos se retoman en la traducción de Ana Prieto Nadal (Xammar 2007).
[2] Políticamente, cabe destacar que la censura establecida por Primo de Rivera (13.9.1923-28.1.1930) intervino en en el texto de Xammar del 24 de noviembre tachando tres líneas de una columna. Una y otra vez se ha conjeturado que la supresión afectaba a un pasaje sobre la expulsión de los judíos de España. Otro motivo de cábalas es el hecho de que Xammar dejara de escribir para La Veu de Catalunya por un tiempo, tras el 24 de noviembre, lo cual ha sido puesto en relación, sin pruebas pero sin titubeos, con el artículo censurado que, según se dice, le costó el puesto (González Prada 1998, von Berenberg 2007, Henseleit 2022). Por cierto, el artículo apareció cuatro días después, en castellano, (sin los pasajes tachados y, por supuesto, sin el texto desconocido previamente redactado para La Veu de Catalunya) en La Correspondencia de Valencia (Xammar 1923, en línea), periódico que en aquel momento representaba la posición de los regionalistas valencianos próximos a Francesc Cambó. Sobre la valoración política de los acontecimientos en el seno de la Lliga Regionalista y sus órganos de prensa, hay que señalar que muchos catalanistas conservadores de la Lliga, aunque no todos, acogieron favorablemente la dictadura de Primo de Rivera, al menos en un primer momento (Smith 2010). Ello llevó a una virtual escisión dentro de La Correspondencia de Valencia, con algunos opositores a la dictadura que abandonaron la redacción (entrada «La Correspondencia de Valencia» en Enciclopèdia.cat 2024, en línea).
[3] Cabe añadir en este punto que el posteriormente célebre periodista y escritor Josep Pla publicó un artículo titulado «Cosas de Baviera: Hitler (monólogo)» en el diario catalán La Publicitat unos días más tarde que Xammar, concretamente el 28 de noviembre. El contenido de este artículo se supone también inspirado en el encuentro con Hitler (Xammar 2005, pp. 208-213). «El monólogo de Hitler» debe considerarse tan ficticio como la «Entrevista a Hitler». Por cierto, no cabe duda de que el alemán era una lengua del todo ajena para Pla.
[4] En 1998, se publicaron de nuevo los artículos de Xammar de los años 1922-1924 en catalán con el título L’ou de la serp (Xammar 1998). En 2005 se tradujeron al castellano (El huevo de la serpiente, Xammar 2005). Una traducción al alemán de la colección de ensayos titulada Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922-1924 [El huevo de la serpiente. Informes desde la Alemania de los años de la inflación, 1922-1924] fue publicada por Berenberg Verlag (Xammar 2007). Los artículos escritos para Ahora en los años treinta han aparecido en 2005 con el título Crónicas desde Berlín (1930-1936).
[5] Los artículos disponibles en línea de Charo González Prada (1998) y Jordi Amat (2019) ofrecen una breve información sobre la figura de Xammar, al igual que la excelente introducción de Charo González Prada (2005) a las Crónicas desde Berlín.
[6] A Xammar lo describe Josep Pla como «terrible devorador de diarios» (cit. González Prada 2005, p. 18).
[7] La Deutscher Kampfbund [liga alemana de combatientes], una coalición de organizaciones paramilitares, incluía a las SA (Hermann Göring), la Bund Reichsflagge [liga de la bandera imperial] (Adolf Heiß) y la Bund Oberland [liga del Oberland] (Friedrich Weber). El líder militar de la Kampfbund era el teniente coronel retirado Hermann Kriebel (1878-1941), mientras que Max Erwin von Scheubner-Richter (1884-1923) ocupaba el cargo de director gerente. Adolf Hitler asumió la dirección política de la Kampfbund el 25 de septiembre de 1923 (Zelnhefer 2024).
[8] Tanto la versión en catalán del artículo como la publicada en castellano están disponibles en línea (véase en la bibliografía: Xammar 1923).
[9] La historiadora Edith Raim, que asume la autenticidad de la «entrevista», confirma sin querer la impresión de que se trata de un montaje. De la «entrevista» deduce que el 8 de noviembre de 1923 Hitler se dirigió a los periodistas catalanes de forma «ordenada y locuaz» y especula con la posibilidad de que se sintiera «animado a hablar abiertamente por la perspectiva de la proyectada “toma del poder” a través del golpe» y que el lenguaje inusualmente claro pudiera estar relacionado con el hecho de que reconociera «espíritus afines» en los españoles, que se declaraban partidarios del dictador Primo de Rivera (Raim 2014, pp. 58-60).
[10] Estos tres autores examinaron explícitamente la cuestión de la autenticidad de la entrevista. Las dudas sobre el carácter genuino de esta también emergen como comentarios colaterales de otros autores, como el ya mencionado Jordi Amat (2019). El historiador e investigador de medios de comunicación Guillamet Lloveras escribe: «Una hipòtesi versemblant és que es tracti d’una entrevista fictícia» (2022, p. 16 ss.). El historiador Josep Maria Fradera (citado en Nopca 2023, en línea) afirma: «es lícito preguntarse si la famosa entrevista se produjo o no».
[11] De hecho, es improbable que Hitler accediera a revelar nada nuevo a dos desconocidos. No obstante, contrariamente a lo que sugiere Sánchez Piñol, según la opinión que desarrollaremos más adelante (véase la sección 5 para más detalles), la «entrevista» no ofrece datos nuevos sobre el exterminio de los judíos, sino que se nutre de generalidades, bien conocidas, del entorno antisemita.
[12] Es difícil juzgar hasta qué punto Hitler conocía la historia española. Al menos merece la pena mencionar que en «Mein Kampf» no se ocupa de la expulsión de los judíos por parte de los Reyes Católicos. En otro lugar presenta al dictador español Primo de Rivera como una especie de Mussolini: «Un general catalán marchó contra Madrid, primero con una brigada, pero luego con una división, y finalmente todo el país se puso a sus pies. Cuando se pone en marcha, todavía no está ganada toda España, Madrid no es España, pero está ganada» (Jäckl/Kuhn 1986, p. 1116 (28 de febrero de 1924, el tercer día de instrucción en el juicio Hitler-Ludendorff).
[13] En el original: «Quin parell. Veuen com eren uns genis? Fins i tot quan l’espifien no pots no parlar d’ells».
[14] Alfred Rosenberg, a la sazón redactor jefe del VB, estaba manifiestamente muy interesado por la recién instaurada dictadura española, como demuestra una anotación del diario de Paula Schlier. Schlier era periodista de tendencia socialdemócrata. Se hizo emplear por el VB como secretaria con el fin de obtener encubiertamente información sobre el NSDAP. Anota en su diario que el 28 de octubre de 1923, un partidario español de Primo de Rivera acudió a la redacción y mantuvo una enjundiosa conversación con Rosenberg: «Hoy ha estado aquí un español, un revolucionario fanático, que ha traído noticias del vuelco político en su patria. Fue recibido como un príncipe y se sentó en la habitación del redactor jefe. R. me había mandado llamar para que ayudara a taquigrafiar lo más sustancial del relato del español. […] Durante el relato de este, me pareció que el redactor jefe se sentía cada vez más boyante y animado. Se levantó y estrechó la mano del español. Su ironía se había desvanecido. No llegó a decir: “la revolución de España será un incentivo para nosotros”; pero se le leía en la mirada que dirigió a los ojos del extranjero mientras lo acompañaba a la puerta» (Schlier 2018, ebook, p. 85).
[15] Las notas de Leo Lania son interesantes en este contexto. También en octubre de 1923, este periodista políticamente de izquierdas, que hablaba un excelente italiano, se había presentado de incógnito en la redacción del VB con una carta de recomendación falsificada del hermano de Mussolini como «enlace entre el partido fascista y el “movimiento hermano alemán”» (Lania 1954, p. 227). Recibió un trato excelente, se le asignó un intérprete, mantuvo conversaciones con Hitler y otros peces gordos nazis antes de ser desenmascarado al cabo de ocho días y lograr salir con vida a duras penas. Su experiencia demuestra el gran interés de los nacionalsocialistas por los contactos con los fascistas italianos. Basándose en sus encuentros con Hitler, escribió: «Su convicción [la de Hitler] de su misión y su grandeza era absolutamente genuina. En este sentido era franco. También en su antisemitismo» (1954, p. 227). Lania comprendió asimismo que Hitler reunía entre sus objetivos la futura conquista del poder con la militarización de Alemania y una nueva guerra. Poco tiempo después, Lania escribió sobre sus aventuras y hallazgos en el Vossische Zeitung.
[16] El rechazo de los pogromos se encuentra explícitamente en los siguientes documentos: (1) Jäckel/Kuhn 1986, documento nº 61: Múnich, 16 de septiembre de 1919: Carta a Adolf Gemlich = dictamen pericial sobre antisemitismo elaborado por encargo de sus superiores militares, pp. 88-90 y ss. (2) Jäckel/Kuhn 1986, documento nº 91: Múnich, 6 de abril de 1920: Contribución al debate en una reunión del NSDAP, pp. 119 ss. (3) Jäckel/Kuhn 1986, documento nº 136: Múnich, 13 de agosto de 1920: Discurso en una reunión del NSDAP, «¿Por qué somos antisemitas?», pp. 184-204.
[17] Y en caso de que Xammar se hubiera inventado la «entrevista», según añade Espada, entonces el periodista habría predicho proféticamente la solución final. Pero esta opinión no se ve respaldada por el texto, ni por la intención de Xammar. Xammar no quería cuchichear sobre un futuro sombrío, sino, según el punto de vista aquí propuesto, hacer ver a sus lectores que las opiniones de Hitler sobre el problema judío eran, ciertamente espantosas, pero también «divertidísimas» (Xammar 2005, p. 208) y que no había que tomar en serio a Hitler.
[18] Roman Töppel, investigador de los antisemitas contemporáneos que influyeron de forma particular en el pensamiento racial de Hitler, nombra a Richard Wagner, Houston Stewart Chamberlain, Julius Langbehn, Heinrich Claß, Theodor Fritsch, Erwin Baur, Eugen Fischer, Fritz Lenz, así como a Paul Bang, Dietrich Eckart, Otto Hauser, Hans F. K. Günther y Alfred Rosenberg (Töppel 2016, p. 31).
[19] Töppel también señala (2016, p. 21) que «judío» y «judaico» acabaron convirtiéndose en claves de todo aquello contra lo que luchaban los nacionalsocialistas. Y, en efecto, citas en que se asocia judaísmo con marxismo, pacifismo y democracia se encuentran con frecuencia. He aquí un ejemplo: «Alemania solo podrá vivir si se barre con escoba de hierro la pocilga de la corrupción judía, la hipocresía democrática y el fraude socialista» (Völkischer Beobachter, 15 de mayo de 1921, reimpreso en Jäckel/Kuhn 1986, pp. 393 y ss.).
[20] Hitler concedió la primera entrevista destinada al exterior al corresponsal en el extranjero Karl von Wiegand, la cual apareció en The Bridgeport Telegram el 13 de noviembre de 1922 (Domeier 2021, p. 350). El corresponsal del diario ABC en Berlín, Javier Bueno García, que firmaba sus artículos como Azpeitua, publicó la que probablemente sea la primera entrevista con Hitler en un periódico español el 6 de abril de 1923 (Pla Barbero 2018, en línea).
[21] En el original: «The Jews are not German. They are an alien people in our midst and manifest themselves as such […] We are like a consumptive, who does not realize that he is doomed unless he expels the microbes from his lungs. Nations, like individuals, are apt to dance most wildly when they are nearest the abyss. Hence, I say, we need violent correctives, strong medicine, maybe amputation. […] We wish to purge ourselves from the Jews not because they are Jews, but because they are a disturbing influence».
[22] Para reconstruir los acontecimientos del 8 de noviembre de 1923 hemos usado principalmente el meticuloso trabajo de Bernhard Wien sobre los intentos de golpe de Estado de 1923 (Wien 2023). Sin embargo, ha de señalarse que la comunidad investigadora no parece haber elaborado ninguna cronología confirmada y detallada de lo que hizo Hitler ese día.
[23] Hitler había hablado con Esser tan solo unas horas antes, pero ello no descarta que hiciera además una visita al «afectado en su salud» (Wien 2023, p. 311). En cualquier caso, está claro que Esser participó de diversas formas el 8 de noviembre de 1923, por ejemplo, en las labores de propaganda que respaldaron el putsch (ibid., p. 307 y ss.) o como orador en el Löwenbräukeller por la noche (ibid., p. 311 y ss.).
[24] Paula Schlier describe vigorosamente lo ocurrido en la redacción en la noche del 8 de noviembre y al día siguiente en su diario, que fue publicado más tarde (Schlier 2018).
[25] En la entrada de Wikipedia sobre Eduard Dietl (Wikipedia: Eduard_Dietl 2024) se afirma que desde la primavera de 1923 impartía entrenamiento militar a las SA de Múnich; en la noche del 8 de noviembre de 1923 se iba a celebrar una sesión de entrenamiento nocturno para unidades de las SA, la Liga del Oberland y la Hermannbund. Es plausible suponer que Hitler se reunió con Dietl la tarde anterior al golpe planeado, en el cual estaba previsto que se desplegaran tropas de la Kampfbund.
[26] Por cierto, el propio Xammar ofrece indicaciones falsas sobre el paradero de Hitler en la tarde del 8 de noviembre de 1923, pues escribe en su artículo del 23 de noviembre «Von Kahr explica el golpe de Múnich» que Hitler había estado asistiendo a una reunión con von Kahr en esas horas. Es evidente que no fue así. Los hechos son complicados y sólo tienen un interés marginal. El artículo de Xammar se basa en una declaración bien documentada del Comisariado General del Estado del 9 de noviembre de 1923 y en otra declaración procedente de una conferencia de prensa el 10 de noviembre de 1923, a la que Xammar asistió. Xammar cita a von Kahr así: «En la tarde del ocho de noviembre, me reuní con representantes de las asociaciones y sociedades patrióticas para una discusión final». Allí, von Kahr argumentó que era demasiado pronto para la acción directa y continuó: «Esa es mi opinión, y después de darla a conocer, todos los presentes, incluidos Hitler y Ludendorff, estuvieron de acuerdo». En su declaración, sin embargo, von Kahr hace referencia a una reunión celebrada el 6 de noviembre. Dice textualmente: «Dos días antes de la reunión, que fue interrumpida por el ataque de Hitler, mantuve una discusión profunda y confidencial con todos los representantes y dirigentes de las asociaciones nacionales bávaras; Hitler y el jefe militar de la Kampfbund también estaban presentes» (Bischel 2023, p. 68: declaraciones en la rueda de prensa del Comisariado General del Estado del 10 de noviembre de 1923). Así que ello ocurría sobre la tarde del 6 de noviembre. A ello se añade, cosa que Xammar no podía saber, que más tarde, el 10 de diciembre, la Comisaría General del Estado tuvo incluso que admitir «que Hitler no estaba presente en el debate» (Bischel 2023, p. 105). Pla Barbero (2018 en línea) supone, basándose en el engañoso artículo de Xammar, que Hitler asistió a la reunión en la tarde del 8 de noviembre y que, por tanto, sólo tuvo tiempo de reunirse con Xammar y Pla en la mañana del 8 de noviembre.
[27] «Mañana tendremos ocasión de exponer sus concepciones económicas y políticas» (Xammar 2005, p. 208), se anuncia al final de la «entrevista». Según los editores alemanes , el artículo anunciado no se materializó porque Xammar dejó de ser empleado de LaVeu de Catalunya después de la primera parte de la «entrevista» (Xammar 2005, p. 148).
[28] Otras reseñas que también dan por supuesta la autenticidad de la entrevista proceden de Sabine Fröhlich (NZZ, 8 de octubre de 2007), Marie Luise Knott (taz, 13 de octubre de 2007), Rainer Hank (FAZ, 3 de junio de 2008), Wolfgang Benz (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2007), s.a. (Cicero 2007) y, en fecha más reciente, Armin Fuhrer (Focus, 3 de junio de 2022).
[29] Una reseña detallada de este libro se publicó en Spanienecho (Böhle 2024).
[30] En el original: «Aquell vespre Josep Pla i jo ens fèiem passar la set al celler de la Franziskaner Bräu […]. Deia, doncs, que aquell vespre, mentre Josep Pla i jo ens fèiem passar la set a la Franziskaner Bräu, en un altre celler de Munic ―el de la Hofbräu, si no vaig errat― passaven coses grosses. Efímeres, però grosses. Exactament, un cop d’Estat organitzat per una munió bigarrada de grups i grupets de dreta, públics i clandestins, al davant de la qual s’havien posat tres grans personatges: el general Ludendorff, primer lloctinent del mariscal Von Hindenburg durant la guerra, el cap del govern bavarès Von Kahr, i la jove estrella del patriotisme germànic delirant, Adolf Hitler. En ficar-nos al llit Josep Pla i jo, aquella nit del 9 de novembre era més aviat freda, ni ell ni jo no sospitàvem que fos històrica. Ho fou, segons llegírem als diaris de l’endemà d’una manera espectacular» (Xammar 1991, pp. 265 y ss.).
[31] Un capítulo del libro de Gary Klein (1997) examina el tratamiento periodístico del golpe y el eco producido en tres periódicos: New York Times, Chicago Daily Tribune y Chicago Daily News. Según Klein, Ludendorff estuvo mucho más expuesto a las implacables burlas y mofas de la prensa estadounidense que Hitler (p. 18). En una caricatura, él, y no Hitler (como en Xammar), aparece como «dictador por un día». Katherine Blunt (2015) analizó la valoración de Hitler realizada en el New York Times, The Christian Science Monitor y The Washington Post antes y después del putsch de Hitler (1923-1924). Llega a la conclusión de que Hitler había dejado de ser tomado en serio tras el fallido golpe, y que su posterior ascenso fue una sorpresa para muchos estadounidenses.
Eugeni Xammar: El huevo de la serpiente; traducción de Ana Prieto Nadal; presentación de Charo González Prada. El Acantilado: Barcelona 2005; ISBN: 9788496489165
El golpe de Estado como espectáculo, pp. 187-192.
Adolf Hitler o la necedad desencadenada, pp. 204-208.
Das mysteriöse »Hitler-Interview« des Eugeni Xammar vom 8. November 1923
Diskussionsbeitrag von Knud Böhle
1. Worum es in diesem Diskussionsbeitrag geht
1.1 Zielsetzungen
Vor etwas mehr als 100 Jahren, am 8.11.1923, begann der Hitler-Ludendorff Putsch im Münchner Bürgerbräukeller. An dem Tag hielt sich auch der spanische Auslandskorrespondent Eugeni Xammar in München auf. Nach seinen Angaben gewährte Hitler ihm (und seinem Freund und Kollegen Josep Pla) tagsüber ein Interview.
Nur wenige Stunden vor dem Staatsstreich, der ihn für eine Nacht zum Diktator von Deutschland machen sollte, hat uns Adolf Hitler ein Interview gewährt, das man zweifellos als interessant bezeichnen kann (Xammar 2007, S. 145).
Abends war er dann, so lässt er seine LeserInnen wissen, Augenzeuge des Hitlerputsches im Bürgerbräukeller.
Es gibt wenig Eindrucksvolleres als einen gut organisierten und inszenierten Putsch, wie den, den mitzuerleben ich das Glück und das Vergnügen hatte, kaum dass ich vierundzwanzig Stunden in München war (ebd., S. 134).
So steht es in den Artikeln, die von Xammar in der Veu de Catalunya veröffentlicht wurden.1 Am 17.11.1923 erschien dort sein Artikel »Der Putsch als Spektakel« (Xammar 2007, S. 134f.), am 24.11.1923 folgte »Adolf Hitler oder die entfesselte Dummheit« (ebd. S. 145-148), dessen wesentlicher Inhalt das Interview ist, das Xammar mit Hitler in den Räumen des Völkischen Beobachters, im Folgenden kurz VB, am 8.11.1923 geführt haben will.2
Um diese beiden Artikel geht es im Folgenden. Dabei ist der Artikel über den Putsch im Bürgerbräukeller eine Nebensache und von Interesse nur insofern als sich zeigen lässt, dass Xammar bei dem Ereignis, über das er schrieb, schlicht nicht zugegen war. Bei dem »Hitler-Interview« indes handelt es sich um das »umstrittenste Stück des katalanischen Journalismus« (Sánchez Piñol 2009, ähnlich auch Pla Barbero 2018).3 Denn wenn es an jenem geschichtsträchtigen Tag ein Treffen und ein Gespräch zwischen Hitler und Xammar gab, wäre das für die Forschungen zur Person Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus höchst interessant.
Die Bedeutung eines solchen Interviews als historische Quelle würde freilich weiter steigen, wenn es darin inhaltlich etwas Neues zu erfahren gäbe. Das zu beurteilen, setzt allerdings textkritische und quellenkritische Akribie und Rigorismus voraus. Dabei wäre etwa zu klären, ob die Interview-Situation formell oder informell war, ob der ausländische Interviewer die Worte seines Gesprächspartners richtig verstanden hat, ob der Interviewer sich korrekt erinnert hat, ob der Interviewer wortgetreu und wahrhaftig wiedergab, was gesagt wurde, oder er seinem Interviewpartner etwas unterschob, was dieser nicht gesagt oder so nicht gemeint hatte. Auch in diesem Fall wäre das Interview als historische Informationsquelle weitgehend wertlos. Dass ein gänzlich fingiertes Hitler-Interview eines Journalisten aus dem Jahr 1923 für die NS-Forschung wertlos ist, versteht sich von selbst. Die vorrangig zu klärende Streitfrage ist demnach, ob Eugeni Xammar das »Hitler-Interview« tatsächlich geführt oder bloß erfunden hat. Gab es dieses Interview, wäre es weiter text- und quellenkritisch zu prüfen.
In diesem Beitrag wird – die spanische Diskussion um die Echtheit des Interviews aufgreifend – argumentiert, dass die Annahme, es habe dieses Interview gegeben, aufzugeben ist. Wenn im Folgenden von diesem, wie gezeigt werden soll, fingierten Interview die Rede ist, wird das, wo nötig, typografisch deutlich gemacht als »Interview« oder »Hitler-Interview«.4
Es wird darüber hinaus nachgezeichnet und diskutiert, wie nach dem Erscheinen der deutschen Übersetzung, das »Interview« erstaunlicherweise in der deutschen Forschung zum Nationalsozialismus den Status einer vertrauenswürdigen historischen Quelle erlangen konnte.
Die Absicht der folgenden Erörterung ist es, die Diskussion um die Echtheit des »Interviews« voranzutreiben, um Klarheit darüber zu gewinnen, ob es sich um ein für die historische Forschung wertloses, fingiertes Interview handelt oder um eine wertvolle historische Quelle.
1.2 Der Auslandskorrespondent Eugeni Xammar
Bevor näher auf den Artikel mit dem »Interview« eingegangen wird, soll Eugeni Xammar (1888-1973) kurz vorgestellt werden. Der Katalane gehört zu den bedeutenden spanischen Journalisten, die in den langen Jahren des Franquismus weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden waren. Die Artikel, die er als Auslandskorrespondent aus Deutschland zwischen 1922 und 1924 für katalanische Zeitungen und von 1930 bis 1936 für die Madrider Tageszeitung Ahora verfasste, wurden erst mehr als 25 Jahre nach dem Ende der Franco-Diktatur in Auswahlbänden wieder öffentlich zugänglich gemacht.5
Als Auslandskorrespondent nahm Xammar die Perspektive eines unbeteiligten Beobachters ein, dem es gerade aus dieser Distanz heraus gelang, seinem spanischen Publikum die grotesken und tragikomischen Seiten der deutschen Verhältnisse vor Augen zu führen. Gleichzeitig war Xammar stets bestens und bis ins Detail über die Personen, Konstellationen und Ereignisse in Deutschland, über die er schrieb, informiert.6 Die Lektüre mehrerer, sicherlich nicht nur deutscher Tageszeitungen, war ein wichtiges Mittel, um gut informiert zu sein.7 Beides zusammen, unverwechselbarer Stil und umfassende Kenntnisse, charakterisieren seine Berichte aus Deutschland, die auch für eine deutsche Leserschaft und die HistorikerInnen, die sich mit den 1920er und 1930er Jahren befassen, hoch interessant sind. Im vorliegenden Beitrag interessiert Xammar nicht als politisch konservativer katalanischer Nationalist, sondern nur als katalanisch-spanischer, bürgerlich-demokratischer Auslandskorrespondent, der zur Zeit der Weimarer Republik in Deutschland tätig war.
1.3 Einige Fakten zum Hitler-Ludendorff-Putsch vom 8./9. November 1923
Die Novemberrevolution von 1918 begann mit dem Kieler Matrosenaufstand und erfasste alsbald ganz Deutschland. Sie führte am 9.11.1918 in Berlin zur Ausrufung der Republik und zum Sturz der Monarchie. Am 11. 11.1918 wurden mit dem Waffenstillstand von Compiègne die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs beendet, der Versailler Vertrag wurde dann am 28. Juni 1919 unterzeichnet.
Von Seiten monarchistischer, völkischer, rechtsextremer und antisemitischer Gruppen und Parteien wurde die Legitimität der Weimarer Republik in Frage gestellt. Auf propagandistischer Ebene spielte die Kriegsschuldfrage eine große Rolle. Die Oberste Heeresleitung (OHL) versuchte die Schuld an der von ihr zu verantwortenden militärischen Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg auf die Sozialdemokratie, demokratische Politiker und das »Judentum« zu schieben (»Dolchstoßlegende«).
Der 9. November hatte gerade für die Feinde der Weimarer Republik eine hohe symbolische Bedeutung. Sarkastischer als Xammar hätte auch ein deutscher Satiriker den Katzenjammer und die Lügengespinste, die nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg kursierten, nicht auf den Punkt bringen können, wobei Xammar zudem die Brücke zu schlagen weiß vom 9. November 1918 zum Hitler-Ludendorff-Putsch.
Der Tag nach meiner Ankunft [in München] war der achte November, der Vorabend des fünften Jahrestags der deutschen Revolution. Die deutsche Revolution vom neunten November wurde in aller Eile von einer Handvoll von Belgien bezahlter Juden organisiert, und zwar genau in dem Augenblick, in dem Deutschland vor dem entscheidenden Sieg stand. Das wissen in Bayern selbst die Hunde und Kinder, und an jenem Tag der verbrecherischen Revolution strömen die Bayern mit trauernder Seele in Massen in die Bierkeller. … Es gibt Reden, Geschrei, patriotische Lieder und Bier. Vor allem Bier. … Die Luft wird immer dicker, und man kann den Putsch förmlich riechen. Es ist erstaunlich, dass er fünf Jahre auf sich hat warten lassen (Xammar 2007, S. 134f.).
Ein zeitgenössisches Titelblatt des Simplicissimus, das an dieser Stelle nur der Illustration dient, gilt den Bayern, von denen bei Xammar die Rede ist.
Wolfgang Schieder (2023) hat den Hitler-Ludendorff konzis beschrieben:
Seit dem frühen Herbst 1923 gab es in Bayern schon Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch der NSDAP. Mit Massenversammlungen und mehrfachen Reden im Zirkus Krone heizte Hitler die Stimmung an. Er versäumte es jedoch, seinen Putsch logistisch vorzubereiten ‒ wenn er ihn den ursprünglich überhaupt riskieren wollte. Es war nicht das erste und es sollte nicht das letzte Mal sein, dass Hitler zögerlich handelte […]. Am 26. September nämlich verhängte die bayerische Staatsregierung unter Eugen von Knilling überraschend den Ausnahmezustand und setzte den früheren Ministerpräsidenten Gustav Ritter von Kahr als Generalkommissar mit diktatorischen Vollmachten ein. Kahr verbot öffentliche Kundgebungen der NSDAP und riss damit das Ruder an sich. Für den 8. November setzte er eine Versammlung im Münchner Bürgerbräukeller an, zu der alle republikfeindlichen Kräfte Bayerns eingeladen wurden ‒ außer der NSDAP. […] Hitlers Bewegung stand mit einem Mal in Konkurrenz zu den konservativen Gruppierungen Bayerns. Er wurde dadurch unvorbereitet zum Handeln gezwungen. Um Kahr zuvorzukommen, improvisierte er und zog den Termin für einen Putsch […] vor (S. 41).
Am 6. 11.1923 war auf Seiten Hitlers und seiner Mitstreiter die grundsätzliche Entscheidung für einen Putsch gefallen. Das zunächst angedachte Datum für die Aktion war der 10. oder 11. November gewesen. Am 7.11.1923 traf sich Hitler mit den Führern der paramilitärischen Organisationen, die zum Kampfbund gehörten, zur weiteren Vorbereitung des Putsches.8 Erst bei diesem Treffen wurde ausgemacht, den Putsch vorzuverlegen. Am Abend des 7.11. um 20 Uhr fiel dann die Entscheidung, bereits selbst am 8.11. loszuschlagen und dafür die Veranstaltung von Kahrs im Beisein der Bayrischen Regierung und vieler Honoratioren zu nutzen, um selbst die Regierung zu erobern und am Folgetag einen Marsch auf Berlin zu unternehmen. Die Putschisten wollten auf Basis »falscher Gerüchte« (Wien 2023, S. 233) verhindern, dass auf der Veranstaltung im Bürgerbräukeller Tatsachen geschaffen würden, die ihren eigenen Umsturzintentionen entgegenstanden. Das konspirative Treffen endete erst in der Nacht zum 8.11.1923. Den Ablauf des Putschversuches am Abend des 8.11.1923 und am Folgetag fasst Wolfgang Schieder so zusammen:
Nach Beginn der Versammlung ließ Hitler den Bürgerbräukeller durch die SA abriegeln und drang unangemeldet mit einigen Getreuen in den überfüllten Saal ein. Er stieg auf einen Stuhl und schoss, als der Lärm sich nicht legen wollte, mit einer Pistole in die Decke. Dann brüllte er martialisch: »Die nationale Revolution ist ausgebrochen. Der Saal ist von 600 Schwerbewaffneten besetzt. Niemand darf den Saal verlassen. Wenn nicht sofort Ruhe ist, werde ich ein Maschinengewehr auf die Galerie stellen lassen. Die bayerische Regierung ist abgesetzt. Eine provisorische Regierung ist gebildet.« Nichts davon traf zu, die Ausrufung einer ’nationalen Revolution‘ war nicht mehr als eine Farce. Es gelang Hitler zwar, die drei wichtigsten Führer der bayerischen Konservativen, den Generalkommissar von Kahr, den Befehlshaber der Reichswehr in Bayern, Otto von Lossow, und den Chef der bayrischen Landespolizei, Hans Ritter von Seißer, zur Zustimmung zu seinen nationalrevolutionären Absichten zu zwingen. Selbst das aber scheint ihm erst gelungen zu sein, nachdem auch General Ludendorff im Bürgerbräukeller auf den Plan getreten war und Hitlers nationale Revolution gebilligt hatte. Kaum war das bayerische Politikertrio dem Bürgerkeller jedoch entkommen, widerrief es alle Zusagen und beschloss, sich gegen Hitlers und Ludendorffs Putschpläne zu stellen. […]
In der Nacht vom 8. auf den 9. November wurde den Putschisten klar, dass ihre Pläne gescheitert waren. Für Hitler war das eine Katastrophe, zu deren Überwindung er keine Idee hatte. Es war Ludendorff, der mit seiner apodiktischen Formel »Wir marschieren« einen Ausweg wusste. Auf seinen ‒ nicht Hitlers ‒ Vorschlag hin beschlossen die Putschisten am Morgen des 9. November einen Marsch durch die Innenstadt, möglicherweise, um das bayerische Kriegsministerium zu besetzen. … Der Demonstrationszug von etwa 2000 Mann formierte sich gegen Mittag. Mit Ludendorff, Hitler, seinem Intimus Scheubner-Richter, seinem Leibwächter Graf, Hermann Göring sowie Friedrich Weber, dem nationalsozialistischen Führer des rechtsradikalen »Bundes Oberland«, an der Spitze. An der Feldherrnhalle, dem bayerischen Gedenkort früherer monarchischer Siege, stießen die Putschisten auf eine bewaffnete Einheit der Landespolizei, welche allem Anschein nach ohne Vorwarnung sofort das Feuer gegen sie eröffnete. Einige Putschisten schossen zurück. In wenigen Minuten lagen vierzehn Putschisten sowie vier Polizisten tot am Boden. Hitler wurde nicht getroffen… (S. 42f.)
Nach einem misslungenen Fluchtversuch wurde Hitler am 11. November verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.
1.4 Zum Aufbau der vorliegenden Erörterung
Nach dieser Einführung (Abschnitt 1) wird im Folgenden der Artikel mit dem »Hitler-Interview« vom 8.11.1923 inhaltlich beschrieben, um die nötige Grundlage für die weiteren Ausführungen zu legen (Abschnitt 2). In Abschnitt 3 kommen die spanischen Kritiker zu Wort, die begründete Zweifel an der Echtheit des Interviews angemeldet haben. Im Anschluss daran (Abschnitt 4) werden zusätzliche quellenkritische Einwände vorgebracht. Es folgen Erläuterungen zum modernen Vernichtungsantisemitismus in Deutschland, der den Kontext bildet, in dem die Sätze zur Judenvernichtung im»Interviewtext« stehen und zu interpretieren sind. (Abschnitt 5). Im Anschluss daran wird versucht, den Tagesablauf Adolf Hitlers am 8. November 1923 zu rekonstruieren, um besser einschätzen zu können, ob ein Interview mit Xammar an dem Tag hätte stattfinden können (Abschnitt 6). Danach wird auf die Rezeption des »Interviews« in Deutschland eingegangen, wo das »Hitler-Interview« zur veritablen Quelle der Geschichtswissenschaft avancieren konnte (Abschnitt 7). In Abschnitt 8 wird auf die fantastische Reportage Xammars über den gescheiterten Hitlerputsch, der am Abend des 8. November begann, eingegangen. In der Schlussbetrachtung (Abschnitt 9) wird versucht, das fingierte Interview und den »Augenzeugenbericht« ohne Augenzeugenschaft unter dem Aspekt des Schadens, den die Artikel verursachen konnten, zu bewerten und ansatzweise in den Kontext der damaligen Medienkultur in Spanien einzuordnen.
2. Beschreibung des Artikels mit dem »Hitler-Interview« vom 8.11.1923
Am 24. November 1923 erschien der Artikel »Adolf Hitler oder die entfesselte Dummheit« in der Veu de Catalunya.9 Der gescheiterte Hitler-Ludendorff-Putsch vom 8. November lag mehr als zwei Wochen zurück. Hitler saß seit dem 11.11.1923 in der Strafanstalt Landsberg am Lech ein.
Zur Interview-Situation gibt es folgende Hinweise in dem Artikel: Ort ist ein Büro Hitlers in den Redaktionsräumen des VB. Hitler trägt seinen bekannten Regenmantel mit aufgesticktem Hakenkreuz am Ärmel, behält seine Mütze auf, grüßt mit militärischem Hackenschlag, bietet Xammar (und seinem Begleiter Josep Pla) Stühle an und legt los, dass Spanier in Bayern willkommen seien, während man den Italienern, Engländern, Rumänen und Holländern nicht trauen dürfe. Das seien alles Juden. Damit ist die Judenfrage als Thema gesetzt.
[Hitler:] Die Judenfrage ist ein Krebsgeschwür, das unseren deutschen nationalen Organismus zerfrisst. Ein politisches und soziales Krebsgeschwür. Glücklicherweise sind die sozialen und politischen Geschwüre nicht unheilbar. Man kann sie herausschneiden. Wenn wir wollen, dass Deutschland lebt, müssen wir die Juden vernichten…
[Xammar:] Mit Prügeln?
[Hitler] Das wäre das beste, aber sie sind zu viele. Ein Pogrom ist eine großartige Sache, aber heutzutage hat es einen Gutteil seiner mittelalterlichen Wirkungskraft verloren. […] Was hätten wir davon, die jüdische Bevölkerung von München auszurotten, wenn die Juden im übrigen Land, so wie jetzt, weiterhin über Geld und Politik herrschen? In ganz Deutschland gibt es mehr als eine Million Juden. Was wollen Sie tun? Sie alle über Nacht umbringen? Das wäre natürlich die beste Lösung, und wenn man das zuwege brächte, wäre Deutschland gerettet. Aber das ist nicht möglich. Ich habe das Problem von allen Seiten untersucht: es ist nicht möglich. Die Welt würde über uns herfallen, anstatt uns zu danken, was sie eigentlich tun sollte. […] Wir haben schon gesehen, dass es mit Pogromen nicht geht. Also bleibt nur die Vertreibung: die Massenvertreibung. Spanien hat vor mehr als vierhundert Jahren mit der Vertreibung der Juden…
[Xammar:] Glauben Sie, dass Spanien sich damit einen Gefallen getan hat? (Xammar 2007, S. 146f., Hervorhebungen, KB)
An zwei Stellen also unterbricht Xammar den monologisierenden Hitler. Einmal fragt er etwas maliziös-provozierend nach, ob die Juden mit Prügeln vernichtet werden sollen. Der Hitler des »Interviews« antwortet sinngemäß, dass das zwar die beste Lösung wäre, dass ein Pogrom heute jedoch keine Lösung mehr sein könne, sondern die Massenvertreibung das Mittel der Wahl sei.
Als Hitler auf die Vertreibung der Juden in Spanien zu sprechen kommen will, unterbricht ihn Xammar erneut mit einer Frage, die auf die bekannte Diskussion anspielt, ob die Vertreibung der Juden der spanischen Ökonomie geschadet hat. Der Hitler des »Interviews« geht auf diese Frage nicht ein. Stattdessen entwickelt er seine Argumentation, dass der Fehler der Katholischen Könige gewesen sei, den Juden die Konvertierung zu gestatten, um der Vertreibung zu entgehen, und er wiederholt, dass die Lösung des Problems in der Vertreibung der gesamten jüdischen Rasse liege.
Das Judenproblem […] ist kein religiöses Problem. Es ist ein rassisches Problem, und seine Lösung liegt in der Vertreibung. Aber in der strikten Vertreibung der gesamten jüdischen Rasse, sowohl der praktizierenden Juden wie auch der gleichgültigen oder der konvertierten (Xammar 2007, S. 147., Hervorhebung, KB).
In dem Artikel finden sich auch Hinweise auf den konkreten Antisemitismus in Bayern in jener Zeit. Der Hitler des »Interviews« teilt Xammar mit, dass er mit seiner Nase sicherlich Prügel bezogen hätte. Hitler lacht, Xammar ebenfalls »allerdings nicht ganz so aus vollem Herzen« (Xammar 2007, S. 146). Angriffe auf und Verletzungen von Juden durch die Nazis aus der Zeit sind dokumentiert (Reinicke 2018).
Bekannt und historisch belegt ist auch die Ausweisung von Juden aus Bayern auf Veranlassung des Generalstaatskommissars Gustav von Kahr, den das bayerische Kabinett am 26. September 1923 mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet hatte. Der Hitler des »Interviews« geht darauf ein:
[Hitler:] In Bayern hat die Judenvertreibung schon begonnen, aber zaghaft. Von Kahr weist nach und nach alle Juden aus, die keine bayerischen Bürger sind. Das ist sehr wenig, aber man muss von Kahr zugestehen, dass er nicht mehr tun kann. Ihm sind die Hände gebunden.« (S. 147).
[Xammar:] Darf man wissen, von wem?
[Hitler:] Sie werden bass erstaunt sein. Der größte Verteidiger der Juden in Bayern ist der Erzbischof von München, Kardinal Faulhaber (Xammar 2007, S. 147f.).
Diese Aussage gab es nicht nur aus dem Munde des »Interview-Hitlers«. Sie war bereits zwei Tage zuvor schon im Völkischen Beobachter zu lesen gewesen.
Am 6. November, also zwei Tage vor dem Putsch, hatte der Völkische Beobachter unter dem Titel »Kardinal Faulhaber als Judenschützer« auf Faulhabers Allerseelenpredigt reagiert und griff ihn als »Judenschützer« an, weil er gesagt habe, »dass auch die Juden Menschen seien, und dass wir auch diese im Winter nicht hungern und frieren lassen dürften.« Noch auf dem Katholikentag 1922 habe er aber »ganz anders« gesprochen »indem er sehr scharfe Worte gegen die Judenpresse gebrauchte« (Antonia Leugers 2014).
Aus Sicht der katalanischen Leserschaft dürfte es sich bei dem »Interview« um eine höchst unterhaltsame Lektüre, die mit Entsetzlichem spielt, gehandelt haben: Infotainment. Wie das Thema Vertreibung der Juden in dem »Interview« journalistisch aufgezogen wird, ist beeindruckend. Die Vertreibung von Ostjuden aus Bayern 1923, die Judenvertreibung in Spanien unter den Katholischen Königen und in Zukunft die Massenvertreibung durch Hitler werden erzählerisch in einen Zusammenhang gebracht. Die aufmerksame spanische Leserschaft versteht durch den Vergleich: dieser Hitler ist noch antisemitischer, noch radikaler, noch rassistischer als die Katholischen Könige.
Wollte man das »Interview« als Stück aufführen, ähnelte es je nach Akzentsetzung des Regisseurs einer Groteske (Esperpento) oder einem Bauernschwank.10 Das Lachen könnte dabei manchem im Halse stecken bleiben. Die Protagonisten des Stücks: auf der einen Seite ein kultivierter, blitzgescheiter, provozierender, sich einmischender spanischer Reporter, auf der anderen Seite ein Dummkopf mit einem fast delirierendem Antisemitismus, den man zur Belustigung und Belehrung (!) des Publikums vorführen kann. Das »Interview« mutet heute wie eine literarische Fantasie an. Auf inhaltliche Aspekte wird im Folgenden noch näher eingegangen.
3. Die Zweifel katalanischer Intellektueller an der Echtheit des »Interviews«
In Spanien, besonders in Katalonien, wurden immer wieder Zweifel laut, ob es sich bei dem »Hitler‑Interview« nicht um einen Fake handele. Im Jahr 2000, also zwei Jahre nach der Veröffentlichung der katalanischen Ausgabe der zwischen 1922 und 1924 geschriebenen Artikel Xammars (Xammar 1998), wurde erstmals öffentlich räsoniert, ob es sich bei dem »Interview« um eine Erfindung handele. Es sind im Wesentlichen zwei kleinere Artikel in katalanischen Zeitungen, in denen die Zweifel an der Echtheit argumentativ ausgeführt werden. Dazu kommt ein längerer Beitrag von Pla Barbero (2018) in der Literaturzeitschrift Cuadernos Hispanoamericanos, der die Debatte zu rekonstruieren versucht und eigene Akzente setzt.11
Der Journalist Lluís Permanyer (2000) schreibt in La Vanguardia, dass es sich bei dem »Hitler-Interview« um eine Erfindung handeln dürfte, wenngleich er das nicht mit unbestreitbaren Daten beweisen könne (Permanyer 2000, S. 2). Erstens kommt es Permanyer unwahrscheinlich vor, dass Hitler just am hektischen Tage des Putsches den beiden Journalisten ein Interview gewährt haben sollte.
Zweitens sei der Artikel erst am 24.11.1923 veröffentlicht worden, also zu einem Zeitpunkt als Hitler nach dem fehlgeschlagenen Putsch bereits inhaftiert war und sich gewissermaßen nicht mehr gegen das wehren konnte, was ihm zugeschrieben wurde, oder andersherum, sich der Journalist ungestraft viele inhaltliche Freiheiten herausnehmen konnte.
Das dritte und wichtigste Argument gegen die Echtheit des Interviews ergibt sich bei Permanyer aus einer Überprüfung der gesamten Werke von Xammar und Pla, die niemals mehr – auch nicht in ihren autobiografischen Texten – auf dieses »Interview« zu sprechen kamen. Es sei doch schwer vorstellbar, – so Permanyer –, dass jemand eine Begegnung mit Hitler, auch wenn sie nur kurz war, einfach vergessen haben sollte.
Permanyers Fazit: »una diablura inocente« also ein unschuldiges Schelmenstück, dass seiner Meinung nach zum Charakter von Xammar und Pla sowie zu dem Stil der Epoche passen würde.12
Einige Jahre später, 2009, geht der auch in Deutschland nicht unbekannte Schriftsteller Albert Sánchez Piñol in einem kurzen Beitrag »Mèrit i misteri« in der katalanischen Zeitung Avui noch einmal auf den Fall ein und schließt an Permanyer an. Wie dieser hält er es für sehr wahrscheinlich, dass es sich bei dem »Hitler-Interview« um eine Erfindung handelt und das »Interview« niemals stattgefunden hat, aber ganz festlegen möchte auch er sich nicht.
Er bezweifelt, ähnlich wie schon Permanyer zuvor, dass sich Hitler am Tag des Putsches am 8.11.1923 Zeit für ein Interview genommen hätte. Er vermutet, dass das, was man da inhaltlich vor sich hat, eher vom Hören-Sagen oder von Dritten aus der Umgebung Hitlers stammen könnte und nicht von Hitler selbst. Die Journalisten könnten hinzugefügt haben, was ihnen in den Sinn kam. Er rekurriert auch wiederum darauf, dass Hitler zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nach dem gescheiterten Putsch in Haft war. Mit anderen Worten: Xammar hatte genügend Informationen, aus welchen Quellen auch immer, um sich ein Hitler-Interview ohne Rücksichten auf Hitler auszudenken.
Insbesonderebezweifelt Sánchez Piñol, dass Hitler gerade zwei Fremden gegenüber etwas offenbart haben sollte, was er sonst tunlichst vermied: sich öffentlich konkret zum Ziel der Judenvernichtung zu äußern.13Sánchez Piñol vermutet auch, dass die Bezüge zur spanischen Geschichte in dem »Interview« quasi freie Zugaben von Xammar sind, die nicht durch Kenntnisse Hitlers gedeckt scheinen.14
Für das lebenslange Schweigen Xammars zum »Hitler-Interview« hat Sánchez Piñol eine plausible Erklärung. Der Umstand, dass Hitler 1933 tatsächlich an die Macht kam, machte aus einem gescheiterten Hanswurst einen Gegenstand der historischen Forschung und ließ damit auch frühe Äußerungen hoch relevant für die NS- und Hitler-Forschung werden. Da wäre es peinlich gewesen, mit einem erfundenen Interview in Verbindung gebracht zu werden.
Wie schon bei Permanyer ist das Fazit wieder vom Typ: »typisch Pla und Xammar« und mit einer Dosis Humor endet der kurze Artikel (sinngemäß): »Was für ein Paar. Sehen Sie, wie genial sie waren? Selbst wenn sie etwas Unerlaubtes anstellen, kann man nicht anders, als über sie zu reden«.15
Von Interesse ist weiter der Artikel von Pla Barbero, Philologe und Josep-Pla-Spezialist, der die Artikel Permanyers und Sánchez Piñols kannte, und sich eingehend mit dem Status des »Interviews« befasste (Pla Barbero 2018, online). Er hält daran fest, dass es das »Interview« irgendwie gegeben hat, sieht aber gleichzeitig, dass der Inhalt des veröffentlichten »Interviews« ganz von den Journalisten abhing. Er schreibt: »[Xammar und Pla] verfügten über alle notwendigen literarischen Qualifikationen, um die Erinnerung an ihr Interview mit Adolf Hitler neu zu schreiben, wie auch immer dieses Treffen war, flüchtig, improvisiert, vorher festgelegt, exklusiv oder mit anderen Journalisten« (Pla Barbero 2018 online, Übersetzung KB).16
Pla Barbero zeigt damit, wie schwer es ihm fällt, sich von der Vorstellung zu trennen, dass es das »Interview« doch irgendwie gab. Anders als Permanyer und Sánchez Piñol nimmt er das Beschweigen des »Interviews« folglich auch nicht als deutlichen Hinweis dafür, dass es sich um ein fingiertes Interview handelte. Stattdessen überlegt er, warum die Journalisten nie mehr auf das »Interview« zu sprechen kamen »[Aber] Vielleicht waren sie nie besonders stolz darauf. Oder sie hatten Angst, sich dem Vorwurf auszusetzen, in dem Diktator nicht den gefährlichen Wahnsinnigen erkannt zu haben, der er damals bereits war« (Übersetzung KB).17
Es bleibt als Ergebnis der spanischen Diskussion festzuhalten, dass es massive Zweifel gibt, dass das »Interview«, wie von Xammar behauptet, am 8.11.2013, dem Tag des Putsches, hätte stattfinden können. Es gibt allerdings keine Zweifel daran, dass Xammar genug Wissen aus diversen Quellen haben konnte, um ein »Hitler-Interview« zu erfinden. Gegen die Authentizität des »Interviews« wird außerdem angeführt, dass es Äußerungen Hitlers enthält, die nicht zu ihm zu passen scheinen, wie die offene Thematisierung der Judenvernichtung gegenüber Fremden oder die Einlassungen zur spanischen Geschichte. Der Umstand, dass Hitler in Haft war, als das »Interview« erschien, nährt weiter den Verdacht, dass Hitler ungehemmt Dinge in den Mund gelegt wurden, die der Fantasie Xammars entstammten.
Selbst wenn es also ein Treffen Xammar-Hitler gegeben haben sollte, wäre der Inhalt, der in dem Artikel Xammars wiedergegeben wird, manipuliert und verfälscht und damit als historische Quelle völlig unbrauchbar. Es wäre ununterscheidbar, was sich der Fantasie Xammars verdankt und was Hitler wirklich geäußert hat. Ein starkes Argument dafür, dass das »Interview« gänzlich oder großenteils erfunden wurde, ist der Umstand, dass die Journalisten, nachdem Hitler an die Macht gekommen und zur geschichtlichen Figur geworden war, nicht auf das »Interview« zu sprechen kamen – nie mehr in ihrem ganzen Leben.
4. Einige ergänzende quellenkritische Aspekte
Quellenkritisch wäre zu fragen, welchen Status das Treffen und das Gespräch gehabt haben sollen. Es heißt bei Xammar, dass das Interview »gewährt« wurde, aber handelt es sich überhaupt um ein Interview? Bei einem Interview weiß der Interviewte, dass das, was er äußert, in einem bestimmten Presseorgan veröffentlicht wird. Im Interview eines Auslandskorrespondenten mit einem Politiker ist zudem zu unterstellen, dass der Politiker gezielt versucht, den Journalisten mitzuteilen, was er öffentlich verbreitet sehen will. Es macht zum Beispiel einen großen Unterschied, ob der Hitler des Interviews davon ausging, dass er ein für die Veröffentlichung bestimmtes Interview für eine (katalanische) Zeitung gab oder er das Treffen für ein informelles, privates Gespräch unter Gesinnungsgenossen hielt.
Schon die Überschrift des Artikels und die Charakterisierung Hitlers als ein »gewaltiger, großartiger Dummkopf, der zu einer glanzvollen Karriere berufen ist (wovon er noch fester überzeugt ist, als wir es sind« (Xammar 2007, S. 145), macht deutlich, dass dieser Artikel weder Hitler noch einem seiner Mitstreiter zur Kenntnis gebracht wurde. Xammar, der bis 1937 als Auslandskorrespondent in Deutschland tätig war, dürfte erleichtert registriert haben, dass die Nazis seine ätzenden Einschätzungen Hitlers offensichtlich nie in Erfahrung brachten. Das hätte ihn angesichts einer rachsüchtigen und mordbereiten SA und Gestapo teuer zu stehen kommen können. Von daher hatte Xammar bis 1945 sicher keine Motivation, auf seine Artikel über Hitler, aufmerksam zu machen.
Eine zweite Frage wurde schon bei den skeptischen katalanischen Autoren angesprochen. In wieweit kann das Veröffentlichte vom wirklich Gesagten abweichen und wie geht der Historiker mit dieser Differenz um? Die spanischen Autoren fragten sich in erster Linie, was Xammar an Erfundenem hinzugefügt hat. Ergänzend wäre zu fragen, ob Xammar alles korrekt erinnerte, als er seinen Artikel schrieb. Es wäre in Erfahrung zu bringen, ob das Interview in irgendeiner Form aufgezeichnet wurde oder ob allein das Gedächtnis und die Erinnerungsfähigkeit des Journalisten der Wiedergabe zugrunde lagen. Außerdem wäre zu fragen, wie gut Xammar damals, 1923, (Hitlers) Deutsch verstehen konnte. Dass er nach dem zweiten Weltkrieg den Dr. Faustus von Thomas Mann übersetzte, muss nicht heißen, dass er bereits mehr als zwanzig Jahre zuvor, im Herbst 1923 schon perfekt Deutsch konnte.
Es gibt weitere Einzelheiten in dem Artikel, die nicht stimmen wollen. Es wird von einer Mütze (gorra in der katalanischen und spanischen Fassung des Artikels) gesprochen, die Hitler nicht absetzte. Die Fotos aus der Zeit, die etwa im Netz und in gedruckten Publikationen kursieren, zeigen Hitler entweder ohne Kopfbedeckung oder mit einem weichen Hut. Auch die Vorstellung, dass Hitler vor Xammar und Pla die Hacken zusammenschlug, wirkt nicht glaubwürdig. Übertrieben klingt auch die, die Zunge Hitlers lösende Freude über die Spanier, weil in Spanien, so wird nahegelegt, seit wenigen Wochen der Diktator Primo de Rivera an der Macht war.18 Die Italiener kommen dagegen (»alles Juden«) unerwartet schlecht weg, obwohl Hitler für den italienischen Faschismus schwärmte, sich daran orientierte und gerne Kontakt mit Mussolini aufgenommen hätte.19
Inhaltlich will die Art, wie der Hitler des »Interviews« sich über die »beste Lösung« auslässt, nicht zu Hitlers damals üblicher Argumentation passen. In einer Zeit, in der Hitler sich öffentlich gegen Pogrome und für einen »Antisemitismus der Vernunft« aussprach, klingt das Schwadronieren über Pogrome nicht stimmig.20 In dem Zusammenhang ist auch ein Vergleich mit dem Artikel Josep Plas über die angebliche Begegnung mit Hitler aufschlussreich.
Beide erfanden (oder verfälschten) das »Interview«, jeder auf seine Weise. Der Artikel Plas erschien am 28. November 1923, ein paar Tage später als der Artikel Xammars (abgedruckt in: Xammar 2007, S. 149-152). Interessant ist, dass der ganze verbale Exzess zur Judenvernichtung, den Xammar seinem Hitler in den Mund gelegt hat, bei Pla nicht vorkommt. Anders gesagt, der delirierende antisemitische Fanatismus Hitlers, der bei Xammar im Zentrum steht, spielt bei Pla keine Rolle.
Ein weiteres interessantes Detail ist, dass (der nicht deutsch verstehende) Josep Pla in seiner Version von einem Monolog spricht und erst gar nicht den Anschein eines Gesprächs mit Hitler erwecken will. Andersherum, während Pla in seinem Artikel als wichtige Information herausstellt, dass Hitler einen neuen Krieg will, taucht dieser Aspekt in dem Artikel Xammars nicht auf. In der Wiedergabe des Interviews durch Pla und Xammar fallen Form und Inhalt so unterschiedlich aus, dass die Glaubwürdigkeit der Darstellung beider Journalisten leidet.
Inhaltlich will auch die einseitige Festlegung, die der »Hitler des Interviews« vornimmt, wenn er die Massenvertreibung als Mittel der Wahl herausstellt, nicht recht stimmig erscheinen. Zum einen legte die NSDAP bis 1933 nicht fest, welche Methoden sie bei der Verfolgung der Juden anwenden würde. Zum anderen taucht schon im 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 eine Kombination an vorgesehenen Maßnahmen auf: »Entzug der vollen Bürgerrechte, ein Berufsverbot für öffentliche Ämter und Presseleitung für die deutschen Juden, bei Erwerbslosigkeit ihre Ausweisung sowie die Vertreibung eines Großteils zugewanderter Juden« (Wikipedia: Endlösung 2024). Die Herausgeber der kritischen Ausgabe von »Mein Kampf« sehen Hitlers damals vertretenen Antisemitismus geprägt durch die Ablehnung von Pogromen, die gesetzliche Bekämpfung und Beseitigung der Rechte der Juden und in letzter Konsequenz die Entfernung der Juden überhaupt (Institut für Zeitgeschichte 2022: Mein Kampf, Band 1, Kapitel 2, Kommentar 172). Die Mittel, die für das Erreichen des Ziel anzuwenden sind, werden auch hier nicht explizit genannt, weil es keine entsprechende Festlegung gab.
Aufs Gesamt gesehen ist die Fülle der Indizien, die für ein fingiertes Interview sprechen, erdrückend. Das stärkste Argument gegen die Echtheit des Interviews liefert allerdings die Tatsache, dass es bis heute keinerlei Dokument oder Zeugnis von dritter Seite gibt, mit dem sich belegen ließe, dass es das »Interview« gegeben hat. Oder anders formuliert: Die Frage kann nicht sein, ob jemand beweisen kann, dass das »Interview« nicht stattgefunden hat, sondern dass es stattgefunden hat. Zu fordern ist also in diesem Sinne eine Beweislastumkehr. In Memoiren von Mitarbeitern des VB, in Tagebüchern und Notizen von Kollegen, Freunden und Verwandten, in Notizen von anderen Auslandsjournalisten, die mit Xammar zu tun hatten, wäre zu fahnden. Solange es keinen positiven Nachweis für ein entsprechendes Treffen Xammars mit Hitler gibt, ist von einem fingierten Interview auszugehen.
5. Zum Vernichtungsantisemitismus in Deutschland und in Xammars »Interview«
Es wird gelegentlich behauptet, dass Hitler in dem »Interview« seinen radikalen Antisemitismus ungewöhnlich offen, wie sonst nie, kommunizierte. In der spanischen Verlagsankündigung wird noch heute von dem verstörenden Interview gesprochen, das Xammar (und Pla) bereits 1923 mit dem späteren Diktator führten und in dem dieser bereits den Holocaust vorgezeichnet habe.21 Auch im Vorwort zur deutschen Übersetzung des Buches wird von dem Interview gesprochen, »in dem Hitler seine Pläne zur Judenvernichtung […] in aller Offenheit darlegte« (Berenberg, S. 9).
Andere Autoren gehen noch weiter und finden in dem »Interview« sogar Hinweise auf Pläne zur Judenvernichtung, den Holocaust und die Endlösung. In einer Einlassung von Arcadi Espada (2005) in El País zum Beispiel wird eine Stelle aus dem »Interview« herausgegriffen und in Richtung Holocaust-Vorwegnahme interpretiert. Espada liest das »Interview« so, als wäre der Massenmord an den Juden das, was Hitler vorschlüge und das wäre ja dann eigentlich die erstmalige Ankündigung der Endlösung (la solución final).22
Hitlers Denkwelt in den Kontext des »Vernichtungsantisemitismus« zu stellen, wie Peter Schäfer das Phänomen nennt (2000. S. 229 ff), kann helfen, die entsprechenden Passagen im »Interview« besser einzuordnen. Tatsache ist, dass seit Anfang des 19. Jahrhunderts ein Vernichtungsantisemitismus in Deutschland anzutreffen ist, der sich in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch rassentheoretisch radikalisierte. Die Juden sollten nicht integriert, sondern entfernt werden. Moderner ließe sich vom Ziel rassistisch begründeter ethnischer Säuberung sprechen. Die Mittel dazu heissen: Abschiebung, Umsiedlung, Deportation (etwa nach Madagaskar wie 1885 von de Lagarde vorgeschlagen), Vernichtung.
Diesem althergebrachten radikalen Antisemitismus wohnte latent immer schon die Frage und dumpfe Drohung inne, mit welchen drastischen Mitteln man die Juden loswerden, wie man sie entfernen kann. Von daher lässt sich in den Dokumenten des Vernichtungsantisemitismus auch der »Vorschein« einer Endlösung ausmachen. An zwei Beispielen lässt sich das zeigen.
Christian Jansen hat den »Judenspiegel« des Hartwig von Hundt-Radowskys von 1818 analysiert. Er kann zeigen, wie früh bereits zentrale Elemente des rassistischen und eliminatorischen Antisemitismus formuliert wurden, wie das folgende Zitat verdeutlicht.
[Hundt schlägt] die Sterilisation aller männlichen Juden vor – ein weiterer Beleg für seine rassische Überzeugung von der Unverbesserlichkeit der Juden und für die Modernität seines genetischen Verfolgungsprogramms. Unumstößlich stand für ihn fest, dass nur eine vollständige Elimination des Judentums die Mehrheitsgesellschaft retten könne: ‚Am Beßten wäre es jedoch, man reinigte das Land ganz von dem Ungeziefer, und hierzu giebt es gleichfalls zwei Mittel. Entweder, sie durchaus zu vertilgen, oder sie […] zum Lande hinauszujagen. […] Am Gerathensten wäre es daher, man brächte die Juden, welche in Deutschland […] sämmtlich auf den Schub, und nach dem gelobten Land hin’« (Jansen 2011, S. 32)
Alexander Bein, der zum modernen Antisemitismus geforscht hat, sieht »den ersten und bedeutendsten Versuch, die nun entstehende antisemitische Bewegung […] durch Philosophie, Biologie und Geschichte wissenschaftlich zu unterbauen« in der Schrift »Die Judenfrage als Rassen-, Sitten- und Kulturfrage« (1881) des Berliner Philosophen und Nationalökonomen Eugen Dühring (1833-1921). Die Argumentation der Antisemiten, dass die Judenfrage eine Frage der Rasse und keine der Religion sei, und dass der Übertritt zum Christentums deshalb keine Lösung darstellen kann, ist folglich im Jahre 1923 keineswegs neu.
Sie [die Judenfrage] als Frage der Religion darzustellen, ist nach Dührings Meinung eine bewusste Irreführung und Verdunkelung. »Selbst wenn alle Juden zu den herrschenden Kirchen überträten, wie es die Liberalen wünschten, würde die Judenfrage nicht zu existieren aufhören. Im Gegenteil, Gefahr und Bedrohung für die Völker würden dadurch nur wachsen«. Dühring ist sicher, dass sich die Erkenntnis durchsetzen wird, »wie unverträglich mit unseren besten Trieben die Einimpfung der Eigenschaften der Judenrace in unsere Zustände sei. Hiernach liegt die Judenfrage weniger hinter uns als vor uns«. … »Wo diese Race einmal gründlich erkannt ist«, meint Dühring mit klaren Andeutungen für die Zukunft, »da steckt man sich von vornherein ein weiteres Ziel, zu welchem der Weg nicht ohne die kraftvollsten Mittel zu bahnen ist. Die Juden sind […] ein inneres Carthago, dessen Macht die modernen Völker brechen müssen, um nicht selbst von ihm eine Zerstörung ihrer sittlichen und materiellen Grundlagen zu erleiden« und an anderer Stelle schreibt Dühring: »Die Judenhaftigkeit lässt sich … nicht anders als mit den Juden selbst beseitigen« (Bein 1958, S. 347).
Bein kommt zu dem Schluss »Die Hitlerzeit hatte tatsächlich gedanklich nichts den Theoretikern des Antisemitismus hinzuzufügen« (Bein 1958, S. 360).23 Das Neue liegt hier nicht im Denken, sondern darin, dass mit der NSDAP eine politische Partei entsteht, zu deren Markenzeichen ein extremer, je nach Umständen mehr oder weniger deutlich vorgetragener und gewaltsam praktizierter Antisemitismus gehört.24
Eine Rede vom 6. April 1920 zeigt Hitler deutlich in dieser Tradition stehend, einerseits die größtmögliche Drohung auszusprechen, andererseits aber die Mittel nicht konkret zu machen:
[…] es beseelt uns die unerbittliche Entschlossenheit, das Übel an der Wurzel zu packen und mit Stumpf und Stiel auszurotten. Um unser Ziel zu erreichen, muss uns jedes Mittel recht sein, selbst wenn wir uns mit dem Teufel verbinden müssten (abgedruckt in Jäckel/Kuhn 1986, Dokument 61, S. 184-204).
Aber selbst das Vokabular »Ausmerzen«, »Ausschalten«, »Beseitigen«, »Entfernen«, »Unschädlichmachen«, »Vertilgen«, »Vernichten« oder sogar wie hier zitiert »Ausrotten« bezogen auf Krankheiten, Ungeziefer oder Parasiten, gehört noch zum traditionellen Vernichtungsantisemitismus.
Wenn Hitler in dem »Interview« vom »Krebsgeschwür, das man herausschneiden kann« spricht, dann ist das noch die Sprache des alten Vernichtungsantisemitismus. Dem Hitler des »Interviews« wird an Antisemitismus nichts in den Mund gelegt oder zugeschrieben, was nicht schon denen, wie Xammar, bekannt sein konnte, die sich mit Hitler, seinen Aussagen und Auftritten in Bierkellern oder im Circus Krone, dem Programm der NSDAP, dem Denkhorizont des überkommenen und rassistisch modernisierten Antisemitismusund den Münchener Verhältnissen im Jahr 1923 auskannten.
Das bestätigt ein Interview Hitlers vom Oktober 1923, das er dem Journalisten George Sylvester Viereck, laut Domeier ein »Nazi-Sympathisant« (2021, S. 426) vom The American Monthly gewährte.25 In dem Interview26 sagt Hitler:
Die Juden sind keine Deutschen. Sie sind ein fremdes Volk in unserer Mitte und treten als solches auf. […] Wir sind wie ein Schwindsüchtiger, der nicht begreift, dass er dem Untergang geweiht ist, wenn er nicht die Mikroben aus seiner Lunge austreibt. Nationen, wie auch Individuen, neigen dazu, am wildesten zu tanzen, wenn sie dem Abgrund am nächsten sind. Deshalb, sage ich, brauchen wir gewaltsame Korrektive, starke Medizin, vielleicht eine Amputation. […] Wir wollen uns von den Juden säubern, nicht weil sie Juden sind, sondern weil sie einen schädlichen Einfluss haben (Jäckel/Kuhn 1986, Dokument 578, S. 1023-1026; Übersetzung, KB).
In der Sprache des alten Vernichtungsantisemitismus schwingt latent stets der (Alp)Traum einer Endlösung mit. Aber daraus lässt sich weder bei Hundt, Düring oder Hitler eine gedankliche Vorwegnahme oder Ankündigung dessen ableiten, was Endlösung historisch im Zuge des Zweiten Weltkriegs bedeuten sollte. Was unter Historikern und in der Öffentlichkeit als Endlösung verstanden wird, ist die systematische Ermordung aller europäischen Juden in allen Gebieten mit Zugriff des NS-Regimes noch während des Zweiten Weltkrieges. In dem Zusammenhang war Endlösung damals als Euphemismus zu verstehen, um nicht vom systematisch geplanten Massenmord sprechen zu müssen. Die politische Entscheidung zur systematischen Ermordung aller europäischen Juden wird von Historikern auf Herbst/Winter 1941 datiert. Es ist deshalb eine geschichtswissenschaftlich abzulehnende Rückprojektion, die Endlösung, also den Holocaust, in die Gedankenwelt von 1923 zu versetzen.
6. Hitlers Tagesablauf am 8. November 1923, ein Tag ohne Interview
Die Skeptiker (darunter auch Jordi Amat 2019) bezweifeln, dass das »Hitler-Interview«, wie von Xammar behauptet, am Tage des Putsches am 8.11. in den Redaktionsräumen des VB stattgefunden haben könnte. Die Rekonstruktion von Hitlers Tagesablauf am 8.11.1923 legt jedenfalls nahe, dass es das »Interview« nicht gegeben hat, nicht an jenem Ort und nicht an jenem Tag.27 Für die Alternative, dass das Hitler-Interview an anderem Ort, zu anderer Zeit stattgefunden haben könnte, gibt es bis heute keinen konkreten Hinweis.
Erst am Abend des 7.11.1923 um 20 Uhr war die Entscheidung gefallen, am 8.11.1923 zu putschen. Die kurze Vorbereitungszeit erhöhte zwangsläufig den Zeitdruck und senkte die Erfolgschancen des Vorhabens. Die Zahl der Aktionen, die in kürzester Zeit geplant, organisiert und auf den Weg gebracht werden mussten, war folglich beachtlich. Dazu gehörten die genaue Festlegung des Ablaufs, das Einweihen und die Verpflichtung von Mitverschwörern, die Organisation der Truppen des Kampfbundes sowie die propagandistische Begleitung durch Agitatoren und Redner, die Herausgabe einer Sondernummer des VB, der Druck von Flugblättern und Plakaten.
Nach Mitternacht, gegen ein Uhr am 8.11.1923, soll Hitler sich noch in seiner Wohnung in der Thierschstr. 41 mit Hermann Esser (1920 Schriftleiter des VB, 1923-1925 Reichspropagandaleiter der NSDAP) besprochen haben. Am Morgen bestellte Hitler Rudolf Heß auf 10 Uhr zu sich in seine Wohnung, um ihm seine Aufgaben bei der Durchführung des Putsches zu erklären (Wien 2023, S. 268). Ob Hitler danach, wie etwa ein Heß-Biograph schreibt, zu Hermann Esser fuhr, »der mit einer Gelbsucht das Bett hütete« (Görtemaker 2023, S. 144) ist zweifelhaft.28 Unstrittig ist, dass sich Hitler an jenem Morgen zur Privatwohnung von Ernst Pöhner chauffieren lässt und mit ihm ein etwa einstündiges Gespräch führte. Dem ehemaligen Polizeichef von München wurde angetragen, nach dem Putsch Ministerpräsident zu werden. Er war einverstanden.
In den Redaktionsräumen des VB tauchte Hitler erst gegen Mittag auf, wie Volker Ullrich anschaulich beschreibt: »Um die Mittagszeit stürmte Hitler, bleich vor Erregung, die Reitpeitsche in der Hand, in die Redaktion des ‚Völkischen Beobachters‘ und erklärte dem überraschten Chefredakteur Alfred Rosenberg und dem ebenfalls anwesenden Ernst Hanfstaengl, dass er sich zum Putsch entschlossen habe« (Ullrich 2022, S. 199). In der Redaktion des VB werden daraufhin publizistische und propagandistische Vorbereitungen zur Flankierung des Putsches und der erwarteten Regierungsübernahme Hitlers in Gang gesetzt. Da der geplante Putsch noch Geheimsache ist, wird man in der Redaktion des VB ab diesem Zeitpunkt darauf geachtet haben, Unbekannten keinen Zutritt in die Redaktionsräume zu gewähren.29
Ernst Hanfstaengl, deutsch-amerikanischer Hitlerbewunderer, der zu der Zeit eine Art Auslands-Pressesprecher der NSDAP war, kontaktiert die amerikanischen Journalisten Larry Rue (Chicago Tribune) und H. R. Knickerbocker (Conradi 2007, S. 86) und versorgt offenbar auch weitere Auslandskorrespondenten mit Hinweisen, dass es sich lohne, abends in den Bürgerbräukeller zu gehen.
Was Hitler am Nachmittag des 8.11. tat und wo er sich jeweils befand, ist nicht ohne Weiteres minutiös zu rekonstruieren. Ein Hinweis von Hanfstaengl, der Hitler nachmittags dringend sprechen wollte, lautet: »Hitler war nirgends zu erreichen. Es hieß, er sei zu wichtigen Beratungen im Divisionskommando bei Hauptmann Dietl« (Hanfstaengl 1970, S. 131).30 Wäre Hitler nachmittags in den Räumen des VB gewesen, wäre das Hanfstaengl nicht verborgen geblieben. Welche Personen Hitler an jenem Nachmittag an welchen Orten sonst noch getroffen hat, kann an dieser Stelle offenbleiben. Gesichert scheint jedenfalls, dass es keine Begegnungen in den Räumen des VB gab, wo Xammar Hitler interviewt haben will.31
Ab ca. 18 Uhr war Hitler beim Oberkommandos der SA in der Schellingstrasse und erwartete dort Max Erwin Scheubner-Richter. Um 19 Uhr besuchte Hitler »noch einmal die Redaktion des Völkischen Beobachters und das Oberkommando der SA in der Schellingstraße. Hitler lud Rosenberg ein, mit ihm zum Bürgerbräu zu fahren. Vorn saß Hitler neben dem Fahrer, hinten Leibwächter Graf neben Rosenberg« (Wien, S. 283). Kurz nach 20 Uhr kamen Hitler und Rosenberg am Bürgerbräu an (Wien 2023, S. 283).
Aus der Lektüre der herangezogenen Sekundärliteratur ist zu folgern, dass Hitler einmal mittags aufgeregt im VB erscheint, um ausgewählte Personen in die Putschpläne einzuweihen, vorher an diesem Tag aber nicht in der Redaktion gewesen war. Nachmittags war er vermutlich auch nicht im VB, da Hanfstaengl, der ihn suchte, das mitbekommen hätte. Ein Interview mit unbekannten, ausländischen Besuchern in den Räumen des VB am Nachmittag des 8.11.1923 erscheint auch wegen der hohen Organisations- und Kommunikationserfordernisse der Putschvorbereitung, der damit verbundenen Hektik und Anspannung sowie der Geheimhaltungs- bzw. Sicherheitserfordernisse wegen unwahrscheinlich. Abends ist Hitler dann nur noch kurz vor der Abfahrt zum Bürgerbräu mit Chauffeur, Leibwächter und Rosenberg im VB.
Dass Hitler sich unter diesen Umständen beachtliche Zeit für zwei ihm unbekannte Spanier genommen hätte, um seine Ansichten zur Judenfrage darzulegen, aber auch seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen zu erläutern,32 ist höchst unwahrscheinlich, wie es auch unwahrscheinlich ist, dass solch ein Interview unbeobachtet geblieben wäre und von niemandem für aufzeichnungs- oder erinnerungswert befunden worden wäre. Weder bei Ernst Hanfstaengl, dem »Verbindungsmann zur ausländischen Presse« (Hanfstaengl 1970, S. 135), der in seinen Memoiren mehrere Seiten dem Geschehen am Tage des Putschversuchs widmete, noch im Tagebuch von Paula Schlier, die als Sekretärin in der Redaktion des VB tätig war, finden sich Hinweise auf das Interview und die spanischen Journalisten. Beide hätten ein solches von Hitler am Tag des Putsches gewährtes Interview sicher für bemerkenswert gehalten.
7. Das »Hitler-Interview« als Quelle der NS-Forschung in Deutschland
In deutscher Übersetzung erschien der Artikel Xammars, in dem die Schilderung eines Interviews mit Hitler im Zentrum steht, erstmals 2007 im Berenberg Verlag als Teil der Aufsatzsammlung mit dem Titel »Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922-1924« (S. 145-148).
Zweifel an der Authentizität des beschriebenen Interviews gab es zunächst nicht. Dazu gab es auch keinen Grund. Denn die redaktionelle Einleitung zur katalanischen und spanischen Ausgabe (González Prada 2005, S. 10) hat selbst an keiner Stelle in Zweifel gezogen, dass dieses Interview tatsächlich stattgefunden hat. Wie bereits bemerkt, wird im Vorwort zur deutschen Übersetzung des Buches davon gesprochen, dass Xammar und Pla »ein Exklusivinterview gewährt« worden sei, »in dem Hitler seine Pläne zur Judenvernichtung […] in aller Offenheit darlegte« (Berenberg 2007, S. 9).
Das Buch insgesamt erfuhr zu Recht bei deutschen Journalisten und Historikern eine außerordentlich positive Aufnahme. Und damit begann auch die Karriere des »Interviews« als relevanter Quelle der Forschungen zu Hitler.33 Anknüpfend an die einleitenden Bemerkungen des Verlegers, die niemand weiter hinterfragte, wurde eine bestimmte Lesart bei den Rezensenten dominant. Nirgends wird bezweifelt, dass es das »Interview« wirklich am 8.11.1923 gegeben hat.
Christian Welzbacher (Süddeutsche Zeitung 9.10.2007) greift die Rede vom Exklusivinterview auf und spricht von einer »journalistischen Sternstunde« und Volker Ullrich von einem »der seltenen Interviews, die ein ausländischer Korrespondent damals mit Hitler, nur wenige Stunden vor dem Staatsstreichversuch, führen durfte« (DIE ZEIT 4.10.2007). Der Historiker Ernst Piper (Tagesspiegel 07.01.2008) liest in dem Text, dass Hitler »ganz offen über seine Pläne zur Vernichtung der Juden schwadronierte«. Wera Reusch (Deutschlandfunk 4.10.2007) liest heraus, dass Hitler in dem Interview völlig unverblümt sein politisches Programm erklärt und unter anderem die Vernichtung der Juden angekündigt habe. Die genaue Lektüre des »Hitler-Interviews«, wie bereits oben argumentiert, zeigt jedoch, dass nicht davon die Rede sein kann, dass dort Hitlers Pläne zur Vernichtung der Juden offengelegt würden.
Ausführlich, und nicht nur für das Feuilleton, geht die Historikerin Edith Raim 2014 auf das »Hitler-Interview« ein. Das Interview soll ihr helfen, »die Rolle von Hitlers Antisemitismus hinsichtlich des eklatanten Gegensatzes von gesprochenem und geschriebenem Wort neu zu bestimmen« (S. 53). Es könnte als Beleg dafür dienen, dass Hitler in der mündlichen Rede seinen Antisemitismus unverblümter zum Ausdruck brachte als in schriftlicher Form. Die höheren Weihen der Historiker erhält das »Interview« schließlich dadurch, dass es als Quelle in der kritischen Ausgabe von »Mein Kampf« verwendet wird (Institut für Zeitgeschichte 2022, Anmerkung 172, online). Die Historiker Domeier (2021) und Dipper (2022), um zwei Beispiele zu nennen, nutzen das »Interview« in ihren Arbeiten bereits wie selbstverständlich als nicht weiter zu hinterfragende Quelle.
An den Besprechungen lässt sich die erstaunliche Macht von »Paratexten«, hier insbesondere die Rahmung durch Vorworte und Einführungen, zeigen. Das »Framing« durch kompetente HerausgeberInnen erzeugt Vertrauen und reduziert mögliche Skepsis und Zweifel an der Echtheit des Interviews. Es wundert folglich nicht, dass die Rezensionen in den Tageszeitungen auf den Vorgaben der Vorworte aufbauen.
Von HistorikerInnen, die sich fragen müssen, was das Interview als historische Quelle wert ist, wäre freilich eine quellenkritischere Herangehensweise zu erwarten gewesen. Unabhängig davon, ob es das Treffen und das Interview wirklich gab oder nicht, hätte eingehende Quellenkritik zu der Einsicht führen können, dass der Wert des Interviews als historische Quelle äußerst fragwürdig ist. Die wichtigsten quellenkritischen Argumente, die gegen die Echtheit des Interviews sprechen, wurden weiter oben bereits genannt.
Eine spezifische quellenkritische Frage ergibt sich mit Blick auf die Übersetzung, von der die deutschen Rezensenten und Historiker ausgingen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Übersetzung von »eliminar« als »vernichten« interessant. Im Katalanischen und Spanischen kann »eliminar« sowohl »entfernen« als auch »vernichten« heißen. Da Hitler die Formel von der Entfernung der Juden mehrfach benutzte, wäre auch »entfernen« eine mögliche und im Kontext des Interviews plausible Übersetzung gewesen. Entfernungder Juden wäre semantisch mit Massenvertreibung kompatibel, Vernichtung impliziert dagegen Tötung und Ermordung.
Zweifel an der Echtheit des Interviews wurden in Deutschland erst spät, und nicht vonseiten der Historikerzunft, laut. Im Jahr 2022 kommt Frank Henseleit, Herausgeber, Übersetzer und Verleger der Werke von Manuel Chavez Nogales, in seiner Einleitung zu dem Band »Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes«, einer Sammlung von Reportagen aus Deutschland im April und Mai 1933 für die Zeitung Ahora34, auch auf das »Hitler-Interview« von 1923 zu sprechen (Henseleit 2022, S. 30). Dazu dient ihm eine Art Exkurs mit dem Titel »Eugeni Xammar und Josep Pla erfinden ein ‚Interview‘ mit Adolf Hitler – eine Farce«. In diesem Exkurs wirft er Xammar (und Pla) bezogen auf das »Hitler-Interview« »Betrug« vor und dem deutschen Verlag eine »zweifelhafte Editionspraxis«, weil dieser dem »journalistischen Betrug trotz mehrfachen Hinweises nicht nachging« (ebd., S. 35).
Den Kern des fingierten Interviews sieht Henseleit in »Hitlers Ankündigung, die Juden auslöschen zu wollen, und zwar als vorrangige politische Agenda« (ebd., S. 31). Da diese Aussagen dem Hitler des »Interviews« von Xammar in den Mund gelegt wurden, entsteht für Henseleit die Frage, wie Xammar dazu kam. Seiner Ansicht nach zeugt das »Hitler-Interview« »von einem tiefen Antisemitismus in Teilen der spanischen und katalanischen Elite« (ebd., S. 32). »Die Fantasterei Xammars, wie man das ‚Problem‘ lösen könne, […] entsprang ganz offensichtlich einem tiefen Antisemitismus…« (ebd., S. 33). Begründungen und Belege, in welcher Weise Xammars Artikel vom 24.11.1923 nicht Hitlers, sondern Xammars Antisemitismus und den gewisser spanischer Eliten zum Ausdruck bringt, bleiben aus.
Festzuhalten bleibt, dass Henseleit die Debatte um die Echtheit des Interviews in den deutschen Sprachraum getragen hat und beizupflichten ist ihm auch, dass es in der katalanisch-spanischen Diskussion schwerfällt, sich von dem Gedanken zu trennen, dass es das »Hitler-Interview« doch irgendwie gab (Henseleit 2022, S. 30f.).
8. Ein perfekter Artikel über den Hitler-Putsch von einem, der nicht dabei war
Xammars Schilderung des Putsches im Bürgerbräukeller wurde vielfach in höchsten Tönen in der deutschen Presse gelobt. Es folgen einige wenige Beispiele: Der Verleger und Verfasser der Einleitung, Heinrich von Berenberg (2007) gibt den Ton vor: »Dem Münchener Hitler-Putsch im November 1923 hat er einige der besten und sarkastischten Seiten gewidmet, die je darüber geschrieben wurden. Fast könnte man meinen, Lion Feuchtwanger habe sie studiert, ehe er seinen politischen Schlüsselroman ‚Erfolg‘ schrieb« (2007, S. 9).
Paul Stänner (2008) sagt im Deutschlandfunk: »Xammar betrachtet die Geschehnisse in Deutschland, das er ausgiebig bereiste, wie ein Theaterzuschauer ein Drama oder ein Kinogänger einen Film. Hitler als Cowboy-Darsteller. Die Reportage dieses Putsches im Bier- und Tabaksdunst des Bürgerbräukellers ist eine hinreißend komische Schilderung einer makabren Posse. Xammar wusste, mit wem er es zu tun hatte, er hatte Hitler kurz zuvor interviewt.«
Volker Ullrich (Die ZEIT) liest »eine der aufschlussreichsten Schilderungen dieses zwischen blutigem Ernst und Groteske schwankenden Ereignisses« (Ullrich 2007). Andreas Mix (Berliner Zeitung) fasst zusammen: »In einer grandiosen Reportage charakterisierte Xammar den Hitler-Putsch als dilettantischen Streich bramabasierender Kleinbürger: ein Spektakel aus dumpfer Bierseligkeit und großen Gesten« (Mix 2007). Ernst Piper (Tagesspiegel) erkennt »eine klare Analyse des Geschehens, die den Putschversuch in seiner ganzen Lächerlichkeit entlarvt« (Piper 2008).
Der Punkt, um den es in der vorliegenden Erörterung geht, ist die allseits unterstellte Augenzeugenschaft Xammars, die hier bestritten wird. Liest man in dem Standardwerk zum Hitlerputsch 1923 von Harold J. Gordon jr die Passage zum Ablauf des Putsches nach (1971, S. 256 -261), sind deutliche Unterschiede zur Version Xammars in Details, aber auch im Gesamtablauf der Ereignisse im Bürgerbräukeller festzustellen. Da Xammar für eine spanische Leserschaft schrieb, mag ihm Exaktheit weniger wichtig gewesen sein als effektvolle Zuspitzung und Vereinfachung ‒ unabhängig davon, ob er dabei war oder nicht.
Das Besondere an der Schilderung des Putsches durch Xammar liegt weder im Neuigkeitswert seines Berichts noch in der Genauigkeit des Dargestellten, sondern in seinen außergewöhnlichen stilistischen Fähigkeiten, wozu unter anderem Selbstironie und Sarkasmus (siehe das Zitat in Abschnitt 1.4) gehören. Den Artikel über den Putsch einleitend schreibt Xammar selbstironisch (wissend, dass er nicht dabei war):
Ich gebe zu, es übersteigt meine Fähigkeiten, den Putsch in Bayern so zu schildern, dass der Leser ihn sich vorstellen kann, ohne dabei gewesen zu sein. Wenn ich es dennoch versuche, so deshalb, weil ich meinen Lebensunterhalt damit verdiene und mir nichts anderes übrigbleibt (Xammar 2007, S. 134).
Den Beweis dafür, dass er selbst nicht dabei war, liefert eine Passage aus seinen Memoiren35, aufgezeichnet 1974/75, die nicht eindeutiger sein kann:
An diesem Abend löschten Josep Pla und ich unseren Durst im Franziskaner Bräu. […] Ich habe es schon gesagt, nicht wahr, dass wir an diesem Abend, als Josep Pla und ich unseren Durst im Franziskaner Bräu löschten, in einem anderen Münchner Keller – dem Hofbräu, wenn ich mich nicht irre – große Dinge passierten. Kurzlebig, aber groß. Genau gesagt, ein Staatsstreich, organisiert von einem bunt zusammengewürfelten Haufen rechter Gruppen und Grüppchen, öffentlich zugelassenen und klandestinen, an deren Spitze sich drei große Persönlichkeiten positioniert hatten: der General Ludendorff, während des Krieges erster Stellvertreter des Marschalls von Hindenburg, der Kopf der bayerischen Regierung von Kahr und der junge Stern des delirierenden germanischen Patriotismus, Adolf Hitler. Als Josep Pla und ich in der ziemlich kalten Nacht des 9. November zu Bett gingen, ahnten weder er noch ich, dass in dieser Nacht Geschichte geschrieben wurde. Und zwar, wie wir in den Zeitungen des nächsten Tages lasen, auf spektakuläre Weise (Xammar 1991, S. 265f., Übersetzung KB).
In der Tat wurde der Hergang des Putschversuches durch verschiedene Erklärungen von Kahrs, die die Grundlage viele Zeitungsberichte bildete, recht detailliert bekannt (Bischl 2023). Alsbald hatten auch Teile der deutschen Presse nach der Niederschlagung das Dilettantische und Komische des Vorgangs erkannt und schlachteten es aus. Am 10.11.1923 titelte Ernst Feder im Berliner Tageblatt »Das Ende der Hanswurstiade«, und auch in Amerika weiß man Bescheid. Larry Rue, der wirklich dabei war, schreibt am 11. November in der Chicago Tribune über die Ereignisse unter dem Titel»Tribune Man Gives First Eyewitness Story of Ludendorff’s Ill-fated Bavarian Coup«. In dem Artikel wird nebenbei auch die Bezeichnung »opera bouffe revolt« für den Putschversuch erfunden.36
Xammar hatte also noch etwas Zeit, um sich umzuhören, Kollegen zu treffen, deutsche und internationale Zeitungen zu lesen und an seinem Artikel zu arbeiten, der dann am 17. November 1923 in der katalanischen Zeitung La Veu de Catalunya mit dem Titel »Der Putsch als Spektakel« (2007, S. 134f.) veröffentlicht wurde.
9 Schlussbetrachtung
In dem vorliegenden Diskussionsbeitrag wurde argumentiert, dass davon auszugehen ist, dass ein »Interview«, das von niemandem bestätigt wird – nicht von Xammar selbst und auch von keinem anderen –, nicht stattgefunden hat. Plädiert wird für eine Beweislastumkehr. Es muss nicht bewiesen werden, dass das Interview nicht stattfand, sondern es müssen positive Belege gefunden werden, die anzeigen, dass es das fragliche Interview gab. Solange es einen solchen Nachweis nicht gibt, ist davon auszugehen, dass das Interview eine literarische Erfindung ist.
HistorikerInnen sollten das Interview nicht mehr als verlässliche Quelle verwenden. Eine gewisse Ironie liegt darin, dass Eugeni Xammar vermutlich deshalb niemals auf sein erfundenes Hitler-Interview zu sprechen kam, um vor der Historikerzunft und der Öffentlichkeit nicht als Fälscher dazustehen. Dieses Beschweigen aber ermöglichte erst, das »Interview« bei seiner Wiederentdeckung und erneuten Veröffentlichung für authentisch zu halten und als historische Quelle zu verwenden.
Ein wichtiges Ergebnis der vorgelegten Erörterung liegt auch darin, dass selbst für den Fall, dass doch noch Belege für ein Gespräch Xammar-Hitler auftauchen sollten, aus dem »Hitler-Interview« keine historisch belastbare Quelle würde. Denn zu offenkundig ist, dass die Ausführungen Hitlers in diesem »Interview« entscheidend von Xammars literarischer Imagination abhängen.
Erstaunt hat die außerordentliche Prägekraft der Vorworte und Einleitungen renommierter Verlage und HerausgeberInnen für die Wahrnehmung und Interpretation der Texte in relevanten Rezensionen. Vertrauenswürdigkeit und Renommee dieser Instanzen haben skeptische Nachfragen und erforderliche Quellenkritik erst gar nicht aufkommen lassen.
Ein Beispiel, das diese Problematik besonders deutlich macht, ist die Interpretation der Passagen zur Judenfrage in dem »Interview«. Die Verleger und Herausgeber haben den Ton vorgegeben. Es wurden die Pläne Hitlers zur Judenvernichtung herausgelesen und sogar Vorzeichen des Holocaust und der Endlösung darin erkannt. Manche halten den Text in dieser Hinsicht sogar für prophetisch.
Der Text aber gibt solche Deutungen, genau gelesen, nicht her. Wissenschaftlich unzulässige Rückprojektionen nach der Katastrophe führen zu falschen Interpretationen. Diese Interpretationen verdrehen zudem die offenkundige Intention Xammars. Dieser wollte nichts prophezeien, sondern Hitler und seinen fanatischen Antisemitismus als entsetzlich und gleichzeitig als geradezu lächerlich und grotesk vorführen.
Ein Fake ist ein Fake. Insofern ist Xammar nicht von dem Vorwurf zu entlasten, gegen das journalistische Berufsethos verstoßen zu haben. Auf einer anderen Ebene liegt die Frage, welchen Schaden Xammar mit seinem fingierten Interview angerichtet hat. Der Schaden, den er bei seinen LeserInnen anrichtete, dürfte zu vernachlässigen sein. Auf der Habenseite wäre zu verbuchen, dass Xammar seinen Lesern den radikalen, eliminatorischen Antisemitismus Hitlers drastisch vor Augen führte, aber zusätzlich auch Detailkenntnisse über das antisemitische Bayern vermittelte, wenn er über die Ausweisung der Ostjuden in Bayern oder über den Konflikt der NSDAP mit der katholischen Kirche in Gestalt des Kardinals Michael von Faulhaber informierte.
Die Berichte Xammars aus Deutschland waren, so die Annahme, nicht wegen ihrer Aktualität (die oft nicht gegeben war) attraktiv, sondern wegen seiner außergewöhnlich guten Kenntnisse der deutschen Verhältnisse und wegen seines unverwechselbaren, unterhaltsamen Stils, die zu einer spezifischen Form des Infotainment zusammenkamen.
Für eine angemessene Bewertung, die nicht nur Maßstäbe von heute auf die Vergangenheit anwendet, wären im Sinne einer erweiterten Quellenkritik auch die zeittypischen Rahmenbedingungen des »spanischen Zeitungswesens und seiner Schreibweisen« quellenkritisch einzubeziehen, »um die Zusammenhänge zu verstehen, unter denen die Beiträge entstanden« (Welzbacher 2007).
Zu erinnern ist an die Einschätzung Permanyers, dass ein fingiertes Interview damals durchaus zum Charakter von Xammar und Pla sowie dem Stil der Epoche passte. Der Hinweis auf den Stil der Epoche ist interessant, weil damit gemeint sein könnte, dass es (bereits) damals in den 1920er Jahren unter Umständen wichtiger war, eine gute Geschichte abzuliefern als eine, die sich strikt an die Tatsachen hielt und bei der man unbedingt selbst dabei gewesen sein musste.
Eine gute story bedeutete, der Leserschaft etwas Spannendes als selbst Erlebtes aus der Ich-Perspektive zu erzählen. Eine ausdrückliche Versicherung der Augenzeugenschaft des Reporters war dafür hilfreich. Das lässt sich zum Beispiel auch für den Journalisten und Star-Reporter Manuel Chavez Nogales zeigen, der wie kein anderer den Nimbus des »Mannes, der dabei war« besaß. In seiner Reportage über die Verteidigung Madrids im Bürgerkrieg ist er als Autor in Madrid dabei, als Person hielt er sich jedoch in den Tagen nachweislich in Valencia auf (Morató 2023, S. 20).
Die Erwartung der damaligen LeserInnen, dass der Autor dabei zu sein und über Erlebtes zu berichten habe, konnte auch Xammar nicht enttäuschen. Seine Artikel, die am Tag des Hitlerputsches vom 8.11.1923 angesiedelt sind, bloß als Kompilation von Gelesenem und über Gespräche Erfahrenem zu erkennen, wäre frustrierend und langweilig gewesen. Auch das »Interview« hätte als Darstellung des radikalen, fanatischen Antisemitismus des Adolf Hitler aus Reden, Dokumenten und Gesprächen mit Nazis rekonstruiert und präsentiert werden können. Das war indes keine attraktive Option. Angesichts eines wehrlosen Adolf Hitler in Haft, riskierte Xammar den Versuch, ein fingiertes Interview als Groteske durchzubringen, um aus einem zu dem Zeitpunkt nur noch mäßig interessanten Thema (NSDAP verboten, Hitler in Haft) noch einmal Funken zu schlagen.
Wie immer man die Artikel Xammars vom 8.11.1923 versteht, sie regen heute noch an, über Fake, literarische Wahrheit und rigorose Quellenkritik nachzudenken.
Anmerkungen
La Veu de Catalunya (Die Stimme Kataloniens) war das katalanische Sprachrohr der von Francesc Cambó angeführten bürgerlich-konservativen, katalanisch-nationalistischen Partei Lliga Regionalista. Außer den beiden genannten Zeitungsartikeln veröffentlichte Xammar noch am 23.11.1923 im Zusammenhang mit dem Hitlerputsch quasi als Ergänzung »von Kahr erklärt den Münchener Putsch« (ebd., S. 142-144). Mehr als einen Monat vorher, am 9.10.1923, hatte er schon in derselben Zeitung, auf Basis eines Fotos, eine kurze, ätzende Charakterisierung Hitlers veröffentlicht (ebd., S. 116). ↩︎
Politisch ist von Interesse, dass die mit der Diktatur Primo de Riveras (13.9.1923-28.1.1930) eingeführte Zensur in Xammars Beitrag vom 24. November eingriff, indem sie drei Zeilen einer Spalte schwärzen lies. Immer wieder wurde spekuliert, dass es bei der Streichung um eine Passage zur Vertreibung der Juden aus Spanien ging. Ein weiterer Anlass für Spekulationen ist der Umstand, dass Xammar nach dem 24. November eine Zeit lang nicht mehr für die Veu de Catalunya schrieb, was ohne Belege und ohne Zögern mit dem zensierten Artikel in Verbindung gebracht wird, der ihn seine Stelle gekostet haben soll (González Prada 1998, von Berenberg 2007, Henseleit 2022). Übrigens erschien der Artikel vier Tage später (ohne die Schwärzungen und selbstverständlich ohne den unbekannten in La Veu de Catalunya zuvor geschwärzten Text) auf Spanisch in La Correspondencia de Valencia (Xammar 1923, online), einer Zeitung, die zu dem Zeitpunkt die Position der valencianischen Regionalisten vertrat, die Francesc Cambó nahestanden. Bei der politischen Beurteilung der Vorgänge innerhalb der Lliga Regionalista und ihrer Presseorgane ist zu bedenken, dass viele konservative Katalanisten der Lliga, aber eben nicht alle, die Diktatur Primo de Riveras zumindest anfangs begrüßten (Smith 2010). Innerhalb der Correspondencia de Valencia kam es deswegen sogar zu einer Abspaltung, bei der die Gegner der Diktatur die Redaktion verließen (Eintrag La Correspondencia de Valencia in der Enciclopèdia.cat 2024, online). ↩︎
Im Original: »la peça més controvertida del periodisme català«. ↩︎
Ergänzt sei an dieser Stelle, dass der später sehr berühmte Journalist und Schriftsteller Josep Pla einige Tage später als Xammar, nämlich am 28. November, in der katalanischen Zeitung La Publicitat einen Artikel »Geschichten aus Bayern: Hitlers Monolog« veröffentlichte, dessen Inhalt ebenfalls das Treffen mit Hitler wiedergeben soll (Xammar 2007, S. 149-152). »Hitlers Monolog« ist als genau so fiktiv anzusehen wie das »Hitler-Interview«. Als sicher gilt übrigens, dass Pla kein Deutsch verstand. ↩︎
1998 wurden zunächst die frühen Artikel Xammars auf Katalanisch unter dem Titel L’ou de la serp veröffentlicht (Xammar 1998). Es folgte im Jahr 2005 die spanische Übersetzung El huevo de la serpiente (Xammar 2005). In deutscher Übersetzung erschien die Aufsatzsammlung unter dem Titel Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922-1924 im Berenberg Verlag (Xammar 2007). Bislang nur auf Spanisch erschien eine Sammlung der für Ahora geschriebenen Beiträge (Xammar 2005) unter dem Titel Crónicas desde Berlín (1930-1936). ↩︎
Über Xammar als Persönlichkeit informieren kurz die online verfügbaren Artikel von Charo González Prada (1998) und Jordi Amat (2019), und etwas ausführlicher die vorzügliche Einleitung von Charo González Prada (2005) zu den Crónicas desde Berlín. ↩︎
Josep Pla charakterisierte Xammar als »un terrible devorador de diarios« (zit. nach González Prada 2005, S. 18.). ↩︎
Zum »Deutschen Kampfbund«, eine Vereinigung paramilitärischer Organisationen, gehörten die SA (Hermann Göring), die Reichsflagge (Adolf Heiß) und der Bund Oberland (Friedrich Weber). Militärischer Führer des Kampfbundes war Oberstleutnant a.D. Hermann Kriebel (1878-1941), das Amt des Geschäftsführers hatte Max Erwin von Scheubner-Richter (1884-1923) inne. Am 25. September 1923 hatte Adolf Hitler die politische Leitung des Kampfbunds übernommen (Zelnhefer 2024). ↩︎
Beide, die katalanische und die spanischsprachige Veröffentlichung des Artikels sind online verfügbar (siehe im Literaturverzeichnis Xammar 1923). ↩︎
Die Historikerin Edith Raim, die von der Echtheit des »Interviews« ausgeht, bestätigt indirekt den Eindruck, es mit der Inszenierung eines Schwanks zu tun zu haben. Sie liest aus dem »Interview« heraus, dass Hitler sich am 8.11.1923 den katalanischen Journalisten gegenüber »aufgeräumt und redselig« äußerte, und sie spekuliert, dass ihn womöglich »die Aussicht auf die geplante ‚Machtübernahme‘ durch den Putsch zu einem offeneren Wort animierte« und die außergewöhnlich deutliche Sprache womöglich damit zusammenhing, dass er in den Spaniern, die sich als Anhänger des Diktators Primo de Riveras ausgaben, »verwandte Seelen« erkannte (Raim 2014, S. 58-60). ↩︎
Diese drei Autoren haben explizit die Frage nach der Echtheit des Interviews untersucht. Zweifel an der Echtheit des Interviews finden sich als Nebenbemerkungen auch bei einer Reihe anderer Autoren, etwa bei dem bereits zitierten Jordi Amat (2019). Der Historiker und Medienforscher Guillamet Lloveras schreibt: »Es ist eine plausible Hypothese, dass es sich um ein fiktives Interview handelt« (im Original: »Una hipòtesi versemblant és que es tracti d’una entrevista fictícia« (2022, S. 16f.). Der Historiker Josep Maria Fradera (zitiert in Nopca 2023, online) meint: »Es ist legitim, sich zu fragen, ob das berühmte Interview tatsächlich stattgefunden hat oder nicht« (im Original: »Es lícito pregutarse sí la famosa entrevista se produjo o no«). ↩︎
Im Original: »En fin, una diablura inocente que cuadra con el perfil de Xammar, de Pla y también con el estilo de la época« (Permanyer 2000, S. 2). ↩︎
In der Tat ist es als unwahrscheinlich anzusehen, dass Hitler gerade zwei Fremden gegenüber etwas mit Neuigkeitswert offenbaren sollte. Anders als Sánchez Piñol nahelegt, wird nach der hier vertretenen Meinung (ausführlich dazu Abschnitt 5) in dem »Interview« aber nichts Neues zur Judenvernichtung kundgetan, sondern aus der bekannten antisemitischen Ideenwelt geschöpft. ↩︎
Es ist schwer zu beurteilen, wie gut Hitler die spanische Geschichte kannte. Erwähnenswert mag immerhin sein, dass er in »Mein Kampf« die Judenvertreibung der katholischen Könige nicht aufgreift, und sich den spanischen Diktator Primo de Rivera als eine Art Mussolini zurechtlegt: »Ein katalanischer General zog aus gegen Madrid, erst mit einer Brigade, aber es wird eine Division daraus, und endlich liegt ihm das ganze Land zu Füßen. Als er marschiert, ist noch immer nicht ganz Spanien gewonnen, Madrid ist nicht Spanien, aber es wird gewonnen« (Jäckl/Kuhn 1986, S. 1116 (28.2.1924 = Dritter Verhandlungstag im Hitler-Ludendorff-Prozess). ↩︎
Im Original: »Quin parell. Veuen com eren uns genis? Fins i tot quan l’espifien no pots no parlar d’ells«. ↩︎
Im Original: »[Xammar y Pla] tenían todas las credenciales literarias necesarias para haber reescrito el recuerdo de su entrevista con Adolf Hitler, fuera como fuera este encuentro, fugaz, improvisado, predeterminado, exclusivo o con otros periodistas«. ↩︎
Im Original: »[Pero] quizás no se sintieron nunca muy orgullosos de ello. O temían que se les reprochara no haber detectado en el dictador al loco peligroso que ya era«. ↩︎
Nachweisbar hatte die neu errichtete spanische Diktatur bei Alfred Rosenberg, damals Chefredakteur des VB, großes Interesse gefunden, wie ein Tagebucheintrag von Paula Schlier belegt. Diese, eine sozialdemokratisch denkende Journalistin, hatte sich als Sekretärin im VB einstellen lassen, um undercover Erkenntnisse über die NSDAP zu gewinnen. Sie notiert in ihrem Tagebuch, dass am 28. Oktober 1923 ein spanischer Anhänger Primo de Riveras in die Redaktion kam und ein intensives Gespräch mit Rosenberg führte: »Heute war ein Spanier da, ein fanatischer Revolutionär, der von dem Umsturz in seiner Heimat Kunde brachte. Er wurde wie ein Fürst empfangen und saß im Zimmer des Chefredakteurs. R. hatte mich rufen lassen, damit ich Wichtiges aus der Erzählung des Spaniers mitstenographiere. […] Während der Erzählung des Spaniers schien es mir, als werde es dem Chefredakteur immer leichter und freier zu Mute. Er stand auf, schüttelte dem Spanier die Hand. Seine Ironie war geschwunden. Er sagte nicht: Spaniens Revolution wird uns ein Ansporn sein, aber es sprach aus dem Blick, mit dem er dem fremden Herrn, ihn zur Tür geleitend, bedeutsam in die Augen sah.« (Schlier 2018, Kindle-Version, S. 85). ↩︎
In diesem Zusammenhang sind die Aufzeichnungen Leo Lanias von Interesse. Ebenfalls im Oktober 1923 hatte sich dieser politisch links stehende, ausgezeichnet Italienisch sprechende Journalist ebenfalls undercover mit einem selbst gefälschten Empfehlungsschreiben von Mussolinis Bruder als »Verbindungsmann zwischen faschistischer Partei und der ‚deutschen Bruderbewegung’« in der Redaktion des VB vorgestellt (Lania 1954, S. 227). Er wurde vorzüglich behandelt, bekam einen Dolmetscher, führte Gespräche mit Hitler und weiteren Nazi-Größen, bevor er nach acht Tagen enttarnt wurde und nur knapp mit dem Leben davon kam. Seine Erfahrung belegt das überaus große Interesse der Nationalsozialisten an Kontakten mit den italienischen Faschisten. Zu Hitler schreibt er auf Basis seiner Begegnungen: »seine [Hitlers] Überzeugung von seiner Mission und seiner Größe, die war unbedingt echt. In diesem Punkt war er ehrlich. Und in seinem Antisemitismus.« (1954, S. 227). Lania verstand auch, dass Hitler eine künftige Machteroberung mit dem Ziel der Militarisierung Deutschlands und einem neuen Krieg verband. Lania schrieb über sein Abenteuer und seine Erkenntnisse wenig später in der »Vossischen Zeitung«. ↩︎
Die Ablehnung von Pogromen findet sich explizit in folgenden Dokumenten: (1) Jäckel/Kuhn 1986, Dokument Nr. 61: München, 16. September 1919: Brief an Adolf Gemlich = Gutachten über den Antisemitismus erstellt im Auftrag seiner militärischen Vorgesetzten, S. 88-90f. (2) Jäckel/Kuhn 1986, Dokument Nr. 91: München, 6. April 1920: Diskussionsbeitrag auf einer NSDAP-Versammlung, S. 119f. (3) Jäckel/Kuhn 1986, Dokument Nr. 136: München, 13. August 1920: Rede auf einer NSDAP-Versammlung »Warum sind wir Antisemiten«, S. 184-204. ↩︎
Aus der aktuellen Verlagsbeschreibung (Acantilado 2024): »Viajaron [Xammar und Pla] juntos a Renania y a Baviera, desde donde describieron entre otras cosas los consejos de guerra franceses a ciudadanos alemanes poco dispuestos a colaborar o el frustrado golpe de Estado de Hitler en una cervecería de Múnich, así como una turbadora entrevista que mantuvieron con el futuro dictador en una época tan temprana como 1923, en la que éste ya prefigura el holocausto«. ↩︎
Und wenn Xammar, so eine weitere Überlegung Espadas, das »Interview« erfunden hätte, dann hätte ja der Journalist die Endlösung prophetisch vorausgesagt. Diese Sichtweise ist vom Text her, aber auch von der Intention Xammars nicht gedeckt. Xammar wollte nicht von einer düsteren Zukunft raunen, sondern, so die hier vorgeschlagene Sichtweise, seiner Leserschaft vor Augen führen, dass die Ansichten Hitlers zum Judenproblem zwar entsetzlich, aber auch »äußerst erheiternd« wären (Xammar 2007, S. 148) und Hitler nicht ernst zu nehmen sei. ↩︎
Roman Töppel, der untersucht hat, welche zeitgenössischen Antisemiten Hitlers Rassedenken in besonderer Weise beeinflusst haben, nennt Richard Wagner, Houston Stewart Chamberlain, Julius Langbehn, Heinrich Claß, Theodor Fritsch, Erwin Baur, Eugen Fischer, Fritz Lenz sowie Paul Bang, Dietrich Eckart, Otto Hauser, Hans F. K. Günther und Alfred Rosenberg (Töppel 2016, S. 31). ↩︎
Töppel weist (2016, S. 21) auch darauf hin, dass »Jude« und »jüdisch« letztendlich zu Chiffren werden für alles, was die Nationalsozialisten bekämpften. Und in der Tat sind die Kombinationen von Judentum mit Marxismus, Pazifismus, Demokratie vielfach anzutreffen. Dazu ein Beispiel: »Deutschland wird nur leben können, wenn der Saustall jüdischer Korruption, demokratischer Heuchelei und sozialistischen Betrugs mit eisernem Besen ausgefegt wird« (Völkischer Beobachter vom 15. Mai 1921, abgedruckt in Jäckel/Kuhn 1986, S. 393f.). ↩︎
Das erste Auslandsinterview überhaupt gab Hitler dem Auslandskorrespondenten Karl von Wiegand, das am 13. November 1922 in The Bridgeport Telegram erschien (Domeier 2021, S. 350). Der Korrespondent der Tageszeitung ABC in Berlin, Javier Bueno García, der seine Artikel mit Azpeitua zeichnete, veröffentlichte am 6. April 1923 das vermutlich erste Interview mit Hitler in einer spanischen Zeitung (Pla Barbero 2018, online). ↩︎
Im Original: »The Jews are not German. They are an alien people in our midst, and manifest themselves as such […] We are like a consumptive, who does not realize that he is doomed unless he expels the microbes from his lungs. Nations, like individuals, are apt to dance most wildly when they are nearest the abyss. Hence, I say, we need violent correctives, strong medicine, maybe amputation. […] We wish to purge ourselves from the Jews not because they are Jews, but because they are a disturbing influence.« ↩︎
Bei der Rekonstruktion der Ereignisse am 8.11.1923 wurde in erster Linie auf die akribische Arbeit von Bernhard Wien zu den Putschversuchen des Jahres 1923 zurückgegriffen (Wien 2023). Anzumerken ist gleichwohl, dass bislang keine konsolidierte, von der Forschergemeinschaft anerkannte minutiöse Chronologie von Hitlers Tagesablauf vorzuliegen scheint. ↩︎
Hitler hatte Esser zwar erst vor ein paar Stunden gesprochen, aber das schließt nicht aus, dass er dem »gesundheitlich Angeschlagenen« (Wien 2023, S. 311) einen Besuch abstattete. Jedenfalls steht fest, dass Esser am 8.11.1923 auf unterschiedliche Weise mittat, etwa bei der den Putsch flankierenden Propagandaarbeit (ebd., S. 307f.) oder als Redner abends im Löwenbräukeller (ebd., S. 311f.). ↩︎
Das Geschehen in der Redaktion am Abend des 8.11. und am Folgetag hat Paula Schlier in ihrem Tagebuch anschaulich beschrieben und später auch veröffentlicht (Schlier 2018). ↩︎
Im Wikipedia-Eintrag zu Eduard Dietl (Wikipedia: Eduard_Dietl 2024) heißt es, dass dieser seit dem Frühjahr 1923 die Münchner SA militärisch ausbildete, und dass am Abend des 8. November 1923 eine Nachtausbildung von Einheiten der SA, des Bundes Oberland und des Hermannbundes stattfinden sollte. Ein Treffen Hitlers mit Dietl am Nachmittag vor dem geplanten Putsch, bei dem Truppen des Kampfbundes zum Einsatz kommen sollten, anzunehmen, ist plausibel. ↩︎
Übrigens setzte Xammar selbst eine Falschmeldung über den Aufenthalt Hitlers am Nachmittag des 8.11.1923 in die Welt, indem er in seinem Artikel vom 23. November »von Kahr erklärt den Münchener Putsch« schrieb, Hitler habe zu der Zeit an einer Sitzung mit von Kahr teilgenommen. Dem war nachweislich nicht so. Der Sachverhalt ist kompliziert und nur am Rande interessant. Der Artikel Xammarsberuht auf einer gut dokumentiertenErklärung des Generalstaatskommissariats vom 9.11.1923 und einer weiteren Erklärung auf einer Pressekonferenz vom 10.11.1923, an der Xammar teilnahm. Xammar gibt von Kahr wie folgt wieder: »Noch am Nachmittag des achten November habe ich mich mit Vertretern der vaterländischen Vereine und Gesellschaften zu einem letzten Gespräch getroffen.« Dort argumentierte von Kahr, dass es für eine direkte Aktion zu früh sei, und fuhr fort: »Das ist meine Ansicht, und nachdem ich sie kundgetan hatte, zeigten sich alle Anwesenden, darunter Hitler und Ludendorff, einverstanden«. Von Kahr bezieht sich in seiner Verlautbarung aber auf eine Versammlung vom 6. November. Dort heißt es wörtlich: »Ich hatte zwei Tage vor der Versammlung, die durch Hitlers Überfall gestört wurde, eine eingehende vertrauensvolle Aussprache mit allen Vertretern und Führern der bayrischen vaterländischen Verbände; auch Hitler und der militärische Führer des Kampfbundes waren anwesend« (Bischel 2023, S. 68 – Erklärungen auf der Pressekonferenz des Generalstaatskommissariats am 10. November 1923). Es ging also um den Nachmittag des 6. November. Dazu kommt, was Xammar nicht wissen konnte, dass das Generalstaatskommissariat später, am 10. Dezember, sogar eingestehen musste, »dass Hitler bei der Aussprache nicht anwesend war« (Bischel 2023, S. 105). Pla Barbero (2018 online) nimmt auf Basis des irreführenden Artikels von Xammar an, Hitler habe am 8.11. nachmittags an jener Sitzung teilgenommen und habe deshalb bloß am Morgen des 8.11. Zeit gehabt, um sich mit Xammar und Pla zu treffen. ↩︎
»Morgen werden wir seine wirtschaftlichen und politischen Ideen darstellen« (Xammar 2007, S. 148), lautet eine Ankündigung am Ende des »Interviews«. Zu dem Artikel kommt es aber nicht, so die Herausgeber des Bandes, weil Xammar nach dem ersten Teil des »Interviews« nicht weiter bei der Veu de Catalunya beschäftigt wurde (ebd., S. 148). ↩︎
Weitere Rezensionen, die ebenfalls die Echtheit des Interviews annehmen, stammen von Sabine Fröhlich (NZZ v. 8.10.2007), Marie Luise Knott (taz v. 13.10.2007), Rainer Hank (FAZ v. 3.6.2008), Wolfgang Benz (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2007), o.A. (Cicero 2007) und dem Nachzügler Armin Fuhrer (Focus 3.6.2022). ↩︎
Eine ausführliche Besprechung dieses Buches erfolgte im Spanienecho (Böhle 2024). ↩︎
Im Original: »Aquell vespre Josep Pla i jo ens fèiem passar la set al celler de la Franziskaner Bräu […]. Deia, doncs, que aquell vespre, mentre Josep Pla i jo ens fèiem passar la set a la Franziskaner Bräu, en un altre celler de Munic ―el de la Hofbräu, si no vaig errat― passaven coses grosses. Efímeres, però grosses. Exactament, un cop d’Estat organitzat per una munió bigarrada de grups i grupets de dreta, públics i clandestins, al davant de la qual s’havien posat tres grans personatges: el general Ludendorff, primer lloctinent del mariscal Von Hindenburg durant la guerra, el cap del govern bavarès Von Kahr, i la jove estrella del patriotisme germànic delirant, Adolf Hitler. En ficar-nos al llit Josep Pla i jo, aquella nit del 9 de novembre era més aviat freda, ni ell ni jo no sospitàvem que fos històrica. Ho fou, segons llegírem als diaris de l’endemà d’una manera espectacular« (Xammar 1991, S. 265f.). ↩︎
In der Arbeit von Gary Klein (1997) wird ein Kapitel dem Echo und der journalistischen Verarbeitung des Putsches in drei Zeitungen nachgegangen: New York Times, Chicago Daily Tribune, Chicago Daily News. Nach Klein war Ludendorff weit mehr als Hitler dem schonungslosen Spott und Hohn der amerikanischen Presse ausgesetzt (S. 18). In einer Karikatur wird dieser, nicht Hitler (wie bei Xammar) als »Diktator für einen Tag« ausgemalt. Katherine Blunt (2015) untersuchte die Einschätzung Hitlers vonseiten der New York Times, The Christian Science Monitor und The Washington Post vor und nach dem Hitlerputsch (1923-1924). Sie fand heraus, dass Hitler nach dem gescheiterten Putsch nicht mehr recht ernst genommen wurde und sein späterer Aufstieg umso überraschender für viele US-Amerikaner kam. ↩︎
Verwendete Literatur
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Eugeni Xammar: Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922 – 1924. Berenberg Verlag: Berlin 2007; ISBN: 9783937834238.
Der Putsch als Spektakel, S. 134f.
Adolf Hitler oder die entfesselte Dummheit, S. 145-148
Cómo un enviado especial español supo calar, ya en mayo de 1933, la dictadura nazi
Reseña de Knud Böhle (en alemán: Spanienecho, 15 de febrero de 2024), traducción de Pascual Riesco Chueca (Spanienecho, 15 de marzo de 2024)
1. El reportaje en su contexto
1.1 Una valoración inicial, como crítica temprana de la dictadura nazi
Manuel Chaves, subdirector y redactor jefe del diario Ahora, viajó a la Alemania nazi como enviado especial en la primavera de 1933.1 Su reportaje desde la Alemania nazi pocas semanas después de la toma del poder es, dentro de sus obras, la que más condiciones reúne para interpelar directamente al público alemán.
El reportaje ofrece una imagen del naciente régimen nazi que impresiona por su complejidad, y describe sus instrumentos ideológicos y de poder político. Lo más difícil de la tarea periodística era probablemente configurar las observaciones y hallazgos de forma que los lectores españoles encontraran los informes apasionantes, comprensibles y convincentes.
La mayoría de sus apreciaciones siguen siendo válidas hoy en día. Con todo, no importa saber si Manuel Chaves acertó en todos sus juicios. El valor principal del reportaje reside hoy en el hecho de que ofrece una instantánea auténtica de lo que una mente despierta de entonces podía observar y concluir. Cabe considerarlo como uno de los primeros análisis críticos del nacionalsocialismo, recién llegado al poder.2
El reportaje quedó tan bien estructurado que, al leer el libro, es fácil olvidar que los artículos de que se compone eran inicialmente piezas separadas redactadas poco a poco durante un viaje de varias semanas a Alemania. Desde el punto de vista técnico, las distintas contribuciones se transmitieron al equipo editorial de Madrid por teléfono y fueron transcritas en tiempo real por mecanógrafos altamente profesionales. A continuación, se procedió a la composición tipográfica y a la integración texto-imagen (González Prada 2005, p. 21).
Lo que ahora se presenta en forma de libro fue en su origen una serie de trece artículos publicados entre el 14 de mayo y el 28 de mayo de 1933 en el diario madrileño Ahora. Diario gráfico. Fundado en 1930, Ahora fue un importante diario liberal-burgués de Madrid durante la Segunda República Española (1931-1939), con unos 100.000 lectores. Era próximo a las ideas y a la política del entonces presidente del gobierno, Manuel Azaña.3
El añadido Diario gráfico hace referencia a las numerosas ilustraciones en huecograbado, que eran una de las características particulares del periódico. Texto e imagen forman un todo. Lo mismo ocurre con los reportajes de Manuel Chaves. Las fotos, algunas tomadas por el propio autor, pero en su mayoría procedentes de otras fuentes, autentifican e ilustran lo explicado en el texto. Uno de los méritos de la edición alemana es contener la mayoría de las fotos del reportaje. Puede decirse, hablando de modo general, que una entrega típica llenaba una doble página del diario. En el texto se incluían de cuatro a cinco fotos con leyendas explicativas.
Leyenda: Muestra de la coordinación entre texto e imagen en el artículo sobre «la conquista de la juventud». Fuente: Ahora, número 761, 23 de mayo de 1933 (digitalizado y accesible en la Biblioteca Digital Memoria de Madrid (véase nota 3).
1.2 Cualidades periodísticas del reportaje
Con olfato periodístico, distanciándose de la ideología nazi y adoptando la perspectiva exterior de un observador democrático, Manuel Chaves consigue vislumbrar las condiciones necesarias de éxito y los principios funcionales de la dictadura que se estaba estableciendo, y expresarlos de forma vigorosamente narrativa. Chaves nunca da lecciones, no alardea de sus conocimientos, no argumenta teóricamente, sino que se basa siempre en su práctica de observación y en sus experiencias.4
Entre las vivencias pasadas que agudizaron su visión de la situación alemana se incluyen los años de dictadura en España bajo el general Primo de Rivera (1923-1930) y la experiencia adquirida en sus viajes acerca de la situación política en la Unión Soviética y la Italia de Mussolini.
A diferencia de muchos observadores de la época, se tomó en serio dos objetivos de Hitler y del nacionalsocialismo que habían sido articulados mucho antes de la toma del poder: la guerra y la eliminación de los judíos. Por este motivo, la recopilación de pruebas sobre el esfuerzo armamentístico y los preparativos de guerra, así como sobre la incipiente «extirpación metódica de los judíos» adquieren una importancia central en su investigación.
La visible progresión y éxito de los movimientos fascistas en Europa y la cuestión aneja sobre si ello suponía una amenaza para la República española proclamada en 1931 constituyen el marco de referencia adicional de su interés por profundizar en la cuestión. Es probable que su gráfica presentación de lo que implicaba vivir bajo la esvástica, un existir en un sistema totalitario, haya tenido un efecto disuasorio en la mayoría de los lectores de Ahora. Sin embargo, hay que tener en cuenta también que en España ya existía entonces una prensa de derechas y extrema derecha que pintaba una imagen bien distinta del nacionalsocialismo.
En sus reportajes, Manuel Chaves hace uso de todos los recursos del periodismo: a veces las fotos dominan el texto, a veces se registran con meticulosidad cifras y datos, y otras veces se describe una anécdota o una escena conmovedora. La visita a un campo de trabajadores voluntarios es documentada y reflejada con esmero. Se alternan referencias a conversaciones con «alemanes medios» y altos funcionarios, así como declaraciones públicas de cuadros del partido. Una entrevista con Joseph Goebbels es el centro de otro artículo.
Se incorporan reflexiones sobre el carácter de los alemanes, intercaladas aquí y allá, y se esboza el escenario distópico de un futuro nacionalsocialista con niños arios fabricados en serie. Las comparaciones entre Alemania y España se desarrollan como juegos de la imaginación: qué vendría a significar en particular tal o cual medida trasladada a las condiciones españolas. Además, se abordan temas de actualidad germano-española que preocupaban a la opinión pública española de la época (por ejemplo, si hubo entregas secretas de armas a la Alemania nazi o cómo se comportaba la embajada española en Berlín con los judíos alemanes deseosos de emigrar).
1.3 La aportación de Eugeni Xammar
Desde 1930, año de su fundación, Ahora contaba con un corresponsal permanente en Berlín: Eugeni Xammar, quien ya había trabajado como corresponsal para varios periódicos en Alemania desde 1922 (González Prada 2005, p. 20). Xammar, que por cierto estaba casado desde 1922 con Amanda Fürstenwerth, de Neumünster, resultaba ser un excelente conocedor de la historia y la política alemanas. También fue agregado de prensa de la embajada española y vicepresidente de la Asociación de la Prensa Extranjera en Alemania (VAP).5
Manuel Chaves supo utilizar los precisos conocimientos de Xammar sobre los inicios y el ascenso del NSDAP y su política desde la llegada al poder, su red personal y sus contactos a través de la embajada española y el VAP. Cabe añadir el perfecto conocimiento del alemán que tenía Xammar. Testimonio de ello es su traducción del Dr. Faustus de Thomas Mann al español, publicada en 1951 (Buenos Aires Ed. Sudamericana), que se ha reeditado una y otra vez hasta nuestros días. Manuel Chaves, por su parte, tenía en el mejor de los casos un conocimiento rudimentario del alemán, «… y es completamente desconcertante cómo pudo entablar contacto con la población, ya que no sabía nada de alemán: cualquier información en sentido contrario sería una sorpresa» (Henseleit 2022, p. 21). Xammar habrá estado presente al menos en algunas de las citas a las que acudió Chaves. La realización de la entrevista con Goebbels, uno de los momentos históricamente relevantes del viaje, es también difícilmente concebible sin la participación de Xammar. Ambos periodistas se tenían en gran estima, y acababan de hacer un viaje conjunto a la Italia fascista (González Prada 2005, p. 21). Los lectores de Ahora se beneficiaban de esta colaboración. Eran informados de los acontecimientos en la Alemania nazi por Xammar así como por Manuel Chaves: con regularidad continuada, a través de la columna de Xammar; y en mayo de 1933, adicionalmente, a través del reportaje seriado de Manuel Chaves.
1.4 Importancia del reportaje para la ciencia histórica
El libro es de interés para los historiadores por tres razones. En primer lugar, como documento testimonial contemporáneo y relato visual, entre otras cosas, de la visita al campo FAD de Biesenthal [FAD = Servicio de Trabajo Voluntario; el Servicio de Trabajo del Reich, RAD, no fue creado hasta junio de 1935], situado al noreste de Berlín, cuya militarización por los nazis fue documentada por Manuel Chaves. En segundo lugar, el reportaje desde Alemania en el nº 760 del periódico, el 21 de mayo, contiene una entrevista con el Ministro del Reich de Ilustración Popular y Propaganda, Joseph Goebbels (véase en una sección ulterior). En tercer lugar, las recientes investigaciones sobre el nacionalsocialismo despliegan un interés creciente por las relaciones mantenidas por la dictadura nazi con el público internacional, del que los corresponsales extranjeros formaban una parte destacada. Los artículos de Xammar y Chaves sobre la Alemania nazi también merecen interés en este contexto. La dictadura nacionalsocialista no era en modo alguno indiferente a la forma en que se pensaba sobre ella y se informaba sobre ella.6
Para situar mejor el reportaje, conviene recordar brevemente el momento histórico y el contexto al que pertenece, en su relación con Alemania y España.
1.5 El contexto político en Alemania
Según una fecha dada por Manuel Chaves (p. 27), parece verosímil que viajara a Alemania a mediados de abril de 1933. Por entonces ya se habían tomado importantes medidas contra los opositores al nacionalsocialismo y los partidarios de la República de Weimar, y la instauración de la dictadura totalitaria estaba plenamente en marcha. Los lectores de Ahora interesados en Alemania estaban al corriente gracias a los artículos de Xammar.7
30 de enero: Toma del poder = el Presidente del Reich Paul von Hindenburg nombra a Adolf Hitler Canciller del Reich;
4 de febrero: Decreto del Presidente del Reich para la Protección del Pueblo Alemán (viene a anular en gran medida los derechos fundamentales constitucionales de libertad de reunión y libertad de prensa);
28 de febrero: Incendio del Reichstag (sede del parlamento) / Decreto del Presidente del Reich para la Protección del Pueblo y del Estado;
5 de marzo: Elecciones al Reichstag;
13 de marzo: Creación del Ministerio de Ilustración Popular y Propaganda del Reich;
20 y 21 de marzo: Se organizan los campos de concentración para presos políticos de Dachau y Sachsenhausen;
23 de marzo: Ley Habilitante (poderes legislativos ilimitados para el Gobierno);
1 de abril: Llamamiento a un boicot contra los comercios judíos y contra profesionales judíos (médicos y abogados);
7 de abril: La Ley para la Restauración del Funcionariado Público Profesional (destinada a apartar del servicio público a personas de origen judío, opositores políticos y otras personas indeseadas y privarlas de su medio de vida. Al mismo tiempo, ello significaba asegurar puestos de trabajo y cargos a los miembros del NSDAP y otros nazis);
11 de abril: Introducción del «certificado ario».
Durante el tiempo en que Manuel Chaves estuvo en Alemania, fue testigo de la aplicación y las consecuencias de las medidas mencionadas. Por otra parte, hubo otros hechos decisivos que el periodista pudo vivir en directo:
1 de mayo: El Día Nacional del Trabajo como acto multitudinario con apoyo sindical;
2 de mayo: Desmantelamiento de los sindicatos;
10 de mayo: Creación del Frente Obrero Alemán (DAF);
10 y 11 de mayo: Quema de libros en la antigua Plaza de la Ópera de Berlín, momento cumbre de la «Acción contra el espíritu no alemán», que había comenzado en marzo de 1933; hasta octubre se quemaron libros en al menos otras dieciocho universidades alemanas.
Hacia el final de su estancia hubo Chaves de constatar lo siguiente: «Todos los adversarios del nacionalsocialismo han sucumbido» (p. 114); bien se habían pasado a los nacionalsocialistas, bien habían sido encarcelados, o se habían suicidado o habían huido al extranjero «en busca de la Libertad que el pueblo germánico ha creído superflua» (p. 115).
1.6 El contexto político en España
La situación política en España en mayo de 1933 puede esbozarse como sigue. No hacía mucho que había terminado la dictadura del general Miguel Primo de Rivera (1923 a 1930), a quien algunos contemporáneos habían llamado el Mussolini español. Tras un interludio, el 14 de abril de 1931 se proclamó la Segunda República Española. El monarca, Alfonso XIII, abandonó España días después, el 17 de abril. Tras las elecciones del 28 de junio de 1931, todavía sin derecho al voto femenino, se formó una coalición entre partidos burgueses y el PSOE (Partido Socialista Obrero Español). El primer Presidente del Gobierno fue Manuel Azaña, a quien Manuel Chaves conocía personalmente. En abril/mayo de 1933 gobernaba sobre una coalición de partidos republicanos de izquierda y socialistas (PSOE). En el momento del viaje a Alemania, no había en el Parlamento ni un diputado del Partido Comunista Español ni un miembro de un partido fascista. Todavía no se había fundado Falange, el partido fascista más destacado posteriormente. Pero ya existían los fascistas españoles de las JONS (Juntas de Ofensiva Nacional-Sindicalista), inspirados en gran medida en el nacionalsocialismo alemán y el fascismo italiano. La Falange y las JONS se fusionarían en 1934. Por otra parte, ya existía la alianza nacional de partidos católicos, autoritarios y filofascistas CEDA (Confederación Española de Derechas Autónomas), fundada el 4 de marzo de 1933.
Era por entonces imposible ignorar las primeras señales de una incipiente radicalización de la derecha y la izquierda políticas (anarcosindicalistas, socialistas, comunistas). Fracasa el intento de golpe de Estado del general José Sanjurjo, el 10 de agosto de 1932, pero la sublevación de los militares antirrepublicanos emerge como una posibilidad. El mes de enero de 1933 presenció levantamientos anarcosindicalistas promovidos por el sindicato anarquista CNT, y una de estas insurrecciones fue seguida por una crisis de gobierno cargada de consecuencias. En la localidad de Casas Viejas, en la provincia andaluza de Cádiz, los campesinos anarcosindicalistas se habían sublevado y proclamado el comunismo libertario. La intervención de la Guardia Civil y la Guardia de Asalto acabó en un exceso de violencia por parte de las fuerzas del orden, con veintiocho campesinos y tres policías muertos (acerca de la matanza, véase Brey y Gutiérrez 2010). La crisis causada por estos acontecimientos y su interpretación contribuyeron al final prematuro de la legislatura. La CEDA se convirtió en el partido más fuerte en las elecciones parlamentarias de noviembre de 1933. Tras estas elecciones, la cuestión de si el fascismo podía llegar al poder en España dejó de ser sólo teórica para convertirse en una cuestión de debate político práctico.
2. Sobre los contenidos
2.1 Una breve presentación del abanico temático
Impresiona ver cómo Manuel Chaves consigue abarcar una enorme variedad de temas en relativamente pocas páginas. A diferencia de muchos observadores del ascenso y la toma del poder por los nacionalsocialistas, él ya muestra su convicción en abril/mayo de 1933 ―y puede demostrarlo― de que el gobierno nacionalsocialista significa la guerra y la eliminación de los judíos en Alemania. Recoge pruebas del rearme y los preparativos para la guerra, documenta la «extirpación metódica de los judíos», desde el boicot planificado hasta las leyes antijudías que privan deliberadamente a los judíos de Alemania de sus medios de subsistencia, algo que Manuel Chaves denomina terror gris.
Aun admitiendo que los preparativos para la guerra, el antisemitismo y el exterminio son las piedras angulares del nacionalsocialismo, quedan sin respuesta muchas preguntas más concretas sobre el establecimiento, el mantenimiento y la expansión del poder. Manuel Chaves se interesa especialmente por la forma en que los nacionalsocialistas lograron ganarse a las mujeres y a los jóvenes, y cómo el adoctrinamiento se abrió camino en las instituciones educativas. Comenta los métodos modernos de public relations y propaganda nazi, así como la pérdida forzosa de diversidad de opinión de la prensa. Muestra cómo la ideología nazi prometía, por un lado, la revolución a los trabajadores y, por otro, el orden y buen clima de negocios a las grandes empresas. Analiza el desmantelamiento de los sindicatos, que no opusieron suficiente resistencia, observa la emergente estructura dual de las instituciones del partido y del Estado, y señala las intervenciones totalitarias en ámbitos de decisión antes privados. Casi incidentalmente, el carácter cínico de Goebbels o Göring queda patente a través de las citas. Pero también se advierte el asombro ligeramente horrorizado del reportero español ante «la actitud de Alemania» (p. 20), con su tendencia a obedecer a las autoridades, el desmedido hincapié en el trabajo («El alemán tiene que trabajar siempre. Tener trabajo es ser hombre», p. 56), la sustitución de la razón por la «Weltanschauung» (p. 125) y, en el plano mental, una notable proximidad a la Edad Media (p. 121). Y ahí no acaban los temas. Manuel Chaves debe tener siempre presente en su exposición a sus lectores españoles, que han de entender lo que ocurre en Alemania. Para ello, a lo largo del reportaje se hacen referencias y comparaciones actuales e históricas con España.8
En lo que sigue se intenta mostrar cuatro ejemplos de cómo Manuel Chaves trata los temas y cómo escribe. Las formulaciones llamativas, algunas de las cuales se mencionan aquí, desempeñan un destacado papel estilístico, entre otros recursos. En primer lugar, el tema de la militarización y el rearme. Es interesante que Chaves no trate este tema en un solo artículo, sino que vuelva a él una y otra vez subrayando distintos aspectos en cada caso. En cuanto al segundo tema, la persecución y opresión de los judíos, se ilustrará usando citas cómo Chaves trata los aspectos irracionales, grotescos y ridículos de la política antisemita nazi tanto con sarcasmo como con compasión. El tercer tema, la conquista de la juventud por los nazis, muestra con especial claridad que para Manuel Chaves es importante llamar la atención sobre las diferencias fundamentales entre las condiciones de Alemania y las de España. Por último, se hace referencia al artículo centrado en la entrevista con Goebbels sobre la propaganda y la contrapropaganda. Nuevamente, aunque de forma menos manifiesta, la referencia a la situación política en España ocupa una posición importante. Este artículo también revela la importancia del corresponsal permanente del periódico Ahora en Berlín, Eugeni Xammar.
2.2 Campo temático: rearme, militarización y preparativos bélicos
El periodista respalda con pruebas su convicción de que Alemania quiere la guerra. El tema se aborda en varios artículos, cada uno dirigido a un aspecto diferente. En la segunda entrega de la serie, del 16 de mayo de 1933, se dice a los lectores:
Así, pues, para comprender la situación de Alemania hay que partir de unos supuestos comunes que ya nadie se atreve a discutir de buena fe, ni siquiera los mismos alemanes: el que Alemania quiere la guerra; el de que la hará en cuanto pueda (pp. 26 ss.).
Bajo el título «Cómo piensa el alemán medio» recoge Chaves declaraciones de alemanes con los que ha tenido trato. Se repite un tema nada baladí, el compromiso con el militarismo:
Nuestro ideal es el militarismo. Los latinos se asustan de esta afirmación porque son incapaces de concebir el militarismo como voluntad y como representación (p. 32).
En la siguiente entrega, del 17 de mayo de 1933, se pregunta cuántos soldados tiene realmente Alemania:
Mientras en Ginebra discuten si la Reichswehr tiene efectivamente cien mil hombres o cien mil uno, cualquiera que ande unos días por Alemania y vea las manifestaciones callejeras y las paradas de los nazi y los cascos de acero, hará fatalmente el cálculo de que en filas Alemania tiene muy cerca de un millón de hombres (p. 38 ss.).
En la página siguiente figura una lista articulada de las distintas tropas militares y paramilitares, que alcanzan un total de 1,1 millones de hombres.
En otras dos entregas de la serie, Manuel Chaves describe su visita al campo de Biesenthal, un campo para trabajadores voluntarios no alejado de Berlín. Por la mañana ve cómo «los trabajadores voluntarios están desecando una laguna» (p. 52); Por la tarde, hay gimnasia en el programa, lo que para el autor no significa otra cosa que «instrucción militar que se da a los reclutas» (p. 57). Saca la siguiente conclusión: «Efectivamente: todos los trabajos que hacen los obreros voluntarios son útiles para un ejército en operaciones» (p. 52). Su síntesis: «Trabajo voluntario = Servicio militar obligatorio» (p. 58).
La insistencia bélica también se aprecia en la política de la mujer. Se anima a las mujeres a procrear: «cuando se les piden hijos es porque se espera el momento en que sean necesarios. Muchos, muchísimos hijos de madres alemanas va a necesitar el Führer. Todos serán poco» (p. 83).
2.3 Campo temático: la extirpación metódica de los judíos
Manuel Chaves tituló uno de sus artículos «La extirpación metódica de los judíos» y hizo notar que el término extirpación procedía del propio Hitler y que la «extirpación radical del judío» era uno de los fundamentos de los nacionalsocialistas.9 En abril/mayo de 1933, considera decisivo lo que denomina el terror gris: «lo verdaderamente serio e importante … es la implacable línea de conducta seguida por un régimen como el nacionalsocialista contra una masa de ciudadanos que, según las estadísticas, pasan de setecientos mil» (p. 99).
A continuación, explica las consecuencias de las leyes y ordenanzas antijudías, que afectan a profesores, abogados, pequeños comercios y grandes empresas como imprentas y grandes almacenes, así como a instituciones de beneficencia judías, empleadas del hogar e incluso guardagujas de ferrocarril, que se vieron privados de su medio de vida. Concluye:
No; no es que a los judíos les corten las orejas ni les arranquen los pelos; es, sencillamente, que les van suprimiendo los medios de vida (p. 100).
En media página, Chaves desmonta con trazo ligera y cierta dosis de sarcasmo la distinción ideológica fundamental de los nacionalsocialistas entre ario y semita. Al tomarse en serio la argumentación ideológica de los nazis, demuestra lo absurda que es.
«La raza de los arios» aparece sobre la faz de la tierra hacia 1830 […] Esto es lo que se deduce de las normas puestas en vigor por Hitler para saber cuáles son «los alemanes puros» y cuáles los judíos. Son arios puros aquéllos que puedan presentar las partidas de bautismo de sus cuatro abuelos; un solo abuelo no bautizado convierte a un alemán en semita, y en cambio, una pura ascendencia judía de veinte siglos, y la conversión final al cristianismo de los cuatro abuelos, sirven para trocar al más legítimo hijo de Israel en ario purísimo, dotado de todas las nobles virtudes de la raza nórdica (pp. 101 ss.).
¿Es un poco grotesco, verdad? Pues con este concepto de la raza aria […] está haciendo Hitler la división de sus súbditos en ciudadanos que tiene derecho a la vida y ciudadanos que deben morirse; porque no tendrán más remedio que morirse (p. 102).
Los ciudadanos judíos saben que sus vidas están en juego: han entendido el mensaje. La emigración no es la solución para la mayoría de ellos; solo para los que tienen el dinero requerido para ello (p. 102).
El judío está tan aterrorizado, que se allana a todo, y pasando por las más humillantes vejaciones, sólo pide que le dejen el derecho a vivir (p. 105).
Como ejemplo extremo, cita a un intelectual judío que se dirigió a los nazis con una llamativa reclamación.
Las últimas experiencias científicas han demostrado que a un perro se le puede extraer hasta la última gota se su sangre para volver a llenar sus venas con sangre de otro perro de casta distinta; hacedlo así con nosotros, si no queréis que tengamos sangre judía; pero dejadnos vivir. O dejadnos marchar (p. 105).
Lamentablemente, el autor, que hubo de ser testigo presencial, nos deja a oscuras sobre las circunstancias reales y los participantes en esta insólita petición.
La siguiente parte de la serie se centrá en otra consecuencia del régimen violento. Versa sobre masa y poder, siendo el titular elegido para ello «El Gran Inquisidor: El Pueblo» (p. 112). El terror gris de las leyes y reglamentos se complementa con la implacable caza del pueblo por el pueblo. Los cazados de este modo no son solo judíos, sino también los restos de una oposición de izquierdas y, en última instancia, todas las personas no deseadas. Chaves cita ejemplos. Su idea central:
La presión de una masa de humanidad, lanzada en una dirección favorable a sus instintos de odio y venganza, es mucho más eficaz que todos los aparatos policíacos (p. 114).
No hay lucha posible contra el odio de esa mayoría. «Todos los adversarios del nacionalsocialismo han sucumbido» (p. 114).
2.4 Campo temático: la conquista de la juventud
El capítulo sobre «la conquista de la juventud» da comienzo con esta frase:
De aquí en adelante, todos los niños que nazcan en Alemania traerán la cruz gamada en el ombligo. No desconfío de que los sabios alemanes lleguen a aislar el principio biológico del nacionalsocialismo, ni de que encuentren la manera de inyectárselo a las embarazadas (p. 65).
Algo más adelante, continúa así:
Los alemanes están orgullosísimos, relamiéndose sólo de pensar en lo que será capaz de hacer este niño que van a producir en serie (p. 66).
La ventaja anhelada es que el régimen ya no habrá de preocuparse por la reeducación o el exterminio en un futuro en que los niños «[nazcan] ya como convenga» (p. 65). Sin embargo, serían de compadecer estos niños, «para los que ningún acento verdaderamente humano será jamás inteligible» (p. 66), en contraste con los pobres rapaces de los montes gallegos o de las marismas andaluzas, de los que habla Manuel Chaves, que a pesar de su pobreza «conservarán íntegro, puro, el sentimiento de la Libertad, el de la Justicia, el de la Paz y el de la Humanidad» (p. 67).
No obstante, esta sarcástica distopía no oculta las ambiciosas medidas adoptadas por los nazis a fin de ganarse a los jóvenes para su bando: adoctrinamiento en las escuelas, propaganda, una enorme red publicitaria en la ciudad y en el campo, desfiles musicales, banderas, uniformes, juguetes militaristas, estampas coleccionables, deporte y cine.
Manuel Chaves ve claramente que los aspectos radicales, violentos y brutales del movimiento tienen capacidad de atracción para muchos jóvenes.
Todos los radicalismos y todas las audacias de la juventud caben en la actuación de las tropas de asalto de Hitler. … La gran fuerza de Hitler para la conquista del Poder ha sido indiscutiblemente los jóvenes. No nos equivocemos: la juventud rebelde alemana está con el Führer (pp. 71 ss.).
Ello constituye una diferencia importante con lo que ocurre en España:
El nacionalsocialismo es, indudablemente, un movimiento reaccionario, pero no como se lo imaginan los reaccionarios españoles. Hablad de un nazi de las buenas cualidades de sus mayores, y veréis qué infinito desprecio siente por ellos, cómo los odia. ¿El pasado? Un tejido de errores. ¿El káiser Guillermo? Un viejo cobardón que le tenía miedo a la guerra (p. 94).
2.5 La entrevista con el Ministro de Propaganda Joseph Goebbels
La entrevista, que aparece en Ahora el 21 de mayo, ha sido limitada de antemano por el Ministerio de Propaganda a tres preguntas y tres respuestas, que han de ser publicadas textualmente: «cada pregunta, con su respuesta a reglón seguido. Nada más» (p. 128).10
La entrevista se anuncia a los lectores de Ahora como si Goebbels se dirigiera específicamente a ellos. El estricto y rígido esquema de preguntas y respuestas, que descarta una conversación real, nos lleva a suponer que Manuel Chaves no se reunió con Goebbels en persona. Es perfectamente concebible que Manuel Chaves o Eugeni Xammar presentaran las tres preguntas por escrito y recibieran las respuestas, también por escrito, en algún momento posterior. El hecho de que Chaves, de forma poco habitual en él, no diga ni una palabra sobre el lugar, la forma en que le saludaron u otros detalles también habla en contra de un encuentro real entre los participantes.
Lo que añade en cambio a la entrevista es una cáustica tipificación del Dr. Goebbels, que es tan larga como toda la entrevista. Goebbels es caracterizado como un «tipo ridículo, grotesco» (p. 128).
Hay en él la misma capacidad de sugestión y de dominio que en todos los grandes iluminados, en todos esos tipos nazarenoides de una sola idea encarnizada. […] Es de esa estirpe dura de los sectarios, de los hombres votados a un ideal con el cual fusilan a su padre si se les pone por delante (p.129).
Completa su descripción con una frase destinada a facilitar la presentación del personaje ante su público español: «En España no ha habido así más que algunos curas carlistas, hace ya muchos años» (p. 129).
El gran titular a todo lo ancho de la página del periódico reza: «¿Habrá fascismo en España?». Las dos primeras preguntas planteadas a Goebbels, sin embargo, siguen estando estrechamente relacionadas con el departamento del ministro de Propaganda. La primera se refiere a la propaganda antialemana de los judíos emigrados al extranjero y cómo se debe poner fin a la misma. La segunda pregunta es qué métodos de propaganda piensa utilizar el ministerio fuera de Alemania. En la tercera, pregunta al ministro de Propaganda si cree que la doctrina nacionalsocialista será comprendida y tendrá eco en otros países, acercándose a la cuestión general de si habrá fascismo en España.
En opinión del reseñador, Chaves y Xammar podían intuir las respuestas que recibirían. Probablemente les interesaban dos cosas: en primer lugar, hacerse con el trofeo de conseguir que uno de los ministros más importantes del nuevo gobierno alemán concediera una entrevista para su propio periódico y, en segundo lugar, configurar las respuestas de modo que los lectores de Ahora se dieran cuenta del tipo de mente en Goebbels.
La respuesta de Goebbels a la primera pregunta sobre qué hacer con la propaganda antialemana de los judíos emigrados era en esencia la siguiente: aumentar la presión sobre los judíos en Alemania. El boicot contra los judíos a principios de abril había demostrado que este planteamiento funcionaba. La respuesta a la primera pregunta termina con una frase que habla de la perfidia de Goebbels: «En adelante seguiremos manteniendo el principio de que los judíos residentes en Alemania tienen obligación de evitar que el país donde viven sea difamado» (p. 130). La referencia al boicot puede no ser inmediatamente obvia para todo el mundo, pero lo es para un lector atento de Ahora.
En efecto, en un artículo de Xammar sobre el llamamiento al boicot, aparecido en Ahora el 1 de abril de 1933, ya se citaba una frase de Goebbels: «El sólo anuncio del boicot ha bastado para que la violencia de la campaña antialemana en la prensa extranjera disminuyera notablemente» (Xammar 2005, p. 126). Es precisamente esta afirmación de Goebbels la suscitada nuevamente por la primera pregunta del entrevistador y la que hace llegar a los lectores del periódico en toda su dureza.
En respuesta a la segunda pregunta sobre la propaganda en el extranjero, Goebbels arguye sintéticamente: «No haremos ninguna propaganda. Nos limitaremos a procurar que la verdad sobre Alemania sea conocida en todo el mundo» (p. 130). En lenguaje llano, se infiere claramente que el régimen nazi no tolerará en el extranjero una cobertura mediática no deseada. En marzo, la prensa española tuvo una dolorosa experiencia de lo que ello significaba en la práctica. Xammar había informado sobre el sucedido en Ahora. Probablemente, este incidente estaba aún fresco en la mente de ambas partes en el momento de la entrevista. En concreto, el periódico El Socialista había escrito el 19 de marzo de 1933 que Ernst Thälmann había sido asesinado por los nazis. Aunque el líder del KPD Thälmann estaba en prisión en ese momento, seguía vivo. De hecho, los nazis aprovecharon esta falsa noticia para organizar un montaje político y mediático a gran escala.11
La respuesta a la tercera pregunta fue que el nacionalsocialismo no era un artículo de exportación, sino que se estaba produciendo una «transformación espiritual de Europa» (p. 130), en la que cada nación encontraría la forma que le conviniera según la naturaleza de su carácter nacional. Pero nuestros periodistas, muy viajados, eran sin duda conscientes de que no hay lugar para el internacionalismo en la ideología de un nacionalismo a ultranza. Si se pone en relación la respuesta de Goebbels con el epígrafe «¿Habrá fascismo en España?», concluimos que su apreciación era correcta en la medida en que la posterior dictadura de Franco tuvo ciertamente sus características nacionales. Sin embargo, la victoria de Franco en la Guerra Civil española, de la que surgió la versión española de una dictadura fascista, fue cualquier cosa menos un asunto nacional, y sin el apoyo militar activo de los estados fascistas de Italia y Alemania habría sido impensable.
3. Conclusión
El reportaje de mayo de 1933, impresionante incluso hoy día, consigue pintar una imagen vívida y completa de Alemania poco después de la toma del poder. En el texto se subraya la importancia de Eugeni Xammar, corresponsal permanente en el extranjero del periódico Ahora en Berlín, para el éxito del reportaje. A pesar del tiempo transcurrido, nada parece anticuado en la serie de artículos. Capta un momento del camino de Alemania hacia la barbarie nacionalsocialista y muestra cómo las normas de civilización, los valores democráticos y los derechos humanos estaban siendo socavados por los nazis a una velocidad vertiginosa. De nuevo oímos la voz original de Manuel Chaves: «lo que nosotros llamamos barbaridades, para ellos no lo son. … [nosotros lo llamamos barbarie], aunque ellos lo llamen de otro modo» (109 ss.). Chaves escribe sobre la Alemania nazi, pero lo hace con el trasfondo de la situación política de España. Al referirse al nacionalsocialismo, sabe que su punto de vista tiene que imponerse frente a otras imágenes que circulan por la prensa reaccionaria y de derechas, por un lado, y por la prensa de la izquierda no burguesa, por otro. En mayo de 1933, todavía cabe mantener la creencia en el éxito del experimento democrático de la Segunda República, pero la euforia del principio ya se ha desvanecido. El clima político ha cambiado con el auge del fascismo europeo, lo cual se refleja en la radicalización de las fuerzas reaccionarias y antirrepublicanas, por un lado, y de las izquierdas decepcionadas con la República, por otro. En este contexto, el reportaje sobre la Alemania nazi y la vida bajo el signo de la esvástica también debe leerse y entenderse como un intento deliberado de disuadir y advertir contra el fascismo/nacionalsocialismo.
Por último, cabe sugerir nuevamente tareas a los historiadores profesionales interesados en el tema del nacionalsocialismo y el público internacional. ¿Cuáles eran los métodos de trabajo y de información de los corresponsales españoles en el extranjero acreditados en Berlín? ¿Qué contactos y redes eran importantes para ellos? ¿Hubo complicidades con la dictadura nazi? ¿Qué importancia concedió el régimen nazi a la tarea de crear influencia e instrumentalización en la prensa extranjera española (o hispanohablante)? La obra de Norman Domeier Weltöffentlichkeit und Diktatur [Opinión pública mundial y dictadura] supone un impresionante modelo, pero, al centrarse sobre todo en los periodistas estadounidenses, prácticamente no incluye a los corresponsales extranjeros españoles.
Un estudio sobre los corresponsales extranjeros españoles en la Alemania nazi no debería olvidar a Eugeni Xammar. Ese podría ser un buen punto de partida. ¿Qué contactos de interés tuvo en su entorno privado, qué contactos mantuvo con otros corresponsales, con qué personalidades y políticos alemanes influyentes de la República de Weimar y más tarde del nacionalsocialismo se relacionó? ¿Cómo consiguió mantener su posición hasta 1936? Lo que parece indudable es que Xammar dominaba el delicado arte de cabalgar sobre el filo de la navaja. Es decir, escribir sobre una dictadura para el extranjero sin perder la cabeza. El fin de su estancia en Alemania en 1936 se debió probablemente a las estrechas relaciones entre la Alemania nazi y el bando franquista desde el inicio de la guerra civil en julio de 1936.
Desde una perspectiva alemana queda por desear que alguna editorial alemana publique los artículos escritos por Xammar para Ahora entre 1930 y 1936 (Xammar 2005). Ello sería útil para cualquier persona interesada en obtener una visión esclarecedora, a través de una mirada externa, acerca de la República de Weimar y el nacionalsocialismo; y útil también para la investigación sobre corresponsales extranjeros de nacionalidad española en Alemania (antes y durante el franquismo).
Notas
En su biografía Cintas Guillén (2021) informa detalladamente sobre la vida y obra del autor. Torrente y Suberviola (2013) reúnen contribuciones de diversos autores sobre Manuel Chaves. En lo referente a sus últimos años durante el exilio inglés (1940-1944), véase Morató (2023). Existen dos ediciones en español de sus obras: Cintas Guillén (ed.) 2009 y 2013, así como Garmendia(ed.) 2020. A comienzos de 2024 han aparecido en lengua alemana cuatro volúmenes de la edición realizada por la editorial Kupido. ↩︎
Acerca de los primeros análisis críticos del nacionalsocialismo por parte de periodistas alemanes, véase Belke (1993). Tras la toma del poder, los autores críticos con el régimen que permanecieron en Alemania sólo podían expresarse con riesgo para su vida. Uwe Wittstock (2022) describe la coyuntura y las decisiones inherentes a la época en su libro Februar 33 [Febrero del 33], basándose en una serie de conocidas figuras literarias. La situación de los corresponsales extranjeros era mucho mejor, pero no exenta de riesgos. Cabe mencionar brevemente dos conocidos ejemplos de reportajes críticos realizados por corresponsales estadounidenses. En enero de 1933, Edgar A. Mowrer, que escribía para el Chicago Daily News y era también presidente de la VAP (Asociación de la Prensa Extranjera en Alemania), publicó su libro Germany Puts the Clock Back [Alemania atrasa el reloj] (Mowrer 1931), ganador del Premio Pulitzer. En segundo lugar, hay que mencionar a Leland Stowe, que también viajó a Alemania en 1933, cuatro meses más tarde que Manuel Chaves (en septiembre/octubre). Sus observaciones y análisis se publicaron como libro en enero de 1934: Nazi Means War [Nazi significa guerra] (Stowe 1934). Un proyecto anterior de publicación del reportaje en el New York Herald Tribune no se materializó porque el contenido fue considerado excesivamente alarmista. Tanto Edgar A. Mowrer como Manuel Chaves experimentaron la hostilidad de los nacionalsocialistas. Mowrer recibió presiones y se vio obligado a abandonar Alemania pocos meses después de su publicación crítica (Domeier 2021, p. 127s.). Manuel Chaves fue incluido en una lista de muerte de la Gestapo a causa de su reportaje (Henseleit 2022, p. 17). Como consecuencia, se vio obligado a huir del exilio francés hacia Inglaterra en 1940, tras la ocupación alemana de Francia. ↩︎
El reportaje apareció como publicación independiente en español en 2012 (Chaves Nogales 2012). Todos los números del periódico Ahora pueden consultarse en línea a través de la Biblioteca Digital Memoria de Madrid [consultada el 26 de enero de 2024] y descargarse como archivos pdf, incluido por supuesto el reportaje en varias partes de Manuel Chaves desde Alemania. ↩︎
María Isabel Cintas Guillén ha completado una detallada discusión y categorización de su estilo periodístico (2013, tomo I, pp. IX-XXIX y 2021, tomo II, pp. 258-263). También merece la pena leer la categorización literaria de Andrés Trapiello (2020). ↩︎
Los artículos que escribió para Ahora desde Alemania entre 1930 y 1936 se publicaron en forma de libro en 2005 (Xammar 2005). En la introducción a esta colección de artículos se describe detalladamente la persona y vida de Xammar (González Prada 2005). Una selección de artículos anteriores de los años 1922-1924 está disponible en catalán (Xammar 1998), español (Xammar 2005) y alemán (Xammar 2007). También está disponible una autobiografía escrita en catalán, a partir de conversaciones con Josep Badia i Moret (Xammar 1991). La biografía de Quim Torra (2008) se centra en Xammar como nacionalista catalán; apenas se mencionan los años que Xammar pasó trabajando en Berlín. ↩︎
Es evidente que la relación entre prensa libre y dictadura es compleja y conflictiva. A un lado, están los periodistas, que desean obtener información de primera mano de personalidades importantes, generalmente políticos. Para ello, pueden estar dispuestos a hacer todo lo posible y sobrepasar los límites de la ética profesional periodística. En el otro bando están los políticos que quieren servirse de los corresponsales para que informen según sus conveniencias. El trabajo de Norman Domeier (Weltöffentlichkeit und Diktatur [Opinión pública mundial y dictadura] 2021) es extremadamente útil para familiarizarse con el mundo de los corresponsales extranjeros en la Alemania nazi. Para los historiadores interesados en este tema, véase, además de Domeier, Martin Herzer (2012) y el informe de Marlene Friedrich (2023) sobre la conferencia Nationalsozialismus und internationale Öffentlichkeit [El nacionalsocialismo y la esfera pública internacional]. Para finales de 2024 se ha anunciado un libro de Lutz Hachmeister que trata específicamente de las entrevistas concedidas por Hitler a la prensa extranjera. ↩︎
Para una visión cronológica de los acontecimientos desde enero de 1933, véase (en alemán) la crónica anual de 1933en el portal en línea sobre historia alemana LeMO – Lebendiges Museum Online [Museo viviente en línea], así como la lista de legislación antijudía en el Reich alemán 1933-1945 en Wikipedia [editado: 9 de noviembre de 2023, consultado: 14 de enero de 2024]. ↩︎
Tres pasajes tratan de los puntos de contacto hispano-alemanes del momento: Manuel Chaves informa sobre el rumor de que los nazis obtenían sus pistolas en España, y espera que el Gobierno español contrarreste el rumor con mayor decisión (pp. 42 ss.). Habla del creciente número de personas que acuden a la embajada española como consecuencia de la legislación antijudía, a menudo con esperanzas ilusorias. Se felicita expresamente de que el Gobierno español haya aumentado inmediatamente el número de visados expedidos (p. 104). En tercer lugar, arremete contra los socialistas españoles que, con la invención de la «leyenda de la muerte de Thaelmann», habían abonado inadvertidamente la causa de los nazis (pp. 112 ss.; acerca de la leyenda, véase especialmente la sección 2.5). ↩︎
Posiblemente Manuel Chaves tenía en mente el discurso de Hitler del 6 de abril de 1920, en el que explicaba su antisemitismo erradicador: «No queremos ser antisemitas de los que, apelando al sentimiento, quieren crear un ambiente de pogromos, sino que nos inspira la implacable determinación de llegar a la raíz del mal y extirparlo sin contemplaciones. Para lograr nuestro objetivo, cualquier medio debe ser aceptable para nosotros, incluso si tenemos que coaligarnos con el diablo» (reimpreso en Jäckel y Kuhn 1986, pp. 184-204). ↩︎
El texto de la entrevista puede verse en línea a través de la editorial Kupido (siga el enlace y pulse después el botón «Die Welt (20.09.2022)»). Cabe formular una pregunta de interés para los historiadores: ¿ha sobrevivido de alguna forma el texto alemán, presumiblemente original, de la entrevista? ↩︎
La República Española y el embajador español en Berlín, Luis Araquistáin (marzo de 1932-mayo de 1933), fueron insultados en el Völkischer Beobachter y en el Berliner Börsen-Zeitung. A nivel diplomático, el embajador alemán en Madrid, Johannes von Welczeck, y el ministro de Asuntos Exteriores Konstantin von Neurath (NSDAP) tomaron cartas en el asunto. Además, el Ministerio de Propaganda organizó una visita a algunos de los prisioneros en la que se incluyó a un grupo de la prensa extranjera, entre ellos Xammar. En la comisaría de Alexanderplatz, Xammar pudo hablar con Ernst Thälmann, Ludwig Renn, Ernst Torgler, Werner Hirsch y Carl von Ossietzky, y comprobó que no se había producido ningún maltrato evidente a los detenidos (Xammar 2005, p. 116-125 de Ahora, 28 de marzo de 1933). ↩︎
Referencias bibliográficas
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Brey, Gérard y Gutiérrez Molina, José Luis (coord.): Los sucesos de Casas Viejas en la historia, la literatura y la prensa (1933-2008). Fundación Casas Viejas: Cádiz 2010.
Chaves Nogales, Manuel: Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes. Kupido Literaturverlag: Köln 2022.
Chaves Nogales, Manuel: Bajo el signo de la esvástica. Almuzara: Córdoba 2012.
Cintas Guillén, María Isabel: Manuel Chaves Nogales. Andar y contar. Tomos I y II. Almería: Confluencias 2021.
Cintas Guillén, María Isabel(Ed.): Manuel Chaves Nogales: Obra Narrativa Completa (Dos tomos). Diputación de Sevilla: Sevilla 2009 (Reimpresión).
Cintas Guillén, María Isabel (Ed.): Manuel Chaves Nogales: Obra Periodística (reedición nueva, ampliada, tres volúmenes). Diputación de Sevilla: Sevilla 2013.
Domeier, Norman: Weltöffentlichkeit und Diktatur. Die amerikanischen Auslandskorrespondenten im »Dritten Reich«. Wallstein: Göttingen 2021.
Friedrich, Marlene: Tagungsbericht: Nationalsozialismus und internationale Öffentlichkeit. En: H-Soz-Kult del 17.02.2023.
Garmendia, Ignacio F. (Hg.): Manuel Chaves Nogales: Obra Completa (cinco volúmenes). Libros del Asteroide: Barcelona 2020.
González Prada, Charo: Introducción. En: Xammar, Eugeni: Crónicas desde Berlín (1930-1936). El Acantilado: Barcelona 2005, pp. 13-39.
Hachmeister, Lutz: Hitlers Interviews. Der Diktator und die Journalisten. Kiepenheuer & Witsch: Köln 2024 (aparición prevista para noviembre de 2024).
Henseleit, Frank: Einführung zur ersten deutschsprachigen Ausgabe. En: Chaves Nogales, Manuel: Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes. Kupido: Köln 2022, pp. 7-39.
Herzer, Martin: Auslandskorrespondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich. Böhlau-Verlag: Köln, Weimar, Wien 2012.
Jäckel, Eberhard y Kuhn, Axel (Ed.): Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905–1924. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1986; Dokument Nr. 136: München, 13. August 1920. Rede auf einer NSDAP-Versammlung «Warum sind wir Antisemiten», pp. 184-204.
Morató, Yolanda: Manuel Chaves Nogales. Los años perdidos (Londres, 1940-1944). Renacimiento: Valencia 2023.
Torra i Pla, Quim: Periodisme? Permetin! La vida i els articles d’Eugeni Xammar. Símbol Editors: Barcelona 2008.
Torrente, Luis Felipe y Suberviola, Daniel: El hombre que estaba allí, libro-documental, Libros.com, 2013.
Trapiello, Andrés: Retrato literario de Chaves Nogales. En: Garmendia, Ignacio F. (Hg.): Manuel Chaves Nogales: Obra Completa. Libros del Asteroide: Barcelona 2020, Band 1, pp. XXVII–XXXIV.
Wittstock, Uwe: Februar 33: Der Winter der Literatur. Beck C. H.: München 2021.
Xammar, Eugeni: L’ou de la serp; presentación de Charo González Prada. Quaderns Crema: Barcelona, 1998.
Xammar, Eugeni: El huevo de la serpiente; traducción de Ana Prieto Nadal; presentación de Charo González Prada. El Acantilado: Barcelona 2005.
Xammar, Eugeni: Crónicas desde Berlín (1930-1936). Acantilado: Barcelona 2005.
Xammar, Eugeni: Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922-1924. Traducido del catalán por Kirsten Brandt. Berenberg Verlag: Berlin 2007.
Xammar, Eugeni: Seixanta anys d’anar pel món: converses amb Josep Badia i Moret. Quaderns Crema: Barcelona 1991.
Manuel Chaves Nogales: Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes. Kupido Literaturverlag: Köln 2022; ISBN 978-3-96675-150-6
Chaves Nogales, Manuel: Bajo el signo de la esvástica. Almuzara: Córdoba 2012; ISBN 978-84-15338-61-1
Eine Momentaufnahme mit Tiefenschärfe. Wie ein spanischer Sonderkorrespondent die NS-Diktatur bereits im Mai 1933 durchschaute
Rezension von Knud Böhle
1. Die Reportage im Kontext
1.1 Erste Einordnung als frühe kritische Analyse der NS-Diktatur
Manuel Chaves, stellvertretender Direktor und Chefredakteur der Zeitung AHORA, war im Frühjahr 1933 als Sonderkorrespondent in Nazideutschland unterwegs.1 Seine Reportage aus Nazideutschland wenige Wochen nach der Machtergreifung ist ohne Frage dasjenige seiner Werke, welches ein deutsches Publikum heute noch direkt angeht.
Die Reportage bietet ein beeindruckend komplexes Bild der sich etablierenden Naziherrschaft und ihrer ideologischen und machtpolitischen Instrumente. Spezifisch kommt hinzu, dass der Autor seine Beobachtungen und Erkenntnisse mit journalistischen Mitteln so aufbereiten musste, dass seine spanischen LeserInnen seine Berichte als spannend, verständlich und überzeugend empfinden konnten.
Die meisten Einsichten haben noch heute Bestand. Es kommt aber gar nicht darauf an, ob Manuel Chaves bei allen Einschätzungen richtig lag. Der besondere Wert der Reportage liegt heute darin, dass sie eine authentische Momentaufnahme dessen bietet, was ein wacher Geist damals beobachten und schlussfolgern konnte. Sie ist als eine der frühen kritischen Analysen des gerade an die Macht gekommenen Nationalsozialismus zu bewerten.2
Die Reportage wirkt derart gut durchkomponiert, dass man bei der Lektüre des Buches leicht vergessen könnte, dass die Artikel zunächst Einzelstücke waren, die nach und nach während der mehrwöchigen Deutschlandreise entstanden. Technisch gesehen wurden die einzelnen Beiträge per Telefon an die Redaktion in Madrid übermittelt und dabei in Echtzeit von hoch professionellen Schreibkräften verschriftlicht. Anschließend erfolgte die satztechnische Bearbeitung und die Text-Bild-Integration (Gonzáles 2005, S. 21).
Was nun als Buch in deutscher Übersetzung vorliegt, war ursprünglich eine Folge von 13 Artikeln, die zwischen dem 14.5. und dem 28.5.1933 in der Madrider Tageszeitung AHORA. Diario gráfico abgedruckt wurden. AHORA, 1930 gegründet, war während der Zweiten Spanischen Republik (1931-1939) eine wichtige, bürgerlich-liberale Madrider Tageszeitung, die eine Leserschaft von etwa 100.000 erreichte. Sie stand den Ideen und der Politik des damaligen Regierungschefs, Manuel Azaña, nahe.3
Der Zusatz diario gráfico weist auf die zahlreichen Abbildungen im Tiefdruckverfahren hin, die zu den Besonderheiten der Zeitung gehörten. Text und Bild gehören zusammen. Das gilt auch für die Reportage von Manuel Chaves. Die Fotos, die der Autor zum Teil selbst schoss, die zum größeren Teil aber aus anderen Quellen stammen, beglaubigen und veranschaulichen, was im Text ausgeführt wird. Es ist ein Verdienst der vorliegenden deutschen Ausgabe, dass in ihr die meisten Fotos der Reportage enthalten sind. Etwas verallgemeinernd lässt sich sagen, dass eine typische Lieferung eine Doppelseite der Tageszeitung füllte. In den Text waren vier bis fünf Fotos mit erläuternden Bildunterschriften montiert.
Legende: Beispiel der Text-Bildintegration anhand des Artikels zur »conquista de la juventud« (Eroberung der Jugend). Quelle: AHORA, Ausgabe Nr. 761 vom 23. Mai 1933 (digitalisiert zugänglich in der Biblioteca Digital Memoria de Madrid (siehe Anmerkung 3).
1.2 Journalistische Qualitäten der Reportage
Mit journalistischem Spürsinn, innerer Distanz zur Nazi-Ideologie und der Außenperspektive eines demokratischen Beobachters gelingt es Manuel Chaves, wesentliche Erfolgsbedingungen und Funktionsprinzipien der sich etablierenden Diktatur zu durchschauen und anschaulich erzählend zum Ausdruck zu bringen. Manuel Chaves wirkt nie belehrend, prahlt nicht mit seinem Wissen, argumentiert nicht theoretisch, sondern stets aus der beobachtbaren Praxis und seinen Erfahrungen heraus.4
Zu den zurückliegenden Erfahrungen, die seinen Blick für die Verhältnisse in Deutschland geschärft haben, gehören die Jahre der Diktatur in Spanien unter General Primo de Rivera in Spanien (1923-1930) und die auf Reisen erworbenen Kenntnisse über die politischen Verhältnisse in der Sowjetunion und im Italien Mussolinis.
Anders als zahlreiche Beobachter zu der Zeit, nimmt er zwei lange vor der Machtergreifung schon artikulierte Ziele Hitlers und des Nationalsozialismus ernst: Krieg und Eliminierung der Juden. Von daher kommt bei seinen Recherchen dem Sammeln von Nachweisen für die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung sowie für die beginnende »methodische Ausrottung der Juden« eine zentrale Bedeutung zu.
Den weiteren Bezugsrahmen seines Erkenntnisinteresses bildet der sichtbare Vormarsch und der Erfolg faschistischer Bewegungen in Europa und die damit verbundene Frage, ob darin eine Bedrohung für die 1931 ausgerufene spanische Republik liegt. Vor Augen zu führen, was ein Leben im Zeichen des Hakenkreuzes als Leben in einem totalitären System bedeutet, dürfte auf die meisten LeserInnen der AHORA abschreckend gewirkt haben. Dabei ist im Hinterkopf zu behalten, dass es in Spanien zu der Zeit schon eine rechte und rechtsextreme Presse gab, die ein durchaus anderes Bild des Nationalsozialismus zeichnete.
Bei seiner Reportage zieht Manuel Chaves alle Register des Journalismus: mal dominieren Fotos den Text, mal werden akribisch Zahlen und Daten zusammengetragen, dann wieder wird eine Anekdote oder eine anrührende Szene geschildert. Die Begehung eines Lagers von Arbeitsfreiwilligen wird minutiös dokumentiert und reflektiert. Zitate aus Gesprächen mit »durchschnittlichen Deutschen« und ranghohen Funktionsträgern sowie öffentliche Aussagen von Nazi-Größen werden eingeflochten. Ein Interview mit Joseph Goebbels steht im Mittelpunkt eines anderen Artikels. Reflexionen über den Charakter der Deutschen werden angestellt und verschiedentlich eingestreut, ein dystopisches Szenario einer nationalsozialistischen Zukunft mit in Serie gefertigten kleinen Ariern wird entworfen. Vergleiche Deutschlands mit Spanien werden in Form von Gedankenspielen durchexerziert: Was würde diese oder jene Maßnahme, auf die spanischen Verhältnisse übertragen, konkret bedeuten. Zudem werden damals aktuelle deutsch-spanische Themen, die die spanische Öffentlichkeit bewegten, aufgegriffen (z.B., ob es heimlich Waffenlieferungen an Nazideutschland gab oder wie sich die spanische Botschaft in Berlin gegenüber deutschen Juden verhielt, die emigrieren wollten).
1.3 Der Beitrag von Eugeni Xammar
AHORA hatte seit 1930, ihrem Gründungsjahr, einen ständigen Auslandskorrespondenten mit Sitz in Berlin: Eugeni Xammar. Er war seit 1922 schon als Korrespondent für unterschiedliche Zeitungen in Deutschland tätig gewesen (González Prada 2005, S. 20). Xammar, übrigens seit 1922 mit der aus Neumünster stammenden Amanda Fürstenwerth verheiratet, war nachweislich ein ausgezeichneter Kenner der deutschen Geschichte und Politik. Er war zudem Presseattaché der spanischen Botschaft und Vizepräsident des Vereins der Auslandspresse in Deutschland (VAP).5
Xammars genaue Kenntnisse der Anfänge und des Aufstiegs der NSDAP und ihrer Politik seit der Machtergreifung, sein persönliches Netzwerk sowie die Kontakte über die spanische Botschaft und den VAP sind Ressourcen, die Manuel Chaves nutzen konnte. Dazu kommen Xammars perfekte Deutschkenntnisse. 1951 erschien übrigens, was als Beleg gelten mag, seine Übersetzung des Dr. Faustus von Thomas Mann ins Spanische (Buenos Aires Ed. Sudamericana), die bis heute immer wieder neu aufgelegt wurde. Manuel Chaves dagegen verfügte bestenfalls über rudimentäre Deutschkenntnisse, »… und es ist ganz und gar rätselhaft, wie er mit der Bevölkerung in Kontakt trat, konnte er doch überhaupt kein Deutsch – das wäre jedenfalls neu« (Henseleit 2022, S. 21). Xammar wird zumindest bei einigen Terminen, die Chaves wahrnahm, dabei gewesen sein. Auch das Zustandekommen des Interviews mit Goebbels, einer der auch historisch relevanten Höhepunkte der Reise, ist ohne die Mitwirkung Xammars kaum denkbar. Beide Journalisten schätzten sich, und eine gemeinsame Reise ins faschistische Italien lag gerade erst zurück (González Prada 2005, S. 21). Die Leser der AHORA profitierten von dieser Zusammenarbeit. Sie wurden durch Xammar und Manuel Chaves über Vorgänge in Nazideutschland informiert: durchgehend über die Kolumne Xammars und im Mai 1933 zusätzlich durch die mehrteilige Reportage von Manuel Chaves.
1.4 Relevanz der Reportage für die Geschichtswissenschaft
Das Buch ist aus drei Gründen für die Geschichtswissenschaft interessant. Erstens als Zeitzeugendokument und Augenzeugenbericht, etwa vom Besuch des FAD-Lagers Biesenthal (FAD = Freiwilliger Arbeitsdienst; den Reichsarbeitsdienst, RAD, gab es erst ab Juni 1935) nordöstlich von Berlin, dessen Militarisierung durch die Nazis Manuel Chaves dokumentierte. Zweitens enthält die Berichterstattung aus Deutschland in der Nr. 760 der Zeitung vom 21. Mai ein Interview mit dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels (dazu unten mehr). Drittens lässt sich in jüngerer Zeit in der Forschung zum Nationalsozialismus ein verstärktes Interesse am Umgang der NS-Diktatur mit der internationalen Öffentlichkeit, zu der die Auslandskorrespondenten an prominenter Stelle gehören, feststellen. Auch in diesem Zusammenhang verdienten die Artikel von Xammar und Chaves über Nazideutschland Interesse. Der nationalsozialistischen Diktatur war es keineswegs egal, wie über sie gedacht und berichtet wurde.6
Zur besseren Einordnung der Reportage, lohnt es sich, den historischen Moment und Kontext, dem sie zugehört ‒ bezogen auf Deutschland und Spanien ‒, kurz aufzurufen.
1.5 Der politische Kontext in Deutschland
Ausgehend von einer Zeitangabe, die Manuel Chaves macht (S. 57), erscheint es plausibel, dass er Mitte April 1933 nach Deutschland einreiste. Zu dem Zeitpunkt waren bereits wichtige Maßnahmen gegen die Gegner des Nationalsozialismus und die Anhänger der Weimarer Republik erfolgt und die Errichtung der totalitären Diktatur war in vollem Gang. Darüber waren die an Deutschland interessierten LeserInnen der AHORA über die Artikel Xammars im Bilde.7
30. Januar: Machtergreifung = Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg;
4. Februar: Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes (setzt verfassungsmäßige Grundrechte der Versammlungs- und Pressefreiheit weitgehend außer Kraft);
28. Februar: Reichstagsbrand / Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat;
5. März: Reichstagswahl;
13. März 1933: Einrichtung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda;
20./21. März: Konzentrationslager für politische Gefangene in Dachau und Sachsenhausen eingerichtet;
23. März: Ermächtigungsgesetz (uneingeschränkte Gesetzgebungsbefugnisse für die Regierung);
1. April: Aufruf zum planmäßigen Boykott jüdischer Waren, jüdischer Ärzte und jüdischer Rechtsanwälte;
7. April: Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (Ziel, Menschen jüdischer Herkunft, politische Gegner und andere missliebige Personen aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen und ihnen die Existenzgrundlage zu entziehen. Das bedeutet gleichzeitig NSDAP-Mitglieder und andere Nazis mit Stellen und Posten versorgen zu können);
11. April: Einführung des »Ariernachweises«.
In der Zeit, die Manuel Chaves in Deutschland war, gab es zum einen die Umsetzung und die Folgen der genannten Maßnahmen zu beobachten. Zum anderen gab es weitere einschneidende Ereignisse, die der Journalist direkt miterlebten konnte:
1. Mai: Tag der nationalen Arbeit als Massenveranstaltung mit Gewerkschaftsunterstützung;
2. Mai: Zerschlagung der Gewerkschaften;
10. Mai: Einsetzen der Deutschen Arbeitsfront (DAF);
10. Mai/11. Mai: Bücherverbrennung in Berlin auf dem ehemaligen Berliner Opernplatz, dem Höhepunkt der »Aktion wider den undeutschen Geist«, die im März 1933 begonnen hatte; Bücherverbrennungen fanden an mindestens 18 weiteren deutschen Universitätsstandorten noch bis in den Oktober statt.
Gegen Ende seiner Reise muss Manuel Chaves konstatieren: »Die Gegner des Nationalsozialismus sind besiegt« (S. 141); entweder sind sie zu den Nationalsozialisten übergelaufen, wurden inhaftiert, hatten sich umgebracht oder waren ins Ausland geflohen »auf der Suche nach der Freiheit, die das germanische Volk für überflüssig erklärt hat« (S. 142).
1.6 Der politische Kontext in Spanien
Die politische Lage in Spanien im Mai 1933 lässt sich folgendermaßen skizzieren: Die Diktatur des Generals Miguel Primo de Rivera (1923 bis 1930), den manche Zeitgenossen den spanischen Mussolini nannten, lag noch gar nicht lange zurück. Am 14. April 1931 war dann nach einem Zwischenspiel die Zweite Spanische Republik proklamiert worden. Der Monarch, Alfonso XIII, verließ Spanien wenige Tage später am 17. April. Nach den Wahlen vom 28. Juni 1931, noch ohne aktives Wahlrecht für Frauen, formierte sich eine Koalition aus bürgerlichen Parteien und der PSOE (Partido Socialista Obrero Español). Erster Ministerpräsident war Manuel Azaña, den Manuel Chaves persönlich kannte. Im April/Mai 1933 regierte eine Koalition aus linken republikanischen Parteien und den Sozialisten (PSOE). Zum Zeitpunkt der Deutschlandreise gab es im Parlament weder einen Abgeordneten der KP Spaniens noch ein Mitglied einer faschistischen Partei. Die später wichtige faschistische Partei Falange war da noch gar nicht gegründet. Dazu kam es erst Ende Oktober 1933. Aber es gab bereits die spanischen Faschisten der JONS (Juntas de Ofensiva Nacional-Sindicalista), die sich wesentlich vom deutschen Nationalsozialismus und dem italienischen Faschismus hatten inspirieren lassen. 1934 sollten sich die Falange und die JONS dann zusammenschließen. Außerdem gab es schon das am 4. März 1933 gegründete national-katholisch bis faschistische Parteienbündnis CEDA (Confederación Española de Derechas Autónomas).
Erste Zeichen einer beginnenden Radikalisierung auf Seiten der politischen Rechten und der Linken (Anarchosyndikalisten, Sozialisten, Kommunisten) waren nicht zu übersehen. Ein Putschversuch des Generals José Sanjurjo am 10. August 1932 war zwar gescheitert, aber ein Aufstand anti-republikanischer Militärs war damit als Möglichkeit markiert. Von der anarchistischen Gewerkschaft CNT beförderte Erhebungen der Anarchosyndikalisten kennzeichneten den Januar 1933. Eine folgenschwerere Krise der Regierung folgte auf einen dieser Aufstände. Im Ort Casas Viejas in der andalusischen Provinz Cádiz gelegen, hatten anarcho-syndikalistische Bauern revoltiert und den freiheitlichen Kommunismus ausgerufen. Das Einschreiten der Guardia Civil und der Guardia de Asalto (beides paramilitärische Polizeiverbände) endete in einem Gewaltexzess vonseiten der Ordnungskräfte mit 28 getöteten Bauern und drei toten Polizisten (zu dem Massaker siehe Brey und Gutiérrez 2010, für die Turbulenzen der Zweiten Republik insgesamt Bernecker 2010, S. 119ff.). Die aus den Ereignissen und ihrer Deutung resultierende Krise trug zum vorzeitigen Ende der Legislaturperiode bei. Bei den Parlamentswahlen im November 1933 wurde die CEDA stärkste Kraft. Nach diesen Wahlen war die Frage, ob der Faschismus in Spanien an die Macht gelangen könne, nicht mehr nur eine der Theorie, sondern eine Frage der praktischen politischen Auseinandersetzung.
2. Zu den Inhalten
2.1 Kurzvorstellung des Themenspektrums
Eindrucksvoll ist, wie Manuel Chaves auf doch relativ wenigen Seiten ein thematisch riesiges Spektrum abgedeckt hat. Anders als viele Beobachter des Aufstiegs und der Machtübernahme der Nationalsozialisten, ist er sich im April/Mai 1933 schon sicher – und kann das belegen –, dass die nationalsozialistische Herrschaft Krieg und die Eliminierung der Juden in Deutschland bedeutet. Er sammelt Belege für Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, er belegt die gerade beginnende »methodische Ausrottung der Juden« vom planmäßigen Boykott bis zu den antijüdischen Gesetzen, die den Juden in Deutschland gezielt ihre Lebensgrundlage entziehen, was Manuel Chaves grauen Terror nennt.
Wenn Kriegsvorbereitung und Vernichtungsantisemitismus die Eckpfeiler des Nationalsozialismus bilden, so sind damit viele spezifischere Fragen des Machtaufbaus, Machterhalts und des Machtausbaus noch offen. Manuel Chaves interessiert insbesondere, wie die Nationalsozialisten die Frauen und die Jugend für sich gewinnen konnten, wie die Indoktrination in den Bildungseinrichtungen Einzug hält. Er kommentiert die modernen Methoden der Public Relations und der Propaganda der Nazis sowie die Gleichschaltung der Presse. Er zeigt, wie die NS-Ideologie den Arbeitern einerseits die Revolution und den Großunternehmen andererseits Ordnung und gute Geschäfte verspricht. Er thematisiert die Zerschlagung der nicht ausreichend widerstandsfähigen Gewerkschaften, bemerkt die entstehende Doppelstruktur von Partei und staatlichen Institutionen, und weist auf totalitäre Eingriffe in vormals private Entscheidungsbereiche hin. Fast ganz nebenbei wird über Zitate auch der zynische Charakter eines Goebbels oder Görings deutlich. Aber auch ein leicht entsetztes Staunen des spanischen Reporters ist zu vernehmen angesichts des deutschen Wesens mit seiner obrigkeitshörigen Neigung zu gehorchen, der Überbetonung von Arbeit (»Der Deutsche braucht die tägliche Arbeit. Mensch zu sein heißt arbeiten«), dem Ersatz von Vernunft durch Weltanschauung und einer Mentalität, die geistig im Mittelalter verblieben sei. Und das sind noch nicht einmal alle Themen. Dabei muss Manuel Chaves bei der Darstellung seine spanische Leserschaft stets vor Augen haben, die verstehen soll, was in Deutschland passiert. Damit das gelingen kann, werden in die Reportage durchgängig aktuelle und historische Bezüge zu und Vergleiche mit Spanien hergestellt.8
Im Folgenden wird versucht, exemplarisch aufzuzeigen, wie Manuel Chaves Themen behandelt und wie er schreibt. Markante Formulierungen, von denen einige hier aufgerufen werden, sind dabei ein (wichtiges) Stilmittel unter anderen. Auf vier Themen wird hier näher eingegangen: erstens das Thema Militarisierung und Aufrüstung. Interessant ist, dass Chaves das Thema nicht nur in einem Artikel abhandelt, sondern immer wieder darauf mit jeweils spezifischer Akzentsetzung zurückkommt. Beim zweiten Thema Judenverfolgung und -unterdrückung wird wiederum über Zitate deutlich, wie Chaves das Irrationale, Groteske und Aberwitzige der antisemitischen Nazi-Politik einerseits sarkastisch und andererseits mitfühlend behandelt. Beim dritten Thema der Eroberung der Jugend durch die Nazis lässt sich besonders gut erkennen, dass es Manuel Chaves wichtig ist, auf die grundlegenden Unterschiede zwischen den Verhältnissen in Deutschland und denen in Spanien aufmerksam zu machen. Schließlich wird der Artikel, in dessen Zentrum das Interview mit Goebbels zu Propaganda und Gegenpropaganda steht, herangezogen. Dabei spielt wieder, allerdings weniger offensichtlich, der Bezug zu der politischen Lage in Spanien eine große Rolle. Außerdem lässt sich an diesem Artikel auch die Wichtigkeit des ständigen Korrespondenten der Zeitung AHORA in Berlin, Eugeni Xammar, erkennen.
2.2 Themenfeld: Aufrüstung, Militarisierung und Kriegsvorbereitung
Die Überzeugung des Journalisten, dass Deutschland den Krieg will, untermauert er mit Belegen. Das Thema wird in mehreren Artikeln unter je spezifischem Aspekt behandelt. In der zweiten Lieferung der Artikelserie vom 16. Mai 1933 wird den LeserInnen mitgeteilt:
Um die Situation in Deutschland begreifen zu können, muss man ein paar Gemeinplätze über Bord werfen und diskutieren, was nicht einmal die Deutschen offen zu sagen wagen: Deutschland will den Krieg; es wird ihn beginnen, sobald es dazu in der Lage ist (S. 56).
Unter der Überschrift »Wie denkt der durchschnittliche Deutsche« sammelt Manuel Chaves Aussagen von Deutschen, mit denen er zu tun hatte. Ein nicht ganz unwichtiger Topos wiederholt sich: ein Bekenntnis zum Militarismus:
[…] Der Militarismus ist unser Ideal. Die Südländer erschrecken ob des Bekenntnisses, weil sie nicht in der Lage sind, den Militarismus als freien Willen und Abbild ihres Daseins zu verstehen (S. 61).
In der nächsten Lieferung (17. Mai 1933) wird gefragt, wie viele Soldaten Deutschland denn wirklich habe:
Während sie in Genf diskutieren, ob die Reichswehr in Wirklichkeit einhunderttausend Männer oder einhunderttausend und einen haben, würde jeder, der ein paar Tage durch Deutschland gereist ist und die Umzüge in den Straßen und die Paraden der Nazis und Stahlhelme gesehen hat, unschwer hochrechnen, dass in Deutschlands Reihen circa eine Million Männer stehen (S. 67).
Auf der nächsten Seite folgt dem eine differenzierte Aufstellung der unterschiedlichen militärischen und paramilitärischen Truppen, die sich zu 1,1 Million Mann addieren.
In zwei weiteren Artikeln der Serie beschreibt Manuel Chaves seinen Besuch im Lager Biesenthal, einem Lager für Arbeitsfreiwillige unweit von Berlin. Morgens sieht er »wie die Arbeiter ein Moor austrocknen« (S. 81); nachmittags steht Gymnastik auf dem Programm und das bedeutet im Klartext für ihn nichts anderes als »militärischer Drill von Rekruten« (S. 86). Er schlussfolgert: »Alle Arbeiten, die diese ‚Freiwilligen‘ hier verrichten, sind für ein Heer im Gefecht nützlich«. Sein Fazit: »’Freiwillige Arbeit‘ = Pflicht zum Militärdienst« (S. 86).
Die Kriegsausrichtung macht sich auch in der Frauenpolitik bemerkbar. Den Frauen wird nahegelegt, »Kinder zu gebären, weil man den Moment kommen sieht, da man sie benötigt. Viele, sehr viele Söhne deutscher Mütter wird der Führer brauchen. Und alle werden noch zu wenig sein« (S. 117).
2.3 Themenfeld: Die methodische Ausrottung der Juden
Manuel Chaves überschreibt einen seiner Artikel »die methodische Ausrottung der Juden« und weist darauf hin, dass die Rede von der Ausrottung von Hitler selbst stamme und die »radikale Ausrottung der Juden« zum Fundament der Nationalsozialisten gehört. Zu dem Zeitpunkt im April/Mai 1933 hält er den, wie er sagt, grauen Terror für entscheidend: Das wirklich Erwähnenswerte und Entscheidende ist »die unerbittliche Haltung eines Regimes wie dem nationalsozialistischen gegen eine große Anzahl seiner Bürger, die gemäß öffentlich zugänglicher Zahlen bei etwa siebenhunderttausend liegt« (S. 130).
Er erläutert dann die Folgen der anti-jüdischen Gesetze und Verordnungen, die Professoren, Anwälte, kleine Läden und große Unternehmen wie Pressehäuser und Kaufhäuser betrifft, dazu Einrichtungen der jüdischen Wohlfahrt, aber auch Hausangestellte und selbst noch den Weichenstellern bei der Bahn die Erwerbsgrundlage entzieht. Sein Fazit:
Nein, weder schneidet man »den Juden« die Ohren ab, noch reißt man ihnen die Haare aus, ihnen wird lediglich jede Lebensgrundlage genommen (S. 131).
Auf einer halben Seite demontiert Chaves mit leichter Hand und einer Dosis Sarkasmus die ideologische Basisunterscheidung der Nationalsozialisten Arier/Semit.
»Die Rasse der Arier« taucht auf der Erde um 1830 auf. … Dies entnimmt man den von Hitler in Kraft gesetzten Normen, die uns wissen lassen, wer »reiner Deutscher« und wer »Jude« ist (S. 133).
Ein einziger nicht christlich getaufter Großvater in den vier letzten Generationen macht in Nazi-Deutschland aus einem Menschen einen Semiten, wohingegen eine blütenreine jüdische Abstammung über Jahrhunderte nicht daran hindert, den Status eines reinen Ariers zu erhalten ‒ wenn nur die letzten vier Großväter zum Christentum konvertierten.
Das ist ein bisschen grotesk, nicht wahr? Dennoch, mit dieser Auffassung […] unterteilt Hitler seine Untergebenen in solche, die das Recht zu leben haben, und in Bürger, die zu sterben haben, weil sie keine andere Wahl haben werden, als zu sterben (S. 133).
Die jüdischen Bürger wissen, dass es um ihr Leben geht, und haben die Botschaft verstanden. Emigration wird für die meisten keine Lösung sein, nur für die, die das Geld haben (S. 133).
Die deutschen Juden sind derart terrorisiert, dass sie sich allem fügen und nach allen erlittenen Schikanen nur noch darum bitten, dass man ihnen das Recht zu leben lasse (S.135).
Als extremen Einzelbeleg führt er einen jüdischen Intellektuellen an, der sich mit einer schockierenden Klage an die Nazis wandte.
[…] Letzte wissenschaftliche Experimente haben bewiesen, dass man einen Hund bis auf den letzten Tropfen ausbluten lassen kann, um seine Venen mit dem Blut einer anderen Hunderasse zu füllen; macht das mit uns, wenn ihr nicht wollt, dass wir jüdisches Blut haben, aber lasst uns leben. Oder lasst uns fortziehen (S. 135).
Leider lässt uns der Autor, der als Augenzeuge dabei war, im Unklaren über die konkrete Situation und die Personen, die an ihr beteiligt waren.
Im folgenden Teil der Artikelserie wird ein anderer Auswuchs des gewalttätigen Regimes in den Mittelpunkt gestellt. Es geht um Masse und Macht, die Überschrift dazu lautet »Das Volk – der Großinquisitor«. Der graue Terror der Gesetze und Verordnungen wird ergänzt um die unerbittliche Jagd von Menschen auf Menschen. Die Gejagten sind hier nicht nur die Juden, sondern auch die Reste der politisch linken Opposition und letztlich alle missliebigen Personen. Chaves führt Beispiele an. Seine zentrale Einsicht:
Der Druck einer Menschenmasse, nachdem man sie hinsichtlich ihrer hasserfüllten Instinkte und ihrer Rachlust in eine günstige Richtung gelenkt hat, ist um vieles effektiver als jeder erdenkliche Polizeiapparat (S.141).
Gegen den Hass einer solchen Mehrheit ist kein Kampf möglich. »Die Gegner des Nationalsozialismus sind besiegt« (S. 141).
2.4 Themenfeld: Die Eroberung der Jugend
Das Kapitel über die »Eroberung der Jugend« beginnt mit dem Satz:
In Zukunft werden alle Kinder, die in Deutschland geboren werden, mit dem Hakenkreuz am Bauchnabel zur Welt kommen. Ich zweifle nicht daran, dass deutsche Wissenschaftler das genetische Muster des Nationalsozialismus entschlüsseln und eine Methode entwickeln werden, wie man es Schwangeren injizieren kann (S. 103).
und etwas weiter im Text:
Die Deutschen platzen vor Stolz und sind prahlerisch schon bei dem Gedanken, was dieses Kind einst erreichen wird, wie sie es in Serie produzieren werden (S. 104).
Der Vorteil wäre: Das Regime müsste sich nicht mehr mit Umerziehung oder Vernichtung plagen, wenn die Kinder »bereits umerzogen auf die Welt kommen«. Dennoch sind diese Kinder zu bedauern, »die überhaupt niemals zu einer wirklichen menschlichen Regung fähig sein werden« – im Unterschied zu den armen Rabauken aus den Bergen Galiciens oder den Sümpfen Andalusiens, von denen Manuel Chaves spricht, die trotz ihrer Armut »das Gefühl der Freiheit, der Gerechtigkeit, des Friedens, der Menschlichkeit in sich« bewahren.
Die sarkastisch angelegte Dystopie verstellt indes nicht den Blick auf die umfänglichen Maßnahmen der Nazis, die Jugend auf ihre Seite zu ziehen: Indoktrination in den Schulen, die Propaganda, »ein riesiges Reklame-Netz in den Straßen und über Land«, Musikumzüge, Fahnen, Uniformen, militaristisches Spielzeug, Sammelbilder, Sport und Kino.
Manuel Chaves sieht ganz klar, dass die radikalen, gewalttätigen und brutalen Züge der Bewegung viele Jugendliche ansprechen.
Sämtliche Gewaltbereitschaft der Jugend und ihr Wagemut sind für Hitlers Sturmtrupps von Nutzen. … Einen gewaltigen Schub für die Eroberung der Macht hat Hitler zweifelsohne von der Jugend erhalten. Täuschen wir uns nicht: Die rebellische Jugend Deutschlands steht zum Führer (S. 107f.).
Darin liegt ein gravierender Unterschied zu den Verhältnissen in Spanien:
Der Nationalsozialismus ist ohne jeden Zweifel eine reaktionäre Bewegung, aber keine, wie sie sich die spanischen Reaktionäre vorstellen … [Sie] würden sich zu Tode erschrecken, wenn sie das demagogische Gerüst verstünden, das diese jugendlichen Anhänger Hitlers im Kopf haben. … Die Vergangenheit? Ein Geflecht von Irrtümern. Kaiser Wilhelm? Ein alter Schisser, der Angst vor dem Krieg hatte (S. 124).
2.5 Das Interview mit dem Minister für Propaganda Joseph Goebbels
Das Interview, das am 21. Mai in AHORA publiziert wird, ist vorab vom Propagandaministerium auf drei Fragen und dazu drei Antworten beschränkt worden, die wortwörtlich abzudrucken seien »Ihre Frage – seine Antwort direkt im Anschluss« (S. 97).9
Das Interview wird den Lesern der AHORA angekündigt als wende sich Goebbels ganz speziell an sie. Das strikte, ein echtes Gespräch ausschließende, starre Frage-Antwort-Schema, lässt den Rezensenten vermuten, dass Manuel Chaves sich nicht mit Goebbels persönlich getroffen hat. Gut vorstellbar ist, dass Manuel Chaves oder Eugeni Xammar die drei Fragen schriftlich einreichten und irgendwann später die Antworten darauf ebenfalls schriftlich bekamen. Gegen eine Kommunikation unter Anwesenden spricht zudem, dass Manuel Chaves, ganz untypisch für ihn, keinen Satz über den Ort, die Art der Begrüßung oder andere Details verliert.
Was er stattdessen dem Interview beigibt, ist eine ätzende Typisierung des Dr. Goebbels, die ähnlich lang ausfällt wie das ganze Interview. Goebbels wird dabei als »Typ des gekränkten Irren: verbissen und unversöhnlich« charakterisiert oder an anderer Stelle verglichen mit einem Sektierer »dem sein Ideal befiehlt, den Vater an die Wand zu stellen und erschießen zu lassen, wenn er sich ihm in den Weg stellt«, und er schließt seine Personenbeschreibung mit einem Satz zum besseren Verständnis für sein spanisches Publikum: »Mit Ausnahme von ein paar wenigen karlistischen Geistlichen kennen wir diesen Typus in Spanien nicht« (S. 99).
Die große Überschrift über die ganze Breite einer Zeitungsseite lautet: »Wird es in Spanien Faschismus geben?«. Die beiden ersten Fragen, die Goebbels gestellt werden, haben allerdings noch einen engen Bezug zum Ressort des Propagandaministers. Die erste Frage bezieht sich auf die antideutsche Auslandspropaganda emigrierter Juden und wie dieser Einhalt geboten werden soll. Die zweite Frage lautet, welche Methoden der Propaganda das Ministerium außerhalb Deutschlands anzuwenden gedenkt. Die dritte Frage, ob der Propagandaminister glaubt, dass die nationalsozialistische Doktrin in anderen Ländern verstanden und ein Echo haben wird, lässt einen Bezug zu der übergeordneten Frage erkennen, ob es in Spanien Faschismus geben wird.
Nach Einschätzung des Rezensenten konnten sich Chaves und Xammar die Antworten, die sie erhalten würden, ungefähr schon denken. Es ging ihnen womöglich um zweierlei: zum einen um die Trophäe, es geschafft zu haben, einen der wichtigsten Minister der neuen deutschen Regierung für ein Interview für die eigene Zeitung gewonnen zu haben, und zum anderen sollten die Antworten den LeserInnen der AHORA klar machen, wes Geistes Kind dieser Goebbels ist.
Die Antwort von Goebbels auf die erste Frage, was gegen antideutsche Propaganda emigrierter Juden zu tun sei, lautet im Kern: den Druck auf die Juden in Deutschland erhöhen. Der Boykott gegen die Juden von Anfang April habe gezeigt, dass dieser Ansatz funktioniere. Mit einem Satz, aus dem die Niedertracht Goebbels spricht, endet die Beantwortung der ersten Frage: »In Zukunft werden wir darauf achten, dass die in Deutschland lebenden Juden die strikte Pflicht einhalten und das Land in dem sie leben, davor bewahren, diffamiert zu werden» (S. 99). Der Bezug zu dem Boykott erschließt sich vielleicht nicht jedem sofort, aber einem aufmerksamen Leser der AHORA schon.
Denn in einem Artikel Xammars zum Boykottaufruf, der am 1. April 1933 in der AHORA erschienen war, wurde Goebbels bereits mit den Worten zitiert: »allein die Ankündigung des Boykotts habe schon ausgereicht, um die Gewaltsamkeit der antideutschen Kampagne in der ausländischen Presse merklich zu verringern« (Xammar 2005, S. 126; Übersetzung KB). Genau diese Aussage von Goebbels wird durch die erste Frage der Interviewer erneut provoziert und in ihrer ganzen Drastik den LeserInnen der Zeitung vor Augen geführt.
Auf die zweite Frage nach der Propaganda im Ausland antwortet Goebbels im Wesentlichen: »Es wird keine Propaganda geben. Wir werden nur darauf achten, dass die Wahrheit über Deutschland in der ganzen Welt verstanden wird.« Im Klartext ist das wohl deutlich so zu verstehen, dass das Nazi-Regime unliebsame Medienberichterstattung im Ausland nicht hinnehmen wird. Was das in der Praxis bedeutete, hatte die spanische Presse im März schmerzlich erfahren. Xammar hatte darüber in AHORA berichtet. Dieser Vorfall dürfte beiden Seiten zum Zeitpunkt des Interviews noch vor Augen gestanden haben. Konkret hatte die Zeitung El Socialista am 19 März 1933 geschrieben, Ernst Thälmann sei von den Nazis ermordet worden. Der KPD-Chef Thälmann war zu dem Zeitpunkt zwar in Haft, aber er lebte. In der Tat nahmen die Nazis diese Falschmeldung zum Anlass, eine groß angelegte politisch-mediale Inszenierung zu veranstalten.10
Die Antwort auf die dritte Frage lautet, dass der Nationalsozialismus kein Exportartikel sei, dass jedoch eine »geistige Transformation Europas« stattfände in deren Rahmen jedes Volk gemäß der Natur seiner nationalen Eigenart die für es passende Form finden werde (S.100). Auch diese Antwort konnten die weitgereisten Journalisten erwarten, denen klar gewesen sein dürfte, dass in der Ideologie eines übersteigerten Nationalismus für Internationalismus kein Platz ist. Bezieht man die Antwort Goebbels auf den Obertitel »Wird es in Spanien Faschismus geben?«, dann war seine Einschätzung insofern zutreffend als die spätere Franco-Diktatur durchaus ihre nationalen Eigenarten hatte. Der Sieg Francos im spanischen Bürgerkrieg, aus dem die spanische Variante einer faschistischen Diktatur hervorging, war allerdings alles andere als eine nationale Angelegenheit, und ohne die tatkräftige militärische Unterstützung durch die faschistischen Staaten Italien und Deutschland nicht zu denken.
3. Schluss
Der immer noch beeindruckenden Reportage vom Mai 1933 gelingt es, ein lebendiges und komplexes Bild Deutschlands kurz nach der Machtergreifung zu zeichnen. Auf die Bedeutung von Eugeni Xammar, dem ständigen Auslandskorrespondenten der Zeitung AHORA in Berlin, für das Gelingen der Reportage, wurde im Text hingewiesen. Trotz des zeitlichen Abstandes wirkt nichts an der Artikelserie abgestanden. Sie hält einen Moment auf dem Weg Deutschlands in die nationalsozialistische Barbarei fest und zeigt, wie im Höllentempo zivilisatorische Standards, demokratische Werte und Menschenrechte von den Nazis ausgehebelt wurden. Noch einmal Originalton Manuel Chaves: »Was wir als barbarische Taten bezeichnen, sind für sie [die Nazis] keine … Wir nennen es dennoch barbarisch, auch wenn sie es anders nennen« (S. 137).
Manuel Chaves schreibt über Nazideutschland, aber er tut das vor dem Hintergrund der politischen Lage in Spanien. Wenn er über den Nationalsozialismus schreibt, weiß er, dass sich seine Sicht gegen andere Bilder behaupten muss, die von der reaktionären und rechten Presse einerseits und andererseits von der Presse der nicht-bürgerlichen Linken in Umlauf gebracht werden. Im Mai 1933 lässt sich der Glaube an das Gelingen des demokratischen Experiments Zweite Republik noch aufrecht halten, aber die Euphorie des Anfangs ist schon verflogen. Die politische Großwetterlage mit dem europäischen Faschismus im Aufwind hat sich geändert und spiegelt sich in der Radikalisierung von reaktionären, anti-republikanischen Kräften einerseits und von der Republik enttäuschten Linken andererseits. Vor diesem Hintergrund ist die Reportage über Nazideutschland und das Leben im Zeichen des Hakenkreuzes auch als bewusster Versuch der Abschreckung und Warnung vor dem Faschismus/Nationalsozialismus zu lesen und zu verstehen.
Zum Schluss seien wieder die professionellen HistorikerInnen angesprochen, die das Thema Nationalsozialismus und internationale Öffentlichkeit interessiert. Wie sahen die Arbeitsweise und Berichterstattung der in Berlin akkreditierten spanischen Auslandskorrespondenten aus? Welche Kontakte und Netzwerke waren für sie wichtig? Gab es Verstrickungen in die NS-Diktatur? Welche Bedeutung maß das NS-Regime der Beeinflussung und Instrumentailisierung der spanischen (weiter: spanischsprachigen) Auslandspresse bei? Norman Domeier hat mit seinem Opus Weltöffentlichkeit und Diktatur eine eindrucksvolle Vorlage geschaffen, sich aber primär auf amerikanische Journalisten bezogen und folglich spanische Auslandskorrespondenten praktisch nicht einbezogen.
Eine Untersuchung zu den spanischen Auslandskorrespondenten in Nazideutschland käme nicht umhin, sich mit Eugeni Xammar zu befassen. Das könnte ein Anfang sein. Welche interessanten Kontakte gab es in seinem privaten Umfeld, welche Kontakte zu anderen Korrespondenten pflegte er, mit welchen einflussreichen deutschen Persönlichkeiten und Politikern der Weimarer Republik und später des Nationalsozialismus hatte er zu tun? Wie gelang es ihm bis 1936 seine Stellung zu halten? Sicher scheint, dass Xammar die hohe Kunst, auf der Rasierklinge zu reiten, beherrschte. Das heißt, in einer Diktatur informativ über diese Diktatur für das Ausland zu schreiben ‒ ohne den Kopf zu verlieren. Das Ende seines Aufenthalts in Deutschland im Jahre 1936 dürfte den engen Beziehungen zwischen Nazideutschland und dem Franco-Lager seit Beginn des Bürgerkriegs im Juli 1936 geschuldet gewesen sein.
Bleibt zu wünschen, dass sich ein deutscher Verlag findet, der die Artikel, die Xammar zwischen 1930 und 1936 für die AHORA schrieb (Xammar 2005), veröffentlicht. Das wäre gut für alle, die eine erhellende Sicht von außen auf die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus interessiert und gut für die, die zu den spanischen Auslandskorrespondenten in Deutschland (vor und im Franquismus) forschen.
Anmerkungen
Die Einführung von Frank Henseleit, dem Verleger und Übersetzer der Reportage, enthält nützliche Angaben zum Leben und Schaffen des Autors. Einen guten ersten Überblick bietet auch der Eintrag zu Chaves Nogales in der Wikipedia. Ausführlich ist die zweibändige Biografie von Cintas Guillén (2021). Texte unterschiedlicher Autoren über Manuel Chaves versammeln Torrente und Suberviola (2013). Für die letzten Lebensjahre im englischen Exil (1940-1944) siehe Morató (2023). Es gibt zwei spanische Werkausgaben: Cintas Guillén (Hg.) 2009 und 2013 sowie Garmendia(Hg.) 2020. Von der deutschen Werkausgabe im Kupido Literaturverlag liegen Anfang 2024 vier Bände vor. ↩︎
Für frühe kritische Analysen des Nationalsozialismus deutscher Publizisten siehe ausführlich Belke (1993). Nach der Machtergreifung konnten sich in Deutschland verbliebene regimekritische AutorenInnen nur noch unter Gefahr für Leib und Leben äußern. Die damalige Lage und Entscheidungssituation zeichnet Uwe Wittstock (2022) in seinem Buch Februar 33 über einige bekannte Literaturschaffende nach. Wesentlich besser, aber trotzdem nicht ohne Risiko, war die Lage der Auslandskorrespondenten. Auf zwei bekannte Beispiele kritischer Reportagen amerikanischer Korrespondenten sei kurz hingewiesen. Im Januar 1933 hatte Edgar A. Mowrer, der für die Chicago Daily News schrieb und zugleich Vorsitzender des VAP (Verein der Ausländischen Presse in Deutschland) war, sein mit dem Pulitzer-Preis gekröntes Buch Germany Puts The Clock Back (Mowrer 1931) veröffentlicht. Erwähnt sei zweitens Leland Stowe, der ebenfalls schon im Jahr 1933, jedoch vier Monate später als Manuel Chaves, Deutschland bereiste (im September/Oktober). Seine Beobachtungen und Analysen wurden im Januar 1934 als Buch veröffentlicht: Nazi Means War (Stowe 1934). Eine geplante frühere Veröffentlichung der Reportage im New York Herald Tribune war nicht zustande gekommen, weil man dort den Inhalt für zu alarmistisch hielt. Die Feindschaft der Nationalsozialisten bekamen sowohl Edgar A. Mowrer als auch Manuel Chaves zu spüren. Mowrer wurde unter Druck gesetzt und gezwungen, Deutschland wenige Monate nach seiner kritischen Veröffentlichung zu verlassen (Domeier 2021, S. 127f.). Manuel Chaves kam wegen seiner Reportage auf eine Todesliste der Gestapo (Henseleit 2022, S. 17). Er war dadurch gezwungen 1940, nach der deutschen Besetzung Frankreichs, aus dem französischen Exil nach England zu fliehen. ↩︎
Als selbständige Publikation ist die Reportage 2012 auf Spanisch erschienen (Chaves Nogales 2012). Über die Biblioteca Digital Memoria de Madrid sind alle Ausgaben der Zeitung AHORA online einzusehen [überprüft am 26.1.2024] und als pdf-Dateien abrufbar – also auch die mehrteilige Reportage von Manuel Chaves aus Deutschland. ↩︎
Eine ausführliche Erörterung und Einordnung seines journalistischen Stils hat Maria Isabel Cintas Guillén vorgenommen (2013, S. IX-XXIX und 2021, S. 258-263). Lesenswert ist ebenfalls die literarische Einordnung, die Andrés Trapiello (2020) vornimmt. Eine knappe Charakterisierung des Stils findet sich im Spanienecho in der Besprechung seiner Reportage Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer (Böhle 2021). ↩︎
Die Artikel, die er von 1930 bis 1936 aus Deutschland für AHORA schrieb, wurden 2005 auf Spanisch als Buch veröffentlicht (Xammar 2005). In der Einleitung zu dieser Artikelsammlung werden Xammar als Person und sein Lebensweg ausführlich beschrieben (González Prada 2005). Auf Deutsch liegt eine Auswahl früherer Artikel aus den Jahren 1922-1924 vor (Xammar 2007). In der Einleitung dieses Bandes von Heinrich von Berenberg finden sich auch einige Angaben zu Xammar (Berenburg 2007). Eine im Gespräch mit Josep Badia i Moret entstandene, in Katalanisch verfasste Autobiografie, liegt ebenfalls vor (Xammar 1991). Die Biografie von Quim Torra (2008) interessiert sich besonders für Xammar als katalanischer Nationalist; auf die Jahre, die Xammar in Berlin tätig war, wird dort kaum eingegangen. ↩︎
Es leuchtet sofort ein, dass die Beziehung zwischen freier Presse und Diktatur kompliziert und konfliktträchtig ist. Auf der einen Seite stehen die JournalistInnen, die aus erster Hand Informationen von wichtigen Persönlichkeiten, meistens Politikern, erhalten wollen. Dafür nehmen sie eventuell in Kauf, sich zu verbiegen und Grenzen der journalistischen Berufsethik zu überschreiten. Auf der anderen Seite stehen die Politiker und Politikerinnen, die die Korrespondenten für eine ihren Absichten dienende Berichterstattung instrumentalisieren möchten. Um die Welt der Auslandskorrespondenten in Nazideutschland kennenzulernen, ist die Arbeit von Norman Domeier (Weltöffentlichkeit und Diktatur 2021) außerordentlich hilfreich. Für das Interesse der Historiker an diesem Thema siehe neben Domeier etwa auch Martin Herzer (2012) und den Bericht zur Tagung »Nationalsozialismus und internationale Öffentlichkeit« von Marlene Friedrich (2023). Für Ende 2024 ist ein Buch von Lutz Hachmeister angekündigt, das sich speziell mit den Interviews, die Hitler der Auslandspresse gab, befasst. ↩︎
An drei Stellen geht es um damals aktuelle Deutsch-Spanische Berührungspunkte: Manuel Chaves berichtet von dem Gerücht, die Nazis bezögen ihre Pistolen aus Spanien, und er erhofft sich, dass die spanische Regierung dem Gerücht entschiedener entgegenträte (S. 72f.). Er kommt auf die zunehmende Zahl der Personen zu sprechen, die in Folge der anti-jüdischen Gesetzgebung bei der spanischen Botschaft, oft mit illusorischen Hoffnungen, vorstellig werden. Er begrüßt ausdrücklich, dass die spanische Regierung unverzüglich die Visavergabe erhöhte (S. 133-135). Drittens legt er sich mit den spanischen Sozialisten an, die mit der Erfindung der »Legende um den Tod von Thälmann« vor allem den Nazis genützt hätten (S. 140; siehe zur Legende ausführlich Abschnitt 2.5). ↩︎
Das Interview ist online verfügbar. Es wurde von der Zeitung Die Welt am 23. September 2022 (Nr. 186, S. 16) abgedruckt und ist hinter einer Paywall online erhältlich. Der Zusatz der Zeitung »Hier ist das Gespräch erstmals auf Deutsch zu lesen« ist insofern falsch als die Übersetzung aus dem hier besprochenem Buch stammt. Über den kupido-Verlag ist der Interviewtext uneingeschränkt online einsehbar (dem Link folgen und dann den Button »Die Welt (20.09.2022)« drücken). Eine Frage für die Historiker wäre, ob sich der vermutlich deutsche Urtext des Interviews in irgendeiner Form noch erhalten hat. ↩︎
Im Völkischen Beobachter und der Berliner Börsen-Zeitung wurden die spanische Republik und der spanische Botschafter in Berlin, Luis Araquistáin (März 1932 – Mai 1933), beschimpft. Auf diplomatischer Ebene traten der deutsche Botschafter in Madrid, Johannes von Welczeck, und der Außenminister Konstantin von Neurath (NSDAP) in Aktion. Des Weiteren wurde vom Propagandaministerium ein Besuch einiger Häftlinge durch eine Gruppe der Auslandspresse, zu der auch Xammar gehörte, organisiert. Im Polizeipräsidium Alexanderplatz konnte Xammar mit Ernst Thälmann, Ludwig Renn, Ernst Torgler, Werner Hirsch und mit Carl von Ossietzky sprechen, und feststellen, dass es nicht zu offensichtlichen Misshandlungen der Verhafteten gekommen war (Xammar 2005, S. 116-125 aus der AHORA vom 28. März 1933). ↩︎
Literaturhinweise
Belke, Ingrid: Publizisten warnen vor Hitler. Frühe Analysen des Nationalsozialismus. In: H. Horch & H. Denkler (Ed.), Teil 3 Judentum, Antisemitismus und deutschsprachige Literatur vom Ersten Weltkrieg bis 1933/1938. Max Niemeyer Verlag: Berlin, New York 1993, S. 116-176.
Berenberg, Heinrich von: Einleitung in: Xammar, Eugeni: Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922- 1924, Berenberg Verlag: Berlin 2007, S. 7- 13.
Bernecker, Walther L.: Geschichte Spaniens im 20. Jahrhundert. C.H.Beck: München 2010.
Böhle, Knud: Rezension von »Manuel Chaves Nogales: Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer«. In: Spanienecho vom 24. April 2022.
Brey, Gérard und Gutiérrez Molina, Gutiérrez Molina, José Luis (coord.): Los sucesos de Casas Viejas en la historia, la literatura y la prensa (1933-2008). Fundación Casas Viejas: Cádiz 2010.
Chaves Nogales, Manuel: Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes. Kupido: Köln 2022.
ders.: Bajo el signo de la esvástica. Almuzara: Córdoba 2012.
Cintas Guillén, María Isabel: Manuel Chaves Nogales. Andar y contar. Band I und II. Almería: Confluencias 2021.
dies. (Hg.): Manuel Chaves Nogales: Obra Narrativa Completa (2 Bände). Diputación de Sevilla: Sevilla 2009 (Wiederauflage)
dies.: Epílogo. In: Cintas Guillén, María Isabel: Manuel Chaves Nogales. Andar y contar II. Confluencias: Almería 2021, S. 239-265.
dies.: Introducción. In: Manuel Chaves Nogales: Obra Periodística, Band 1, hrsg. v. Cintas Guillén, María Isabel. Sevilla: Diputación de Sevilla 2001, S. IX–CCXLVI.
dies. (Hg.): Manuel Chaves Nogales: Obra Periodística (neue, erweiterte Ausgabe, 3 Bände). Diputación de Sevilla: Sevilla 2013.
dies.: Nota Introductoria a esta edición de la obra periodística. In: Manuel Chaves Nogales. Obra Periodística I. Centro de Estudios Andaluces, Diputación de Sevilla: Sevilla 2013, S. IX-XXIX.
Domeier, Norman: Weltöffentlichkeit und Diktatur. Die amerikanischen Auslandskorrespondenten im »Dritten Reich«. Wallstein: Göttingen 2021.
Friedrich, Marlene: Tagungsbericht: Nationalsozialismus und internationale Öffentlichkeit. In: H-Soz-Kult vom 17.02.2023.
Garmendia, Ignacio F. (Hg.): Manuel Chaves Nogales: Obra Completa (5 Bände). Libros del Asteroide: Barcelona 2020.
González Prada, Charo: Introducción. In: Xammar, Eugeni: Crónicas desde Berlín (1930-1936). El Acantilado: Barcelona 2005, S. 13-39.
Hachmeister, Lutz: Hitlers Interviews. Der Diktator und die Journalisten. Kiepenheuer&Witsch: Köln 2024 (angekündigt für November 2024).
Henseleit, Frank: Einführung zur ersten deutschsprachigen Ausgabe. In: Chaves Nogales, Manuel: Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes. Kupido: Köln 2022, S. 7-39.
Herzer, Martin: Auslandskorrespondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich. Böhlau-Verlag: Köln, Weimar, Wien 2012.
Morató, Yolanda: Manuel Chaves Nogales. Los años perdidos (Londres, 1940-1944). Renacimiento: Valencia 2023.
Torra i Pla, Quim: Periodisme? Permetin! La vida i els articles d’Eugeni Xammar. Símbol Editors: Barcelona 2008.
Torrente, Luis Felipe und Suberviola, Daniel: El hombre que estaba allí, libro-documental, Libros.com, 2013.
Trapiello, Andrés: Retrato literario de Chaves Nogales. In: Garmendia, Ignacio F. (Hg.): Manuel Chaves Nogales: Obra Completa. Libros del Asteroide: Barcelona 2020, Band 1, S. XXVII–XXXIV.
Wittstock, Uwe: Februar 33: Der Winter der Literatur. Beck C. H.: München 2021.
Xammar, Eugeni: Crónicas desde Berlín (1930-1936). Acantilado: Barcelona 2005.
ders.: El huevo de la serpiente; traducció d’Ana Prieto Nadal; presentació de Charo González Prada. Barcelona: El Acantilado, 2005.
ders.: Das Schlangenei. Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre 1922 – 1924. Aus dem Katalanischen von Kirsten Brandt. Berenberg Verlag: Berlin 2007.
ders.: Seixanta anys d’anar pel món: converses amb Josep Badia i Moret. Barcelona: Quaderns Crema 1991.
Manuel Chaves Nogales: Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes. Kupido Literaturverlag: Köln 2022; ISBN 978-3-96675-150-6
Zwanzig Mosaiksteine für ein ungeschöntes Spanienbild
Rezension von Knud Böhle
1. Einleitung
Das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin gibt die Schriftenreihe Bibliotheca Ibero-Americana heraus, zu der auch die »heute«-Bände gehören, die Handbuchcharakter beanspruchen (S. 675). Die 6., vollständig neu bearbeitete Auflage von »Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur«, ist im Herbst 2022 erschienen ‒ herausgegeben von den beiden Fachhistorikern Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel. Redaktionsschluss war im Frühjahr 2022.
Der Sammelband wurde noch unter dem Eindruck der Covid-19 Pandemie abgeschlossen, und in vielen Beiträgen wird deshalb die Bedeutung von Covid-19 für das jeweilige Themenfeld mitreflektiert. Ein Beitrag beschäftigt sich sogar ausschließlich mit der Bewältigung und den Folgen der Pandemie in Spanien. Was heute (Juli 2023) die Öffentlichkeit besonders bewegt, der Krieg in der Ukraine, die Hitzewellen in Südeuropa als Folge des Klimawandels und das Erstarken der politischen Rechten bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai und bei den vorgezogenen Neuwahlen am 23. Juli, das liegt mithin schon außerhalb des Beobachtungszeitraums des Bandes.
Der Wert von »Spanien heute« liegt trotz des Titels selbstverständlich nicht im Tagesaktuellen. Der Band bietet eine Bestandsaufnahme, die zeigt, in welcher Lage die spanische Gesellschaft sich Anfang 2022 befand und vor welchen Aufgaben sie heute steht. Das impliziert fast immer einen Blick zurück, der verstehen lässt, wie sich die spanische Gesellschaft zwischen 1975 und 2022 verändert hat. Insbesondere die gravierenden Einschnitte durch eine Mehrfachkrise (Finanz-, Wirtschafts-, Immobilien-, Arbeitsmarkt- und Katalonienkrise) sind für die Dynamik ab 2008 bedeutsam.
Handbuchcharakter im engeren Sinn haben nur wenige Beiträge, wenn damit die systematische, um Objektivität bemühte, alle Seiten abwägende und zum Nachschlagen geeignete Darstellung eines Wissensbereichs gemeint ist. Präzise wäre von einer Aufsatzsammlung zu sprechen, bei der sich die Beiträge wie Mosaiksteine so ergänzen sollen, dass ein Gesamtbild entsteht. Durch den Aufsatzcharakter treten die spezifischen Annahmen und Ansichten der jeweiligen Autor:innen stärker in den Vordergrund als das bei einem klassischen Handbuch der Fall wäre. Die zwanzig Beiträge samt weiterführenden Literaturhinweisen, im Durchschnitt etwa 30 Druckseiten lang, wurden zum größten Teil von Wissenschaftlern und Journalisten verfasst. Drei der zwanzig Aufsätze stammen aus spanischer Feder. Von den Autoren der vorherigen 5. Auflage aus dem Jahr 2008 sind lediglich fünf noch an der aktuellen Auflage beteiligt.
Die Autor:innen waren trotz gewisser Vorgaben offenkundig relativ frei, die Abgrenzung des jeweiligen Themas, die Art ihres Herangehens und die Darstellungsweise selbst zu bestimmen. Für die Leser:innen bedeutet das, dass manche Beiträge leichter zu lesen sind und weniger Vorwissen verlangen als andere. Für ein Buch, das »nicht nur an Wissenschaftler:innen« (S. 675), sondern an ein breiteres Publikum gerichtet ist, erscheint diese Mischung sinnvoll. Auf dem deutschen Sachbuchmarkt zu Spanien gibt es kein anderes Werk, das solch eine thematische Breite aufweist. Nicht alle Leser:innen werden sich für jeden Beitrag interessieren, und deshalb trifft auch für diesen Sammelband zu: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.
Im Folgenden werden nicht alle Beiträge einzeln vorgestellt, und auf Inhalte und Argumentationen der Aufsätze wird nur ganz punktuell eingegangen. Den ausführlichen und komplex argumentierenden einzelnen Beiträgen wird dieses Vorgehen selbstverständlich nicht gerecht. Durch die Präsentation ausgewählter Daten, Befunde und Hypothesen sollen jedoch Anreize gesetzt werden, sich das Buch oder einzelne Aufsätze einmal selbst vorzunehmen.
Die vorliegende Buchbesprechung folgt nicht der Gliederung des Bandes (vgl. dazu das Inhaltsverzeichnis). Den Ausgangspunkt der Rezension bildet die spanischen Wirtschaft, wobei ihre gravierenden Strukturschwächen und die besonderen Bedeutung der Sektoren Tourismus und Landwirtschaft zur Sprache kommen. Danach werden Defizite des politischen Systems und die Rolle der Vierten Gewalt im Kontext der spanischen Demokratie problematisiert.
Daran anschließend werden unter der Überschrift »Das bewegte Spanien« die neuen Bewegungen angesprochen, die die politische Landschaft nach 2008 veränderten. Unter dieser Überschrift werden auch zwei zivilgesellschaftliche Bewegungen behandelt, die LGTBIQ-Bewegung und die paradigmatisch durch die ARMH (Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica) verkörperten Bürgerinitiativen für die Anerkennung der Opfer von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur. Unter dem Aspekt der gesellschaftlich relevanten Bewegungen seit 2008 wird außerdem auf die Bedeutung der Kirche eingegangen.
Im Anschluss daran wird eine ganz anders gelagerte »Bewegung«, die Spanien verändert hat, behandelt: die Migration. Zuletzt wird noch ein Thema des »bewegten Spaniens« aufgegriffen, das Viele bewegt hat und bewegt: der Nationalismus in Spanien: der spanische, baskische und katalanische und die damit zusammenhängenden Konflikte der politisch-territorialen Ordnung.
Im Fazit (Abschnitt 6) wird auf Basis der Lektüre aller Beiträge ein Gesamtbild der spanische Gesellschaft en miniature skizziert und eine resümierende Beurteilung des besprochenen Werkes gegeben.
2. Zur spanischen Wirtschaft
2.1 Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftspolitik
Holm Detlev Köhler unterzieht die spanische Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftspolitik einer harschen Kritik. Er spricht von den aus Zeiten des Franquismus geerbten strukturellen Schwächen und Defiziten, die während der Demokratie nicht abgeändert wurden, und teilweise mit verantwortlich seien für die Krise von 2008-2013. Das folgende Zitat verdeutlicht seine Kritik:
Die spanische Wirtschaft hat seit der nachholenden Industrialisierung in den 1960er Jahren ein Spezialisierungsprofil mit Schwerpunkten auf niedrig qualifizierten und saisonabhängigen Berufen und Branchen herausgebildet. Sozialstaat, Erziehung und Berufsbildung blieben unterentwickelt, die Banken unzureichend kontrolliert und auf die Immobilien- und Finanzmärkte konzentriert, Tarifparteien und Verhandlungen fragmentiert, die staatlichen Verwaltungen schwach koordiniert und von korrupt-klientilistischen Praktiken durchzogen, die politischen Parteien unsolide finanziert und von der Zivilgesellschaft mit wenig Vertrauen bedacht, die Betriebsgrößenstruktur extrem polarisiert… (S. 360).
Ein effizientes Wirtschafts- und Entwicklungsmodell müsste folglich ganz anders orientiert sein: weg von dem energieintensiven, kreditfinanzierten Konsummodell mit Tourismus und Immobilien als Leitsektoren hin zu einem innovations- und wissensbasierten nachhaltigen Investitionsmodell (S. 359). Mit einer solchen Umstrukturierung rechnet Köhler jedoch nicht: »… die Entsagung von jeglicher industrieller Strukturpolitik in den letzten Jahrzehnten macht eine notwendige Neuausrichtung des Entwicklungsmodells unmöglich« (S. 360).
Ein Skandal ist immer noch die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die auf der Höhe der Krise 2013 bei über 50% lag und auch heute noch deutlich über 25% liegt. Dieser Befund ist mehr als nur eine ökonomische Kennziffer: »Der Ausschluss vom Erwerbsleben der Generation, die eigentlich die Zukunft Spaniens gestalten müsste, untergräbt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Erziehung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Kultur« (S. 354).
2.2 Tourismus
Aktuell ist die hohe Relevanz der Sektoren Tourismus und Landwirtschaft im Wirtschaftsgefüge nicht zu leugnen. Raimund Allebrand weist in seinem Beitrag auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Tourismussektors hin, der 2019 13% des BIP (Bruttoinlandsprodukt) ausmachte und eine Million Beschäftigte verzeichnete. Die tatsächliche Bedeutung des Fremdenverkehrs im BIP wäre aber gegenüber den statistischen Daten, die sich lediglich auf das primäre Tourismusgeschäft innerhalb des Dienstleistungssektors beziehen, noch mehr als zu verdoppeln. Ähnliches gelte für den Anteil der spanischen Tourismusbranche am Arbeitsmarkt. Der indirekte Anteil dürfte rund das Dreifache betragen (S. 459). Bei den indirekten Effekten wäre beispielsweise an Bahnstrecken zu denken, die erst durch den Tourismus rentabel werden oder an Dienstleister wie Wäschereien, die ohne Aufträge von Hotels schließen müssten.
Gleichwohl ist Allebrand die »fatale Abhängigkeit« der spanischen Wirtschaft vom Fremdenverkehr durchaus bewusst. Die spanische Tourismusindustrie habe zwar ihre Fixierung auf Strand und Sonne hinter sich lassen können und sich erfolgreich diversifiziert, müsse aber noch weiter nach Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung suchen. »Klima« so der Autor, »wird zukünftig der entscheidende Überlebensfaktor für den Fremdenverkehr sein« (S. 433).
2.3 Landwirtschaft
In dem höchst informativen Beitrag von Sabine Tzschaschel wird die sich verändernde Landnutzung in Spanien auch mit Blick auf die Landwirtschaft und die Folgen der Landflucht faktenreich analysiert. Der Artikel befasst sich des Weiteren auch mit Fragen der Wasserwirtschaft und des Ausbaus erneuerbarer Energien. Jedes dieser Themen hätte eigentlich einen eigenen ausführlichen Beitrag in dem Sammelband verdient. In dieser Rezension soll es indes nur um die Bedeutung der Landwirtschaft für die spanische Ökonomie gehen, die an folgenden Zahlen ablesbar ist (S. 407ff.).
50% der Fläche Spaniens sind heute noch Agrarland. Der Beitrag der Landwirtschaft zum BIP liegt bei 2,7% und ist damit doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. 4% der Beschäftigten, 750.000 Personen, sind in 945.000 landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt. Spanien ist der siebtgrößte Exporteur von Agrarprodukten weltweit. Obst und Gemüse, Wein, Oliven, Käse, Fleisch sind die einschlägigen Exportgüter. Extensive Weidewirtschaft auf kargen Böden spielt eine gewisse Rolle und wird als ökologisch sinnvoll eingeschätzt. Die Lebensmittelverarbeitung ist der wichtigste Industriesektor Spaniens mit ca. 500.000 Beschäftigten und 30.000 Betrieben.
Seit einiger Zeit wird das ländliche Spanien als »entleertes Spanien« problematisiert. Nach der früheren Kritik an den industriellen Ballungszentren und den zersiedelten Küstenregionen kamen die Probleme des entleerten, ländlichen Binnenlands erst relativ spät zu Bewusstsein. Die Industrialisierung seit Ende der 1950er Jahre und die Mechanisierung der Landwirtschaft in den 1970er und 1980er Jahren hatten zur Entleerung des ländlichen Raums geführt. Heute leben in diesem ländlichen Spanien geschätzte fünf Millionen Spanier:innen ohne ausreichende Grundversorgung und ohne gleiche Lebenschancen. In dem Zusammenhang, auch darauf weist Tzschaschel hin, kam bemerkenswerterweise einem Essay über »Das leere Spanien« (Sergio del Molino 2016; auf Deutsch 2022) eine Initialfunktion zu, da es ihm gelang, die Aufmerksamkeit für das Thema spürbar zu erhöhen und zur Mobilisierung der benachteiligten Regionen, der España vaciada, beizutragen.
3. Zum politischen System
3.1 Polarisierung und Lagerbildung als Problem
Günther Maihold legt eine rigorose Analyse der Probleme des politischen Systems Spaniens vor, die seit den Krisenjahren ab 2008 zugenommen und sich verfestigt hätten. Eine seiner Generalthesen ist, dass der frühere Grundkonsens der spanischen Gesellschaft zusehends erodiert und sich eine wachsende Polarisierung bemerkbar macht (S. 42). Die entscheidenden Gründe werden darin gesehen, dass die vermeintlichen Garanten der nationalen Identität und des Zusammenhalts, die Monarchie und die Verfassung von 1978, nicht das geleistet hätten, was von ihnen erhofft oder erwartet wurde. Die Monarchie als Institution sei durch das Verhalten der Monarchen, besonders durch das Fehlverhalten von Juan Carlos I, geschwächt. Die Verfassung des Autonomiestaats kranke weiter an ihren Geburtsfehlern, die nicht korrigiert wurden. Das Konstrukt eines asymmetrischen Autonomiestaats mit Sonderrollen für die historischen Nationalitäten (Katalonien, Baskenland, Galizien) habe nicht zu einem die Einzelinteressen der Regionen und Nationalitäten übergreifendem, integrierendem Verfassungspatriotismus geführt. Dazu komme ein Senat, der »aufgrund seiner unvollständigen Rolle als echte zweite Kammer für den Ausgleich der verschiedenen Interessenssphären zwischen den unterschiedlichen Gebietskörperschaften dysfunktional geblieben« sei (S. 26).
Polarisierung und Lagerbildung seien zum gravierenden Problem der politischen Kultur geworden. Polarisierung taucht übrigens wie ein Leitmotiv in vielen Beiträgen des Bandes auf. Maihold weist speziell auf die Konfrontationsstrategien der Parteien hin, die auf Polarisierung statt auf Konsens setzten, und er weist auf die Politisierung der Justiz hin, wo die Besetzung hochrangiger Posten und politische Lagerzugehörigkeit häufig zusammen gehen.
Auch im Beitrag von Nicolaus Werz»Von der demokratischen Transition zu neuen Konfrontationen« ist das Leitmotiv der politischen Konfrontation deutlich zu vernehmen. In gut lesbarer Form werden die Regierungen ab 2004 und die Umstände der jeweiligen Regierungswechsel bis 2020 charakterisiert. Korruptionsskandale spielen dabei keine unwesentliche Rolle. In den Zeitraum fällt auch die Diversifizierung der Parteienlandschaft ab 2013, wobei nach Werz, die »Links-Rechts-Achse im spanischen Parteiensystem« trotzdem äußerst stabil geblieben sei (S. 65). Zugenommen habe aber mit dem Auftreten der links-populistischen Podemos und der rechtspopulistischen Vox die Polarisierung und ein zugespitztes Freund-Feind-Denken (S. 66).
3.2 Medien und Demokratie
Mit der so-genannten Vierten Gewalt, den Medien, befasst sich Helene Zuber. Auch auf diesem Feld findet sich das Element der politischen Einflussnahme und der Polarisierung. Ab Mitte der 1990er Jahre hätten die Journalisten nicht mehr überparteilich berichten können, sondern sich der parteipolitischen Ausrichtung ihrer Geldgeber unterordnen müssen (S. 606f.). Folglich konnten spanische Zeitungsleser sich meist »nur noch ein ausgewogenes Bild über die Realität in der Gesellschaft machen, wenn sie verschiedene Blätter kauften, die unterschiedliche politische Ausrichtungen vertraten« (S. 608). Was für den Zeitungsbereich gelte, sei auch bei den audiovisuellen Medien zu beobachten. Beim Privatfernsehen führten Fusionen von Sendern unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung unter dem Dach eines Unternehmens zum Verlust an Vielfalt.
Dazu käme, dass immer mehr Spanier in Medienblasen feststeckten, was eine weitere Ursache für die immer stärkere Polarisierung der Gesellschaft sei (S. 618). Komplementär dazu ist die folgende Einschätzung zu sehen: »Früher beobachteten Journalisten die Realität, in der Ära des Digitalen beobachten sie, wie die Aktualität in den sozialen Netzwerken beobachtet wird. Diese Meta-Observation, die typisch ist für viele spanische Medien, gefährdet die Demokratie« (S. 619).
Erschreckend ist zu sehen, wie hart die Wirtschaftskrise gerade die Presse getroffen hat. Zum Beispiel wurden für die auflagenstärkste Tageszeitung Spaniens, El Pais, 2007 noch 435.083 Tagesverkäufe, 2021 dagegen bloß noch 74.370 verzeichnet (S. 612).
3.3 Vergangenheitsbewältigung
Walther L. Bernecker hat sich schon viele Jahre intensiv mit der Vergangenheitsbewältigung (memoria histórica) in Spanien befasst und tut das auch in seinem fundierten Beitrag zu dem vorliegenden Band. An dieser Stelle soll wieder nur auf einen Aspekt abgestellt werden, nämlich dass gerade die Vergangenheitsbewältigung zu einem zentralen Zankapfel der politischen Polarisierung geworden ist. Viele Jahre hatten die politischen Eliten nach Francos Tod 1975 »in der Frage der Vergangenheitsaufarbeitung eine auffällige Zurückhaltung« an den Tag gelegt (S. 174). Die Amnestie von 1977, so das beliebte Wortspiel, ging mit politischer Amnesie einher.
Die Politisierung und Polarisierung setzte in der Regierungszeit José María Aznars ein, und ist sichtbar geworden an der Weigerung des konservativen Partido Popular, an der Aufarbeitung der Vergangenheit mitzuwirken und diese sogar nach Kräften zu behindern (S. 178, 181). Mit der Gründung der Partei Vox (2013) nahm der Geschichtsrevisionismus der rechten Kräfte weiter zu: »Jahrzehnte intensiver historischer Forschung werden beiseitegeschoben, altfranquistische Mythen werden in neofranquistischem Gewand als historische Wahrheiten präsentiert.« (S. 195). Auf der anderen Seite haben die von dem PSOE (Partido Socialista Obrero Español) geführten Regierungen Gesetze durchgebracht ‒ 2007 das »Gesetz zur historischen Erinnerung« (Ley de Memoria Histórica) und 2022 das »Gesetz zur Demokratischen Erinnerung« (Ley de Memoria Democrática) ‒, die zwar nicht allen weit genug gehen, die allerdings den Unrechtscharakter des Franco-Regimes eindeutig feststellen, die Präsenz des Franquismus im öffentlichen Raum zurückdrängen sollen und die Ansprüche der Opfer von Bürgerkrieg und Diktatur anerkennen.
An dieser Stelle ist auf den Beitrag Dieter Ingenschays zur »Literatur als Reflex gesellschaftlicher Debatten« hinzuweisen, der unter anderem den Boom der neueren Bürgerkriegsliteratur (1985-2010) behandelt. Die Bürgerkriegsliteratur ab 2000 erweist sich dabei als engagierte Literatur, die sich in die politische und geschichtswissenschaftliche Diskussion einklinkt, und dadurch selbst »Teil dieser Auseinandersetzung geworden« ist (S. 574).
4. »Das bewegte Spanien«
4.1 Protestbewegungen und neue Parteien
Auf die strukturellen Probleme und die Folgen der Krise (2008-2014) hat die Gesellschaft, wie Julia Macher, Journalistin mit Wohnsitz in Spanien, aus eigener Anschauung weiß, mit einem Politisierungs- und Mobilisierungsschub reagiert, der in der »Bewegung gegen Zwangsräumungen« (Plattform der Hypothekengeschädigten), der »Bewegung der Empörten« (15-M) und der »Munizipalbewegung« sichtbaren Ausdruck fand. Mit dem Abflachen der Krise, so ihre Beobachtung, wurde, was als außerparlamentarische Bewegung begann, zunehmend in das etablierte politische System integriert. Aus Podemos, die als »links-populistische« Bewegungspartei begann, wurde im Laufe der Jahre eine »klassische linke Partei« (S. 383), wodurch sie für bestimmte politisch linke Kreise an Attraktivität verlor. Die Frage des Rezensenten, ob Podemos denn als Bewegungspartei auf Dauer hätte erfolgreich bleiben können, wird nicht erörtert.
Auf Ebene der Lokalpolitik hat sich die »Munizipalbewegung« nur in wenigen Städten halten können und konnte die politischen Verhältnisse nicht tiefgreifend verändern (S. 384f.). Zu den Folgen der Krise gehört aber auch die Gründung der rechtsextremen Partei Vox im Jahr 2013, die »vor allem von den Nachbeben des Katalonien-Konflikts« profitierte und »versuchte gesellschaftlichen Unmut in politisches Kapital umzumünzen« (S. 386).
4.2 Frauen- und LGTBIQ-Bewegung
Die Entwicklung der Frauenbewegung und der LGTBIQ-Bewegung seit den 1970er Jahren erläutert Werner Altmann kenntnisreich. Sie »erkämpften sich im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte ihre Entkriminalisierung und eine gesellschaftliche Akzeptanz und Gleichstellung, wie es sie noch nie in der spanischen Geschichte gegeben hat« (S. 269). Die Resonanz der LGTBIQ-Bewegung in der spanischen Literatur wird übrigens in dem bereits erwähnten Beitrag von Dieter Ingenschay behandelt (S. 583-589).
In vieler Hinsicht nimmt Spanien in Europa, nicht nur wegen der hohen Demonstrationsbereitschaft seiner Bürger:innen eine besondere Rolle ein. Allein in Madrid sollen nach offiziellen Angaben rund 120.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Weltfrauentag 2020 – trotz Pandemie – auf den Beinen gewesen sein (S. 294). Eine Vorreiterrolle ist auch auf der gesetzgeberischen Seite feststellbar. Vor allem unter dem sozialistischen Präsidenten José Luis Rodríguez Zapatero (2004 – 2011) wurde Grundlegendes rechtlich neu geregelt. Stichworte sind hier: Schutz vor häuslicher, machistischer Gewalt, Scheidungsrecht, Abtreibungsrecht, künstliche Befruchtung und Präimplantationsdiagnostik sowie Gleichstellung von Mann und Frau (S. 289-291).
Altmann weist auf innere Konfliktlinien und äußere Bedrohungen hin. Die sich seit Ende der 90er Jahre ausbreitende Identitätspolitik, habe »zu einer Entsolidarisierung der Frauen und sexuellen Minderheiten innerhalb der eigenen communities und gegenüber anderen marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen« geführt (S. 301). Hass in den sozialen Netzwerken und die Gegnerschaft der extremen Rechten setzen diesen Bewegungen von außen zu.
4.3 Bürgerinitiativen zur Rückgewinnung der historischen Erinnerung
Auf eine andere, wichtige soziale Bewegung kommt Walther L. Bernecker in seinem bereits angesprochenem Beitrag »Widerstreitende Erinnerungskulturen in einem gespaltenen Land« zu sprechen. Die Regierungen nach 1975 kümmerten sich nicht um die Exhumierung, Identifizierung und würdige Bestattung der auf über 100.000 (S. 174) geschätzten Opfer von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur, die im Lande verstreut, anonym verscharrt worden waren. Sie zeigten kein Interesse an der »Aufklärung von politischen Morden und Massenhinrichtungen, die die Aufständischen während des Bürgerkrieges und danach an den Anhängern der Republik verübt« hatten (S. 174f.). Bürgerinitiativen nahmen sich dann des Themas an. Die erste Initiative dieser Art ging im Jahr 2000 von Emilio Silva aus, führte zur Gründung der »Vereinigung zur Rückgewinnung der historischen Erinnerung« (Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica, ARMH) und ähnlicher Plattformen, die seitdem Druck auf die Regionalregierungen ausüben, endlich erinnerungspolitisch tätig zu werden (S. 181f.).
4.4 Katholizismus und andere Religionen
In den Kontext des bewegten Spaniens lässt sich auch die Frage einreihen, was und wen die Kirche in Spanien heute noch bewegt. Maihold stellt dazu fest, dass der »religiöse cleavage in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung für das politische Leben« verloren hat (S. 32). Eingehend behandelt Mariano Delgado die gegenwärtige Bedeutung von Kirche und Religion. Folgt man seinen Ausführungen, dann hat Spanien in der Tat, um es auf eine Kurzformel zu bringen, aufgehört, katholisch zu sein. Religionssoziologisch ist Spanien heute »ein stark säkularisiertes, religiös pluralistisches Land mit einer großen katholisch getauften Bevölkerungsmehrheit, die bei Umfragen über Glaube und Moral ähnlich antwortet wie die Katholiken anderer westlicher Länder« (S. 203f.).
Die meisten Spanier:innen können sicherlich noch als »Kulturkatholiken« angesprochen werden (S. 204). Für katholisch halten sich nach einer Umfrage aus dem Jahre 2021 nur noch 56,6%, wovon die wenigsten praktizierende Katholiken sind. Etwas mehr als 40% bezeichnen sich dagegen als nicht-gläubig, atheistisch, agnostisch oder gleichgültig. Gleichzeitig gibt es aber – trotz aller Auflösungserscheinungen des Katholizismus – ein Revival der Volksreligiosität, die etwa an der Attraktivität von Bruderschaften, Pilgerreisen, Wallfahrten, festlichen Taufen und Kommunionen sowie Tiersegnungen abzulesen ist (S. 232).
Interessant sind die Zahlen zu den Anhängern anderer Glaubensbekenntnisse und Religionen: die Zahl der Protestanten wird auf 1,5 Millionen geschätzt, wovon mehr als die Hälfte freikirchlich oder evangelikal ausgerichtet sein dürften. Gerade bei Einwanderern aus Lateinamerika erfreuen sich diese Richtungen großer Beliebtheit (S. 219). Orthodoxe Christen, etwa 900.00, sind vor allem die rumänischen Einwanderer (S. 223). Dem Islam zugerechnet werden etwa 2,5 Millionen Personen, die hauptsächlich aus Marokko und Algerien stammen. Die Zahl der Juden wird auf etwa 65.000 geschätzt, wovon 45.000 organisiert sind.
Lagerdenken und die Polarisierung finden sich auch bei der Religionspolitik: Nach Delgado wird in keinem anderen Land Europas »um die Laizität des Staates so intensiv und ideologisch gestritten wie eben in Spanien seit der Wahl Zapateros im Frühjahr 2004« (S. 213). Dieser (in Anführungszeichen) »ideologische Bürgerkrieg« werde erst zu Ende sein, wenn einerseits »die Kirche die von ihr 1975 selbst erwünschten Bedingungen der Moderne restlos akzeptiert« und andererseits die Laizisten »jede kulturkämpferische Attitüde des 19. Jahrhunderts endgültig hinter sich lassen« (S. 235).
4.5 Migration
Das Thema Migration wird von dem ausgewiesenen Spezialisten Axel Kreienbrink faktenreich und umsichtig behandelt. Zu begrüßen ist dabei, dass er das Thema nicht auf Asyl und illegale Migration begrenzt, sondern Zu- und Abwanderung insgesamt adressiert. Eine gewisse Orientierung geben die folgenden Zahlen: Im Jahr 2019 erreichte die Zuwanderung nach Spanien einen Rekordwert von 750.000 Personen (S. 249). Insgesamt lag die Zahl der ausländischen Bevölkerung Spaniens Anfang 2020 bei 5,43 Millionen, was bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 47,33 Millionen einem Anteil von 11,5 % entspricht. Zählt man alle in Spanien lebenden Menschen, die nicht in Spanien geboren wurden, erhöht sich dieser Anteil sogar auf 15%.
Von den 5,43 Millionen stammten 34,6% aus der EU (40,1% Europa gesamt), 27,2% aus Lateinamerika (28,6% Amerika gesamt), 22% aus Afrika und 9,2% aus Asien. Die zehn wichtigsten Herkunftsländer waren Marokko (15,9%), Rumänien (12,3%), Kolumbien (5,0%), Vereinigtes Königreich (4,8%), Italien (4,6%), China (4,3%), Venezuela (3,5%), Ecuador (2,4%), Bulgarien (2,3%) und Honduras (2,2%) (S. 250).
Erst ab 2020 wurden Asyl und illegale Migration zum Problem (S. 245ff.). Hatte es 2015 nur 15.000 Asylanträge gegeben, waren es 2019 bereits 118.000 Anträge, von denen 81% von Lateinamerikaner:innen (insbesondere aus Venezuela, Kolumbien und Mittelamerika) gestellt wurden. Dreiviertel dieser Anträge wurden abgelehnt, was aber in vielen Fällen nicht bedeutete, dass ein Bleiberecht verwehrt wurde. Die illegale Migration über das Mittelmeer, Ceuta, Melilla und die kanarischen Inseln wird für das Jahr 2016 auf 64.000 Personen beziffert. Davon kam ein Fünftel aus Marokko. Durch Kooperationsabkommen mit Marokko ging dieser Anteil bis 2019 auf die Hälfte zurück.
Die gute Botschaft lautet: Nationale wie internationale Umfragen der letzten drei Jahrzehnte haben für Spanien im Unterschied zu anderen EU-Staaten »eine positive, tolerante Sicht auf Einwanderinnen und Einwanderer« ausgemacht. Bemerkenswert ist weiterhin, dass die Neigung zur Polarisierung diesen Politikbereich auf Ebene der Regierungspraxis bislang aussparte. Kreienbrink stellt für die Jahre 2008-2020 insgesamt eine weitgehende Kontinuität bei den politischen und rechtlichen Maßnahmen fest, unabhängig davon, welche Partei die Regierung bildete. Unterschiede in Einzelpunkten schließt das nicht aus. Und selbst für die sich rassistisch-fremdenfeindlich äußernde und vor allem gegen Muslime aus arabischen Ländern polemisierende Partei Vox, gehört das Thema bislang nicht zum »Markenkern« (S. 261). Die Gefahr, dass über das Agieren von Vox auch dieses Politikfeld polarisiert wird, ist allerdings nicht zu übersehen.
5. Nationalismen in Spanien
5.1 Spanischer Nationalismus
Fragen des Nationalgefühls und nationaler Bewegungen bilden ein weiteres Kapitel des bewegten Spaniens, auf das im Folgenden eingegangen wird. Xosé Manoel Núñez Seixas befasst sich mit dem spanischen Nationalismus. Anders als sich vermuten ließe, meint er damit nicht nur den zentralistischen, neo-franquistischen, anti-separatistischen, illiberalen Nationalismus, der zuerst in der Regierungszeit von Aznar verstärkt auftrat und heute paradigmatisch von der Partei Vox vertreten wird. Für Núñez Seixas kennzeichnet alle spanisch patriotisch nationalistischen Positionen, dass sie »die Verfassung von 1978 als die legitime Basis für den Erhalt der politischen und territorialen Einheit Spaniens« ansehen (S. 308) und den Artikel 2 der Verfassung zur territorialen Staatsstruktur nicht in Frage stellen. Der Artikel spricht von der »unauflöslichen Einheit der spanischen Nation als gemeinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier« (zitiert nach Maihold in diesem Band, S. 22).
Vereinfacht darf man die Auffassung von Núñez Seixas wohl so verstehen, dass im spanischen staatsnationalistischen Diskurs für Separation und Sezession kein Platz ist. Unter dieser Prämisse sind dann durchaus verschiedene Konzepte entstanden, wie Vielfalt und Einheit zusammenzubringen wären, etwa in Formeln wie »Nation aus Nationen«, »Land aus Ländern«, »vielfältiges Spanien«, aber letztlich, so das Fazit, fehle es immer noch an einer tragfähigen Formel und an einfallsreichen theoretischen und politischen Lösungen (S. 326f.). Welche Lösung der Autor selbst favorisieren würde, bleibt offen. Wichtig festzuhalten ist auf jeden Fall der folgende Befund: »[…] im Alltag sind die friedliche Koexistenz und das Zusammenleben von Personen mit unterschiedlichen regionalen und sprachlichen Hintergründen die Regel« (S. 316) und in der Regel gibt es heute keinen »wirklichen Konflikt zwischen ‚ethnischen‘ Gruppen, auch nicht zwischen ‚einheimischen‘ Spaniern und nicht-europäischen Einwanderern« (ebd.).
5.2 Katalanischer Nationalismus und Katalonienkonflikt
Carlos Collado Seidel stellt die Frage, die Viele teilen werden, die auf den Katalonienkonflikt schauen: »Wieso strebt eine hoch industrialisierte Region, die im Rahmen einer demokratischen Verfassung über weitgehende Autonomie verfügt, mit derartiger Vehemenz in die Unabhängigkeit?« (S. 99). Detailliert und in gut nachvollziehbarer Weise zeichnet Collado Seidel den Konflikt zwischen Katalonien als Teil der spanischen Nation und Katalonien als eigener Nation nach ‒ von den Anfängen bis zu seiner permanenten Zuspitzung ab 2000 und insbesondere von 2010 bis 2017, dem Jahr des gescheiterten Sezessionsversuchs, dem eine gewisse Ernüchterung und Beruhigung folgte. Am Ende steht bei Collado Seidel die Annahme, dass der Konflikt nicht einfach rational zu lösen ist, da das spanische und das katalanische Nationsverständnis nicht vereinbar seien: »Aus spanischer Perspektive ist Katalonien ein integraler Bestandteil der spanischen Nation, während aus katalanischer Sicht ein eigener, hiervon losgelöster nationaler Bezugsrahmen sehr wohl existiert« (127f.). Dazu kommt, dass Nationalismen sich »vor allem aus Emotionen und Projektionen« speisen und »damit rational nicht zu fassen sind« (ebd).
Dem möchte der Rezensent hinzufügen, dass die zitierte katalanische Sicht in ihrer separatistischen Variante ‒ nach den Zahlen, die bekannt sind ‒, nicht von der Mehrheit der in Katalonien lebenden Bevölkerung geteilt wird. 1976, im ersten Jahr nach Francos Tod, sprachen sich Umfragen zufolge nur zwei Prozent der Katalanen für die Unabhängigkeit aus, im Jahr 2006 erst 14% (Zahlen nach B. Aschmann: Beziehungskrisen, 2021 und M. Clua i Fainé: Identidad y política en Cataluña, 2014). Die als relativ hoch angenommene Zustimmung zur Option einer Abspaltung ab 2013 ist mithin kein natürliches Faktum, sondern das Ergebnis eines politischen und sozialen Prozesses (mit einer langen Vorgeschichte). Das Hochkochen nationalistischer Emotionen in Katalonien hat schon mehrere Konjunkturen erlebt. Die jüngste Konjunktur und Krise sollte nicht allein auf rational nicht zu fassende Emotionen zurückgeführt werden, wenngleich diese für ihre Dynamik wesentlich waren. Denn die Zuspitzung hing nicht zuletzt vom Kalkül und Agieren bestimmter politischer Akteure auf gesamtstaatlicher und katalanischer Ebene ab, denen an politischer Polarisierung gelegen war. Von der Verschwörung der verantwortungslosen Verantwortlichen sprach der Kolumnist und Schriftsteller Jordi Amat in diesem Zusammenhang (vgl. seinen Essay »La conjura de los irresponsables«, 2018). Auch das gehört zur Antwort auf die von Collado Seidel eingangs gestellte Wieso-Frage dazu.
5.3 Baskischer Nationalismus und das Ende des ETA-Terrorismus
Den Fall des baskischen Nationalismus von 2005 bis 2021 behandelt Ludger Mees ausführlich und mit großer Sachkenntnis. Hier wird nur ein Punkt herausgegriffen: das definitive Ende des ETA-Terrorismus nach einem halben Jahrhundert politisch motivierter Gewalt. Es ist interessant, dass für das Ende der Gewalt nach Ansicht von Mees eine Persönlichkeit von besonderer Bedeutung war: Arnaldo Otegi, der heutige Koordinator des linksnationalistischen Parteienverbands EH Bildu. Ihm wird wesentlich das Verdienst zugeschrieben, einen Wandel im Denken der radikalen baskischen Nationalisten bewirkt zu haben mittels eines Narrativs, wonach die Basken den nationalistischen Zielen nicht näher kämen, solange ETA aktiv sei. Stattdessen wäre eine breit gefächerte demokratische Mobilisierung für die baskischen Freiheitsrechte nötig. Das beinhaltete die unmissverständliche Botschaft an die ETA sich aufzulösen: »Der induzierte Selbstmord ermöglichte den ETA-Paramilitärs wenigstens, öffentlich das von Otegi angebotene Narrativ vom einseitig beschlossenen Rückzug als letzten, selbstlosen Beitrag zum Kampf des baskischen Volkes zu inszenieren« (158f.). Der Philosoph Fernando Savater, der selbst Morddrohungen der ETA bekommen hatte, konnte dieser Inszenierung wenig abgewinnen: »Ohne unter der Kapuze zu zucken, versichern sie uns, durch den bewaffneten Kampf hätten wir den glücklichen Augenblick erreicht, da wir auf den bewaffneten Kampf verzichten können« (zitiert in Ingendaay in diesem Band S. 558). Dennoch war es, nach Mees, überhaupt nur vermittels dieses Narrativs möglich, die Spirale der Gewalt zu stoppen und eine Ausfahrt aus dem Labyrinth, so die Formulierung im Titel seines Beitrags, zu finden.
Um den langen Lebenszyklus der ETA zu verstehen, ist der Hinweis darauf, dass sich ein bedeutender Sektor der baskischen Gesellschaft – aktiv oder passiv – an der Legitimation der ETA-Gewalt beteiligte, wichtig. »ETA waren nicht nur die Kommandos, sondern auch die willigen Mitläufer. Dieses Phänomen muss einer der zentralen Themen bei jedem Versuch der Vergangenheitsaufarbeitung und -bewältigung sein« (S. 164). Damit einher geht die Aufgabe zu verstehen, was dieser über Jahrzehnte sozial mitgetragene Terrorismus für die baskische Gesellschaft im Alltag bedeutet hat. In dem Roman »Patria« von Fernando Aramburu (2016; auf Deutsch 2018) finden sich die Lebensverhältnisse jener Jahre im Baskenland plastisch und exemplarisch verarbeitet. Genau diesem Roman und seiner Bedeutung für die Debatten um ETA und den Terrorismus in Spanien ist der Beitrag von Paul Ingendaay im vorliegenden Band gewidmet (S. 541-561).
6. Fazit
6.1 Das Spanienbild des Bandes
Die Beiträge des Bandes fördern einerseits ein Spanienbild zu Tage, das durch wirtschaftliche und politische Sackgassen und Fehlentwicklungen, durch Krisen, Konflikte und Polarisierung gekennzeichnet ist. Ein besonders dunkler Fleck ist darin die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Dem steht auf der helleren Seite ein bewegtes, vielstimmiges Spanien gegenüber, das von den nationalen, regionalen und kommunalen Protestbewegungen, die in der Krise von 2008 aufkamen, über die Frauen-, LGTBIQ- und ARMH-Bewegung bis zur Bewegung des España vaciada reicht.Viele zivilgesellschaftliche Anliegen fanden Eingang in eine Reihe liberaler Gesetze nach 2004. Positiv zu bewerten ist außerdem die derzeitige Abwesenheit von Gewalt im Baskenland und in Katalonien und die Beruhigung der jeweiligen Konflikte. Besonders hervorhebenswert und ein Glanzlicht im Spanienbild ist nach Meinung des Rezensenten, dass bei allen Konflikten und bei aller Polarisierung auf der politischen Ebene, »im Alltag die friedliche Koexistenz und das Zusammenleben von Personen mit unterschiedlichen regionalen und sprachlichen Hintergründen die Regel« sind (S. 316).
6.2 Der Band »Spanien heute«– ein Resümee
In dem Sammelband werden viele Fragen zur Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Spaniens nüchtern und kompetent abgehandelt. Übergreifend gilt, dass die Autorinnen und Autoren erfreulicherweise stets auch die politische Dimension ihres Gegenstandes im Auge haben, selbst bei Themen wie Tourismus, Religion, Sport oder Literatur. Insgesamt kann von einer wissenschaftlich abgesicherten, problemorientierten, kritischen Sicht auf Spanien im Jahr 2022 gesprochen werden. Wer sich tiefer gehend über die spanischen Verhältnisse themenspezifisch oder generell informieren möchte, bekommt mit dem vorliegenden Sammelband eine ausgezeichnete Grundlage.
Wünsche der Art, dass manche Themen hätten eingehender behandelt werden sollen (z.B. die Westsahara-Frage) oder weitere Themen noch in den Band gehört hätten (z.B. die sozialen Sicherungssysteme oder das Bildungssystem) stehen jedem frei. Angesichts der Grenzen eines solchen Sammelbandes, versteht es sich allerdings von selbst, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Insistieren würde der Rezensent nur in einem Punkt. Insgesamt wäre, über den hervorragenden Beitrag von Sabine Tzschaschel zur Landnutzung hinaus, noch weit mehr Aufmerksamkeit für das Themenfeld Nachhaltigkeit, Klimawandel, Umweltbewegung und Umweltpolitik, Energiewende und Energiepolitik (samt Atomausstieg) zu wünschen gewesen. In der nächsten Auflage von »Spanien heute« wird diesen Themen mehr Raum gegeben werden müssen. Ein weiterer Wunsch für die nächste Auflage wäre, die Autor:innen zu ermuntern, wo immer möglich, Vergleiche mit der jeweiligen Situation in anderen Ländern, besonders aber mit Deutschland, anzustellen. Denn das Verstehen anderer Verhältnisse wird durch den Vergleich mit Bekanntem entscheidend erleichtert und oft erst möglich.
Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel (Hgg.): Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. 6., vollständig neu bearbeitete Auflage. Verlag Klaus Dieter Vervuert: Frankfurt am Main 2022; ISBN: 978-3-96869-280-7 Das Buch ist beim Verlag auch im Epub-Format erhältlich.
Lo factual y lo imaginado en la historia del exilio de un comunista español en la RDA y su hija
Reseña de Knud Böhle (Spanienecho de 23.02.2023), traducción de Pascual Riesco Chueca (Spanienecho de 18.03.2023)
1. Introducción
Un capítulo de la historia hispano-alemana poco conocido por el público alemán es el tema de la exitosa y premiada primera novela de Aroa Moreno Durán, nacida en Madrid en 1981: el exilio en la RDA de los refugiados republicanos, sobre todo comunistas, de la guerra civil. La novela, traducida a varios idiomas, se publicó en España en 2017; en alemán, apareció en 2022 en la excelente traducción de Marianne Gareis. [Nota: La reseña se basa en la versión alemana de la novela. En la presente traducción de la reseña, se ha utilizado para las citas de la novela la versión original en español (en la variante ebook)].
Esta revisión va más allá del alcance habitual de una reseña de libro, ya que se pregunta cómo se entrecruzan en la novela los hechos históricos y los hechos imaginados y en qué medida la propia novela contribuye a una mejor comprensión de las condiciones de vida e influencias de los emigrantes españoles y sus hijos. Dado que en la actualidad existe un corpus considerable de conocimientos históricos sobre los solicitantes de asilo españoles que vivieron en el exilio en la Zona de Ocupación Soviética de Alemania (SBZ) y luego en la RDA tras el final de la Segunda Guerra Mundial (véase el apartado 7 sobre literatura), se puede intentar dar respuesta a estas preguntas. La propia autora destacó en varias entrevistas su intenso trabajo de investigación (cf. Strode 2018; Alvite 2019; Whittemore 2021), por lo que cabe suponer que aborda la historia contemporánea con conocimiento de causa. Antes de poder abordar esta cuestión, es preciso esbozar el contenido y la estructura del libro, así como lo que históricamente se sabe sobre el exilio en la RDA.
2. Una primera mirada
La novela narra una doble historia de exilio: a un pequeño número de republicanos españoles, en su mayoría comunistas, que hubieron de huir tras la guerra civil (1936-1939) y no pudieron regresar a la España de Franco, se les concedió asilo en la RDA; para muchos, era su segundo o tercer exilio. En la novela, uno de estos comunistas se reencuentra con su mujer, venida desde España, y forma una familia en Berlín Este poco después de la fundación de la RDA. La familia tiene dos hijas, Katia y Martina. La primera nace en 1950, la segunda en 1953. Ambas crecen en la RDA. Katia, que es el centro de la historia, abandona su hogar en 1971: ello suponía una fuga, «Republikflucht» en la terminología de la RDA. Deja atrás su país, Berlín, su familia y sus amigos para empezar una nueva vida con un joven de Backnang, lugar próximo a Stuttgart. Así comienza la segunda historia de exilio, esta vez configurada como un relato Este-Oeste. Alemania Occidental no se convierte en el nuevo hogar de Katia; al contrario, la experimenta cada vez más como una exiliada foránea y no querida. Con el tiempo, esto la lleva a la depresión. El país y sus gentes le resultan cada día más hostiles, al tiempo que recuerda con nostalgia la patria perdida. Por añadidura, su decisión, que resulta ser irreversible, acarrea consecuencias devastadoras no solo para ella, sino también para su familia en la RDA. Se da cuenta de ello cuando visita a su familia en Berlín en 1991, tras la reunificación: se encuentra con un mundo roto. El desenlace queda abierto, pero un nuevo comienzo no parece del todo imposible.
Tres complejos de interrogantes, no infrecuentes en el género novelístico, desempeñan cierto papel en esta narración: las consecuencias imprevistas e imprevisibles de decisiones irreversibles, el entrelazarse de la gran historia (Guerra Civil española, Telón de Acero, Guerra Fría, construcción del Muro, reunificación) con la vida de los personajes de la novela, así como el ensamblaje de cuestiones como el origen geográfico, la patria, la extranjería, la integración y la identidad.
El libro consta de cuatro partes y un breve prefacio sin título. Los epígrafes son: EL ESTE (periodo 1956-1971), LA TIERRA DE NADIE (1971), EL OTRO LADO (1972-1990), VATERLAND (La tierra de mi padre) (1992). Las partes se subdividen a su vez en breves secciones, cada una con un título, un lugar y un año.
El periodo comprendido entre 1956 y 1990 es presentado por Katia como narradora en primera persona. El procedimiento elegido parece optar por la fijación de recuerdos con el propósito de autoafirmarse. La enunciación literaria no crea discurso dirigiéndose a un público anónimo, sino que remite a la propia autora, y quizá también a una persona conocida o de confianza. El yo va recordando aquello que hace aflorar el ejercicio de la memoria, y, como es bien sabido, ello no tiene por qué ser completo ni fiable. La narradora en primera persona reflexiona sobre el carácter selectivo de los recuerdos personales: «Hay una electricidad entre emoción y memoria: […] a mayor emoción, más facilidad de que un suceso pueda ser recordado. La emoción es el filtro…».
En la mencionada introducción, de dos páginas, y en la última parte de la novela, Vaterland, no es el narrador en primera persona, sino una voz narrativa más distanciada la que toma la palabra. Más concretamente: las acciones, pensamientos y sentimientos de Katia se relatan como si ella misma se observara desde fuera. Esto podría interpretarse como que la autora quiere mostrar que la protagonista es capaz de tomar distancia al final de la historia. Al final de la novela le sucede una página con una única frase:
Veintisiete años después de la caída del de Berlín, existen en el mundo más de quince muros con los que se trata de impedir el flujo de personas de forma violenta.
En la página siguiente figura un pasaje con el epígrafe «Agradecimientos», donde se nombra en primer lugar a Mercedes Álvarez y Núria Quevedo. Esta referencia es reveladora, pues ambas eran hijas de conocidos comunistas españoles (Ángel Álvarez Fernández y José Quevedo), y crecieron en la RDA. En una larga conversación, que se publicó como libro en 2004, ellas habían aportado información sobre sus vidas y la de sus respectivos padres (Álvarez y Quevedo 2004). Independientemente del libro, ambas personas fueron entrevistadas varias veces por investigadores sobre el tema del exilio en la RDA Su aportación en la entrevista ha merecido la atención académica (Drescher 2008, Denoyer 2011). Sin el encuentro con estas «hijas de comunistas», esta novela de Aroa Moreno Durán no habría existido.
3. Acontecimientos, experiencias y vivencias en la novela
La protagonista y narradora en primera persona, Katia, nació en Berlín Este el 21 de febrero de 1950. El registro de los acontecimientos de 1956 a 1991 sigue en gran medida un orden cronológico. Sólo esporádicamente se incorpora información de otros tiempos, de otros lugares y sobre otras personas.
Los padres de Katia son españoles que viven en condiciones de hacinamiento en su exilio en Berlín Este. Katia tiene una hermana, Martina, tres años menor que ella. Su padre, Manuel, es un comunista acérrimo y pro-Moscú, agradecido a la RDA por haberle concedido asilo. En cuanto a su posición política, la novela recuerda que el padre llegaba a enfadarse mucho cuando se trataba de la Ostpolitik alemana, a la que se oponía. Especialmente acalorada fue su indignación cuando Willy Brandt recibió el Premio Nobel de la Paz en 1970: «escúchame, Isabel, esto es el primer paso para el fin de todo en lo que creímos. El fin, Isabel, el fin».
A Isabel, la madre, le importan poco el partido y la política. Enseña a sus hijos a rezar y a entonar el mea culpa. Se niega a aprender alemán, está mal integrada, sufre mucho y vive el exilio como una extraña. Los detalles de la historia de los padres, especialmente la del padre, se tratarán con más detalle más adelante en el contexto histórico.
En los recuerdos de Katia están muy presentes las experiencias de control y vigilancia en la RDA, una atmósfera en la que cada palabra debe ser bien medida porque existe un peligro latente de delación. En la novela también se plantan deliberadamente huellas que más tarde pueden relacionarse con la actividad del padre como colaborador informal (Informeller Mitarbeiter, IM) de la Stasi. Katia recuerda un encuentro de la familia con españoles exiliados críticos de la RDA en Leipzig: «Solo papá dijo ―ya está, familia, debemos estar agradecidos a esta república―. Nunca más volvimos a verlos». Otro ejemplo: tras un encuentro en compañía de su padre con un peculiar exiliado español que impartía clases como profesor en la Universidad Humboldt, descubre que poco después éste ya no enseñaba allí.
El clima de vigilancia es palpable. También se alude sutilmente a la RDA como estado controlador en una escena en la que Katia está leyendo en clase la famosa novela de Anna Seghers La séptima cruz, que tiene escondida bajo el pupitre. Cuando el profesor le pregunta qué está leyendo, se encuentra precisamente en este punto de la novela:
Un miedo que nada tenía que ver con su conciencia; el miedo de los pobres, el miedo de la gallina ante el gavilán, el miedo ante la persecución del Estado. Ese miedo ancestral que indica a las claras quién es el Estado, mejor que las constituciones y los libros de historia.
A pesar de esta percepción de control y vigilancia, su principal punto de referencia ―antes de la erección del Muro e incluso después― es su pequeña familia, que mantiene por lo que parece escaso contacto con el mundo exterior, tanto con españoles como con alemanes. La familia es su hogar. A finales de los sesenta y principios de los setenta, se produce una apertura. Katia empieza a estudiar y ayuda a preparar el Festival Mundial de la Juventud y los Estudiantes. En este contexto, encuentra también una buena amiga, cubana, llamada Julia. Katia parece estar en vías de integrarse en la sociedad de la RDA.
En noviembre de 1969 aparece por Berlín Este un estudiante de Alemania Occidental, Johannes, de Backnang, que se interesa por ella y se mantiene en contacto con ella durante los dos años siguientes. En 1971, Katia deja atrás a su familia, sus estudios y su amiga, y «cruza al otro lado». Por ser más precisos: son unos especialistas en ayudar en las fugas, a sueldo (financiados por los padres de Johannes), quienes hacen posible su huida a través de Checoslovaquia y Austria hasta la República Federal.
Katia tiene dificultades para enfrentarse al nuevo entorno, que percibe crecientemente como extranjero y hostil. A ello se añaden los remordimientos. Cuando recibe la noticia de la muerte de su padre en una llamada telefónica hacia 1980, su sufrimiento aumenta aún más. Se arrepiente de su decisión irreversible. A pesar haber satisfecho las normas de Suabia (matrimonio y casa, dos hijos, dos coches), en su interior se aleja cada vez más de su entorno, se retrae, se deprime y pierde la iniciativa. Desarrolla una fuerte aversión no solo hacia la sociedad alemana occidental, sino también hacia Johannes, su marido y padre de sus hijos. Recuerda la RDA con añoranza creciente como una patria perdida. El 4 de octubre de 1990, fecha bien elegida por la autora, se divorcia de él, inmediatamente tras el Día de la Unidad Alemana.
Su camino de integración y su búsqueda de una identidad han fracasado. Katia está psicológicamente enferma. El bastidor compuesto por el fracaso de su construcción identitaria y sus sentimientos de culpa y su depresión explica, en la opinión del autor de esta reseña, la atribución de culpa que Katia hace a su entorno personal y a la sociedad de la República Federal de Alemania. La narradora en primera persona encuentra impresionantes hallazgos expresivos para evocar su falta de hogar y su depresión. He aquí algunos ejemplos:
«Si la guerra era fría, yo estaba congelada».
Ante la noticia de la muerte del padre, escribe: «Solamente dejó aquella información que, como una piedra, me hundió en un fango denso, en una cabeza desordenada para siempre, negro, oscuro».
En referencia a sus desganados retozos con el marido, ahora ya no amado, ofrece el siguiente recuerdo: «Dos cuerpos en contradicción. Johannes me agarró con fuerza. Nos abrazamos durante varios minutos. Y entonces todo sucedió con lentitud. Con demasiada lentitud».
La pérdida del amor y el distanciamiento hacia el marido los atribuye al hecho de «[que yo] guardara un frío rencor a Johannes por haberme arrancado de lo que fue mi vida».
Katia formula su desilusión de forma sucinta y punzante: «Johannes lo dejo todo por ti, Johannes que me quitaste todo. Johannes no existen fronteras, Johannes muro».
Cuando se divorcia, le vienen ideas nostálgicas y patéticas: «Yo era hija de un país antifascista, de un país que creía en la liberación, de un país presionado y empobrecido, rural y seguro, y, de alguna manera, tenía que rebelarme y marcharme de este otro».
Ella es consciente de que se trata de una «cadena de pensamientos desconectados», porque por entonces ya aquel país, la RDA, no existe.
Tras la caída del Muro en 1989, pasan otros dos años hasta que visita a su madre y a su hermana. En 1991, se produce el final en Berlín: nos enteramos de todo lo que ha sucedido desde que Katia se marchó hace veinte años, cosas totalmente ignoradas por ella. Su madre nunca ha asumido su marcha y ahora languidece en una silla de ruedas, cuidada por Martina. Al parecer, su padre fue detenido poco después, culpado por la fuga de Katia, y murió tras un largo encarcelamiento en una prisión de la RDA (en cualquier caso, después de 1981), siendo aún un comunista ortodoxo, aunque sin esperanza. Los archivos de la Stasi sobre su padre muestran que había estado espiando a otros españoles exiliados como colaborador informal de la Stasi desde 1962.
La historia termina en 1991. La última palabra de la novela es poyejali. Esta palabra rusa ya había aparecido en otro punto de la novela, cuando Katia abandona la RDA: «Poyejali, me dije. Igual que Yuri Gagarin a bordo del Vostok 1, me fui sin saber que, como el cosmonauta, tampoco encontraría a Dios al otro lado».
No se sabe con certeza qué significa esta palabra de despedida, colocada al final de la novela: tal vez un nuevo comienzo. Si se toma también en consideración la primera frase del prefacio de la novela, «Katia Ziegler destapa la estilográfica con la que ha firmado todos los documentos importantes de su vida», podría entenderse que el primer paso de este nuevo comienzo es escribir sus recuerdos.
Una vez expuestas las líneas principales de la trama, el siguiente paso es presentar brevemente el estado de la ciencia histórica sobre el tema de los refugiados españoles de la guerra civil en la RDA.
4. Refugiados de la Guerra Civil española en la RDA: un reducto
No fue hasta poco después del cambio de milenio cuando comenzaron los estudios científicos sobre el tema (Heine 2001). A este interés inicial le siguió un número considerable de trabajos académicos. Ya en 2012 se disponía de un nivel de investigación que permitía hacerse una idea general sobre la situación de los españoles exiliados en la RDA. Son diversos los enfoques y los interrogantes planteados en los trabajos, al igual que hay diferencias en los detalles. No obstante, se puede contar con una imagen de conjunto generalmente compartida.
En primer lugar, es importante distinguir entre dos grupos de españoles exiliados en el periodo 1945-1956. El primer grupo estaba formado por los españoles que se hallaban en la SBZ y en el sector oriental de Berlín tras el fin del régimen nazi en 1945, casi todos los cuales habían sido «soldados de la República en la Guerra Civil española» (Uhl 2004, p. 235). Entre ellos se encontraban por lo general los españoles que habían sido traídos a Alemania desde su exilio en Francia para realizar trabajos forzados y que, en su mayoría, habían tenido que trabajar para la industria armamentística (acerca de los trabajadores forzados en los campos satélite de los campos de concentración, véase Meerwald 2022 y la reseña sobre esta obra en Spanienecho). Tras la toma de Berlín, la Unión Soviética permitió a este grupo de personas regresar a Francia o a la Unión Soviética o permanecer en Berlín (Alted Vigil 2002, p. 143). Este grupo de personas podría ampliarse para incluir otros elementos, como trabajadores contratados voluntarios de la España de Franco o españoles pro-franquistas en suelo alemán. Se estima el tamaño del grupo en unas cuarenta o cincuenta personas (Eiroa 2018, p. 145) o unas pocas docenas (Kreienbrink 2005, p. 319).
El núcleo de este grupo, que se consideraba republicano y comunista, se constituyó a partir de 1947 en el comité de ayuda a las víctimas del fascismo llamado ERE (Emigración Republicana Española) (Uhl 2004, p. 236). Según datos de esta organización, en 1948 contaba con unos treintaicinco miembros (Kreienbrink 2005, p. 319). José Quevedo estuvo inicialmente al frente de la organización. Sin embargo, el SED y el PCE denegaron el reconocimiento del comité. Dolores Ibárruri, secretaria general del PCE por entonces, afirmaba en una carta muy citada a Wilhelm Pieck (Presidente del SED), con fecha del 9.9.1947: «Incluso los que estuvieron en campos de concentración y no fueron a Francia con los demás deben ser tratados con cautela. En cualquier caso, no podemos garantizar a ninguno de ellos. Por lo tanto, le rogamos que no recurra a esos españoles, porque no son políticamente fiables en absoluto» (usamos para la cita el texto de Poutrous 2004, p. 364). El ERE fue disuelto más tarde, en 1949. Posteriormente, se prohibió a los miembros de este grupo afiliarse al PCE o al SED, pero no se llegó a expulsar a ningún miembro de este grupo de la RDA (Drescher 2008, p. 36).
El segundo grupo de refugiados españoles de la guerra civil llegó a la RDA en 1950 como consecuencia de la acción policial denominada «Opération Boléro-Paprika», ordenada por el Estado francés en septiembre de 1950 y dirigida contra miembros de partidos comunistas extranjeros, especialmente del PCE. Fueron detenidas 292 personas de doce naciones, entre ellas 251 españoles. En el curso de la Guerra Fría, los comunistas españoles ya no eran considerados como una oposición antifranquista, sino como una quinta columna estalinista. «Al final, como resultado de la operación Boléro-Paprika, 176 españoles fueron detenidos y la mayoría puestos bajo arresto domiciliario en Córcega o Argelia. Pero treintaitrés de ellos fueron deportados inmediatamente a la RDA por el Ministerio del Interior vía Estrasburgo. Unos meses más tarde tuvo lugar la reagrupación familiar en Dresde» (Denoyer 2011, p. 98). La operación Boléro-Paprika ha sido descrita en varias ocasiones (Heine 2001, Poutrous 2004, Uhl 2004, Kreienbrink 2005, Drescher 2008; con particular detalle, en Denoyer 2017, pp. 29-100; Eiroa 2018 estudia el exilio de comunistas españoles en la RDA y otros estados socialistas tras el Telón de Acero).
En mayo de 1951, el colectivo de Dresde (término utilizado tanto por el PCE como por el SED) contaba con 85 personas: 31 hombres, 21 mujeres, 33 niños y adolescentes. A grandes rasgos, estos españoles fueron bien tratados en la RDA, se les dio trabajo y vivienda y se les reconoció como víctimas del nacionalsocialismo. El trato comparativamente bueno a estos exiliados comunistas debe verse también a la luz de la legitimación de la RDA y de su mito fundacional como estado antifascista. La lucha de los comunistas alemanes en las Brigadas Internacionales y las notables trayectorias de antiguos combatientes alemanes en España en la política de la RDA, y ahora la acogida en la RDA de antiguos camaradas de armas expulsados de Francia, son partes de un único relato (para una discusión detallada, véase Uhl 2004). En este contexto, Denoyer afirma que los «españoles fueron instrumentalizados por la dirección de la RDA, a veces en un grado considerable, con el fin de obtener cierta legitimidad y ganancia de prestigio a expensas de su presencia, tanto a nivel internacional como frente a su propia población» (Denoyer 2011, p. 102).
Sin embargo, estos españoles exiliados también estaban vigilados y controlados por el Partido Comunista de España, el SED y, en algunos casos, el Ministerio de Seguridad del Estado. No hay que olvidar que los miembros del colectivo de Dresde también estaban «estrechamente vigilados por los suyos» (Uhl 2004, p. 243). El mayor colectivo de españoles comunistas en el exilio estaba en Dresde. También había otro, más pequeño, en Berlín (Chmielorz 2016). En 1960 se fundó un tercer colectivo en Leipzig (Denoyer y Faraldo 2011, p. 194), que tiene menos interés aquí porque ya no se trata de refugiados de la guerra civil, sino principalmente de estudiantes «que habían cumplido condena en prisión en España por motivos políticos» (Kreienbrink 2005, p. 324).
Hasta 1968 se puede hablar de una estrecha cooperación entre el PCE y el SED. Tras la Primavera de Praga y la invasión de Checoslovaquia por el Pacto de Varsovia, las relaciones entre el PCE, ahora eurocomunista, y el SED, leal a Moscú, se deterioraron (véase Denoyer y Faraldo 2011, pp. 190-197). Este conflicto provocó tensiones en el seno del PCE, expulsiones de partidos y fundación de nuevas formaciones. También dividió a los colectivos de exiliados españoles en Dresde y Berlín, en los que la mayoría de los miembros seguían defendiendo la ortodoxia prosoviética y condenaban la línea oficial del partido de Santiago Carrillo. Esta disputa dificultó la convivencia en los colectivos (Denoyer y Faraldo 2011, p. 194 y ss.). Una parte ya no hablaba con la otra y las personas se evitabam (Drescher 2008, pp. 63-68; para el colectivo de Berlín, Chmielorz 2016). El Ministerio de Seguridad del Estado, MfS, también controlaba y observaba a los miembros de los colectivos con la ayuda de colaboradores españoles no oficiales (Denoyer y Faraldo 2011, p. 96). «El distanciamiento definitivo entre el SED y el PCE tuvo lugar en 1973, cuando el gobierno de la RDA estableció relaciones diplomáticas con la España franquista» (Denoyer y Faraldo 2011, p. 197).
5. La historia en la novela, y la disciplina histórica
5.1 Lo que se nos dice del padre
Katia no sabía gran cosa del padre: «Pero papá no contó nada porque nadie preguntó». Con motivo de cumplir dieciocho años su hija, la madre le proporciona algunos datos clave sobre la historia familiar. En 1936, el padre se fue a la montaña como voluntario en la Guerra Civil española para luchar por la Segunda República española contra los sublevados. En el verano de 1937, reapareció en el pueblo durante tres días; se casaron: «En nuestro relato familiar, lo siguiente es mi padre en el treinta y ocho saliendo de España y llegando a Moscú».Allí se convierte en «un pequeño comisario de provincias» (sea esto lo que se quiera, KB). En 1946 abandona la URSS y se traslada a Dresde (SBZ), donde comienza a aprender alemán. La madre de Katia sigue a su marido al exilio en 1946, dejando atrás la España franquista con arriesgados expedientes. «Mis padres se encontraron en Dresden… en una pequeña comunidad de españoles».Consiguieron alojamiento y trabajo gracias al Partido. La madre de Katia deseaba entonces «que papá se alejara del partido» y consecuentemente impulsó el traslado a Berlín. Katia vino al mundo allí en 1950 y su hermana Martina tres años después. La mención de la «historia familiar» implica sin duda la posibilidad de que no todo lo que dice la madre de Katia sea cierto.
De la literatura sobre el exilio de los refugiados españoles de la guerra civil en la Unión Soviética se sabe que al final de la guerra civil en marzo/abril de 1939 (no en 1938) unos 1.000 españoles, en su mayoría pertenecientes o cercanos al PCE, fueron acogidos por la Unión Soviética. La mayoría de estos refugiados solo pudieron abandonar la URSS tras la muerte de Stalin. Sin embargo, en un estrecho intervalo temporal en torno a 1946, a algunos españoles se les permitió ir a Francia o América Latina (Alted 2002, pp. 131, 138ss., 143; y Lister 2005, p. 301). No hay indicios de que ninguna de estas personas fuera a la SBZ.
A tenor de lo indicado en la bibliografía, parece muy poco probable que un miembro del Partido Comunista de España, que había pasado ocho años en la URSS y no hablaba alemán, decidiera ir a Dresde en 1946, antes de que se fundara la RDA. El colectivo de exiliados de los comunistas españoles en Dresde al que se alude no existía en aquel momento; sólo surgió a raíz de la operación Boléro-Paprika en 1950/51. La decisión de trasladarse de Dresde a Berlín, siguiendo los deseos de la esposa, porque no apreciaba la proximidad de su marido al partido, supone también un grado de libertad de elección por parte del individuo bastante improbable. Es difícil imaginar un simple cambio de residencia sin la aprobación del SED y el PCE. La novela tampoco establece ninguna relación entre el traslado de Dresde a Berlín y el pequeño colectivo de comunistas españoles que existió en Berlín a partir de 1950/51.
Por lo tanto, Moreno Durán ha construido una biografía del padre muy atípica, por no decir imposible. Se mezclan los datos sobre los españoles exiliados que vivían en suelo alemán antes de la fundación de la RDA y los que llegaron a Dresde en 1950/51 con la Operación Boléro. Hubiera sido fácil para la autora proporcionar una biografía históricamente más realista del padre, por ejemplo, como refugiado de la guerra civil que, tras un primer exilio en la URSS (1939-1946), llegó a Francia en 1946, para ser deportado a la RDA en 1950 como consecuencia de la Operación Boléro, agregándosele su esposa al año siguiente.
5.2 La aparición en la novela de José Quevedo, el profesor De Vega
La persona del profesor español De Vega en la Universidad Humboldt de Berlín merece especial atención para comprender el encuadre histórico que la autora hace suyo. De él sabemos que estuvo del lado de la República española, huyó de la España franquista y abrió una librería en Berlín ―ya en la época del nacionalsocialismo― y colgó en ella un retrato de Franco para engañar a los nazis. Poco después de conocer a Katia (en 1971) y a su padre, de quien el lector se entera más tarde que espiaba a otros españoles exiliados, De Vega deja de dar clases en la universidad.
En la persona de este conferenciante se adivina la de José Quevedo, bien conocido por los historiadores (cf. p. ej. Uhl 2004, p. 236ss., Drescher 2008, p. 37), de cuya vida hizo su hija Núria Quevedo un relato detallado y fascinante en 2004, en conversación con Mercedes Álvarez (Álvarez y Quevedo 2004). José Quevedo es conocido como dirigente de la Asociación de Emigrantes Republicanos y Comunistas ERE (véase más arriba), fundada en 1947. Fue miembro del PCE en España y fiel soldado de la aviación. En 1939 tuvo que huir de España, pasó por varios campos de internamiento franceses y luego trabajó en la industria armamentística alemana en Berlín de 1941 a 1945 (como muchos refugiados de la guerra civil deportados de Francia o reclutados a través de la organización Todt). En su apartamento de Berlín tenía una foto de Franco encima de la cama. Después de la Segunda Guerra Mundial, concretamente en 1952, trajo de España a su mujer y a su hija Núria. Para entonces ya había abierto la «Librería Internacional Quevedo». En la Universidad Humboldt dio clases a través del gran romanista Werner Krauss (a quien Hans Ulrich Gumbrecht dedicó en 2002 un memorial muy sensible y conmovedor). Quevedo enseñó en la HU hasta 1954. Entonces, sin embargo, se solicitó a Dresde un nuevo profesor de español y, según Drescher, «hay que suponer indudablemente que hubo una destitución forzosa de Quevedo» (Drescher 2008, p. 115). Por cierto, un reportaje de Deutschlandfunk sobre el colectivo de españoles exiliados de Berlín Este (Chmielorz 2016) confirma que hubo trámites para contratar a un nuevo profesor de español en 1954.
Las similitudes entre el personaje de la novela y los recuerdos que Núria Quevedo tiene de su padre son asombrosas. Sobre el profesor De Vega se indica en la novela que «se jactó… de ser descendencia del mejor poeta en español de todos los tiempos, Lope de Vega». Núria Quevedo recuerda a su padre: «Mi padre siempre soñó con ser descendiente de Don Francisco» (Álvarez y Quevedo 2004, p. 33). En evidente referencia a los escritores del Siglo de Oro Félix Lope de Vega y Francisco de Quevedo.
Ante la indignación del comunista ortodoxo por su peculiar estilo de vida, respondeDe Vega: «Ya, ¿que va a venir a contarme la vida usted a mí? Supervivencia lo llamo yo». Núria Quevedo, ante el hecho de que su padre trabajó para los nazis, responde: «Con tal de salvar la vida, uno lo intentaba todo, no hay duda» (Álvarez y Quevedo 2004, p. 25).
Desde el punto de vista de la verosimilitud histórica, la historia del señor De Vega es altamente improbable. ¿Cómo pudo un refugiado republicano de la guerra civil, que había encontrado el camino a la Alemania nazi, abrir una librería en Berlín en tiempos de guerra y luego seguir dirigiéndola en la RDA hasta por lo menos los años setenta? El empleo habitual de los refugiados españoles de la guerra civil en la Alemania nazi era como trabajadores contratados o forzados en la industria armamentística.
Hay un juego intertextual oculto entre la novela y los recuerdos de Núria Quevedo y Mercedes Álvarez. La figura del profesor De Vega, tal como se muestra, incorpora visiblemente información sobre José Quevedo. Asimismo, en el decorado de los miembros del núcleo familiar formado por el padre, la madre, Katia y la hermana Martina, aparecen numerosos fragmentos de los recuerdos de las dos verdaderas hijas de comunistas. Alejándose de la conocida frase «todo parecido con personas vivas o muertas es pura coincidencia», los parecidos con personas vivas o muertas en la obra de Moreno Durán no son en absoluto accidentales. Lo que ocurre es que las biografías sobre los destinos de distintos refugiados que ha construido a partir del material disponible no son fiables en algunos aspectos. Pero a la mayoría de los lectores no deberían molestarles las pequeñas incoherencias históricas.
5.3 La ausencia de preocupaciones políticas en Katia
La historia contemporánea queda en gran medida al margen de la novela, ya que la protagonista es retratada como apolítica. Ello es particularmente evidente en el hecho de que el conflicto entre los comunistas leales a Moscú y el Partido Comunista Español bajo la dirección de Santiago Carrillo, que seguía una línea eurocomunista y que dividió a los exiliados españoles en la RDA en dos bandos desde finales de los años sesenta, tanto en Dresde como en Berlín, no aparece en ninguna parte (véase más arriba). Ni siquiera la invasión de Checoslovaquia por el Pacto de Varsovia en 1968, condenada por el PCE y apoyada por el SED, que exacerbó el conflicto existente entre los exiliados, se cuela en la novela, aunque la protagonista tiene entonces dieciocho años, conoce a otros jóvenes y estudia en Berlín. Lo que le preocupa en 1971 es el décimo Festival Mundial de la Juventud y los Estudiantes, que ella ayuda a preparar. El hecho de que dicho festival no se celebrara en 1971, como se afirma en la novela, sino en 1973, no es decisivo para el curso de la historia.
No se presta tampoco atención al conflicto entre el SED y el PCE en torno a 1973, cuando la RDA reconoció diplomáticamente el régimen de Franco. Tampoco se mencionan las manifestaciones en la República Federal contra el régimen en España en su brutal fase final. Deprimida y atrincherada en la región de Suabia, la protagonista vive la República Federal de los años setenta y ochenta con los clichés de los años cincuenta: conseguir una casa, coche, hijos, el marido trabajando hasta caer rendido, bebiendo sus cervezas ante el televisor cada noche, la mujer atada a la casa. La percepción de los cambios políticos y de la realidad tanto en la RDA como en la República Federal parece extrañamente limitada y nublada.
5.4 Los problemas de identidad de Katia
El tema de la difícil formación de la identidad de los hijos de comunistas españoles en la RDA ha sido objeto de estudio académico (Denoyer 2011, 2017). Por lo general, eran importantes al menos dos fuentes de identidad: una, que los padres transmitían a sus hijos, y otra que ofrecía el país de acogida (Denoyer 2011, p. 106). A menudo, sin embargo, un tercer país, Francia o Rusia, por ejemplo, también desempeñaba un papel. Precisamente, las ricas biografías de Mercedes Álvarez y Núria Quevedo muestran de forma impresionante que la experiencia del exilio de las hijas de comunistas también puede generar nuevas identidades, complejas y exitosas.
También es interesante en el estudio de Denoyer la constatación de la gran importancia de la RDA y el apego a ella: «No es un factor menor el hecho de que los hijos de los exiliados han desarrollado una relación especial, en tanto que duradera, con la RDA. Aunque ciertamente reconocen las debilidades del régimen de Alemania del Este y condenan la falta de libertad que allí reinaba, defienden hasta hoy el país desaparecido […]» (Denoyer 2011, p. 108). Denoyer añade: «Para la segunda generación de españoles en la RDA, el exilio político [se convirtió entonces] en una experiencia biográfica estructurante en la que el sentido de la nacionalidad y de la identidad, así como las relaciones con la sociedad de origen y de acogida, tuvieron una importancia especial» (Denoyer 2011, p. 109).
Lo mismo puede decirse de la protagonista de la novela. Con respecto a su infancia y juventud en la RDA, se puede hablar de una «experiencia biográfica estructurante». En años posteriores, sin embargo, su punto de referencia es diferente: son las decepcionantes experiencias en la República Federal las que la llevan a un creciente rechazo de las condiciones de vida allí y a una revalorización nostálgica de la RDA.
Queda por preguntarse qué papel desempeña España, como «sociedad de origen» transmitida a través de los padres, en la formación de la identidad de la protagonista. El hecho de que Katia proceda de una familia de emigrantes españoles en la RDA apenas desempeña un papel en su desgracia y sufrimiento en la novela. No se siente atraída por España y no intenta establecer contacto con sus parientes en España. En 1989, pisa suelo español por primera vez en su vida. Un viaje a España planeado y forzado por su marido, Johannes, sin su conocimiento, se convierte en un fiasco. La visita obligada al pueblo natal de sus padres, Dos Aguas, se interrumpe bruscamente. España no es un hogar posible para ella y, desde luego, no es un lugar de añoranza. Con su historia de vida y la historia migratoria de sus padres, no parece tener conexión alguna con la España actual. Sus problemas de identidad, marcados por la vergüenza y el sentimiento de culpa, son probablemente los principales responsables de este sentimiento. El hecho de que España se constituyera como monarquía después de Franco y que la tematización política de las injusticias cometidas contra los republicanos fuera prácticamente inexistente en aquel momento (1989), por otra parte, es probablemente menos relevante para el sentimiento de no pertenencia de Katia.
Katia representa no sólo un caso atípico, sino también altamente improbable, de española exiliada de segunda generación. Su conflicto de identidad es predominantemente interior: RFA = extranjería, frente a RDA = patria. Su desconocimiento político es tal que ni siquiera defiende los logros de la RDA en cuanto al papel de la mujer en un sentido progresista. Los valores comunistas de su padre tampoco la llevan a orientarse políticamente ni siquiera a organizarse. Lo que queda es una joven inmadura que se traslada de la RDA a la RFA por una relación sentimental, se siente decepcionada tanto por la relación como por la vida en Occidente, permanece allí como una extraña, se deprime y añora su antiguo hogar.
El autor de esta reseña ignora si se dio el caso de que la hija de uno de los pocos comunistas españoles exiliados en la RDA se fuera alguna vez a la RFA, y de que un comunista español ortodoxo llegara a ser condenado a diez años de cárcel (y finalmente incluso muriera en prisión) porque su hija adulta había huido a la RFA. Si tal historia hubiera existido realmente, difícilmente habría permanecido oculta a los exiliados españoles y, por tanto, se habría conocido.
6. Reflexión final
Queda por decir que la novela de Moreno Durán llama la atención sobre un apasionante capítulo de la historia germano-española: la vida de los refugiados españoles de la guerra civil y sus hijos en la RDA. La capacidad lingüística de la autora para transmitir al lector situaciones, estados de ánimo y sensibilidades con pocas palabras, frases cortas y concisas, condensaciones poéticas, comparaciones originales, contrapuntos, alusiones y silencios es su punto fuerte. Por eso muchos disfrutarán inicialmente con la novela, siguiendo a la protagonista mientras rememora sus años en la RDA de 1956 a 1971 de forma anecdótica, colorista y con su peculiar estilo. La parte que transcurre en la República Federal de Alemania decae considerablemente.
El período comprendido entre 1971 y 1991, que transcurre en la RFA, es un tiempo de plomo. Sólo partiendo de la base de una depresión creciente de la protagonista, una capacidad de acción paralizada y una percepción del mundo a través del velo del sufrimiento psicológico, puede parecerle creíble esta parte al autor de esta reseña. La depresión, junto con el desinterés de la protagonista por los acontecimientos políticos de aquí y de allá, y la poca importancia que España juega para su identidad, reducen esta parte a una construcción artificial cifrada en las ecuaciones Este = Hogar, Occidente = Extranjero. En cierto modo, lo ingenioso de todo ello es que la protagonista repite el destino de su madre, que vivió la RDA como extranjera, no se integró y no quiso integrarse. Katia sería así mucho más hija de su infeliz madre que de su padre comunista. El paralelismo llega hasta el punto de que la fatal decisión de la madre residente en España de seguir a su marido a la RDA se repite en la fatal decisión de su hija de seguir a su posterior marido Johannes a la RFA. Extrañeza y sufrimiento para madre e hija en ambos bandos. El corazón de una había de helarse en la RDA, el de la otra en la RFA.
El examen de la relación entre los hechos y la ficción en la narración ha demostrado que, contrariamente a lo que esperábamos, la autora no pretende ajustar de la mejor manera posible su construcción novelesca a los hechos históricos conocidos y a la realidad de la vida de los exiliados de primera y segunda generación, profundizando así en nuestra comprensión de sus vidas y destinos. Por el contrario, se hace mucho por mantener la realidad a distancia. La constelación RDA-RFA elegida es en principio (hasta que se demuestre lo contrario) producto de la imaginación, pura ficción. El medio más importante para mantener la realidad a distancia se encuentra en la constitución psicológica del protagonista tras su traslado a la RFA, que parece casi orientada a no ver la realidad con claridad: por su inmadurez, su falta de interés por los acontecimientos políticos, su falta de iniciativa y, sobre todo, por su depresión.
Se aprende mucho más que en la novela en la conversación entre Mercedes Álvarez y Núria Quevedo (2004) sobre las hijas de los comunistas españoles en la RDA. Nos gustaría ver el libro resultante traducido al español. También sería muy oportuna una obra histórica bien fundamentada sobre los refugiados republicanos que ya se encontraban en Alemania en 1945, inmediatamente después del final de la Segunda Guerra Mundial, y que posteriormente vivieron en la RDA. La vida aventurera de José Quevedo merece un relato propio.
Nota de una lectora (2 de abril de 2023): En realidad, la versión española deseada del libro está ya disponible desde 2012: Mercedes Álvarez y Nuria Quevedo: Ilejanía. La cercanía de lo olvidado (un diálogo sobre el exilio). Muséu del Pueblu d’Asturies y Ayuntamientu de Xixón: Gijón 2012; ISBN 978-84-96906-33-4. También está disponible la versión pdf del libro.
Chmielorz, Rilo: Operation Bolero. Das spanische Kollektiv in Ost-Berlin. Manuscrito para la emisión de Deutschlandfunk el 10 de mayo de 2016 (19:15-20:00)
Denoyer, Aurélie: Les réfugiés politiques espagnols en RDA. En: Trajectoires 3 | 2009
Denoyer, Aurélie: Integration und Identität. Die spanischen politischen Flüchtlinge in der DDR. En: Kim Christian Priemel (ed.): Transit-Transfer: Politik und Praxis der Einwanderung in die DDR 1945-1990. Sächsische Landeszentrale für Politische Bildung: Dresden 2011, S. 98-112
Denoyer, Aurélie: L’exil comme patrie. Les réfugiés communistes espagnols en RDA (1950-1989). Trajectoires individuelles, histoire collective. En: Trajectoires 6 | 2012
Denoyer, Aurélie: L’exil comme patrie. Les réfugiés communistes espagnols en RDA (1950-1989). Presses universitaires de Rennes: Rennes 2017; disponible en línea; publicación basada en la tesis de 2012.
Denoyer, Aurélie y Faraldo, José M.: «Es war sehr schwer nach 1968 als Eurokommunistin». Emigration, Opposition und die Beziehungen zwischen der Partido Comunista de España und der SED. En: Arnd Bauerkämper und Francesco Di Palma (eds.): Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas (1968–1989). Ch. Links Verlag: Berlin 2011, pp. 186-202
Drescher, Johanna: Asyl in der DDR. Spanisch-kommunistische Emigration in Dresden (1950-1975). vdm-Verlag: Saarbrücken 2008
Eiroa, Matilde: Españoles tras el Telón de Acero: El exilio republicano y comunista en la Europa socialista. Marcial Pons Ediciones de Historia: Madrid 2018
Gumbrecht, Hans Ulrich: Vom Leben und Sterben der großen Romanisten. Carl Hanser Verlag: München 2002
Faktisches und Erdachtes in der Exil-Geschichte vom spanischen Kommunisten in der DDR und seiner Tochter
Rezension von Knud Böhle
1. Einleitung
Ein in der deutschen Öffentlichkeit wenig präsentes Kapitel Deutsch-Spanischer Geschichte bildet den Aufhänger des erfolgreichen, preisgekrönten Romanerstlings, der 1981 in Madrid geborenen Schriftstellerin Aroa Moreno Durán: das Exil republikanischer, insbesondere kommunistischer Bürgerkriegsflüchtlinge in der DDR. In Spanien erschien der Roman, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde, bereits 2017. Auf Deutsch ist er in der vorzüglichen Übersetzung von Marianne Gareis im Jahr 2022 erschienen.
Diese Buchbesprechung geht über den üblichen Rahmen einer Rezension hinaus, insofern gefragt wird, wie historische Fakten und Erdachtes im Roman ineinandergreifen und inwieweit der Roman selbst etwas beiträgt zum besseren Verständnis der Lebensbedingungen und Prägungen der spanischen Emigranten und ihrer Kinder. Da es inzwischen einen beachtlichen Stand an historischem Wissen zu den spanischen Asylsuchenden gibt, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der SBZ und dann in der DDR im Exil lebten (vgl. zur Literatur Abschnitt 7), kann eine Antwort auf diese Fragen versucht werden. Da die Autorin selbst in mehreren Interviews ihre intensive Recherchearbeit betont hat (vgl. Strode 2018; Alvite 2019; Whittemore 2021), ist bei ihr von einem reflektierten Umgang mit der Zeitgeschichte auszugehen. Bevor es um diese Fragestellung gehen kann, sind Inhalt und Struktur des Buches sowie das historische Wissen über das Exil in der DDR zu skizzieren.
2. Ein erster Überblick
Der Roman erzählt eine doppelte Exil-Geschichte: einer kleinen Zahl spanischer Republikaner, die meisten davon Kommunisten, die nach dem Bürgerkrieg (1936-1939) fliehen mussten und nicht nach Franco-Spanien zurückkehren konnten, wurde in der DDR Asyl gewährt (für viele das zweite oder dritte Exil). Im Roman holt einer jener Kommunisten seine Frau aus Spanien nach und gründet kurz nach der Gründung der DDR in Ostberlin eine Familie. Zur Familie gehören zwei Töchter, Katia und Martina. Die erste wird 1950, die zweite 1953 geboren. Beide wachsen in der DDR auf. Katia, die im Mittelpunkt der Erzählung steht, verlässt 1971 ihre Heimat ‒ «Republikflucht» in der Terminologie der DDR. Sie lässt ihr Land, Berlin, Familie und Freunde zurück, um mit einem jungen Mann aus Backnang (bei Stuttgart) ein neues Leben zu beginnen. Damit beginnt die zweite Exil-Geschichte, diesmal als Ost-West-Geschichte. Westdeutschland wird Katia nicht zur neuen Heimat, sondern im Gegenteil zunehmend als Fremde und ungeliebtes Exil erlebt. Mit der Zeit führt das in eine Depression. Land und Leute werden immer stärker abgelehnt und die verlorene Heimat wird im Gegenzug nostalgisch erinnert. Dazu kommt, dass ihre sich als heillos erweisende Entscheidung nicht nur für sie, sondern auch für ihre Familie in der DDR verheerende Folgen hatte. Das muss sie erkennen als sie 1991, also nach der Wiedervereinigung, ihre Familie in Berlin aufsucht. Sie steht vor einem Scherbenhaufen. Was darauf folgt, bleibt offen, ein Neuanfang scheint nicht ganz ausgeschlossen.
Drei für Romane nicht untypische Fragenkomplexe spielen in dieser Erzählung eine gewisse Rolle: die ungewollten und unvorhersehbaren Folgen irreversibler Entscheidungen, die Verzahnung von großer Geschichte (spanischer Bürgerkrieg, Eiserner Vorhang, Kalter Krieg, Mauerbau, Wiedervereinigung) mit den Lebensläufen des Romanpersonals sowie der Komplex von Herkunft, Heimat, Fremde, Integration und Identität.
Das Buch besteht aus vier Teilen und einem kurzen nicht betitelten Vorspann. Die Überschriften lauten: Der Osten (Zeitraum 1956 – 1971), Niemandsland (1971), Drüben (1972 – 1990), Vaterland (1992). Die Teile sind weiter unterteilt in kurze Abschnitte jeweils versehen mit einer Überschrift, einer Ortsangabe und einer Jahreszahl.
Die Zeit von 1956 bis 1990 wird von Katia als Ich-Erzählerin dargeboten. Von der Art her wirkt es wie ein Aufschreiben der Erinnerungen zum Zweck der Selbstvergewisserung. Die Aufzeichnung richtet sich vom Gestus her folglich nicht an ein anonymes Publikum, sondern ist für sie selbst, und vielleicht noch für eine vertraute oder vertrauenswürdige Person, bestimmt. Das Ich erinnert, was die Erinnerungsübung hergibt, und das muss bekanntlich weder vollständig noch verlässlich sein. Die Ich-Erzählerin reflektiert die Selektivität persönlicher Erinnerungen: «Zwischen Gefühl und Erinnern besteht eine elektronische Spannung […]. Je stärker das Gefühl, desto leichter bleibt ein Ereignis in Erinnerung. Das Gefühl ist der Filter…» (S. 50).
In dem erwähnten zweiseitigen Vorspann und im letzten Teil des Romans, Vaterland, ist es nicht die Ich-Erzählerin, sondern eine distanziertere Erzählstimme, die das Wort hat. Genauer: Es wird von Katias Handeln, Denken und Fühlen berichtet so als beobachte sie sich selbst von außen. Das könnte so interpretiert werden, dass die Autorin damit zeigen will, dass die Protagonistin am Ende der Geschichte zur Selbstdistanzierung in der Lage ist. Dem Romanende folgt eine Seite mit nur einem einzelnen Satz:
Mehr als dreißig Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer existieren auf der Welt immer noch mehr als fünfzehn Mauern, mit denen auf gewaltsame Weise versucht wird, die Bewegungsfreiheit der Menschen einzuschränken. (S. 173)
Auf Seite 175 findet sich eine Dank überschriebene Passage, die an erster Stelle Mercedes Álvarez und Núria Quevedo gilt. Dieser Hinweis ist aufschlussreich, da es sich bei diesen beiden Frauen um in der DDR groß gewordene Töchter namhafter spanischer Kommunisten (Ángel Álvarez Fernández und José Quevedo) handelt. In einem langen Gespräch, das als Buch publiziert wurde, hatten die beiden Frauen schon im Jahr 2004 über ihr Leben und das ihrer jeweiligen Eltern Auskunft gegeben (Álvarez und Quevedo 2004). Auch die Wissenschaft hat sich für sie als Interviewpartner interessiert (Drescher 2008, Denoyer 2011). Ohne die Begegnung mit diesen «Töchtern von Kommunisten» hätte es den vorliegenden Roman von AroaMoreno Durán nicht gegeben.
3. Ereignisse, Erlebnisse und Erfahrungen im Roman
Die Hauptperson und Ich-Erzählerin, Katia, wird in Ostberlin am 21. Februar 1950 geboren (S. 50 und S. 103). Die Erinnerung an die Geschehnisse von 1956 bis 1991 erfolgt weitgehend chronologisch. Nur hier und da fließen Informationen aus anderen Zeiten, von anderen Orten und über andere Personen ein.
Katias Eltern sind Spanier, die in Ostberlin in beengten Verhältnissen im Exil leben. Katia hat eine drei Jahre jüngere Schwester, Martina. Ihr Vater, Manuel, ist überzeugter, moskautreuer Kommunist, der der DDR dankbar für das gewährte Asyl ist. Vom Vater wird, was seine politische Haltung angeht, erinnert, dass er sich sehr aufregen konnte, wenn es um die deutsche Ostpolitik ging, die er ablehnte. Besonders echauffiert er sich als Willy Brandt 1970 den Friedensnobelpreis erhält. «Glaub mir, Isabel, das ist der Todesstoß für alles, an das wir glauben. Der Todesstoß, Isabel» (S. 60).
Isabel, der Mutter, liegt wenig an der Partei und Politik. Sie bringt ihren Kindern das Beten und das «mea culpa» bei (vgl. S. 56). Sie weigert sich Deutsch zu lernen, ist schlecht integriert, leidet viel und erlebt das Exil als Fremde. Auf Details zur Geschichte der Eltern, besonders des Vaters, wird später im geschichtlichen Kontext noch näher eingegangen.
Erfahrungen mit Kontrolle und Überwachung in der DDR und einer Atmosphäre, in der jedes Wort bedacht werden muss, weil eine latente Gefahr der Denunziation besteht, sind sehr präsent in den Erinnerungen Katias. Mit Vorbedacht werden in dem Roman auch Spuren gelegt, die sich dann später in Verbindung mit der Tätigkeit des Vaters als Informeller Mitarbeiter (IM) der Stasi bringen lassen. Zu einem Treffen der Familie mit DDR-kritischen Exilspaniern in Leipzig erinnert Katia: «Es war Papá der sagte, es reicht, Leute, wir müssen dieser Republik dankbar sein. Wir haben sie nie wiedergesehen» (S. 21). Ein weiteres Beispiel: Nach einer Begegnung in Begleitung ihres Vaters mit einem eigenwilligen spanischen Exilanten, der als Dozent an der Humboldt Universität lehrte, muss sie feststellen, dass dieser schon wenig später nicht mehr an der Humboldt-Uni unterrichtete (S. 75).
Das Klima der Überwachung ist greifbar. Durchaus subtil wird auf die DDR als Überwachungsstaat auch in einer Szene hingewiesen, in der Katia im Unterricht unter der Bank in dem berühmten Roman von Anna Seghers «Das siebte Kreuz» liest. Als der Dozent sie darauf anspricht, was sie denn da lese, ist sie gerade an folgender Stelle des Romans:
Die Angst, die mit dem Gewissen nichts zu tun hat, die Angst der Armen, die Angst des Huhnes vor dem Geier, die Angst vor der Verfolgung des Staates. Diese uralte Angst, die besser angibt, wessen der Staat ist, als die Verfassungen und Geschichtsbücher (S. 46).
Ungeachtet dieser Wahrnehmung von Kontrolle und Überwachung, ist ihr zentraler Bezugspunkt ‒ vor dem Mauerbau und auch noch danach ‒ die kleine Familie, mit offenbar wenig Außenkontakten, weder zu Spaniern noch zu Deutschen. Die Familie ist ihr Heim. Ende der sechziger Jahre, Anfang der siebziger Jahre findet eine Öffnung statt. Katia hat zu studieren begonnen und hilft auch bei der Vorbereitung der Weltfestspiele der Jugend und Studenten mit. In diesem Kontext findet sie zudem eine gute Freundin, Julia, eine Kubanerin. Katia scheint auf einem guten Weg, sich in die DDR-Gesellschaft zu integrieren.
Im November 1969 taucht dann ein Student aus Westdeutschland in Ostberlin auf, Johannes aus Backnang, der sich für sie interessiert und sich auch in den nächsten zwei Jahren um sie bemüht. 1971 lässt Katia dann Familie, Studium und Freundin zurück und «macht rüber». Genauer: Bezahlte Fluchthelfer (finanziert von den Eltern Johannes‘) ermöglichen ihre Flucht über die Tschechoslowakei und Österreich in die Bundesrepublik.
Katia tut sich mit der neuen Umgebung schwer, die zunehmend als feindliche Fremde empfunden wird. Gewissensbisse kommen dazu. Als sie um 1980 in einem Telefonat die Nachricht vom Tod ihres Vaters erhält, steigert sich ihr Leid noch weiter. Sie bereut ihre irreversible Entscheidung. Trotz schwäbischer Normerfüllung (Heirat, Haus, zwei Kinder, zwei Autos), entfernt sie sich zunehmend innerlich von dieser Umgebung, zieht sich mehr und mehr zurück, wird depressiv und initiativlos. Sie entwickelt eine starke Abneigung nicht nur gegen die bundesrepublikanische Gesellschaft, sondern auch gegen Johannes, ihren Partner und Vater ihrer Kinder. Die DDR wird zunehmend nostalgisch als verlorene Heimat empfunden. Am 4. Oktober 1990 kommt es, gut von der Autorin gewählt, einen Tag nach dem Tag der Deutschen Einheit zur Scheidung (S. 148).
Integration und Identitätsfindung sind gescheitert. Katia ist psychisch krank. Nur auf der Folie ihrer misslungenen Identitätsbildung, ihrer Schuldgefühle und Depression erscheinen die Schuldzuschreibungen an ihr persönliches Umfeld und die Gesellschaft der Bundesrepublik dem Rezensenten stimmig. Für ihre Heimatlosigkeit und Depression findet die Ich-Erzählerin eindrückliche sprachliche Verdichtungen. Dazu einige Beispiele:
«Wenn der Krieg kalt war, dann war ich eisig» (S. 125).
Zur Nachricht vom Tode ihres Vaters schreibt sie « … diese Information, die mich wie ein schwerer Stein in einen dicken Morast hineinzog, in einen Kopf, der für immer wirr war, düster und schwarz» (S. 131).
Zum lustlosen Akt mit dem inzwischen ungeliebten Gatten wird erinnert: «Zwei Körper im Widerstreit. Johannes packte mich kraftvoll. Wir umarmten uns einige Minuten lang. Und dann ging alles ganz langsam. Zu langsam» (S. 133).
Zu Liebesverlust und Entfremdung von Johannes heißt es «[…] dass ich tief in meinem Inneren einen Groll gegen Johannes hegte, weil er mich aus allem herausgerissen hatte, was mein Leben gewesen war» (S. 144).
Knapp und zugespitzt formuliert Katia ihre Desillusionierung: «Johannes, ich gebe alles für dich auf, Johannes, du hast mir alles genommen, Johannes, es gibt keine Grenzen, Johannes, Mauer» (S. 149).
Bei der Scheidung geht ihr (nostalgisch-pathetisch) durch den Kopf: «Ich war Kind eines antifaschistischen Landes, eines Landes, das an die Befreiung glaubte, eines unter Druck gesetzten und verarmten, eines bäuerlichen und sicheren Landes, und irgendwie musste ich mich auflehnen und dieses andere Land verlassen» (S. 150). Es ist ihr bewusst, dass es sich um eine «wirre Gedankenkette» handelt, zumal es zu dem Zeitpunkt das eine Land, die DDR, schon nicht mehr gibt.
Nach dem Mauerfall 1989 dauert es noch zwei Jahre bis sie ihre Mutter und Schwester aufsucht. 1991 kommt es zum Finale in Berlin: Wir erfahren, was seit Katias Weggang vor 20 Jahren alles passiert ist, wovon sie nichts wusste. Ihre Mutter hat ihren Weggang nie verkraftet und dämmert jetzt im Rollstuhl dahin, betreut von Martina. Ihr Vater wurde offenbar kurz nach und wegen ihrer Flucht verhaftet und starb nach langer Haft (nicht vor 1981 jedenfalls) als verzweifelter linientreuer Kommunist in einem Gefängnis der DDR. Stasi-Akten über ihren Vater belegen, dass dieser seit 1962 als Informeller Mitarbeiter der Stasi andere Exilspanier bespitzelte.
Die Geschichte endet im Jahr 1991. Das letzte Wort des Romans ist Pojechali. Dieses russische Wort war bereits einmal vorgekommen als Katia die DDR verließ: «Pojechali, sagte ich mir, los geht‘s. Wie der Kosmonaut Juri Gagarin an Bord der Wostok I ging ich fort, ohne zu wissen, dass ich, wie er, Gott auch nicht finden würde dort drüben» (S. 86). Wofür dieses Wort des Aufbruchs am Ende des Romans steht, ist nicht sicher: vielleicht für einen Neuanfang. Nimmt man den ersten Satz des Romanvorspanns dazu, «Katia Ziegler nimmt die Kappe des Füllfederhalters ab, mit dem sie alle wichtigen Dokumente ihres Lebens unterschrieben hat» (S. 9), dann könnte das bedeuten, dass der erste Schritt des Neuanfangs im Aufschreiben ihrer Erinnerungen liegt.
Nachdem der Gang der Handlung soweit bekannt ist, soll als Nächstes der Stand der Geschichtswissenschaft zum Thema der spanischen Bürgerkriegsflüchtlinge in der DDR kurz vorgestellt werden.
4. Spanische Bürgerkriegsflüchtlinge in der DDR – ein Destillat
Erst kurz nach der Jahrtausendwende setzte die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema ein (Heine 2001). Es folgte eine beachtliche Zahl an akademischen Arbeiten. Bereits 2012 ist ein Stand der Forschung erreicht, der ein Gesamtbild von den Exilspaniern in der DDR erlaubt. Die Schwerpunkte und Fragestellungen der Arbeiten sind unterschiedlich, wie es auch in Detailfragen Unterschiede gibt. Dennoch kann von einem Gesamtbild ausgegangen werden, das allgemein geteilt wird.
Es ist zunächst wichtig, zwei Gruppen von Exilspaniern im Zeitraum 1945-1956 zu unterscheiden: Die erste Gruppe bilden die Spanier, die sich nach dem Ende der Naziherrschaft 1945 in der SBZ und dem Ostsektor Berlins befanden, die fast alle «im Spanischen Bürgerkrieg Soldaten der Republik» gewesen waren (Uhl 2004, S. 235). Dazu gehörten typischerweise auch die Spanier, die aus ihrem Exil in Frankreich zur Zwangsarbeit nach Deutschland verbracht wurden und in der Regel für die Rüstungsindustrie hatten arbeiten müssen (zu den Zwangsarbeitern in den KZ-Außenlagern vgl. Meerwald 2022 und die Rezension dazu im Spanienecho). Diesem Personenkreis gestattete die Sowjetunion nach der Einnahme Berlins, zurück nach Frankreich oder in die Sowjetunion zu gehen oder eben in Berlin zu bleiben (Alted Vigil 2002, S. 143). Dieser Personenkreis wäre um weitere Elemente zu erweitern, etwa freiwillige Vertragsarbeiter aus Franco-Spanien oder pro-franquistische Spanier auf deutschem Boden. Die Schätzungen der Gruppengröße liegen bei 40-50 Personen (Eiroa 2018, S. 145) bzw. einigen Dutzend (Kreienbrink 2005, S. 319).
Der Kern dieser Gruppe, der sich als republikanisch und kommunistisch verstand, formierte sich ab 1947 im Ausschuss der Spanisch-Republikanischen Emigration/Opfer des Faschismus, kurz ERE (Emigración Republicana Española) (Uhl 2004, S. 236). Nach Angaben dieser Organisation im Jahr 1948 zählte sie etwa 35 Personen (Kreienbrink 2005, S. 319). Die Leitung der Organisation lag zunächst bei José Quevedo. Der ERE wurde allerdings die Anerkennung seitens der SED und der spanischen KP verwehrt. Dolores Ibárruri, damals Generalsekretärin der KP Spaniens, ließ wissen, wie es in einem oft zitierten Brief an Wilhelm Pieck (Vorsitzender der SED) vom 9.9.1947 heißt: «[…] Sogar solche, die in Konzentrationslagern waren und nicht nach Frankreich mit allen anderen gefahren sind, muss man mit Vorsicht behandeln. Jedenfalls, wir können keinen einzigen unter ihnen garantieren. Deswegen möchten wir Euch bitten, solche Spanier nicht zu benutzen, da sie politisch überhaupt nicht zuverlässig sind» (zitiert hier nach Poutrous 2004, S. 364). Die ERE wurde dann 1949 aufgelöst. Es wurde den Mitgliedern dieser Gruppe danach verwehrt, in die PCE (Partido Comunista de España) oder die SED einzutreten, aber es wurde auch kein Mitglied dieser Gruppe aus der DDR ausgewiesen (Drescher 2008, S. 36).
Die zweite Gruppe spanischer Bürgerkriegsflüchtlinge kam 1950 in die DDR als Folge der vom französischen Staat im September 1950 angeordneten Polizeiaktion namens «Opération Boléro-Paprika», die gegen Mitglieder ausländischer kommunistischer Parteien, vor allem der spanischen KP gerichtet war. 292 Personen aus zwölf Nationen wurden festgesetzt, darunter 251 Spanier. Im Kalten Krieg wurden die spanischen Kommunisten nicht mehr als antifranquistische Opposition geschätzt, sondern als stalinistische fünfte Kolonne betrachtet. «Schlussendlich wurden infolge der ‚Operation Bolero-Paprika‘ 176 Spanier verhaftet und die Mehrheit in Korsika oder Algerien unter Hausarrest gestellt. 33 von ihnen wurden jedoch vom Innenministerium über Straßburg sofort in die DDR ausgewiesen. Einige Monate später erfolgte die Familienzusammenführung in Dresden» (Denoyer 2011, S. 98). Die Operation Bolero-Paprika ist mehrfach beschrieben worden (Heine 2001, Poutrous 2004, Uhl 2004, Kreienbrink 2005, Drescher 2008; besonders ausführlich in Denoyer 2017, S. 29-100; Eiroa 2018 befasst sich mit dem Exil spanischer Kommunisten in der DDR und in den anderen sozialistischen Staaten hinter dem Eisernen Vorhang).
Im Mai 1951 wurden für das Kollektiv (ein Ausdruck, den sowohl PCE als auch SED verwendeten) in Dresden 85 Personen nachgewiesen: 31 Männer, 21 Frauen, 33 Kinder/Jugendliche. Diese Spanier wurden grob gesprochen gut in der DDR behandelt, bekamen Arbeit und Wohnung und wurden als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Die vergleichsweise gute Behandlung dieser kommunistischen Exilanten ist auch mit Blick auf die Legitimation der DDR und ihren Gründungsmythos als antifaschistischer Staat zu sehen. Der Kampf deutscher Kommunisten in den internationalen Brigaden und die bemerkenswerten Karrieren ehemaliger deutscher Spanienkämpfer in der Politik der DDR und nun die Aufnahme der aus Frankreich ausgewiesenen ehemaligen Waffenbrüder in der DDR, gehören in dasselbe Narrativ (ausführlich dazu Uhl 2004). Denoyer spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die «Spanier von der DDR-Führung teils in erheblichem Maße instrumentalisiert [wurden], um aus ihrer Präsenz eine gewisse Legitimation sowie einen Prestigegewinn sowohl auf internationaler Ebene als auch gegenüber der eigenen Bevölkerung ableiten zu können» (Denoyer 2011, S. 102).
Gleichwohl wurden auch diese ExilspanierInnen überwacht und kontrolliert, von der KP Spaniens, der SED und je nachdem wurde auch noch das Ministerium für Staatssicherheit eingeschaltet. Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Mitglieder des Dresdner Kollektivs auch «von ihren eigenen Leuten streng überwacht» wurden (Uhl 2004, S. 243). In Dresden bestand das größte Kollektiv kommunistischer Exilspanier. Daneben gab es aber auch ein kleineres Kollektiv in Berlin (Chmielorz 2016). 1960 wurde ein drittes Kollektiv in Leipzig gegründet (Denoyer und Faraldo 2011, S. 194), das hier weniger interessiert, weil es dort nicht mehr um Bürgerkriegsflüchtlinge geht, sondern vor allem um Studenten, «die in Spanien aus politischen Gründen im Gefängnis gesessen hatten» (Kreienbrink 2005, S. 324).
Bis 1968 kann von einer engen Zusammenarbeit von PCE und SED gesprochen werden. Nach dem Prager Frühling und dem Einmarsch des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei verschlechtern sich die Beziehungen zwischen der inzwischen eurokommunistischen PCE und der moskautreuen SED (vgl. dazu Denoyer und Faraldo 2011, S. 190-197). Dieser Konflikt führte innerhalb der PCE zu Spannungen, Parteiausschlüssen und Neugründungen. Er spaltete auch die Kollektive der Exilspanier in Dresden und Berlin, wobei die meisten Mitglieder weiterhin die prosowjetische Linie vertraten und die offizielle Parteilinie Santiago Carrillos verurteilen. Diese Auseinandersetzung erschwerte das Zusammenleben in den Kollektiven (Denoyer und Faraldo 2011, S. 194 f.). Die eine Seite redete nicht mehr mit der anderen und man ging sich aus dem Weg (Drescher 2008, S. 63-68 und für das Berliner Kollektiv Chmielorz 2016). Das MfS kontrollierte und beobachtete die Mitglieder der Kollektive auch mit Hilfe spanischer Informeller Mitarbeiter (Denoyer und Faraldo 2011, S. 96). «Die endgültige Distanzierung zwischen der SED und der PCE erfolgte im Jahr 1973, als die Regierung der DDR mit dem franquistischen Spanien diplomatische Beziehungen aufnahm» (Denoyer und Faraldo 2011, S. 197).
5. Geschichte im Roman und Geschichtswissenschaft
5.1 Was wir üben den Vater erfahren
Besonders viel weiß Katia nicht über ihren Vater: «Papá erzählte uns nichts, weil auch niemand fragte» (S. 105). Ein paar Eckdaten zur Familiengeschichte liefert die Mutter anlässlich des 18. Geburtstags ihrer Tochter (im Buch S. 102-105). 1936 ging der Vater im Spanischen Bürgerkrieg als Freiwilliger in die Berge, um für die Zweite Spanische Republik und gegen die Aufständischen zu kämpfen. Im Sommer 1937 taucht er für drei Tage wieder im Dorf auf; es wird geheiratet. «In unserer Familiengeschichte folgt dann, dass mein Vater 1938 Spanien verließ und nach Moskau ging». Dort wurde er «ein kleiner Provinzkommissar» (was immer das sein mag, KB). 1946 verlässt er die UdSSR und zieht in die SBZ nach Dresden und beginnt dort Deutsch zu lernen. Katias Mutter folgt 1946, das franquistische Spanien unter abenteuerlichen Bedingungen hinter sich lassend, ihrem Mann ins Exil. Die Eltern fanden «in Dresden zusammen, in einer kleinen Gemeinschaft von Spaniern». Sie bekommen Wohnung und Arbeit durch die Partei. Katias Mutter wollte dann, dass «Papá von der Partei abrückte» und so zog das Paar nach Berlin. Dort kommt Katia 1950 zur Welt und drei Jahre später ihre Schwester Martina. In dem Hinweis auf die «Familiengeschichte» schwingt durchaus die Möglichkeit mit, dass nicht alles stimmen muss, was von Katias Mutter tradiert wird.
Aus der Literatur zum Exil spanischer Bürgerkriegsflüchtlinge in der Sowjetunion ist bekannt, dass am Ende des Bürgerkriegs März/April 1939 (nicht 1938) etwa 1.000 meist der PCE zugehörige oder nahestehende Spanier in der Sowjetunion aufgenommen wurden. Das Gros dieser Flüchtlinge konnte erst nach dem Tod Stalins die UdSSR verlassen. In einem schmalen Zeitfenster um das Jahr 1946 wurde allerdings einigen Spaniern erlaubt, nach Frankreich oder Lateinamerika zu gehen (Alted 2002, S. 131, 138 f., 143 und Lister 2005, S. 301). Hinweise, dass sich irgendeiner aus diesem Personenkreis in die SBZ begeben hätte, finden sich nicht.
Mit Blick auf die Literatur mutet es sehr unwahrscheinlich an, dass ein Mitglied der KP Spaniens, das acht Jahre in der UdSSR verbracht hat und kein Deutsch sprach, sich 1946, also noch vor der Gründung der DDR, entscheidet nach Dresden zu gehen. Das Exil-Kollektiv der spanischen Kommunisten in Dresden, auf das angespielt wird, gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht; es entstand erst als Folge der Operation Bolero-Paprika in den Jahren 1950/51. Auch die Entscheidung, einem Wunsch der Ehefrau folgend, von Dresden nach Berlin überzusiedeln, weil sie die Nähe ihres Gatten zur Partei nicht schätzte, unterstellt einen Grad an Entscheidungsfreiheit der einzelnen Person, der eher unwahrscheinlich ist. Ein einfacher Wechsel des Wohnsitzes ohne das Plazet von SED und PCE ist schwer vorstellbar. Es wird im Roman auch keine Verbindung zwischen dem Umzug von Dresden nach Berlin und dem kleinen Kollektiv spanischer Kommunisten, das es in Berlin ab 1950/51 gab, hergestellt.
Moreno Durán hat demnach eine höchst untypische, wenn nicht sogar unmögliche, Biografie des Vaters konstruiert. Informationen über Exilspanier, die schon vor der Gründung der DDR auf deutschem Boden lebten und derer, die 1950/51 mit der Operation Bolero nach Dresden kamen, werden vermischt. Dabei wäre es ein Leichtes für die Autorin gewesen, den Vater mit einer historisch betrachtet realistischeren Biografie auszustatten, z.B. als Bürgerkriegsflüchtling, der nach einem ersten Exil in der UdSSR (1939-1946) im Jahr 1946 nach Frankreich gekommen wäre, um dann als Folge der Operation Bolero 1950 in die DDR abgeschoben zu werden – mit dem Nachzug der Ehefrau im folgenden Jahr.
5.2 Der Auftritt von José Quevedo als Dozent De Vega im Roman
Eine besondere Beachtung, um den Umgang der Autorin mit der Geschichte zu verstehen, verdient die Person des Spanisch-Lektors De Vega an der Humboldt Universität Berlin (Kapitel 10, S. 72-75), über den zu erfahren ist, dass er auf Seiten der spanischen Republik stand, aus Franco-Spanien flüchtete und eine Buchhandlung in Berlin aufmachte ‒ und zwar schon zur Zeit des Nationalsozialismus ‒, und in dieser Buchhandlung ein Bild von Franco aufgehängt hatte, um die Nazis zu täuschen. Bald nach der Begegnung (im Jahr 1971) mit Katia und ihrem Vater, von dem der Leser später erfährt, dass er andere Exilspanier observierte, lehrt De Vega nicht mehr an der Universität.
In der Person dieses Dozenten steckt viel von jenem José Quevedo, den die Historiker kennen (vgl. z.B. Uhl 2004, S. 236f., Drescher 2008, S. 37) und über dessen Leben seine Tochter Núria Quevedo schon 2004 ausführlich und faszinierend im Gespräch mit Mercedes Álavrez berichtet hat (Álvarez und Quevedo 2004). José Quevedo ist als Leiter der 1947 gegründeten Vereinigung republikanischer und kommunistischer Emigranten ERE (s.o) bekannt. Er war in Spanien Mitglied der PCE und ein loyal zur Republik stehender Berufssoldat der Luftwaffe. 1939 musste er aus Spanien fliehen, durchlief verschiedene französische Internierungslager und arbeitete dann von 1941 bis 1945 in Berlin in der deutschen Rüstungsindustrie (wie viele aus Frankreich deportierte bzw. über die Organisation Todt angeworbene Bürgerkriegsflüchtlinge). In seiner Bleibe in Berlin hatte er über seinem Bett ein Foto Francos angebracht. Nach dem II. Weltkrieg, genauer 1952, holte er seine Frau und die Tochter Núria aus Spanien nach. Da hatte er schon die «Internationale Buchhandlung Quevedo» aufgemacht. An der Humboldt Universität unterrichtete er auf Vermittlung des großen Romanisten Werner Krauss (dem Hans Ulrich Gumbrecht 2002 ein sehr einfühlsames und berührendes Denkmal gesetzt hat). Bis 1954 unterrichtete Quevedo an der HU. Dann wurde aber ein neuer Spanischlehrer aus Dresden angefordert und nach Drescher ist «durchaus an einen erzwungenen Rückzug Quevedos zu denken» (Drescher 2008, S. 115). In einem Feature des Deutschlandfunks über das Ostberliner Kollektiv der Exilspanier (Chmielorz 2016) wird übrigens die Anforderung eines neuen Spanisch-Dozenten 1954 bestätigt.
Die Ähnlichkeiten zwischen der Romanfigur und den Erinnerungen Núria Quevedos an ihren Vater, sind frappierend: Vom Dozenten De Vega heißt es im Roman, er «prahlte damit, dass er vom größten spanischen Dichter aller Zeiten abstamme, Lope de Vega» (S.73). Núria Quevedo über ihren Vater: «Mein Vater hat immer davon geträumt, Nachkomme des Don Francisco zu sein» (Álvarez und Quevedo 2004, S. 33). Angespielt wird hier auf die spanischen Barockdichter Félix Lope de Vega und Francisco de Quevedo.
Konfrontiert mit der Empörung des linientreuen Kommunisten wegen seines eigenwilligen Lebenswegs, antwortet De Vega «Wollen Sie mir etwas über das Leben erzählen? Überleben nenne ich es» (S. 74). Núria Quevedo konfrontiert damit, dass ihr Vater für die Nazis arbeitete, antwortet «Um das Leben zu retten, versuchte man alles, klar» (Álvarez und Quevedo 2004, S. 25).
Unter dem Aspekt der geschichtlichen Plausibilität ist die Geschichte des Herrn de Vega höchst unwahrscheinlich. Wie sollte ein republikanischer Bürgerkriegsflüchtling, den es nach Nazi-Deutschland verschlagen hatte, in Kriegszeiten in Berlin eine Buchhandlung aufmachen können, und diese danach bis mindestens in die siebziger Jahre in der DDR weiterführen? Die typische Verwendung spanischer Bürgerkriegsflüchtlinge in Nazi-Deutschland war ihr Einsatz als Vertrags- oder Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie.
Es gibt ein verborgenes intertextuelles Spiel zwischen dem Roman und den Erinnerungen von Núria Quevedo und Mercedes Álvarez. In die Figur des Dozenten De Vega sind, wie gezeigt, sichtbar Informationen über José Quevedo eingeflossen. Auch in der Ausstaffierung der Mitglieder der Kleinfamilie von Vater, Mutter, Katia und Schwester Martina finden sich zahlreiche Versatzstücke aus den Erinnerungen der beiden wirklichen Töchter von Kommunisten. In Abwandlung des bekannten Satzes «Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig» sind Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen bei Moreno Durán also keineswegs zufällig. Nur sind die Lebensläufe, die sie aus dem vorhandenen Material unterschiedlicher Flüchtlingsschicksale konstruiert hat, in einigen Punkten nicht belastbar. Die meisten Leserinnen und Lesern dürften sich an den kleinen historischen Ungereimtheiten nicht stören.
5.3 Katias mangelndes politisches Interesse
Zeitgeschichte wird im Roman weitgehend dadurch ausgeklammert, dass die Protagonistin als unpolitisch gezeichnet wird. Das wird besonders deutlich daran, dass der Konflikt zwischen den moskautreuen Kommunisten und der KP Spaniens unter der Führung Santiago Carrillos, die einen eurokommunistischen Kurs verfolgte, und der die Exilspanier in der DDR seit dem Ende der 60iger Jahre in zwei Lager spaltete, in Dresden wie in Berlin, nirgends aufscheint (s.o.). Selbst der Einmarsch des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei 1968, der von der PCE verurteilt und von der SED mitgetragen wurde, und der den bestehenden Konflikt unter den Exilanten noch verschärfte, findet keinen Eingang in den Roman, obwohl die Protagonistin zu dem Zeitpunkt 18 Jahre alt ist, mit anderen Jugendlichen zusammen kommt und in Berlin studiert. Was sie 1971 beschäftigt, sind die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten, an deren Vorbereitung sie mitmacht. Dass diese nicht 1971 wie im Roman angegeben, sondern erst 1973 stattfanden, ist für den Gang der Erzählung nicht entscheidend.
Dem Konflikt zwischen SED und PCE um das Jahr 1973, als die DDR das Francoregime diplomatisch anerkannte, wird keine Beachtung geschenkt. Auch die Demonstrationen in der Bundesrepublik gegen das Regime in Spanien in seiner brutalen Endphase, werden nicht wahrgenommen. Depressiv und zurückgezogen in der schwäbischen Provinz, wird die Bundesrepublik der 70er und 80er Jahre von der Protagonistin in den Klischee der 50iger-Jahre erlebt: Hausbau, Auto, Kinder, bis zum Umfallen arbeitender Ehemann, der vor dem Fernseher abends seine Biere trinkt, die Frau ans Haus gefesselt. Die Wahrnehmung der politischen Veränderungen und der Wirklichkeit sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik wirkt merkwürdig beschränkt und getrübt.
5.4 Katias Identitätsproblem
Das Thema der schwierigen Identitätsfindung der Kinder der spanischen Kommunisten in der DDR wurde in der Literatur untersucht (Denoyer 2011, 2017): Mindestens zwei Identitätsquellen spielten üblicherweise eine Rolle: die eine, welche die Eltern an ihre Kinder weitergaben, und die andere die das Aufnahmeland anbot (Denoyer 2011, S. 106). Häufig war es aber auch noch ein Drittland, Frankreich oder Russland z.B., das eine Rolle spielte. Gerade die komplexen Biografien von Mercedes Álvarez und Núria Quevedo zeigen eindrucksvoll, dass die Exilerfahrung der Töchter von Kommunisten auch neuartige, komplexe, gelingende Identitäten hervorbringen kann.
Interessant in der Studie von Denoyer ist zudem der Befund der starken Bedeutung der DDR und die Bindung daran: «Nicht zuletzt haben die Kinder der Exilanten eine besondere, weil dauerhafte Beziehung zur DDR entwickelt. Auch wenn sie die Schwächen des ostdeutschen Regimes durchaus erkennen und den dort herrschenden Mangel an Freiheit verurteilen, verteidigen sie bis heute das untergegangene Land […]» (Denoyer 2011, S. 108). Denoyer schreibt weiter: «Für die zweite Generation der Spanier in der DDR geriet das politische Exil [daher] zu einer strukturierenden biografischen Erfahrung, in der dem National- und Identitätsgefühl sowie den Beziehungen mit der Ursprungs- und der Aufnahmegesellschaft ein besonderes Gewicht zukam» (Denoyer 2011, S. 109).
Ähnliches lässt sich auch für die Hauptfigur des Romans behaupten. Bezogen auf ihre Kindheit und Jugend in der DDR kann von einer «strukturierenden biografischen Erfahrung» gesprochen werden. In späteren Jahren ist ihr Bezugspunkt indes ein anderer: Es sind die enttäuschenden Erfahrungen in der Bundesrepublik, die zu einer wachsenden Ablehnung der Lebensverhältnisse dort und zu einer nostalgischen Aufwertung der DDR führen.
Es bleibt zu fragen, welche Rolle Spanien als über die Eltern vermittelte «Ursprungsgesellschaft» für die Identitätsbildung der Hauptfigur spielt. Dass Katia aus einer spanischen Migrantenfamilie in der DDR stammt, spielt für ihr Unglück und Leid im Roman vordergründig kaum eine Rolle. Es zieht sie nicht nach Spanien und sie versucht auch nicht, Kontakt mit ihren Verwandten in Spanien herzustellen. 1989 betritt sie erstmals in ihrem Leben spanischen Boden. Eine von ihrem Ehemann, Johannes, ohne ihr Wissen geplante und durchgesetzte Reise nach Spanien, wird zum Fiasko. Der erzwungene Besuch des Heimatorts ihrer Eltern, Dos Aguas, wird abrupt abgebrochen. Spanien ist für sie keine mögliche Heimat und erst recht kein Sehnsuchtsort. Mit ihrer Lebensgeschichte und der Migrationsgeschichte ihrer Eltern scheint sie im heutigen Spanien nichts verloren zu haben. Für dieses Gefühl dürften hauptsächlich ihre von Scham und Schuldgefühlen geprägten Identitätsprobleme verantwortlich sein. Dass Spanien sich nach Franco als Monarchie konstituierte und die politische Aufarbeitung des Unrechts, das an den Republikanern verübt wurde, zu der Zeit (1989) praktisch nicht stattfand, dürfte dagegen weniger relevant für Katias Nicht-Zugehörigkeitsgefühl sein.
Katia stellt nicht nur einen untypischen, sondern einen höchst unwahrscheinlichen Fall einer Exilspanierin der zweiten Generation dar. Ihr Identitätskonflikt ist vorwiegend innerdeutsch: BRD = Fremde vs. DDR = Heimat. Sie ist so wenig politisch bewußt, dass sie nicht einmal die Errungenschaften der DDR bezüglich einer fortschrittlichen Frauenrolle verteidigt. Auch die kommunistischen Werte ihres Vaters führen sie nicht dazu, sich politisch zu orientieren oder gar zu organisieren. Was bleibt, ist eine unreife junge Frau, die wegen einer emotionalen Beziehung von der DDR in die BRD übersiedelt, von der Beziehung wie vom Leben im Westen enttäuscht wird, dort fremd bleibt, depressiv wird und sich nach der alten Heimat sehnt.
Es ist dem Rezensenten nicht bekannt, dass je eine Tochter eines der wenigen spanischen Kommunisten im DDR-Exil in die BRD ging, und dass je ein linientreuer spanischer Kommunist zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde (und schließlich sogar im Gefängnis umkam), weil seine volljährige Tochter in die Bundesrepublik geflohen war. Hätte es solch eine Geschichte wirklich gegeben, wäre sie den Exilspaniern kaum verborgen geblieben und mithin bekannt.
6. Schlussbetrachtung
Es bleibt festzuhalten, dass Moreno Durán mit ihrem Roman auf ein spannendes Kapitel Deutsch-Spanischer Geschichte aufmerksam macht: das Leben spanischer Bürgerkriegsflüchtlinge und deren Kinder in der DDR. Das sprachliche Vermögen der Autorin, mit wenigen Worten, kurzen prägnanten Sätzen, poetischen Verdichtungen, originellen Vergleichen, Gegenschnitten, Andeutungen und Leerstellen, der Leserschaft Situationen, Stimmungen und Befindlichkeiten nahezubringen, ist ihre Stärke. Darum lassen sich viele zunächst gerne auf den Roman ein und verfolgen, wie sich die Hauptperson anekdotenreich, farbig und in ihrem eigenwilligen Schreibstil an ihre Jahre in der DDR von 1956 bis 1971 erinnert. Der Teil, der in der Bundesrepublik spielt, fällt dann deutlich ab.
Die Zeit von 1971 bis 1991, die in der BRD spielt, ist eine bleierne Zeit. Nur unter der Annahme einer sich steigernden Depression der Hauptperson, einer gelähmten Handlungsfähigkeit und einer Weltwahrnehmung der Wirklichkeit durch den Schleier des psychischen Leids, will dem Rezensenten dieser Teil als glaubhaft vorkommen. Die Depression zusammen mit dem Desinteresse der Hauptperson an politischen Entwicklungen hüben und drüben und die geringe Bedeutung, die Spanien für ihre Identität spielt, reduzieren diesen Teil auf eine künstliche Konstruktion von Ost-Heimat – West-Fremde. Raffiniert daran ist in gewisser Weise, dass die Hauptperson das Schicksal ihrer Mutter wiederholt, die die DDR als Fremde erlebte, sich nicht integrierte und nicht integrieren wollte. Katia wäre demnach viel mehr die Tochter ihrer unglücklichen Mutter als die ihres kommunistischen Vaters. Die Parallele geht soweit, dass sich die fatale Entscheidung der in Spanien lebenden Mutter, ihrem Mann in die DDR zu folgen, in der fatalen Entscheidung ihrer Tochter, ihrem späteren Mann Johannes in die BRD zu folgen, wiederholt. Fremde und Leid bei Mutter und Tochter hüben wie drüben. Der einen erfriert das Herz in der DDR, der anderen in der BRD.
Die Betrachtung des Verhältnisses von Fakten und Ausgedachtem in der Erzählung hat ergeben, dass die Autorin es nicht darauf anlegt, entgegen der Erwartung des Rezensenten, ihre Romankonstruktion mit den bekannten historischen Fakten und der Lebenswirklichkeit der Exilspanier der ersten und zweiten Generation bestmöglich in Deckung zu bringen und dadurch das Verständnis für deren Lebensläufe und Schicksale zu vertiefen. Im Gegenteil, es wird einiges getan, um die Wirklichkeit auf Abstand zu halten. Die gewählte DDR-BRD-Konstellation ist zunächst (bis zum Beweis des Gegenteils) eine Kopfgeburt, reine Fiktion. Das wichtigste Mittel, die Wirklichkeit außen vor zu lassen, findet sich dabei in der psychologischen Ausstattung der Hauptperson nach ihrer Übersiedlung in die BRD, die geradezu darauf ausgerichtet scheint, die Wirklichkeit nicht klar zu sehen: wegen ihrer Unreife, ihrem Desinteresse am politischen Geschehen, ihrer Initiativlosigkeit und vor allem wegen ihrer Depression.
Viel mehr als in dem Roman erfährt man in dem Gespräch zwischen Mercedes Álavrez und Núria Quevedo (2004) über die Töchter von spanischen Kommunisten in der DDR. Das Buch, das daraus entstanden ist, würde der Rezensent gerne ins Spanische übersetzt sehen. Zu begrüßen wäre außerdem eine fundierte historische Arbeit zu den republikanischen Flüchtlingen, die sich 1945, direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, bereits in Deutschland befanden und später in der DDR lebten. Das abenteuerliche Leben des José Quevedo verdiente dabei eine eigene Darstellung.
Hinweis einer Leserin vom 2. April 2023: In der Tat gibt es bereits seit 2012 die gewünschte spanische Fassung des Buchs: Mercedes Álvarez y Nuria Quevedo: Ilejanía. La cercanía de lo olvidado (un diálogo sobre el exilio). Muséu del Pueblu d’Asturies und Ayuntamientu de Xixón: Gijón 2012; ISBN 978-84-96906-33-4. Eine pdf-Version des Buches ist ebenfalls verfügbar.
Chmielorz, Rilo: Operation Bolero. Das spanische Kollektiv in Ost-Berlin. Manuskript zur Sendung im Deutschlandfunk vom 10.5.2016 (19:15-20:00)
Denoyer, Aurélie: Les réfugiés politiques espagnols en RDA. In: Trajectoires 3 | 2009
Denoyer, Aurélie: Integration und Identität. Die spanischen politischen Flüchtlinge in der DDR. In: Kim Christian Priemel (Hg.): Transit – Transfer: Politik und Praxis der Einwanderung in die DDR 1945 – 1990. Sächsische Landeszentrale für Politische Bildung: Dresden 2011, S. 98-112
Denoyer, Aurélie: L’exil comme patrie. Les réfugiés communistes espagnols en RDA (1950-1989). Trajectoires individuelles, histoire collective. In: Trajectoires 6 | 2012
Denoyer, Aurélie: L’exil comme patrie. Les réfugiés communistes espagnols en RDA (1950-1989). Presses universitaires de Rennes: Rennes 2017; online verfügbar; diese Publikation beruht auf der Dissertation von 2012
Denoyer, Aurélie und Faraldo, José M.: »Es war sehr schwer nach 1968 als Eurokommunistin«. Emigration, Opposition und die Beziehungen zwischen der Partido Comunista de España und der SED. In: Arnd Bauerkämper und Francesco Di Palma (Hg.): Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas (1968–1989). Ch. Links Verlag: Berlin 2011, S. 186-202
Drescher, Johanna: Asyl in der DDR. Spanisch-kommunistische Emigration in Dresden (1950-1975). vdm-Verlag: Saarbrücken 2008
Eiroa, Matilde: Españoles tras el Telón de Acero: El exilio republicano y comunista en la Europa socialista. Marcial Pons Ediciones de Historia: Madrid 2018
Gumbrecht, Hans Ulrich: Vom Leben und Sterben der großen Romanisten. Carl Hanser Verlag: München 2002
Un aporte a la representación histórica de una epopeya casi olvidada
Reseña de Knud Böhle (Spanienecho de 02.11.2022), traducción de Pascual Riesco Chueca (Spanienecho de 18.11.2022)
1. Introducción
Johannes Meerwald es el autor de la primera monografía en lengua alemana sobre los españoles encarcelados en el campo de concentración de Dachau. La obra ha sido publicada en octubre de 2022 por Wallstein Verlag, en la «Serie pequeña» del Instituto Fritz Bauer. El libro es una versión revisada de su tesis de máster, que recibió en 2021 el premio de investigación Stanislav Zámecník del Comité International de Dachau (CID). El estudio se basa en una ambiciosa exploración de los archivos españoles y alemanes, así como en el examen de la literatura científica secundaria, de las memorias publicadas por prisioneros españoles de Dachau, y por prisioneros de otras naciones que aportan datos sobre los presos españoles.
2. Una primera ojeada
Antes de entrar en detalles sobre la obra, conviene exponer brevemente, a partir del material aportado por Meerwald, las etapas de la odisea y los hechos históricos más destacables. Al menos 659 de los españoles que huyeron a Francia al final de la Guerra Civil fueron deportados al campo de concentración de Dachau (p. 105). Dachau era un campo de hombres. Para las pocas mujeres españolas que llegaron a Dachau, este campo constituyó tan solo una breve etapa, de camino hacia otro campo de concentración (cf. p. 50 y ss.). Un total de 130 españoles murieron en Dachau. A fines de abril de 1945, el campo de concentración fue liberado por las tropas estadounidenses (ver p. 107).
Da comienzo esta odisea con la salida de aproximadamente medio millón de mujeres, niños y hombres, huidos a Francia ante el avance victorioso de las tropas de Franco. Para sugerir la magnitud del éxodo puede señalarse que, a finales de 1939, todavía quedaban unos 200.000 exiliados españoles en suelo francés, muchos de ellos recluidos, en lamentables condiciones, en los campos de internamiento del sur de Francia (cf. p. 15). A los hombres capacitados para la lucha armada se les brindaba una oportunidad para salir de los campos, la de ponerse a disposición del ejército francés. Las opciones eran: incorporarse a la Legión Extranjera, a los RMVE (Régiments de Marche de Volontaires Étrangers), o a las CTE (Compagnies de Travailleurs Étrangers).
Los españoles presos en el campo de concentración de Dachau entre 1940 y 1943 eran en su mayoría prisioneros de guerra capturados a raíz de la derrota de Francia por la Wehrmacht alemana. La mayor parte de ellos había participado anteriormente, entre 1939 y 1940, en la defensa de la Tercera República francesa. Unos 50.000 españoles, se estima, fueron desplegados para reforzar la línea Maginot (ver p. 16).
En cuanto a los quinientos españoles, aproximadamente, que fueron deportados en 1944 a Dachau, en su mayoría pertenecen a la resistencia contra el régimen de Vichy y contra la ocupación alemana. Procedentes de cárceles francesas, campos de internamiento y campos de concentración franceses, fueron trasladados al campo de Dachau y su satélite Allach, para ser subsecuentemente usados como trabajadores forzados en la industria armamentística alemana (ver p. 40). Por supuesto, constituyen solo una pequeña fracción de las personas españolas que, activas en la Resistencia, terminaron deportadas en los campos nazis.
Tras la liberación de los campos de concentración en 1945, muchos de los españoles supervivientes regresaron nuevamente al exilio en Francia, ya que el régimen franquista no fue derrocado por los Aliados al final de la Segunda Guerra Mundial, siendo incluso cada vez más reconocido internacionalmente durante el transcurso de la Guerra Fría. Para la mayoría de los exprisioneros de los campos de concentración, regresar a España conllevaba un riesgo elevado de ser nuevamente perseguidos, encarcelados o incluso asesinados. Por su parte, el estado francés prestó «en general poca atención a la crítica situación de los supervivientes españoles» (p. 90). El apoyo estatal a los exprisioneros de los campos de concentración se limitó a quienes habían luchado previamente con el ejército francés. Los combatientes de la Resistencia que sobrevivieron al campo de concentración de Dachau se vieron excluidos de las subvenciones gubernamentales (p. 95). Para muchos, el exilio forzado solo terminó con la muerte del dictador en 1975. Entre tanto, ya han ido muriendo todos los españoles, testigos supervivientes del campo de concentración de Dachau (p. 109).
3. Algunos detalles y algunas cuestiones abiertas
3.1 Deportación al campo de concentración de Mauthausen y traslado de algunos prisioneros a Dachau
La pérdida de la guerra contra Alemania supuso a Francia más de un millón de prisioneros de guerra. La mayoría de ellos fueron destinados a trabajos forzados. Los prisioneros de guerra españoles, por su parte, fueron deportados al campo de concentración de Mauthausen-Gusen. Las condiciones del trabajo forzado, la mala alimentación, la violencia de los guardianes, encuadrados en las SS, y la práctica deliberada de asesinatos se confabularon para que pocos de ellos pudieran sobrevivir el internamiento. Hasta finales de 1941 habían sido llevados 7.200 españoles a este complejo de campos de concentración, de los cuales, casi dos terceras partes habían muerto a finales de 1943 (cf. p. 17 y ss.). Un número relativamente pequeño de prisioneros españoles fue trasladado desde Mauthausen-Gusen entre 1940 y 1943 al campo de Dachau.
Algunas preguntas en torno a este escenario, planteadas por Meerwald, no han sido completamente resueltas aún por la investigación. ¿Por qué los prisioneros de guerra españoles no fueron tratados como tales, según derecho de guerra, sino deportados a Mauthausen como apátridas? ¿Por qué todos los prisioneros de guerra españoles fueron deportados a Mauthausen? ¿Cuáles fueron los motivos del traslado de presos españoles desde Mauthausen a Dachau? Hay una hipótesis plausible para la primera pregunta: uno de los objetivos de Franco era la aniquilación de los españoles republicanos, tanto en el interior como en el extranjero; incluso tras la victoria en la Guerra Civil, el dictador no desistió de este propósito. A sus cálculos le convenía la deportación de prisioneros de guerra españoles a campos de concentración alemanes. En ese momento, la Alemania nazi todavía esperaba que España luchara a su lado en la Segunda Guerra Mundial. Pero la investigación actual no ha conseguido poner totalmente en claro cuál fue el acuerdo entre ambas dictaduras sobre cómo tratar a los españoles prisioneros en Alemania (cf. p. 17).
3.2 Trabajos forzados, disolución de los campos de concentración, y detención en Francia
En el apogeo de la guerra, el trabajo forzado fue adquiriendo cada vez más importancia para la industria armamentista alemana, y ello se reflejó también en los campos de concentración. Meerwald ve en Albert Speer la «fuerza impulsora tras el radical giro economicista del sistema de campos de concentración, iniciado en 1942» (p. 54). En el curso de esta reorientación, el «rojo español» (Rotspanier en alemán), políticamente peligroso, pasó a ser considerado un útil trabajador forzoso (ver p. 106). El interés por gestionar esta mano de obra conllevó ciertas mejoras en la manutención de los presos.
No pocos de los españoles residentes por entonces en Francia se negaban a enrolarse en las brigadas de trabajo del régimen de Vichy, los Groupements de travailleurs étrangers, o en la OT, la Organización Todt. Prefirieron pasar a la clandestinidad y participar activamente en la resistencia contra el régimen de Vichy y los ocupantes alemanes (ver p. 38 y ss.). En caso de ser capturados, generalmente eran enviados a campos y prisiones franceses.
En el curso de varias mortíferas expediciones, en 1944, fueron transportados en tren, junto a muchos otros presos, a Alemania. En el desplazamiento desde el campo de concentración francés Royallieu a Dachau, del 29 de junio de 1944, el tristemente famoso train de la mort, 984 de los 2.162 deportados (entre ellos, 65 españoles) encontraron la muerte (cf. pp. 43-45). Al deseo de racionalizar la economía de guerra se contraponía, manifiestamente, una inhumana voluntad aniquiladora. Ante un transporte de presos tal como es documentado por Meerwald, ciertamente cabe dudar de que su finalidad principal fuese el aprovisionamiento con trabajadores forzados de la industria bélica. Dado el ineluctable avance de los Aliados, parece haber pasado a un primer plano el objetivo de disolver los campos y prisiones, sin tener en cuenta el coste en vida humana.
3.3 Sobre las condiciones de supervivencia de los presos españoles en Dachau
Meerwald también explora las condiciones de supervivencia de los prisioneros españoles en Dachau. Tres factores mejoraron la situación: en primer lugar, el apoyo y solidaridad de los numerosos interbrigadistas ―voluntarios que habían luchado del lado de la Segunda República Española en la Guerra Civil en las Brigadas Internacionales― fue de excepcional importancia. Al igual que los españoles presos en Dachau, los brigadistas fueron catalogados como «españoles rojos». Para trazar una imagen completa de la situación de los españoles en Dachau, hubiera sido de gran interés contar con más información sobre el número y la composición política y social de los interbrigadistas recluidos en el campo, dada su capital importancia para los presos españoles.
En segundo lugar, los españoles lograron establecer una red secreta de comunicación y ayuda en el campo de concentración. El médico de presos Vicente Parra Bordetas fue de extraordinaria importancia para esta red, en su condición de médico, que le permitió salvar muchas vidas, y como cabeza de la red (ver p. 72).
En tercer lugar, «se esfumaron las diferencias» entre las distintas organizaciones políticas (comunistas estalinistas, marxistas antiestalinistas, socialistas, anarcosindicalistas) dentro del campo de concentración (ver p. 63). No está claro en este punto qué peso relativo tenían los diferentes grupos. Dado que la República Española fue apoyada no solo por fuerzas revolucionarias de izquierda, sino también por partidarios de la democracia burguesa y por militares leales, sería apropiado discutir hasta qué punto las posiciones republicanas no izquierdistas tuvieron presencia entre los presos de campos de concentración.
3.4 Exilio
Después de la reclusión, durante el exilio en Francia, la mencionada unidad se rompió de nuevo. Ello se refleja en la gran cantidad de asociaciones de sobrevivientes que se fundaron en el exilio. La FEDIP (Federación Española de Deportados e Internados Políticos) fue la asociación más potente. Los comunistas españoles crearon su propia asociación, que hubo de hacer frente a la línea oficial del PCE (Partido Comunista de España), desde el exilio en Moscú, que acusaba a los supervivientes de los campos de concentración de haber colaborado con los alemanes (cf. p. 94).
En contraste, presenta Meerwald un benigno pasaje de la historia del exilio, que tiene lugar en Múnich. No todos los presos españoles fueron a Francia tras su liberación. Hubo algunos que terminaron en Múnich. Allí residía en el Palacio Municipal de Nymphenburg la princesa española María de la Paz de Borbón y Borbón (casada con Luis Fernando de Baviera), de inclinaciones filantrópicas y caritativas. Algunos supervivientes españoles de Dachau acudieron a ella con una petición de socorro, que les fue concedida. A cambio, los «españoles rojos» repararon el palacio, dañado por las bombas, y «encontraron un nuevo hogar nada menos que en la residencia muniquesa de la familia Wittelsbach» (p. 85). Con la muerte de la infanta, a los 84 años, termina esta memorable historia el 3 de diciembre de 1946.
4. Resumen: contra el olvido
El libro llena un vacío en la investigación sobre los campos de concentración nazis y proporciona una pieza adicional de la historia acerca de las víctimas de la dictadura franquista, que sufrieron la fuga, los campos de internamiento, el trabajo forzado, el campo de Dachau y el exilio. El conocimiento de los hechos históricos y las anotaciones personales de los exprisioneros del campo de concentración se entrelazan en la obra de tal manera que se evita recluir a los prisioneros en un papel de meras víctimas. Por un lado, esto se consigue gracias a mencionar, siempre que es posible, los nombres de los presos y dar relieve a «las voces de los perseguidos» (p. 14) por medio de citas a propósito. A ello se suma el hecho de que se abarque toda la epopeya de los presos, incluyendo la historia antes y después del encarcelamiento en el campo de concentración. Todo ello contribuye a caracterizar a los presos como personas activas que hicieron una importante contribución a la defensa de la Tercera República francesa y a la resistencia contra las dictaduras que los oprimían.
Meerwald escribe con objetividad y detalle. Quizá justamente porque el autor prescinde del heroísmo y victimismo es por lo que esta historia nos sigue tocando hoy en día y haciendo aflorar algo no acabado ni resuelto. Traer a la memoria, con criterio histórico, un episodio casi olvidado del «siglo de los campos» (Zygmunt Bauman) es abrir vías de conexión con el presente. Esto es lo que consigue Meerwald con su estudio.
Johannes Meerwald: Spanische Häftlinge in Dachau. Bürgerkrieg, KZ-Haft und Exil. Reihe: Kleine Reihe zur Geschichte und Wirkung des Holocaust; Bd. 4. Wallstein Verlag: Göttingen 2022, ISBN 978-3-8353-5320-6 (Oktober 2022) [Presos españoles en Dachau. Guerra Civil, campo de concentración y exilio. Serie pequeña sobre la historia y efectos del holocausto. Vol. 4. Gotinga: Wallstein Verlag 2022, ISBN 978-3-8353-5320-6 (octubre de 2022)]
Ein Beitrag zur historischen Vergegenwärtigung einer fast vergessenen Odyssee
Rezension von Knud Böhle
1. Einleitung
Johannes Meerwald hat die erste deutschsprachige Monographie zu den im KZ Dachau inhaftierten Spaniern vorgelegt. Die Arbeit ist im Oktober 2022 im Wallstein Verlag, in der «Kleinen Reihe» des Fritz Bauer Instituts, erschienen. Das Buch ist die überarbeitete Fassung seiner Masterarbeit, die 2021 mit dem Stanislav Zámecník-Studienpreis des Comité International de Dachau (CID) ausgezeichnet worden war. Die Studie beruht auf intensiver Arbeit in den einschlägigen spanischen und deutschen Archiven, einer Auswertung der wissenschaftlichen Sekundärliteratur sowie der publizierten Erinnerungen der spanischen Häftlinge und anderer KZ-Häftlinge, die sich zu den Spaniern im KZ geäußert haben.
2. Ein erster Überblick
Bevor auf Details der Arbeit eingegangen wird, werden zunächst auf Basis des von Meerwald ausgebreiteten Materials die Etappen der Odyssee und die relevanten historischen Ereignisse in knapper Form angesprochen: Mindestens 659 der am Ende des spanischen Bürgerkriegs nach Frankreich geflohenen Spanier wurden in das KZ Dachau deportiert (S. 105). Dachau war ein Männerlager. Für die Spanierinnen, die nach Dachau kamen, war dieses KZ nur eine kurze Zwischenstation auf dem Weg in ein anderes KZ (vgl. S. 50f.). Insgesamt starben 130 Spanier im KZ Dachau. Ende April 1945 wurde das KZ von US-amerikanischen Truppen befreit (vgl. S. 107).
Am Anfang der Odyssee stand die Flucht von geschätzt einer halben Million Frauen, Kindern und Männern vor den im Bürgerkrieg siegreichen Truppen Francos nach Frankreich. Ende 1939 befanden sich, um die Größenordnung zu verdeutlichen, noch etwa 200.000 Spanierinnen und Spanier im französischen Exil ‒ viele davon waren unter erbärmlichen Bedingungen in Internierungslagern im Süden Frankreichs untergebracht (vgl. S. 15). Den wehrfähigen Männer eröffnete sich die Möglichkeit, sich der französischen Armee zur Verfügung zu stellen, um den Lagern zu entkommen. Die Optionen waren: Eintritt in die Fremdenlegion, in die RMVE (Régiments de Marche de Volontaires Étrangers) oder in die CTE (Compagnies de Travailleurs Étrangers).
Die Spanier, die zwischen 1940 und 1943 im KZ-Dachau inhaftiert wurden, gehörten überwiegend zu den Kriegsgefangen nach dem Sieg der Deutschen Wehrmacht über Frankreich. In der Mehrzahl hatten sie in den Jahren 1939 und 1940 zur Verteidigung der Dritten Französischen Republik beigetragen. An der Befestigung der Maginot-Linie kamen geschätzt 50.000 Spanier zum Einsatz (vgl. S. 16).
Die circa 500 Spanier, die 1944 nach Dachau deportiert wurden, sind in ihrer Mehrzahl dem Widerstand gegen das Vichy-Regime und gegen die deutsche Besatzung zuzurechnen. Sie wurden aus französischen Gefängnissen, Internierungslagern und französischen KZs in das KZ Dachau und das Außenlager Allach verschleppt, wo sie dann als Zwangsarbeiter für die deutsche Rüstungsindustrie eingesetzt wurden (vgl. S. 40). Sie machen selbstverständlich nur einen kleinen Teil der spanischen Frauen und Männer aus, die im Widerstand aktiv waren und in nationalsozialistische Konzentrationslager deportiert wurden.
Nach der Befreiung der Konzentrationslager 1945 schloss sich für viele der überlebenden Spanier erneut eine Zeit des Exils in Frankreich an, da das Franco-Regime von den Alliierten am Ende des II. Weltkriegs nicht gestürzt wurde und im Zuge des Kalten Krieges international sogar zunehmend aufgewertet wurde. Eine Rückkehr nach Spanien war für die meisten der ehemaligen KZ-Häftlinge mit einem hohen Risiko verbunden, erneut verfolgt, inhaftiert oder sogar ermordet zu werden. Der französische Staat seinerseits schenkte der «Notlage der spanischen Überlebenden insgesamt nur wenig Aufmerksamkeit» (S. 90). Die staatliche Unterstützung ehemaliger KZ-Häftlinge beschränkte sich auf die, die zuvor für die französische Armee tätig gewesen waren. Die Widerstandskämpfer, die das KZ Dachau überlebten, waren von staatlichen Zuwendungen ausgeschlossen (S. 95). Für viele endete das erzwungene Exil erst mit dem Tod des Diktators im Jahre 1975. Inzwischen sind alle spanischen Zeitzeugen, die das KZ Dachau überlebten, verstorben (S. 109).
3. Einige Details und einige offene Fragen
3.1 Verschleppung in das KZ Mauthausen und Verlegung einiger Häftlinge nach Dachau
Der gegen Deutschland verlorene Krieg bedeutete weit mehr als eine Million französische Kriegsgefangene. Die meisten davon wurden zur Zwangsarbeit herangezogen. Die spanischen Kriegsgefangenen hingegen wurden in den KZ-Komplex Mauthausen-Gusen deportiert. Die Bedingungen der Zwangsarbeit, die schlechte Versorgung, die Gewalttätigkeit der SS-Aufseher und gezielte Mordaktionen sind dafür verantwortlich, dass so wenige Menschen das Lager überlebten. Bis Ende 1941 wurden 7.200 Spanier in diesen KZ-Komplex verschleppt, von denen bis Ende 1943 beinahe zwei Drittel verstarben (vgl. S. 17f.). Eine vergleichsweise kleine Anzahl spanischer Häftlinge wurde zwischen 1940 und 1943 aus Mauthausen-Gusen in das KZ Dachau verlegt.
Einige Fragen in diesem Zusammenhang, die Meerwald anspricht, sind in der Forschung noch nicht ganz geklärt. Warum wurden die spanischen Kriegsgefangenen nicht entsprechend dem Kriegsgefangenenrecht behandelt, sondern als Staatenlose nach Mauthausen deportiert? Warum wurden alle spanischen Kriegsgefangenen nach Mauthausen deportiert? Was waren die Gründe, spanische Häftlinge von Mauthausen nach Dachau zu verlegen? Für die erste Frage gibt es eine plausible Annahme: Die Vernichtung republikanischer Spanier im Inland und im Ausland war ein Ziel Francos, das er auch nach dem Sieg im Bürgerkrieg weiter verfolgte. Die Verschleppung der spanischen Kriegsgefangenen in deutsche KZs entsprach diesem Interesse. Zu dem Zeitpunkt erwartete Nazi-Deutschland noch, Spanien würde an seiner Seite in den Zweiten Weltkrieg eintreten. Wie genau der Verständigungsprozess zwischen den Diktaturen über den Umgang mit den Spaniern in deutscher Kriegsgefangenschaft ablief, ist wissenschaftlich noch nicht gänzlich geklärt (vgl. S. 17.).
3.2 Zwangsarbeit und Auflösung der Lager und Gefängnisse in Frankreich
Auf dem Höhepunkt des Krieges wurde Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie immer wichtiger, und das hatte auch Auswirkungen auf die KZs. Meerwald sieht Albert Speer als «treibende Kraft hinter der seit 1942 radikal betriebenen Ökonomisierung des KZ-Systems» (S. 54). Im Zuge dieser Neuausrichtung wurde der politisch gefährliche «Rotspanier» zum nützlichen Zwangsarbeiter umgedeutet (vgl. S. 106). Das Interesse am Erhalt der Arbeitskraft brachte eine gewisse Verbesserung der Versorgung der Häftlinge mit sich.
Nicht wenige Spanierinnen und Spanier, die sich zu diesem Zeitpunkt in Frankreich aufhielten, wollten weder in den Arbeitsbrigaden des Vichy-Regimes, den Groupements de travailleurs étrangers, arbeiten, noch für die OT, die Organisation Todt. Sie zogen es vor, in den Untergrund zu gehen und im Widerstand gegen das Vichy-Regime und die deutschen Besatzer aktiv zu werden (vgl. S. 38f.). Wurden sie gefasst, kamen sie in der Regel in französische Lager und Gefängnisse.
In mehreren mörderischen Transporten wurden sie (mit vielen anderen) 1944 mit Zügen nach Deutschland verschleppt. Bei dem Transport aus dem französischen KZ Royallieu nach Dachau am 29.6.1944, dem traurig berühmten train de la mort, kamen von den 2.162 Deportierten (darunter 65 Spanier) 984 während des Transports um (vgl. S. 43-45). Der Rationalisierungswille der Kriegswirtschaft wurde offenkundig durch menschenverachtenden Vernichtungswillen konterkariert. Es kann bezweifelt werden, dass die bei Meerwald dokumentierten Transporte noch primär der Zufuhr von Zwangsarbeitern für die Rüstungsindustrie dienten. Angesichts des unabweisbaren Vorrückens der Alliierten war die Auflösung der Lager und Gefängnisse, ohne Rücksicht auf Menschenleben, womöglich zum vorrangigen Ziel geworden.
3.3 Zu den Überlebensbedingungen der spanischen Häftlinge in Dachau
Meerwald geht auch auf die Überlebensbedingungen der spanischen Häftlinge in Dachau ein. Drei Faktoren verbesserten die Lage: von außerordentlicher Bedeutung war erstens die Unterstützung und Solidarität der zahlreichen Interbrigadisten, also der Freiwilligen, die an der Seite der II. Spanischen Republik im Bürgerkrieg in den Internationalen Brigaden gekämpft hatten. Die Interbrigadisten wurden ebenso wie die Spanier im KZ Dachau als «Rotspanier» kategorisiert. Zusätzliche Informationen zur Anzahl sowie der politischen und sozialen Zusammensetzung der für die Spanier so wichtigen Interbrigadisten im KZ Dachau zu erhalten, wären für das Gesamtbild der Lage der Spanier im KZ Dachau durchaus interesssant gewesen.
Den Spaniern gelang es zweitens im KZ, ein geheimes Kommunikations- und Hilfsnetzwerk zu unterhalten. Der Häftlingsarzt Vicente Parra Bordetas war von außerordentlicher Bedeutung für dieses Netzwerk – als Arzt, der viele Leben retten konnte, und als Kopf des Netzwerks (vgl. S. 72).
Drittens «verflüchtigten sich die Differenzen» der unterschiedlichen politischen Organisationen (stalinistische Kommunisten, antistalinistische Marxisten, Sozialisten, Anarcho-Syndikalisten) im KZ (vgl. S. 63). Unklar bleibt an dieser Stelle, wie groß die einzelnen Gruppen jeweils waren. Da die spanische Republik nicht nur von revolutionären, linken Kräften verteidigt wurde, sondern auch von Anhängern bürgerlicher Positionen und von loyalen Militärs, wäre eine Erörterung der Frage, inwieweit auch nicht-linke republikanische Positionen unter den KZ-Häftlingen vertreten waren, durchaus sinnvoll.
3.4 Exil
Nach der Haft, im französischen Exil, löste sich die angesprochene Einigkeit wieder auf. Das spiegelt sich in der Vielzahl der Überlebendenverbände, die im Exil gegründet wurden. Die FEDIP (Federación Española de Deportados e Internados Políticos) war der stärkste der Verbände. Die spanischen Kommunisten gründeten einen eigenen Verband, der sich mit der Linie des PCE (Partido Comunista de España) im Moskauer Exil auseinandersetzen musste, die den Überlebenden der KZs unterstellte, mit den Deutschen kollaboriert zu haben (vgl. S. 94).
Eine dem gegenüber versöhnliche Exil-Geschichte, die Meerwald aufgreift, spielt in München. Nicht alle befreiten spanischen Häftlinge gingen nach Frankreich. Einige verschlug es auch nach München. Dort im Nymphenburger Stadtschloss residierte damals die philanthropisch und karitativ eingestellte spanische Prinzessin María de la Paz von Bourbón und zu Borbón (verheiratet mit Ludwig Ferdinand von Bayern). Einige spanische Überlebende des KZ Dachau gingen auf sie zu mit der Bitte um Unterstützung, die ihnen auch gewährt wurde. Im Gegenzug reparierten die «Rotspanier» das bombengeschädigte Stadtschloss und fanden «ausgerechnet in der Münchener Residenz der Wittelsbacher eine neue Heimat» (S. 85). Nach dem Tod der 84-jährigen Infantin am 3.12.1946 endet diese denkwürdige Geschichte (vgl. S. 84-86).
4. Fazit ‒ Gegen das Vergessen
Das Buch füllt eine Lücke in der Forschung zu den nationalsozialistischen Konzentrationslagern und liefert einen weiteren Mosaikstein für die historische Erinnerung an die Opfer der Franco-Diktatur, die Flucht, Internierungslager, Zwangsarbeit, KZ Dachau und Exil erlitten. Geschichtliches Faktenwissen und persönliche Aufzeichnungen der ehemaligen KZ-Häftlinge werden in der Arbeit so verwoben, dass einer Reduzierung der Häftlinge auf eine reine Opferrolle entgegengewirkt wird. Das gelingt zum einen dadurch, dass die Namen der Häftlinge nach Möglichkeit genannt werden und «den Stimmen der Verfolgten» (S. 14) über entsprechende Zitate Präsenz verschafft wird. Das gelingt zum anderen dadurch, dass die gesamte Odyssee betrachtet wird samt Vor- und Nachgeschichte der Haft im KZ. Das unterstützt die Charakterisierung der Häftlinge als handelnde Personen, die Erhebliches zur Verteidigung der III. Französischen Republik und im Widerstand gegen die sie bedrängenden Diktaturen geleistet haben.
Meerwald schreibt sachlich und detailreich. Vielleicht liegt es gerade daran, dass er auf Heroismus und Victimismo verzichtet, dass diese Geschichte heute noch berührt und als noch nicht abgegolten deutlich wird. Eine fast vergessene Episode aus dem «Jahrhundert der Lager» (Zygmunt Bauman) historisch zu vergegenwärtigen, bedeutet Anschlussmöglichkeiten in der Gegenwart zu eröffnen. Das leistet Meerwald mit der vorliegenden Studie.
Johannes Meerwald: Spanische Häftlinge in Dachau. Bürgerkrieg, KZ-Haft und Exil. Reihe: Kleine Reihe zur Geschichte und Wirkung des Holocaust; Bd. 4. Wallstein Verlag: Göttingen 2022, ISBN 978-3-8353-5320-6 (Oktober 2022)