Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel (Hgg.): Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur

Zwanzig Mosaiksteine für ein ungeschöntes Spanienbild

Rezension von Knud Böhle


1. Einleitung

Das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin gibt die Schriftenreihe Bibliotheca Ibero-Americana heraus, zu der auch die »heute«-Bände gehören, die Handbuchcharakter beanspruchen (S. 675). Die 6., vollständig neu bearbeitete Auflage von »Spani­en heute. Politik, Wirtschaft, Kultur«, ist im Herbst 2022 erschienen ‒ herausgegeben von den bei­den Fachhistorikern Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel. Redaktionsschluss war im Frühjahr 2022.

Der Sammelband wurde noch unter dem Eindruck der Covid-19 Pandemie abgeschlossen, und in vielen Beiträgen wird deshalb die Bedeutung von Covid-19 für das jeweilige Themenfeld mitreflek­tiert. Ein Beitrag beschäftigt sich sogar ausschließlich mit der Bewältigung und den Folgen der Pan­demie in Spanien. Was heute (Juli 2023) die Öffentlichkeit besonders bewegt, der Krieg in der Uk­raine, die Hitzewellen in Südeuropa als Folge des Klimawandels und das Erstarken der politischen Rechten bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai und bei den vorgezogenen Neuwahlen am 23. Juli, das liegt mithin schon außerhalb des Beobachtungszeitraums des Bandes.

Der Wert von »Spanien heute« liegt trotz des Titels selbstverständlich nicht im Tagesaktuellen. Der Band bietet eine Bestandsaufnahme, die zeigt, in welcher Lage die spanische Gesellschaft sich An­fang 2022 befand und vor welchen Aufgaben sie heute steht. Das impliziert fast immer einen Blick zurück, der verstehen lässt, wie sich die spanische Gesellschaft zwischen 1975 und 2022 verändert hat. Insbesondere die gravierenden Einschnitte durch eine Mehrfachkrise (Finanz-, Wirtschafts-, Immobilien-, Arbeitsmarkt- und Katalonienkrise) sind für die Dynamik ab 2008 bedeutsam.

Handbuchcharakter im engeren Sinn haben nur wenige Beiträge, wenn damit die systematische, um Objektivität bemühte, alle Seiten abwägende und zum Nachschlagen geeignete Darstellung eines Wissensbereichs gemeint ist. Präzise wäre von einer Auf­satzsammlung zu sprechen, bei der sich die Beiträge wie Mosaiksteine so ergänzen sollen, dass ein Ge­samtbild entsteht. Durch den Aufsatzcharakter treten die spezifischen Annahmen und Ansichten der jeweiligen Autor:innen stärker in den Vordergrund als das bei einem klassischen Handbuch der Fall wäre. Die zwanzig Beiträge samt weiterführenden Literaturhinweisen, im Durchschnitt etwa 30 Druckseiten lang, wurden zum größten Teil von Wissenschaftlern und Journalisten verfasst. Drei der zwanzig Aufsätze stammen aus spanischer Feder. Von den Autoren der vorherigen 5. Aufla­ge aus dem Jahr 2008 sind lediglich fünf noch an der aktuellen Auflage beteiligt.

Die Autor:innen waren trotz gewisser Vorgaben offenkundig relativ frei, die Abgrenzung des jewei­ligen Themas, die Art ihres Herangehens und die Darstellungsweise selbst zu bestimmen. Für die Leser:innen bedeutet das, dass manche Beiträge leichter zu lesen sind und weniger Vorwissen ver­langen als andere. Für ein Buch, das »nicht nur an Wissenschaftler:innen« (S. 675), sondern an ein breiteres Publikum gerichtet ist, erscheint diese Mischung sinnvoll. Auf dem deutschen Sachbuch­markt zu Spanien gibt es kein anderes Werk, das solch eine thematische Breite aufweist. Nicht alle Leser:innen werden sich für jeden Beitrag interessieren, und deshalb trifft auch für diesen Sammel­band zu: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Im Folgenden werden nicht alle Beiträge einzeln vorgestellt, und auf Inhalte und Argumentationen der Aufsätze wird nur ganz punktuell eingegangen. Den ausführlichen und komplex argumentieren­den einzelnen Beiträgen wird dieses Vorgehen selbstverständlich nicht gerecht. Durch die Präsenta­tion ausgewählter Daten, Befunde und Hypothesen sollen jedoch Anreize gesetzt werden, sich das Buch oder einzelne Aufsätze einmal selbst vorzunehmen.

Die vorliegende Buchbesprechung folgt nicht der Gliederung des Bandes (vgl. dazu das Inhaltsverzeichnis). Den Ausgangspunkt der Rezension bildet die spanischen Wirtschaft, wobei ihre gravierenden Strukturschwächen und die besonderen Bedeutung der Sektoren Tourismus und Landwirtschaft zur Sprache kommen. Danach werden Defizite des politischen Systems und die Rol­le der Vierten Gewalt im Kontext der spanischen Demokratie problematisiert.

Daran anschließend werden unter der Überschrift »Das bewegte Spanien« die neuen Bewegungen angesprochen, die die politische Landschaft nach 2008 veränderten. Unter dieser Überschrift wer­den auch zwei zivilgesellschaftliche Bewegungen behandelt, die LGTBIQ-Bewegung und die para­digmatisch durch die ARMH (Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica) verkör­perten Bürgerinitiativen für die Anerkennung der Opfer von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur. Un­ter dem Aspekt der gesellschaftlich relevanten Bewegungen seit 2008 wird außerdem auf die Be­deutung der Kirche eingegangen.

Im Anschluss daran wird eine ganz anders gelagerte »Bewegung«, die Spanien verändert hat, be­handelt: die Migration. Zuletzt wird noch ein Thema des »bewegten Spaniens« aufgegriffen, das Viele bewegt hat und bewegt: der Nationalismus in Spanien: der spanische, baskische und katalani­sche und die damit zusammenhängenden Konflikte der politisch-territorialen Ordnung.

Im Fazit (Abschnitt 6) wird auf Basis der Lektüre aller Beiträge ein Gesamtbild der spanische Ge­sellschaft en miniature skizziert und eine resümierende Beurteilung des besprochenen Werkes gege­ben.

2. Zur spanischen Wirtschaft

2.1 Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftspolitik

Holm Detlev Köhler unterzieht die spanische Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftspolitik einer har­schen Kritik. Er spricht von den aus Zeiten des Franquismus geerbten strukturellen Schwächen und Defiziten, die während der Demokratie nicht abgeändert wurden, und teilweise mit verantwortlich seien für die Krise von 2008-2013. Das folgende Zitat verdeutlicht seine Kritik:

Die spanische Wirtschaft hat seit der nachholenden Industrialisierung in den 1960er Jahren ein Spezialisierungsprofil mit Schwerpunkten auf niedrig qualifizierten und sai­sonabhängigen Berufen und Branchen herausgebildet. Sozialstaat, Erziehung und Be­rufsbildung blieben unterentwickelt, die Banken unzureichend kontrolliert und auf die Immobilien- und Finanzmärkte konzentriert, Tarifparteien und Verhandlungen frag­mentiert, die staatlichen Verwaltungen schwach koordiniert und von korrupt-klientilis­tischen Praktiken durchzogen, die politischen Parteien unsolide finanziert und von der Zivilgesellschaft mit wenig Vertrauen bedacht, die Betriebsgrößenstruktur extrem pola­risiert… (S. 360).

Ein effizientes Wirtschafts- und Entwicklungsmodell müsste folglich ganz anders orientiert sein: weg von dem energieintensiven, kreditfinanzierten Konsummodell mit Tourismus und Immobilien als Leitsektoren hin zu einem innovations- und wissensbasierten nachhaltigen Investitionsmodell (S. 359). Mit einer solchen Umstrukturierung rechnet Köhler jedoch nicht: »… die Entsagung von jeglicher industrieller Strukturpolitik in den letzten Jahrzehnten macht eine notwendige Neuausrich­tung des Entwicklungsmodells unmöglich« (S. 360).

Ein Skandal ist immer noch die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die auf der Höhe der Krise 2013 bei über 50% lag und auch heute noch deutlich über 25% liegt. Dieser Befund ist mehr als nur eine ökonomische Kennziffer: »Der Ausschluss vom Erwerbsleben der Generation, die eigentlich die Zukunft Spaniens gestalten müsste, untergräbt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Erziehung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Kultur« (S. 354).

2.2 Tourismus

Aktuell ist die hohe Relevanz der Sektoren Tourismus und Landwirtschaft im Wirtschaftsgefüge nicht zu leugnen. Raimund Allebrand weist in seinem Beitrag auf die enorme wirtschaftliche Be­deutung des Tourismussektors hin, der 2019 13% des BIP (Bruttoinlandsprodukt) ausmachte und eine Million Beschäftigte verzeichnete. Die tatsächliche Bedeutung des Fremdenverkehrs im BIP wäre aber gegenüber den statistischen Daten, die sich lediglich auf das primäre Tourismusgeschäft innerhalb des Dienstleistungssektors beziehen, noch mehr als zu verdoppeln. Ähnliches gelte für den Anteil der spanischen Tourismusbranche am Arbeitsmarkt. Der indirekte Anteil dürfte rund das Dreifache betragen (S. 459). Bei den indirekten Effekten wäre beispielsweise an Bahnstrecken zu denken, die erst durch den Tourismus rentabel werden oder an Dienstleister wie Wäschereien, die ohne Aufträge von Hotels schließen müssten.

Gleichwohl ist Allebrand die »fatale Abhängigkeit« der spanischen Wirtschaft vom Fremdenverkehr durchaus bewusst. Die spanische Tourismusindustrie habe zwar ihre Fixierung auf Strand und Son­ne hinter sich lassen können und sich erfolgreich diversifiziert, müsse aber noch weiter nach Per­spektiven für eine nachhaltige Entwicklung suchen. »Klima« so der Autor, »wird zukünftig der ent­scheidende Überlebensfaktor für den Fremdenverkehr sein« (S. 433).

2.3 Landwirtschaft

In dem höchst informativen Beitrag von Sabine Tzschaschel wird die sich verändernde Landnut­zung in Spanien auch mit Blick auf die Landwirtschaft und die Folgen der Landflucht faktenreich analysiert. Der Artikel befasst sich des Weiteren auch mit Fragen der Wasserwirtschaft und des Aus­baus erneuerbarer Energien. Jedes dieser Themen hätte eigentlich einen eigenen ausführlichen Bei­trag in dem Sammelband verdient. In dieser Rezension soll es indes nur um die Bedeutung der Landwirtschaft für die spanische Ökonomie gehen, die an folgenden Zahlen ablesbar ist (S. 407ff.).

50% der Fläche Spaniens sind heute noch Agrarland. Der Beitrag der Landwirtschaft zum BIP liegt bei 2,7% und ist damit doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. 4% der Beschäftigten, 750.000 Personen, sind in 945.000 landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt. Spanien ist der siebtgrößte Exporteur von Agrarprodukten weltweit. Obst und Gemüse, Wein, Oliven, Käse, Fleisch sind die einschlägigen Exportgüter. Extensive Weidewirtschaft auf kargen Böden spielt eine gewisse Rolle und wird als ökologisch sinnvoll eingeschätzt. Die Lebensmittelverarbeitung ist der wichtigste Industriesektor Spaniens mit ca. 500.000 Beschäftigten und 30.000 Betrieben.

Seit einiger Zeit wird das ländliche Spanien als »entleertes Spanien« problematisiert. Nach der frü­heren Kritik an den industriellen Ballungszentren und den zersiedelten Küstenregionen kamen die Probleme des entleerten, ländlichen Binnenlands erst relativ spät zu Bewusstsein. Die Industrialisie­rung seit Ende der 1950er Jahre und die Mechanisierung der Landwirtschaft in den 1970er und 1980er Jahren hatten zur Entleerung des ländlichen Raums geführt. Heute leben in diesem ländli­chen Spanien geschätzte fünf Millionen Spanier:innen ohne ausreichende Grundversorgung und ohne gleiche Lebenschancen. In dem Zusammenhang, auch darauf weist Tzschaschel hin, kam be­merkenswerterweise einem Essay über »Das leere Spanien« (Sergio del Molino 2016; auf Deutsch 2022) eine Initialfunktion zu, da es ihm gelang, die Aufmerksamkeit für das Thema spürbar zu erhöhen und zur Mobilisierung der benachteiligten Regionen, der España vaciada, beizutragen.

3. Zum politischen System

3.1 Polarisierung und Lagerbildung als Problem

Günther Maihold legt eine rigorose Analyse der Probleme des politischen Systems Spaniens vor, die seit den Krisenjahren ab 2008 zugenommen und sich verfestigt hätten. Eine seiner Generalthe­sen ist, dass der frühere Grundkonsens der spanischen Gesellschaft zusehends erodiert und sich eine wachsende Polarisierung bemerkbar macht (S. 42). Die entscheidenden Gründe werden darin gesehen, dass die vermeintlichen Garanten der nationalen Identität und des Zusammenhalts, die Monarchie und die Verfassung von 1978, nicht das geleistet hätten, was von ihnen erhofft oder er­wartet wurde. Die Monarchie als Institution sei durch das Verhalten der Monarchen, besonders durch das Fehlverhalten von Juan Carlos I, geschwächt. Die Verfassung des Autonomiestaats kranke weiter an ihren Geburtsfehlern, die nicht korrigiert wurden. Das Konstrukt eines asymmetrischen Autonomiestaats mit Sonderrollen für die historischen Nationalitäten (Katalonien, Baskenland, Ga­lizien) habe nicht zu einem die Einzelinteressen der Regionen und Nationalitäten übergreifen­dem, integrierendem Verfassungspatriotismus geführt. Dazu komme ein Senat, der »aufgrund seiner unvollständigen Rolle als echte zweite Kammer für den Ausgleich der ver­schiedenen Interessenssphären zwischen den unterschiedlichen Gebietskörperschaften dysfunktio­nal geblieben« sei (S. 26).

Polarisierung und Lagerbildung seien zum gravierenden Problem der politischen Kultur geworden. Polarisierung taucht übrigens wie ein Leitmotiv in vielen Beiträgen des Bandes auf. Maihold weist speziell auf die Konfrontationsstrategien der Parteien hin, die auf Polarisierung statt auf Konsens setzten, und er weist auf die Politisierung der Justiz hin, wo die Besetzung hochrangiger Posten und politische Lagerzugehörigkeit häufig zusammen gehen.

Auch im Beitrag von Nicolaus Werz »Von der demokratischen Transition zu neuen Konfrontatio­nen« ist das Leitmotiv der politischen Konfrontation deutlich zu vernehmen. In gut lesbarer Form werden die Regierungen ab 2004 und die Umstände der jeweiligen Regierungswechsel bis 2020 charakterisiert. Korruptionsskandale spielen dabei keine unwesentliche Rolle. In den Zeitraum fällt auch die Diversifizierung der Parteienlandschaft ab 2013, wobei nach Werz, die »Links-Rechts-Achse im spanischen Parteiensystem« trotzdem äußerst stabil geblieben sei (S. 65). Zugenommen habe aber mit dem Auftreten der links-populistischen Podemos und der rechtspopulistischen Vox die Polarisierung und ein zugespitztes Freund-Feind-Denken (S. 66).

3.2 Medien und Demokratie

Mit der so-genannten Vierten Gewalt, den Medien, befasst sich Helene Zuber. Auch auf diesem Feld findet sich das Element der politischen Einflussnahme und der Polarisierung. Ab Mitte der 1990er Jahre hätten die Journalisten nicht mehr überparteilich berichten können, sondern sich der parteipolitischen Ausrichtung ihrer Geldgeber unterordnen müssen (S. 606f.). Folglich konnten spa­nische Zeitungsleser sich meist »nur noch ein ausgewogenes Bild über die Realität in der Gesell­schaft machen, wenn sie verschiedene Blätter kauften, die unterschiedliche politische Ausrichtun­gen vertraten« (S. 608). Was für den Zeitungsbereich gelte, sei auch bei den audiovisuellen Medien zu beobachten. Beim Privatfernsehen führten Fusionen von Sendern unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung unter dem Dach eines Unternehmens zum Verlust an Vielfalt.

Dazu käme, dass immer mehr Spanier in Medienblasen feststeckten, was eine weitere Ursache für die immer stärkere Polarisierung der Gesellschaft sei (S. 618). Komplementär dazu ist die folgende Einschätzung zu sehen: »Früher beobachteten Journalisten die Realität, in der Ära des Digitalen beobachten sie, wie die Aktualität in den sozialen Netzwerken beobachtet wird. Diese Meta-Obser­vation, die typisch ist für viele spanische Medien, gefährdet die Demokratie« (S. 619).

Erschreckend ist zu sehen, wie hart die Wirtschaftskrise gerade die Presse getroffen hat. Zum Bei­spiel wurden für die auflagenstärkste Tageszeitung Spaniens, El Pais, 2007 noch 435.083 Tagesver­käufe, 2021 dagegen bloß noch 74.370 verzeichnet (S. 612).

3.3 Vergangenheitsbewältigung

Walther L. Bernecker hat sich schon viele Jahre intensiv mit der Vergangenheitsbewältigung (me­moria histórica) in Spanien befasst und tut das auch in seinem fundierten Beitrag zu dem vorliegen­den Band. An dieser Stelle soll wieder nur auf einen Aspekt abgestellt werden, nämlich dass gerade die Vergangenheitsbewältigung zu einem zentralen Zankapfel der politischen Polarisierung gewor­den ist. Viele Jahre hatten die politischen Eliten nach Francos Tod 1975 »in der Frage der Ver­gangenheitsaufarbeitung eine auffällige Zurückhaltung« an den Tag gelegt (S. 174). Die Amnes­tie von 1977, so das beliebte Wortspiel, ging mit politischer Amnesie einher.

Die Politisierung und Polarisierung setzte in der Regierungszeit José María Aznars ein, und ist sichtbar geworden an der Weigerung des konservativen Partido Popular, an der Aufarbeitung der Vergangenheit mitzuwirken und diese sogar nach Kräften zu behindern (S. 178, 181). Mit der Grün­dung der Partei Vox (2013) nahm der Geschichtsrevisionismus der rechten Kräfte weiter zu: »Jahr­zehnte intensiver historischer Forschung werden beiseitegeschoben, altfranquistische Mythen wer­den in neofranquistischem Gewand als historische Wahrheiten präsentiert.« (S. 195). Auf der ande­ren Seite haben die von dem PSOE (Partido Socialista Obrero Español) geführten Regierungen Ge­setze durchgebracht ‒ 2007 das »Gesetz zur historischen Erinnerung« (Ley de Memoria Histórica) und 2022 das »Gesetz zur Demokratischen Erinnerung« (Ley de Memoria Democrática) ‒, die zwar nicht allen weit genug gehen, die allerdings den Unrechtscharakter des Franco-Regimes eindeutig feststellen, die Präsenz des Franquismus im öffentlichen Raum zurückdrängen sollen und die An­sprüche der Opfer von Bürgerkrieg und Diktatur anerkennen.

An dieser Stelle ist auf den Beitrag Dieter Ingenschays zur »Literatur als Reflex gesellschaftlicher Debatten« hinzuweisen, der unter anderem den Boom der neueren Bürgerkriegsliteratur (1985-2010) behandelt. Die Bürgerkriegsliteratur ab 2000 erweist sich dabei als engagierte Literatur, die sich in die politische und geschichtswissenschaftliche Diskussion einklinkt, und dadurch selbst »Teil dieser Auseinandersetzung geworden« ist (S. 574).

4. »Das bewegte Spanien«

4.1 Protestbewegungen und neue Parteien

Auf die strukturellen Probleme und die Folgen der Krise (2008-2014) hat die Gesellschaft, wie Ju­lia Macher, Journalistin mit Wohnsitz in Spanien, aus eigener Anschauung weiß, mit einem Politi­sierungs- und Mobilisierungsschub reagiert, der in der »Bewegung gegen Zwangsräumungen« (Plattform der Hypothekengeschädigten), der »Bewegung der Empörten« (15-M) und der »Munizi­palbewegung« sichtbaren Ausdruck fand. Mit dem Abflachen der Krise, so ihre Beobachtung, wur­de, was als außerparlamentarische Bewegung begann, zunehmend in das etablierte politische Sys­tem integriert. Aus Podemos, die als »links-populistische« Bewegungspartei begann, wurde im Lau­fe der Jahre eine »klassische linke Partei« (S. 383), wodurch sie für bestimmte politisch linke Krei­se an Attraktivität verlor. Die Frage des Rezensenten, ob Podemos denn als Bewegungspartei auf Dauer hätte erfolgreich bleiben können, wird nicht erörtert.

Auf Ebene der Lokalpolitik hat sich die »Munizipalbewegung« nur in wenigen Städten halten kön­nen und konnte die politischen Verhältnisse nicht tiefgreifend verändern (S. 384f.). Zu den Folgen der Krise gehört aber auch die Gründung der rechtsextremen Partei Vox im Jahr 2013, die »vor al­lem von den Nachbeben des Katalonien-Konflikts« profitierte und »versuchte gesellschaftlichen Unmut in politisches Kapital umzumünzen« (S. 386).

4.2 Frauen- und LGTBIQ-Bewegung

Die Entwicklung der Frauenbewegung und der LGTBIQ-Bewegung seit den 1970er Jahren erläutert Werner Altmann kenntnisreich. Sie »erkämpften sich im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte ihre Ent­kriminalisierung und eine gesellschaftliche Akzeptanz und Gleichstellung, wie es sie noch nie in der spanischen Geschichte gegeben hat« (S. 269). Die Resonanz der LGTBIQ-Bewegung in der spanischen Literatur wird übrigens in dem bereits erwähnten Beitrag von Dieter Ingenschay behan­delt (S. 583-589).

In vieler Hinsicht nimmt Spanien in Europa, nicht nur wegen der hohen Demonstrationsbereitschaft seiner Bürger:innen eine besondere Rolle ein. Allein in Madrid sollen nach offiziellen Angaben rund 120.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Weltfrauentag 2020 – trotz Pandemie – auf den Beinen gewesen sein (S. 294). Eine Vorreiterrolle ist auch auf der gesetzgeberischen Seite feststell­bar. Vor allem unter dem sozialistischen Präsidenten José Luis Rodríguez Zapatero (2004 – 2011) wurde Grundlegendes rechtlich neu geregelt. Stichworte sind hier: Schutz vor häuslicher, machisti­scher Gewalt, Scheidungsrecht, Abtreibungsrecht, künstliche Befruchtung und Präimplantationsdia­gnostik sowie Gleichstellung von Mann und Frau (S. 289-291).

Altmann weist auf innere Konfliktlinien und äußere Bedrohungen hin. Die sich seit Ende der 90er Jahre ausbreitende Identitätspolitik, habe »zu einer Entsolidarisierung der Frauen und sexuellen Minderheiten innerhalb der eigenen communities und gegenüber anderen marginalisierten gesell­schaftlichen Gruppen« geführt (S. 301). Hass in den sozialen Netzwerken und die Gegnerschaft der extremen Rechten setzen diesen Bewegungen von außen zu.

4.3 Bürgerinitiativen zur Rückgewinnung der historischen Erinnerung

Auf eine andere, wichtige soziale Bewegung kommt Walther L. Bernecker in seinem bereits ange­sprochenem Beitrag »Widerstreitende Erinnerungskulturen in einem gespaltenen Land« zu spre­chen. Die Regierungen nach 1975 kümmerten sich nicht um die Exhumierung, Identifizierung und würdige Bestattung der auf über 100.000 (S. 174) geschätzten Opfer von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur, die im Lande verstreut, anonym verscharrt worden waren. Sie zeigten kein Interesse an der »Aufklärung von politischen Morden und Massenhinrichtungen, die die Aufständischen während des Bürgerkrieges und danach an den Anhängern der Republik verübt« hatten (S. 174f.). Bürgerin­itiativen nahmen sich dann des Themas an. Die erste Initiative dieser Art ging im Jahr 2000 von Emilio Silva aus, führte zur Gründung der »Vereinigung zur Rückgewinnung der historischen Erin­nerung« (Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica, ARMH) und ähnlicher Platt­formen, die seitdem Druck auf die Regionalregierungen ausüben, endlich erinnerungspolitisch tätig zu werden (S. 181f.).

4.4 Katholizismus und andere Religionen

In den Kontext des bewegten Spaniens lässt sich auch die Frage einreihen, was und wen die Kirche in Spanien heute noch bewegt. Maihold stellt dazu fest, dass der »religiöse cleavage in der Gesell­schaft zunehmend an Bedeutung für das politische Leben« verloren hat (S. 32). Eingehend behan­delt Mariano Delgado die gegenwärtige Bedeutung von Kirche und Religion. Folgt man seinen Ausführungen, dann hat Spanien in der Tat, um es auf eine Kurzformel zu bringen, aufgehört, ka­tholisch zu sein. Religionssoziologisch ist Spanien heute »ein stark säkularisiertes, religiös pluralis­tisches Land mit einer großen katholisch getauften Bevölkerungsmehrheit, die bei Umfragen über Glaube und Moral ähnlich antwortet wie die Katholiken anderer westlicher Länder« (S. 203f.).

Die meisten Spanier:innen können sicherlich noch als »Kulturkatholiken« angesprochen werden (S. 204). Für katholisch halten sich nach einer Umfrage aus dem Jahre 2021 nur noch 56,6%, wovon die wenigsten praktizierende Katholiken sind. Etwas mehr als 40% bezeichnen sich dagegen als nicht-gläubig, atheistisch, agnostisch oder gleichgültig. Gleichzeitig gibt es aber – trotz aller Auflö­sungserscheinungen des Katholizismus – ein Revival der Volksreligiosität, die etwa an der Attraktivität von Bruderschaften, Pilgerreisen, Wallfahrten, festlichen Taufen und Kommunionen sowie Tierseg­nungen abzulesen ist (S. 232).

Interessant sind die Zahlen zu den Anhängern anderer Glaubensbekenntnisse und Religionen: die Zahl der Protestanten wird auf 1,5 Millionen geschätzt, wovon mehr als die Hälfte freikirchlich oder evangelikal ausgerichtet sein dürften. Gerade bei Einwanderern aus Lateinamerika erfreuen sich diese Richtungen großer Beliebtheit (S. 219). Orthodoxe Christen, etwa 900.00, sind vor allem die rumänischen Einwanderer (S. 223). Dem Islam zugerechnet werden etwa 2,5 Millionen Personen, die hauptsächlich aus Marokko und Algerien stammen. Die Zahl der Juden wird auf etwa 65.000 geschätzt, wovon 45.000 organisiert sind.

Lagerdenken und die Polarisierung finden sich auch bei der Religionspolitik: Nach Delgado wird in keinem anderen Land Europas »um die Laizität des Staates so intensiv und ideologisch gestritten wie eben in Spanien seit der Wahl Zapateros im Frühjahr 2004« (S. 213). Dieser (in Anführungszei­chen) »ideologische Bürgerkrieg« werde erst zu Ende sein, wenn einerseits »die Kirche die von ihr 1975 selbst erwünschten Bedingungen der Moderne restlos akzeptiert« und andererseits die Laizis­ten »jede kulturkämpferische Attitüde des 19. Jahrhunderts endgültig hinter sich lassen« (S. 235).

4.5 Migration

Das Thema Migration wird von dem ausgewiesenen Spezialisten Axel Kreienbrink faktenreich und umsichtig behandelt. Zu begrüßen ist dabei, dass er das Thema nicht auf Asyl und illegale Migrati­on begrenzt, sondern Zu- und Abwanderung insgesamt adressiert. Eine gewisse Orientierung geben die folgenden Zahlen: Im Jahr 2019 erreichte die Zuwanderung nach Spanien einen Rekordwert von 750.000 Personen (S. 249). Insgesamt lag die Zahl der ausländischen Bevölkerung Spaniens Anfang 2020 bei 5,43 Millionen, was bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 47,33 Millionen einem Anteil von 11,5 % entspricht. Zählt man alle in Spanien lebenden Menschen, die nicht in Spanien geboren wurden, erhöht sich dieser Anteil sogar auf 15%.

Von den 5,43 Millionen stammten 34,6% aus der EU (40,1% Europa gesamt), 27,2% aus La­teinamerika (28,6% Amerika gesamt), 22% aus Afrika und 9,2% aus Asien. Die zehn wichtigsten Herkunftsländer waren Marokko (15,9%), Rumänien (12,3%), Kolumbien (5,0%), Vereinigtes Kö­nigreich (4,8%), Italien (4,6%), China (4,3%), Venezuela (3,5%), Ecuador (2,4%), Bulgarien (2,3%) und Honduras (2,2%) (S. 250).

Erst ab 2020 wurden Asyl und illegale Migration zum Problem (S. 245ff.). Hatte es 2015 nur 15.000 Asylanträge gegeben, waren es 2019 bereits 118.000 Anträge, von denen 81% von Lateinamerika­ner:innen (insbesondere aus Venezuela, Kolumbien und Mittelamerika) gestellt wurden. Dreiviertel dieser Anträge wurden abgelehnt, was aber in vielen Fällen nicht bedeutete, dass ein Bleiberecht verwehrt wurde. Die illegale Migration über das Mittelmeer, Ceuta, Melilla und die kanarischen In­seln wird für das Jahr 2016 auf 64.000 Personen beziffert. Davon kam ein Fünftel aus Marokko. Durch Kooperationsabkommen mit Marokko ging dieser Anteil bis 2019 auf die Hälfte zurück.

Die gute Botschaft lautet: Nationale wie internationale Umfragen der letzten drei Jahrzehnte haben für Spanien im Unterschied zu anderen EU-Staaten »eine positive, tolerante Sicht auf Einwanderin­nen und Einwanderer« ausgemacht. Bemerkenswert ist weiterhin, dass die Neigung zur Polarisie­rung diesen Politikbereich auf Ebene der Regierungspraxis bislang aussparte. Kreienbrink stellt für die Jahre 2008-2020 insgesamt eine weitgehende Kontinuität bei den politischen und rechtlichen Maßnahmen fest, unabhängig davon, welche Partei die Regierung bildete. Unterschiede in Einzelpunkten schließt das nicht aus. Und selbst für die sich rassistisch-fremdenfeindlich äußern­de und vor allem gegen Muslime aus arabischen Ländern polemisierende Partei Vox, gehört das Thema bislang nicht zum »Markenkern« (S. 261). Die Gefahr, dass über das Agieren von Vox auch dieses Politikfeld polarisiert wird, ist allerdings nicht zu übersehen.

5. Nationalismen in Spanien

5.1 Spanischer Nationalismus

Fragen des Nationalgefühls und nationaler Bewegungen bilden ein weiteres Kapitel des bewegten Spaniens, auf das im Folgenden eingegangen wird. Xosé Manoel Núñez Seixas befasst sich mit dem spanischen Nationalismus. Anders als sich vermuten ließe, meint er damit nicht nur den zentra­listischen, neo-franquistischen, anti-separatistischen, illiberalen Nationalismus, der zuerst in der Re­gierungszeit von Aznar verstärkt auftrat und heute paradigmatisch von der Partei Vox vertreten wird. Für Núñez Seixas kennzeichnet alle spanisch patriotisch nationalistischen Positionen, dass sie »die Verfassung von 1978 als die legitime Basis für den Erhalt der politischen und territorialen Einheit Spaniens« ansehen (S. 308) und den Artikel 2 der Verfassung zur territorialen Staatsstruktur nicht in Frage stellen. Der Artikel spricht von der »unauflöslichen Einheit der spanischen Nation als ge­meinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier« (zitiert nach Maihold in diesem Band, S. 22).

Vereinfacht darf man die Auffassung von Núñez Seixas wohl so verstehen, dass im spanischen staatsnationalistischen Diskurs für Separation und Sezession kein Platz ist. Unter dieser Prämisse sind dann durchaus verschiedene Konzepte entstanden, wie Vielfalt und Einheit zusammenzubrin­gen wären, etwa in Formeln wie »Nation aus Nationen«, »Land aus Ländern«, »vielfältiges Spani­en«, aber letztlich, so das Fazit, fehle es immer noch an einer tragfähigen Formel und an einfallsrei­chen theoretischen und politischen Lösungen (S. 326f.). Welche Lösung der Autor selbst favorisieren würde, bleibt offen. Wichtig festzuhalten ist auf jeden Fall der folgende Befund: »[…] im Alltag sind die friedliche Koexistenz und das Zusammenleben von Personen mit unterschiedlichen regionalen und sprachlichen Hintergründen die Regel« (S. 316) und in der Regel gibt es heute keinen »wirkli­chen Konflikt zwischen ‚ethnischen‘ Gruppen, auch nicht zwischen ‚einheimischen‘ Spaniern und nicht-europäischen Einwanderern« (ebd.).

5.2 Katalanischer Nationalismus und Katalonienkonflikt

Carlos Collado Seidel stellt die Frage, die Viele teilen werden, die auf den Katalonienkonflikt schauen: »Wieso strebt eine hoch industrialisierte Region, die im Rahmen einer demokratischen Verfassung über weitgehende Autonomie verfügt, mit derartiger Vehemenz in die Unabhängigkeit?« (S. 99). Detailliert und in gut nachvollziehbarer Weise zeichnet Collado Seidel den Konflikt zwi­schen Katalonien als Teil der spanischen Nation und Katalonien als eigener Nation nach ‒ von den Anfängen bis zu seiner permanenten Zuspitzung ab 2000 und insbesondere von 2010 bis 2017, dem Jahr des gescheiterten Sezessionsversuchs, dem eine gewisse Ernüchterung und Beruhigung folgte. Am Ende steht bei Collado Seidel die Annahme, dass der Konflikt nicht einfach rational zu lösen ist, da das spanische und das katalanische Nationsverständnis nicht vereinbar seien: »Aus spani­scher Perspektive ist Katalonien ein integraler Bestandteil der spanischen Nation, während aus kata­lanischer Sicht ein eigener, hiervon losgelöster nationaler Bezugsrahmen sehr wohl existiert« (127f.). Dazu kommt, dass Nationalismen sich »vor allem aus Emotionen und Projektionen« spei­sen und »damit rational nicht zu fassen sind« (ebd).

Dem möchte der Rezensent hinzufügen, dass die zitierte katalanische Sicht in ihrer separatistischen Variante ‒ nach den Zahlen, die bekannt sind ‒, nicht von der Mehrheit der in Katalonien lebenden Bevölkerung geteilt wird. 1976, im ersten Jahr nach Francos Tod, sprachen sich Umfragen zufolge nur zwei Prozent der Katalanen für die Unabhängigkeit aus, im Jahr 2006 erst 14% (Zahlen nach B. Aschmann: Beziehungskrisen, 2021 und M. Clua i Fainé: Identidad y política en Cataluña, 2014). Die als relativ hoch angenommene Zustimmung zur Option einer Abspaltung ab 2013 ist mithin kein natürliches Faktum, sondern das Ergebnis eines politischen und sozialen Prozesses (mit einer langen Vorgeschichte). Das Hochkochen nationalistischer Emotionen in Katalonien hat schon meh­rere Konjunkturen erlebt. Die jüngste Konjunktur und Krise sollte nicht allein auf rational nicht zu fassende Emotionen zurückgeführt werden, wenngleich diese für ihre Dynamik wesentlich waren. Denn die Zuspitzung hing nicht zuletzt vom Kalkül und Agieren bestimmter politischer Akteure auf gesamtstaatlicher und katalanischer Ebene ab, denen an politischer Polarisierung gelegen war. Von der Verschwörung der verantwortungslosen Verantwortlichen sprach der Kolumnist und Schriftstel­ler Jordi Amat in diesem Zusammenhang (vgl. seinen Essay »La conjura de los irresponsables«, 2018). Auch das gehört zur Antwort auf die von Collado Seidel eingangs gestellte Wieso-Frage dazu.

5.3 Baskischer Nationalismus und das Ende des ETA-Terrorismus

Den Fall des baskischen Nationalismus von 2005 bis 2021 behandelt Ludger Mees ausführlich und mit großer Sachkenntnis. Hier wird nur ein Punkt herausgegriffen: das definitive Ende des ETA-Terrorismus nach einem halben Jahrhundert politisch motivierter Gewalt. Es ist interessant, dass für das Ende der Gewalt nach Ansicht von Mees eine Persönlichkeit von besonderer Bedeutung war: Arnaldo Otegi, der heutige Koordinator des linksnationalistischen Parteienverbands EH Bildu. Ihm wird wesentlich das Verdienst zugeschrieben, einen Wandel im Denken der radikalen baskischen Nationalisten bewirkt zu haben mittels eines Narrativs, wonach die Basken den nationalistischen Zielen nicht näher kämen, solange ETA aktiv sei. Stattdessen wäre eine breit gefächerte demokrati­sche Mobilisierung für die baskischen Freiheitsrechte nötig. Das beinhaltete die unmissverständli­che Botschaft an die ETA sich aufzulösen: »Der induzierte Selbstmord ermöglichte den ETA-Para­militärs wenigstens, öffentlich das von Otegi angebotene Narrativ vom einseitig beschlossenen Rü­ckzug als letzten, selbstlosen Beitrag zum Kampf des baskischen Volkes zu inszenieren« (158f.). Der Philosoph Fernando Savater, der selbst Morddrohungen der ETA bekommen hatte, konnte die­ser Inszenierung wenig abgewinnen: »Ohne unter der Kapuze zu zucken, versichern sie uns, durch den bewaffneten Kampf hätten wir den glücklichen Augenblick erreicht, da wir auf den bewaffneten Kampf verzichten können« (zitiert in Ingendaay in diesem Band S. 558). Dennoch war es, nach Mees, überhaupt nur vermittels dieses Narrativs möglich, die Spirale der Gewalt zu stoppen und eine Ausfahrt aus dem Labyrinth, so die Formulierung im Titel seines Beitrags, zu finden.

Um den langen Lebenszyklus der ETA zu verstehen, ist der Hinweis darauf, dass sich ein bedeuten­der Sektor der baskischen Gesellschaft – aktiv oder passiv – an der Legitimation der ETA-Gewalt beteiligte, wichtig. »ETA waren nicht nur die Kommandos, sondern auch die willigen Mitläufer. Dieses Phänomen muss einer der zentralen Themen bei jedem Versuch der Vergangenheitsaufarbei­tung und -bewältigung sein« (S. 164). Damit einher geht die Aufgabe zu verstehen, was dieser über Jahrzehnte sozial mitgetragene Terrorismus für die baskische Gesellschaft im Alltag bedeutet hat. In dem Roman »Patria« von Fernando Aramburu (2016; auf Deutsch 2018) finden sich die Lebensver­hältnisse jener Jahre im Baskenland plastisch und exemplarisch verarbeitet. Genau diesem Roman und seiner Bedeutung für die Debatten um ETA und den Terrorismus in Spanien ist der Beitrag von Paul Ingendaay im vorliegenden Band gewidmet (S. 541-561).

6. Fazit

6.1 Das Spanienbild des Bandes

Die Beiträge des Bandes fördern einerseits ein Spanienbild zu Tage, das durch wirtschaftliche und politische Sackgassen und Fehlentwicklungen, durch Krisen, Konflikte und Polarisierung gekenn­zeichnet ist. Ein besonders dunkler Fleck ist darin die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Dem steht auf der helleren Seite ein bewegtes, vielstimmiges Spanien gegenüber, das von den nationalen, regiona­len und kommunalen Protestbewegungen, die in der Krise von 2008 aufkamen, über die Frauen-, LGTBIQ- und ARMH-Bewegung bis zur Bewegung des España vaciada reicht.Viele zivilgesell­schaftliche Anliegen fanden Eingang in eine Reihe liberaler Gesetze nach 2004. Positiv zu bewerten ist außerdem die derzeitige Abwesenheit von Gewalt im Baskenland und in Katalonien und die Be­ruhigung der jeweiligen Konflikte. Besonders hervorhebenswert und ein Glanzlicht im Spanienbild ist nach Meinung des Rezensenten, dass bei allen Konflikten und bei aller Polarisierung auf der po­litischen Ebene, »im Alltag die friedliche Koexistenz und das Zusammenleben von Personen mit unterschiedlichen regionalen und sprachlichen Hintergründen die Regel« sind (S. 316).

6.2 Der Band »Spanien heute« – ein Resümee

In dem Sammelband werden viele Fragen zur Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Spaniens nüch­tern und kompetent abgehandelt. Übergreifend gilt, dass die Autorinnen und Autoren erfreulicher­weise stets auch die politische Dimension ihres Gegenstandes im Auge haben, selbst bei Themen wie Tourismus, Religion, Sport oder Literatur. Insgesamt kann von einer wissenschaftlich abgesi­cherten, problemorientierten, kritischen Sicht auf Spanien im Jahr 2022 gesprochen werden. Wer sich tiefer gehend über die spanischen Verhältnisse themenspezifisch oder generell informieren möchte, bekommt mit dem vorliegenden Sammelband eine ausgezeichnete Grundlage.

Wünsche der Art, dass manche Themen hätten eingehender behandelt werden sollen (z.B. die West­sahara-Frage) oder weitere Themen noch in den Band gehört hätten (z.B. die sozialen Sicherungs­systeme oder das Bildungssystem) stehen jedem frei. Angesichts der Grenzen eines solchen Sammelbandes, versteht es sich allerdings von selbst, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Insistieren würde der Rezensent nur in einem Punkt. Insgesamt wäre, über den hervorragenden Beitrag von Sabine Tzschaschel zur Landnutzung hinaus, noch weit mehr Aufmerksamkeit für das Themenfeld Nachhaltigkeit, Klimawandel, Umweltbewe­gung und Umweltpolitik, Energiewende und Energiepolitik (samt Atomausstieg) zu wünschen ge­wesen. In der nächsten Auflage von »Spanien heute« wird diesen Themen mehr Raum gegeben werden müssen. Ein weiterer Wunsch für die nächste Auflage wäre, die Autor:innen zu ermuntern, wo immer möglich, Vergleiche mit der jeweiligen Situation in anderen Ländern, besonders aber mit Deutschland, anzustellen. Denn das Verstehen anderer Verhältnisse wird durch den Vergleich mit Bekanntem entscheidend erleichtert und oft erst möglich.


Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel (Hgg.): Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. 6., vollständig neu bearbeitete Auflage. Verlag Klaus Dieter Vervuert: Frankfurt am Main 2022; ISBN: 978-3-96869-280-7

Das Buch ist beim Verlag auch im Epub-Format erhältlich.



Nicola Veith: Spanische Aufklärung und südwestdeutsche Migration | La Ilustración española y la emigración del Suroeste alemán

Un análisis completo y lúcido del proceso migratorio desde el Sacro Imperio Romano Germánico hacia Andalucía a finales del siglo xviii

Reseña de Knud Böhle (Spanienecho de 26.11.2020), traducción de Pascual Riesco Chueca (Spanienecho de 07.07.2022)

1. El despotismo ilustrado y el proyecto español de colonización (1767-1835)

Estamos en 1767, tiempo de despotismo ilustrado en Europa: José II ocupa desde marzo de 1764 el pináculo del Sacro Imperio Romano, Federico el Grande rige Prusia, Catalina la Grande lo hace en Rusia y, en España, tiene la corona el rey borbón Carlos III. Han penetrado en España las ideas de la Ilustración y el pensamiento fisiocrático. Ilustrados como Campomanes, Aranda y Olavide ocupan puestos destacados de la Administración. Dentro del corpus ideológico que inspira a los políticos reformistas figuran nociones como el intervencionismo estatal, la mejora de la agricultura, una agenda activa de poblamiento y proyectos de prestigio.

En el seno de este conjunto de ideas ha de situarse el establecimiento de colonos extranjeros ―la colonización― en tierras baldías, como ocurrió en los casos de Prusia, Rusia, y a menor escala también en España desde 1767. Ese mismo año se dicta la supresión y expulsión de los jesuitas. La institución inquisitorial, por el contrario, seguirá en pie. Otra particularidad española es el bandolerismo, que compromete el tráfico de mercaderías de ultramar desde los puertos andaluces hacia Madrid. De ahí que un objetivo de los proyectos de colonización sea hacer más seguros ciertos tramos del Camino Real. En El manuscrito encontrado en Zaragoza, la célebre novela publicada en 1804 por el conde Jan Potocki, se dice al respecto en el mismo comienzo del texto: «El conde de Olavídez no había establecido aún colonias de extranjeros en Sierra Morena; esta elevada cadena que separa Andalucía de la Mancha no estaba entonces habitada sino por contrabandistas, por bandidos, y por algunos gitanos…» (ed. Minotauro, 1996, p. 31).

Ya había habido, desde comienzos del siglo xviii, propuestas de poblamiento de esta área mediante inmigrantes extranjeros; pero el paso decisivo se produce en abril de 1767, cuando el rey de España contrata con el bávaro Johann Kaspar Thürriegel la fijación de 6.000 colonos, un aflujo que ha de publicitarse y canalizarse hacia España. El contrato contiene especificaciones precisas sobre el origen, la adscripción religiosa, la estructura de edades y las cualificaciones exigibles a los colonos solicitados. En julio de 1767 se redactan los reglamentos que deberán aplicarse en las comarcas de asentamiento, en el marco de un Fuero de Población, que detalla los derechos particulares de las colonias. Ya en agosto de 1767 acuden a España los primeros emigrantes del Sudoeste del Sacro Imperio Romano Germánico. Los terrenos asignados inicialmente están en Sierra Morena, si bien a partir de 1768 se agregan áreas más occidentales de Andalucía.

Leyenda: Las colonias se establecen en las áreas en verde claro; los cuatro reinos que aquí se muestran vienen a coincidir con la extensión actual de la Comunidad Autónoma Andaluza. Fuente: Wikipedia

De manera oficial, el proyecto llevará desde 1768 el nombre de Nuevas Poblaciones de Sierra Morena y de Andalucía. Muchos de los lugares fundados entonces ex novo han subsistido. Entre los más conocidos están La Carolina (Jaén), La Carlota (Córdoba) y La Luisiana (Sevilla). Con la extinción en 1835 de los últimos reglamentos especiales y los subsidios estatales para los territorios colonizados se da por concluido el proyecto. Ciertamente, los años iniciales son cruciales para la investigación histórica de este proceso migratorio.

2. La complejidad del tema y su encuadre científico

Nicola Veith aborda esta materia en su tesis (Universidad Johann-Gutenberg de Maguncia, en el área de las ciencias históricas y culturales) por el camino más exigente, optando por analizar y reconstruir el proceso migratorio sobre la base de la literatura científica y un trabajo archivístico intenso, que implica el estudio de fuentes y materiales tanto españoles como alemanes (véase una panorámica sobre las fuentes en las pp. 22-28).

Como primera consideración, el proceso migratorio es presentado de forma global. Ello significa que, en primer lugar, se investigan las circunstancias de la emigración desde el Sacro Imperio Romano Germánico (nación alemana) y las rutas y recorridos del viaje hacia el territorio de asentamiento. Solo entonces se trata el asentamiento de colonos y la historia subsiguiente del desarrollo de las nuevas poblaciones, así como la integración de los inmigrantes. Dentro del esquema del trabajo, ello se corresponde con la organización tripartita siguiente. Parte I: antecedentes de la emigración a España del siglo xviii; parte II: desarrollo de la emigración a España entre 1767 y 1769; parte III: asentamiento e integración de los colonos.

En el marco de esta estructura se consideran detalladamente, en primer lugar, los aspectos legales, políticos, organizativos y financieros. En segundo lugar, se tratan con minuciosidad tanto las condiciones de vida en los lugares de origen, que incitaron a emigrar a los colonos, como la realidad social en las nuevas poblaciones y la cotidianía que fue fraguándose en ellos. Para describir con ejemplar precisión los mundos de origen se centra la mirada en el Palatinado Electoral, el marquesado de Baden-Durlach y la región suaba. Casi involuntariamente viene a la mente que estas historias de emigración habrían merecido un cineasta de la talla de Edgar Reitz (cf. Heimat – La otra tierra (2013), una película acerca de una familia pobre de la región de Hunsrück en 1842, que sueña con empezar una nueva vida en Brasil).

La complejidad del tema al que se enfrenta Nicola Veith es grande. Han de quedar fuera las simplificaciones imprudentes, y son de rigor ciertas distinciones indispensables. Por citar el ejemplo más destacado: si centramos la atención en el origen de los inmigrantes, se hace visible el sentido de tales distingos. Es cierto que la mayoría de los colonos eran del sudoeste alemán, campesinos y menestrales alsacianos y lorenos. Pero a ellos pronto se añaden otros colonos de las diversas regiones germanoparlantes del Sacro Imperio, Países Bajos y Suiza, así como otros de lengua francesa, oriundos de Suiza y Francia, además de italianos (p. 354). En la síntesis sostiene Nicola Veith una hipótesis de interés: el etiquetado del conjunto de los colonos como «alemanes» debilitó sus identidades regionales y territoriales (en tanto que palatinos, badenenses, etc.), pero fue precisamente esto lo que, al propiciar una identidad común como alemanes, facilitó la integración en las colonias (cf. pp. 361, 399).

Para obtener una imagen fiel de conjunto de las colonias de inmigrantes es preciso incorporar al cuadro múltiples facetas diferentes: cuestiones de forma de los asentamientos, arquitectura, características del suelo, administración colonial, estructuras familiares, relaciones vecinales, cuidados médicos, asistencia espiritual, organización del tiempo libre y otras, que esta reseña no puede cubrir. La sección de contenidos, de seis páginas, disponible en línea (en alemán) como pdf, ofrece una visión de la diversidad de aspectos tratados en la tesis.

3. Contradicciones, reveses y conflictos del proyecto colonizador

Uno de los méritos del trabajo reside en haber identificado y analizado los conflictos implícitos al proyecto y las contradicciones y dificultades que afloraron tras su puesta en marcha; ello pone las bases para sentar una valoración crítica del conjunto de la operación. Seguidamente nos ocuparemos brevemente de algunos aspectos cruciales.

El propio reclutamiento de colonos se oponía a la prohibición de emigrar vigente en el siglo xviii en el Sacro Imperio (véase p. 72). La emigración era por tanto ilegal y se producía por lo común de forma clandestina (p. 105). En particular, el empeño con que los estados de origen intentaban retener a sus más cualificados labradores y artesanos iba radicalmente en contra del deseo de captar precisamente a este círculo de personas para prestigiar el proyecto de colonización. Ello significaba, a efectos prácticos, que muchos de los emigrantes que partieron hacia España no poseían la cualificación requerida.

Era también contradictoria la mezcla de tendencias ilustradas y absolutistas, característica de la praxis agroeconómica en las colonias (véanse pp. 214-253). Del lado progresista de dicha agronomía pueden dar muestra la prioridad otorgada al cultivo, la ganadería y la artesanía como fundamentos económicos, la escolarización obligatoria, y el papel más activo asignado a las mujeres. Pero, en el lado negativo, puede citarse la «desmedida intervención estatal» (p. 30), que se aprecia por ejemplo en los repartos de lotes con extensión homogénea, sin tener en cuenta la desigual calidad del suelo; o en la insistencia en cultivar cereales pese a las características desfavorables para ello del terreno, lo cual retrasó la plantación de otras labranzas más provechosas (p. 403). También pesa en el lado negativo el hecho de que los colonos, en los primeros años, no tenían ninguna opción de cogestionar la producción (p. 192). Nicola Veith alude a una administración cuasimilitar de las colonias (p. 398). «La inactividad se consideraba delito» (p. 404), un hecho que se castigaba con el uso del grillete durante el trabajo o incluso con prisión. Por añadidura se consentía poca vida social, lo que se sumaba al carácter disperso de las aldeas y la prohibición de visitar los lugares más populosos durante la semana. No obstante, y visto en contraste con el latifundismo, el tipo predominante de aprovechamiento en Andalucía, basado en la gran propiedad, explotador y poco productivo, este intento, altamente subvencionado, de crear una «clase media campesina» (p. 406), puede considerarse sin duda progresista.

Entre los fallos onerosos de los responsables del proyecto, explicitados en detalle por la autora del estudio, estaba la deficiente preparación ante las exigencias de la colonización primera. De modo que, recién llegados los primeros colonos en el final del verano y el otoño de 1767, los terrenos no se encontraban a la sazón laboreados ni apenas existían alojamientos (p. 172). Incluso en casos en que habían aparecido casas en las tierras de labor, los responsables del proyecto dispusieron que los colonos habían de realojarse en barracones situados en las cabezas de colonia, en vez de permanecer cerca de sus parcelas. Ello favoreció la aparición de epidemias, y «puede conjeturarse que a la altura de 1770 había fallecido la mitad de los colonos» (p. 405). En esta estimación entran ciertamente empleados de las colonias, trabajadores manuales que ayudaron en la construcción de casas, soldados y colonos españoles. Por añadidura, la situación debe de haber sido muy diversa según lugares.

Mediante el refuerzo con españoles procedentes de Cataluña y Valencia, y luego de otras regiones más pobres del país, se pudo compensar esta sangría. Parece que ya en 1771 el número de españoles en las colonias se había igualado con el de extranjeros (pp. 369-372), con lo que se alteró sustancialmente el carácter del proyecto inicialmente concebido.

La pertenencia y el cumplimiento religioso supusieron otro punto espinoso. Para empezar, solo se debía captar a católicos, pero esta restricción fue ocultada en lo que pudo por el reclutador Thürriegel. De ahí que el deficiente control de los emigrantes a España dio lugar a numerosas falsas conversiones, y en algunos casos, incluso a la expulsión de protestantes. Fue también problemático el cuidado pastoral, que con arreglo al Fuero de Población habría de hacerse en los años iniciales usando la lengua madre (p. 258). Ahora bien, la dirección colonial no había tenido en cuenta la necesaria procuración de sacerdotes, y solo en 1769 pudo cubrir la demanda mediante frailes capuchinos germanoparlantes, en un total de dieciocho, como muestra Nicola Veith. Por lo visto, los frailes no se limitaron a cuestiones de asistencia espiritual, sino que se enfrentaron a la administración colonial en defensa de los pobladores germanoparlantes (p. 262). A medida que a partir de 1770 fueron admitidos más y más colonos españoles en detrimento de las costumbres alemanas, fue agudizándose el conflicto. Ello llevó incluso a que el capuchino Romualdo Baumann en 1774 denunciara ante la Inquisición al dirigente del proyecto colonial, Pablo de Olavide, como hereje, pues «portaba en su interior las semillas del pensamiento protestante, y se expresaba en contra de los dogmas de la Iglesia» (p. 270). Siguió a ello el proceso y la condena de Olavide, seguramente no solo por la denuncia del padre Romualdo. Pero también los capuchinos debieron a partir de entonces abandonar las colonias y el suelo español.

4. ¿Fracasó el proyecto colonial o fue un éxito?

Preguntémonos finalmente, a la luz de la tesis, acerca del éxito o el fracaso del proyecto. En todo caso fue exitoso el reclutamiento y Thürriegel superó (según sus propios datos) la meta fijada, con 7.775 pobladores, cifra que le permitía saldar cuentas, a razón de 326 reales por persona admitida (p. 151).

Pero desde el punto de vista de la idea inicial del proyecto primigenio, que aspiraba a fijar una economía agraria avanzada y ejemplar regida en exclusiva por extranjeros capacitados, es inevitable hablar de un fracaso.

Si se contemplan las colonias a partir de 1770, en una evolución en que participaron colonos extranjeros y españoles, se desprende una imagen más halagüeña. Según una de las fuentes citadas, la población creció desde las 6.585 personas de 1770 a 11.857 en 1833 (pp. 386, 389). A ello se suma un crecimiento positivo en lo económico. También puede hablarse de una historia de éxito en lo tocante a integración, pues los inmigrantes extranjeros, en el curso de unas pocas décadas, se integraron casi del todo en la sociedad española. De ahí el aserto de Nicola Veith, según el cual muchas «biografías de emigrantes muestran que, en repetidas ocasiones, el trayecto desde la miseria en su país de origen hasta la condición de propietario rural en España había sido coronado con éxito» (p. 406).

5. Resumen

La tesis proporciona una contribución importante a un capítulo descuidado y casi olvidado (al menos en Alemania) de la historia hispano-alemana. La autora ha investigado profundamente las fuentes, tanto en archivos alemanes como españoles; y es preciso destacar el rigor de su enfoque global y orientado al proceso. Ello le permite examinar con detalle el mundo de origen y las circunstancias de la migración, las rutas e itinerarios de viaje hacia las comarcas de asentamiento seleccionadas por el Estado español y el desarrollo del proyecto de colonización entre 1767 y 1835. Este estudio aporta también lecciones para el presente, pues de él se desprenden valiosos indicios e intuiciones para el análisis de procesos migratorios en curso y proyectos contemporáneos relacionados con la captación de trabajadores extranjeros.


Nicola Veith: Spanische Aufklärung und südwestdeutsche Migration. Auswandererkolonien des 18. Jahrhunderts in Andalusien. Kaiserslautern: Bezirksverband Pfalz, Inst. f. pfälz. Geschichte und Volkskunde 2020, ISBN: 978-3-927754-97-3

[Nicola Veith: La Ilustración española y la emigración del Suroeste alemán. Colonias de emigrantes del siglo xviii en Andalucía. Kaiserslautern: Bezirksverband Pfalz, Inst. f. pfälz. Geschichte und Volkskunde 2020, ISBN: 978-3-927754-97-3]

Nicola Veith: Spanische Aufklärung und südwestdeutsche Migration

Die Auswanderung nach Andalusien, ein weitgehend vergessenes Kapitel spanisch-deutscher Geschichte, wird erstmals systematisch ausgeleuchtet

Rezension von Knud Böhle

1. Aufgeklärter Absolutismus und das spanische Kolonisierungsprojekt (1767-1835)

1767 – es ist die Zeit des aufgeklärten Absolutismus in Europa: Joseph II steht seit März 1764 an der Spitze des Heiligen Römischen Reiches, Friedrich der Große herrscht über Preußen, Katharina die Große über Russland und in Spanien ist der Bourbonenkönig Karl III (Carlos III) an der Macht. Ideen der Aufklärung und physiokratisches Denken haben in Spanien Einzug gehalten. Aufklärer wie Campomanes, Aranda und Olavide bekleiden wichtige politische Ämter. Zur Ideenwelt, die die Reformpolitiker inspiriert, gehören staatlicher Interventionismus, die Verbesserung der Landwirtschaft, eine aktive Bevölkerungspolitik und Prestigeprojekte.

In diesem Zusammenhang ist die Ansiedlung von Ausländern in landwirtschaftlich ungenutzten Landesteilen (Kolonisierung) zu sehen, wie sie etwa von Preußen, Russland und eben auch von Spanien ab 1767 (in vergleichsweise kleinem Maßstab) praktiziert wird. Ebenfalls in das Jahr 1767 fällt das Verbot des Jesuitenordens und die Ausweisung der Jesuiten. Die Institution der Inquisition bleibt hingegen bestehen. Eine andere spanische Besonderheit ist das Banditentum (bandolerismo), welches den Transport überseeischer Waren von den Häfen Andalusiens nach Madrid gefährdet. Von daher ist es auch ein Ziel des Siedlungsprojekts gewesen, diese Wege (Teilstrecken des Camino Real) sicherer zu machen. In der Handschrift von Saragossa, dem weltberühmten, erstmals 1804 veröffentlichten Buch des Grafen Potocki, wird auf diesen Zusammenhang gleich zu Anfang angespielt: «Der Graf von Olavidez hatte in der Sierra Morena noch keine Ausländer angesiedelt: diese steile und stolze Gebirgskette, die Andalusien von der Mancha trennt, war also nur von Schmugglern bewohnt, von Räubern und von einigen Zigeunern…» (Inselausgabe 1980, S. 11).

Vorschläge für die Besiedlung dieser Gegend mit ausländischen Einwanderern gibt es schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts, entscheidend ist aber der April des Jahres 1767 als der König von Spanien mit dem Bayern Johann Kaspar Thürriegel einen Vertrag abschließt über 6.000 Kolonisten, die anzuwerben und nach Spanien zu bringen sind. In dem Vertrag sind genaue Vorgaben zu Herkunft, Religionszugehörigkeit, Altersstruktur und den nachzuweisenden Qualifikationen der angeforderten Kolonisten enthalten. Im Juli 1767 werden die Regularien, die in den Siedlungsgebieten gelten sollen im Fuero de Población (etwa: Sonderrechte für die Ansiedlungen) festgeschrieben. Der bereits genannte Pablo de Olavide übernimmt im Juni 1767 als Superintendente die Leitung des Kolonisierungsprojekts. Im August 1767 kommen bereits die ersten Migranten aus dem Südwesten des Heiligen Römischen Reiches in Spanien an. Die avisierten Siedlungsgebiete liegen zunächst in der Sierra Morena und ab 1768 kommen Flächen etwas weiter westlich in Andalusien dazu.

Legende: Die Kolonien liegen in den hellgrünen Flächen; die vier Reiche zusammen entsprechen weitgehend der heutigen autonomen Region Andalusien. Quelle: Wikipedia

Offiziell wird bei dem Projekt seit 1768 von den Nuevas Poblaciones de Sierra Morena y de Andalucía (etwa: Neusiedelungen in der Sierra Morena und Andalusien) gesprochen. Viele der damals neu gegründeten Dörfer gibt es noch heute. La Carolina in der Sierra Morena (Provinz Jaén), La Carlota (Provinz Córdoba) und La Luisiana (Provinz Sevilla) dürften zu den bekannteren Orten zählen. Mit der Aufhebung der letzten Sonderregelungen und staatlichen Zuwendungen für die Gebiete im Jahr 1835 endet das Projekt. Für die historische Untersuchung des Migrationsprozesses sind natürlich die ersten Jahre besonders relevant.

2. Komplexität des Themas und ihre wissenschaftliche Bewältigung

Nicola Veith bearbeitet das Thema in ihrer Dissertation (Johann-Gutenberg Universität Mainz, Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften) auf die denkbar anspruchsvollste Weise, indem sie den Migrationsprozess auf Basis der wissenschaftlichen Literatur und intensiver Archivarbeit – verbunden mit dem Studium überwiegend spanischer und deutscher Quellen und Materialien – analysiert und rekonstruiert (vgl. zur Quellenlage S. 22-28).

Erstmalig wird hier der Migrationsprozess ganzheitlich dargestellt. Das bedeutet, dass zunächst die Umstände der Emigration aus dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) und die Reiserouten und Reiseverläufe bis in das neue Siedlungsgebiet untersucht werden. Erst danach wird die Ansiedlung und die sich anschließende Geschichte der Entwicklung der Kolonien und der Integration der Auswanderer behandelt. Dem entspricht in der Gliederung der Arbeit die folgende Dreiteilung: Teil I: Hintergründe der Spanienauswanderung im 18. Jahrhundert, Teil II: Verlauf der Spanienauswanderung 1767 bis 1769 und Teil III: Ansiedlung und Integration.

Im Rahmen dieser Struktur werden erstens die rechtlichen, politischen, organisatorischen und finanziellen Aspekte detailliert behandelt. Zweitens werden sowohl die Lebensbedingungen in der Herkunftswelt, die die Auswanderer motivierten, als auch die soziale Wirklichkeit in den Ansiedlungen und die sich dort nach und nach bildende neue Alltagswelt akribisch herausgearbeitet. Für die exemplarische Untersuchung der Herkunftswelten werden insbesondere die Kurpfalz, die Markgrafschaft Baden-Durlach sowie der schwäbische Raum ausgewählt. Fast unwillkürlich denkt man, dass auch diese Auswanderungsgeschichten einen Filmemacher wie Edgar Reitz (Stichwort: Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht) verdient hätten.

Die von Nicola Veith zu bewältigende Komplexität des Themas ist hoch. Vorschnelle Vereinfachungen verbieten sich. Es geht um notwendige Differenzierungen. Lässt man sich, um gleich das wichtigste Beispiel zu nehmen, genauer auf die Herkünfte der Migranten ein, wird die Bedeutung solcher Differenzierung sichtbar: Zwar waren die überwiegende Anzahl der Kolonisten südwestdeutsche, elsässische und lothringische Bauern und Handwerker. Aber dazu kommen dann weitere Kolonisten aus den verschiedenen deutschsprachigen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches, den Niederlanden und der Schweiz, und weitere Kolonisten mit französischer Muttersprache aus der Schweiz und Frankreich sowie Italiener (vgl. S. 354). In dem Zusammenhang vertritt Nicola Veith die interessante These, dass die deutschsprachigen Migranten zwar durch die Fremdzuschreibung als «Deutsche» in ihrer regionalen und territorialstaatlichen Identität (als Kurpfälzer, Badener etc.) geschwächt wurden, dass aber gerade die dadurch ermöglichte gemeinsame Identität als «Deutsche», die Integration in den Kolonien erleichterte (vgl. S. 361, S. 399).

Für ein realistisches Gesamtbild der Auswandererkolonien kommt es zudem darauf an, viele unterschiedliche Facetten in die Betrachtung einzubeziehen: Fragen der Siedlungsform, Architektur, Bodenbeschaffenheit, Kolonialverwaltung, Familienstrukturen, Nachbarschaftsbeziehungen, Krankenversorgung, Seelsorge, Freizeitgestaltung etc., die in dieser Rezension aber nicht weiter vertieft werden können. Dem sechsseitigen Inhaltsverzeichnis, das online als pdf-Dokument verfügbar ist, kann man die Vielzahl der in der Dissertation behandelten Aspekte entnehmen.

3. Widersprüche, Fehler und Konflikte im Kolonisierungsprojekt

Ein Verdienst der Arbeit liegt darin, wichtige im Projekt angelegte und im Projektverlauf aufgetretene Konflikte und Widersprüche herausgearbeitet zu haben, was die Grundlage für eine kritische Gesamtbewertung liefern kann. Einige kritische Punkte sollen hier kurz angesprochen werden.

Bereits die Anwerbung von Kolonisten stand im Widerspruch zu den im 18. Jahrhundert geltenden Auswanderungsverboten im Heiligen Römischen Reich (vgl. S. 72). Die Emigration war von daher widerrechtlich und fand meistens heimlich statt (S. 105). Insbesondere stand das Bestreben der Herkunftsländer, die qualifizierten Bauern und Handwerker zu halten, im Widerspruch zu dem Ziel gerade diesen Personenkreis für das prestigeträchtige Kolonisierungsprojekt zu gewinnen. In der Praxis bedeutete das, dass viele der in Spanien aufgenommenen Auswanderer die erwarteten Qualifikationen nicht mitbrachten.

Widersprüchlich war auch die Mischung aufklärerischer und despotischer Tendenzen, die die wirtschaftliche Praxis in den Kolonien kennzeichnete (vgl. S. 214-253). Auf der Seite des Fortschritts in der Landwirtschaft standen die Kombination von Ackerbau-, Viehzucht und Handwerk als Wirtschaftsgrundlage, eine Schulpflicht und für die Frauen eine aktivere Rolle im Wirtschaftsleben. Kritisch ist ein «Übermaß an staatlicher Regulierung» (S. 30) zu sehen, das etwa an der anfänglichen Verteilung gleichgroßer Grundstücke, ohne die Bodenqualität in Rechnung zu stellen, abzulesen ist, oder am Beharren auf dem Anbau von Getreide trotz dafür ungünstiger landwirtschaftlicher Gegebenheiten und der damit einhergehenden verzögerten Umstellung auf ertragreichere Pflanzungen (S. 403). Auf der Negativseite steht weiter, dass die Kolonisten in den ersten Jahren keine Möglichkeit der Mitbestimmung hatten (S. 192). Nicola Veith spricht von einer annähernd militärischen Verwaltung der Kolonien (S. 398). «Untätigkeit zählte als Straftat» (S. 404), die mit Fußfesseln bei der Arbeit oder sogar Gefängnis geahndet werden konnte. Außerdem wurde wenig Geselligkeit zugelassen, was mit der Streulage der Höfe und dem Verbot, während der Woche die zentralen Orte zu besuchen, zusammenhing. Dennoch: vor der Kontrastfolie des Latifundismus, dem in Andalusien vorherrschenden Typus ausbeuterischen und wenig effektiven Großgrundbesitzes, wird der staatlich hoch subventionierte Versuch, eine «bäuerliche Mittelschicht» (S. 406) zu etablieren, als fortschrittlich erkennbar.

Zu den gravierenden Fehlern der Projektverantwortlichen, die die Autorin der Studie im Einzelnen nachgewiesen hat, gehörte die mangelhafte Vorbereitung auf die Herausforderungen der Ansiedlung in der Anfangszeit. So kamen die ersten Siedler erst im Spätsommer und Herbst 1767 an, das Neuland war zu dem Zeitpunkt noch nicht urbar gemacht und Unterkünfte standen kaum zur Verfügung (S. 172). Selbst dort wo Unterkünfte auf den Grundstücken entstanden waren, verfügten die Projektverantwortlichen, dass die Kolonisten (wieder) in große Baracken in den Hauptkolonien ziehen sollten – anstatt auf ihren Grundstücken zu bleiben. Dadurch begünstigt brachen Epidemien aus und es „ist anzunehmen, dass bis 1770 etwa die Hälfte der Kolonisten verstarb“ (S. 405). In diese Schätzung fließen freilich auch Angestellte der Kolonien, Handwerker, die beim Hausbau halfen, Soldaten sowie spanische Kolonisten ein. Außerdem dürfte die Situation je nach Ort stark variiert haben.

Mit dem Nachzug von Spaniern aus Katalonien und Valencia, und später auch aus anderen, ärmeren Gegenden Spaniens, wurde dieser Aderlass kompensiert. Die Zahl der Spanier in den Kolonien glich sich wahrscheinlich bereits im Jahr 1771 derjenigen der Ausländer an (S. 369-372). Damit veränderte sich freilich der Charakter des Vorzeigeprojekts grundlegend.

Religionszugehörigkeit und Religionsausübung bildeten eine weiteres Konfliktfeld. Das begann damit, dass nur Katholiken angeworben werden sollten, diese Bedingung aber von dem Werber Thürriegel nach Möglichkeit verschwiegen wurde. Das führte bei der Kontrolle der Einwanderer in Spanien häufig zu Scheinkonvertierungen und in einigen Fällen auch später noch zur Ausweisung von Protestanten. Problematisch war auch die seelsorgerische Betreuung, die laut Bestimmung im Fuero de Población für die ersten Jahre in der Muttersprache erfolgen sollte (S. 258). Die Kolonialleitung hatte indes die Akquise von Priestern nicht recht bedacht und kam erst 1769 darauf, den Bedarf durch deutschsprachige Kapuzinermönche, 18 an der Zahl, wie Nicola Veith aufzeigt, zu decken. Diese Mönche kümmerten sich offenbar nicht nur um seelsorgerische Belange, sondern legten sich auch mit der Kolonialverwaltung im Interesse der deutschsprachigen Siedler an (S. 262). In dem Maße, in dem ab 1770 zunehmend auch spanische Siedler aufgenommen wurden und das deutsche Brauchtum zurückgedrängt wurde, verschärfte sich der Konflikt. Das führte sogar dazu, dass der Kapuziner Romualdo Baumann im Jahr 1774 den Leiter des Kolonisierungsprojekts, Pablo de Olavide, bei der Inquisition als Ketzer denunzierte, weil der «protestantisches Gedankengut in sich trüge und sich gegen die kirchlichen Dogmen ausspreche» (S. 270). Es kam zum Prozess und zur Verurteilung Olavides (sicherlich nicht nur wegen Pater Romualdos Anzeige). Aber auch die Kapuziner mussten danach die Kolonien und Spanien verlassen.

4. Ist das Kolonisationsprojekt gescheitert, oder war es ein Erfolg?

Fragen wir abschließend auf Basis der Dissertation nach Erfolg und Scheitern des Projekts. Die Anwerbung jedenfalls war erfolgreich und Thürriegel übererfüllte (nach eigenen Angaben) sogar sein Soll mit 7.775 Siedlern, die er abrechnen konnte (mit 326 Reales je angenommener Person, S. 151).

Unter dem Gesichtspunkt der ursprünglichen Projektidee einer allein von kompetenten Ausländern aufgebauten fortschrittlichen und mustergültigen Landwirtschaft kommt man nicht umhin, von einem Scheitern zu sprechen.

Betrachtet man jedoch die Kolonien ab 1770, an deren Entwicklung ausländische und spanische Kolonisten mitwirkten, ergibt sich ein positiveres Bild. Einer zitierten Quelle nach wächst die Bevölkerung von 6.585 Personen im Jahr 1770 auf 11.857 Personen im Jahr 1833 (S. 386, S. 389). Diese Entwicklung geht mit einem wirtschaftlich positiven Wachstum zusammen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Integration ließe sich von einer Erfolgsgeschichte sprechen, da sich die Ausländer im Lauf weniger Jahrzehnte fast vollständig in die spanische Gesellschaft integrierten. Dem entspricht auch der Befund von Nicola Veith, dass viele «Auswandererbiografien beweisen, dass der Bogen von der heimatlichen Misere zum spanischen Eigentum in zahlreichen Fällen geglückt war» (S. 406).

5. Fazit

Die Dissertation liefert einen wichtigen Beitrag zu einem vernachlässigten und fast vergessenem Kapitel deutsch-spanischer Geschichte, und zu einer ganzheitlichen und prozessorientierten historischen Migrationsforschung. Diese Studie kann auch für die Gegenwart von Nutzen sein, insofern aus ihr wertvolle Anhaltspunkte und Einsichten zu gewinnen sind für die Untersuchung heutiger Projekte zur Anwerbung qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte und die Analyse aktueller Migrationsprozesse.


Nicola Veith: Spanische Aufklärung und südwestdeutsche Migration. Auswandererkolonien des 18. Jahrhunderts in Andalusien. Kaiserslautern: Bezirksverband Pfalz, Inst. f. pfälz. Geschichte und Volkskunde 2020, ISBN: 978-3-927754-97-3