Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel (Hgg.): Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur

Zwanzig Mosaiksteine für ein ungeschöntes Spanienbild

Rezension von Knud Böhle


1. Einleitung

Das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin gibt die Schriftenreihe Bibliotheca Ibero-Americana heraus, zu der auch die »heute«-Bände gehören, die Handbuchcharakter beanspruchen (S. 675). Die 6., vollständig neu bearbeitete Auflage von »Spani­en heute. Politik, Wirtschaft, Kultur«, ist im Herbst 2022 erschienen ‒ herausgegeben von den bei­den Fachhistorikern Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel. Redaktionsschluss war im Frühjahr 2022.

Der Sammelband wurde noch unter dem Eindruck der Covid-19 Pandemie abgeschlossen, und in vielen Beiträgen wird deshalb die Bedeutung von Covid-19 für das jeweilige Themenfeld mitreflek­tiert. Ein Beitrag beschäftigt sich sogar ausschließlich mit der Bewältigung und den Folgen der Pan­demie in Spanien. Was heute (Juli 2023) die Öffentlichkeit besonders bewegt, der Krieg in der Uk­raine, die Hitzewellen in Südeuropa als Folge des Klimawandels und das Erstarken der politischen Rechten bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai und bei den vorgezogenen Neuwahlen am 23. Juli, das liegt mithin schon außerhalb des Beobachtungszeitraums des Bandes.

Der Wert von »Spanien heute« liegt trotz des Titels selbstverständlich nicht im Tagesaktuellen. Der Band bietet eine Bestandsaufnahme, die zeigt, in welcher Lage die spanische Gesellschaft sich An­fang 2022 befand und vor welchen Aufgaben sie heute steht. Das impliziert fast immer einen Blick zurück, der verstehen lässt, wie sich die spanische Gesellschaft zwischen 1975 und 2022 verändert hat. Insbesondere die gravierenden Einschnitte durch eine Mehrfachkrise (Finanz-, Wirtschafts-, Immobilien-, Arbeitsmarkt- und Katalonienkrise) sind für die Dynamik ab 2008 bedeutsam.

Handbuchcharakter im engeren Sinn haben nur wenige Beiträge, wenn damit die systematische, um Objektivität bemühte, alle Seiten abwägende und zum Nachschlagen geeignete Darstellung eines Wissensbereichs gemeint ist. Präzise wäre von einer Auf­satzsammlung zu sprechen, bei der sich die Beiträge wie Mosaiksteine so ergänzen sollen, dass ein Ge­samtbild entsteht. Durch den Aufsatzcharakter treten die spezifischen Annahmen und Ansichten der jeweiligen Autor:innen stärker in den Vordergrund als das bei einem klassischen Handbuch der Fall wäre. Die zwanzig Beiträge samt weiterführenden Literaturhinweisen, im Durchschnitt etwa 30 Druckseiten lang, wurden zum größten Teil von Wissenschaftlern und Journalisten verfasst. Drei der zwanzig Aufsätze stammen aus spanischer Feder. Von den Autoren der vorherigen 5. Aufla­ge aus dem Jahr 2008 sind lediglich fünf noch an der aktuellen Auflage beteiligt.

Die Autor:innen waren trotz gewisser Vorgaben offenkundig relativ frei, die Abgrenzung des jewei­ligen Themas, die Art ihres Herangehens und die Darstellungsweise selbst zu bestimmen. Für die Leser:innen bedeutet das, dass manche Beiträge leichter zu lesen sind und weniger Vorwissen ver­langen als andere. Für ein Buch, das »nicht nur an Wissenschaftler:innen« (S. 675), sondern an ein breiteres Publikum gerichtet ist, erscheint diese Mischung sinnvoll. Auf dem deutschen Sachbuch­markt zu Spanien gibt es kein anderes Werk, das solch eine thematische Breite aufweist. Nicht alle Leser:innen werden sich für jeden Beitrag interessieren, und deshalb trifft auch für diesen Sammel­band zu: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.

Im Folgenden werden nicht alle Beiträge einzeln vorgestellt, und auf Inhalte und Argumentationen der Aufsätze wird nur ganz punktuell eingegangen. Den ausführlichen und komplex argumentieren­den einzelnen Beiträgen wird dieses Vorgehen selbstverständlich nicht gerecht. Durch die Präsenta­tion ausgewählter Daten, Befunde und Hypothesen sollen jedoch Anreize gesetzt werden, sich das Buch oder einzelne Aufsätze einmal selbst vorzunehmen.

Die vorliegende Buchbesprechung folgt nicht der Gliederung des Bandes (vgl. dazu das Inhaltsverzeichnis). Den Ausgangspunkt der Rezension bildet die spanischen Wirtschaft, wobei ihre gravierenden Strukturschwächen und die besonderen Bedeutung der Sektoren Tourismus und Landwirtschaft zur Sprache kommen. Danach werden Defizite des politischen Systems und die Rol­le der Vierten Gewalt im Kontext der spanischen Demokratie problematisiert.

Daran anschließend werden unter der Überschrift »Das bewegte Spanien« die neuen Bewegungen angesprochen, die die politische Landschaft nach 2008 veränderten. Unter dieser Überschrift wer­den auch zwei zivilgesellschaftliche Bewegungen behandelt, die LGTBIQ-Bewegung und die para­digmatisch durch die ARMH (Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica) verkör­perten Bürgerinitiativen für die Anerkennung der Opfer von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur. Un­ter dem Aspekt der gesellschaftlich relevanten Bewegungen seit 2008 wird außerdem auf die Be­deutung der Kirche eingegangen.

Im Anschluss daran wird eine ganz anders gelagerte »Bewegung«, die Spanien verändert hat, be­handelt: die Migration. Zuletzt wird noch ein Thema des »bewegten Spaniens« aufgegriffen, das Viele bewegt hat und bewegt: der Nationalismus in Spanien: der spanische, baskische und katalani­sche und die damit zusammenhängenden Konflikte der politisch-territorialen Ordnung.

Im Fazit (Abschnitt 6) wird auf Basis der Lektüre aller Beiträge ein Gesamtbild der spanische Ge­sellschaft en miniature skizziert und eine resümierende Beurteilung des besprochenen Werkes gege­ben.

2. Zur spanischen Wirtschaft

2.1 Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftspolitik

Holm Detlev Köhler unterzieht die spanische Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftspolitik einer har­schen Kritik. Er spricht von den aus Zeiten des Franquismus geerbten strukturellen Schwächen und Defiziten, die während der Demokratie nicht abgeändert wurden, und teilweise mit verantwortlich seien für die Krise von 2008-2013. Das folgende Zitat verdeutlicht seine Kritik:

Die spanische Wirtschaft hat seit der nachholenden Industrialisierung in den 1960er Jahren ein Spezialisierungsprofil mit Schwerpunkten auf niedrig qualifizierten und sai­sonabhängigen Berufen und Branchen herausgebildet. Sozialstaat, Erziehung und Be­rufsbildung blieben unterentwickelt, die Banken unzureichend kontrolliert und auf die Immobilien- und Finanzmärkte konzentriert, Tarifparteien und Verhandlungen frag­mentiert, die staatlichen Verwaltungen schwach koordiniert und von korrupt-klientilis­tischen Praktiken durchzogen, die politischen Parteien unsolide finanziert und von der Zivilgesellschaft mit wenig Vertrauen bedacht, die Betriebsgrößenstruktur extrem pola­risiert… (S. 360).

Ein effizientes Wirtschafts- und Entwicklungsmodell müsste folglich ganz anders orientiert sein: weg von dem energieintensiven, kreditfinanzierten Konsummodell mit Tourismus und Immobilien als Leitsektoren hin zu einem innovations- und wissensbasierten nachhaltigen Investitionsmodell (S. 359). Mit einer solchen Umstrukturierung rechnet Köhler jedoch nicht: »… die Entsagung von jeglicher industrieller Strukturpolitik in den letzten Jahrzehnten macht eine notwendige Neuausrich­tung des Entwicklungsmodells unmöglich« (S. 360).

Ein Skandal ist immer noch die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die auf der Höhe der Krise 2013 bei über 50% lag und auch heute noch deutlich über 25% liegt. Dieser Befund ist mehr als nur eine ökonomische Kennziffer: »Der Ausschluss vom Erwerbsleben der Generation, die eigentlich die Zukunft Spaniens gestalten müsste, untergräbt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Erziehung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Kultur« (S. 354).

2.2 Tourismus

Aktuell ist die hohe Relevanz der Sektoren Tourismus und Landwirtschaft im Wirtschaftsgefüge nicht zu leugnen. Raimund Allebrand weist in seinem Beitrag auf die enorme wirtschaftliche Be­deutung des Tourismussektors hin, der 2019 13% des BIP (Bruttoinlandsprodukt) ausmachte und eine Million Beschäftigte verzeichnete. Die tatsächliche Bedeutung des Fremdenverkehrs im BIP wäre aber gegenüber den statistischen Daten, die sich lediglich auf das primäre Tourismusgeschäft innerhalb des Dienstleistungssektors beziehen, noch mehr als zu verdoppeln. Ähnliches gelte für den Anteil der spanischen Tourismusbranche am Arbeitsmarkt. Der indirekte Anteil dürfte rund das Dreifache betragen (S. 459). Bei den indirekten Effekten wäre beispielsweise an Bahnstrecken zu denken, die erst durch den Tourismus rentabel werden oder an Dienstleister wie Wäschereien, die ohne Aufträge von Hotels schließen müssten.

Gleichwohl ist Allebrand die »fatale Abhängigkeit« der spanischen Wirtschaft vom Fremdenverkehr durchaus bewusst. Die spanische Tourismusindustrie habe zwar ihre Fixierung auf Strand und Son­ne hinter sich lassen können und sich erfolgreich diversifiziert, müsse aber noch weiter nach Per­spektiven für eine nachhaltige Entwicklung suchen. »Klima« so der Autor, »wird zukünftig der ent­scheidende Überlebensfaktor für den Fremdenverkehr sein« (S. 433).

2.3 Landwirtschaft

In dem höchst informativen Beitrag von Sabine Tzschaschel wird die sich verändernde Landnut­zung in Spanien auch mit Blick auf die Landwirtschaft und die Folgen der Landflucht faktenreich analysiert. Der Artikel befasst sich des Weiteren auch mit Fragen der Wasserwirtschaft und des Aus­baus erneuerbarer Energien. Jedes dieser Themen hätte eigentlich einen eigenen ausführlichen Bei­trag in dem Sammelband verdient. In dieser Rezension soll es indes nur um die Bedeutung der Landwirtschaft für die spanische Ökonomie gehen, die an folgenden Zahlen ablesbar ist (S. 407ff.).

50% der Fläche Spaniens sind heute noch Agrarland. Der Beitrag der Landwirtschaft zum BIP liegt bei 2,7% und ist damit doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. 4% der Beschäftigten, 750.000 Personen, sind in 945.000 landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt. Spanien ist der siebtgrößte Exporteur von Agrarprodukten weltweit. Obst und Gemüse, Wein, Oliven, Käse, Fleisch sind die einschlägigen Exportgüter. Extensive Weidewirtschaft auf kargen Böden spielt eine gewisse Rolle und wird als ökologisch sinnvoll eingeschätzt. Die Lebensmittelverarbeitung ist der wichtigste Industriesektor Spaniens mit ca. 500.000 Beschäftigten und 30.000 Betrieben.

Seit einiger Zeit wird das ländliche Spanien als »entleertes Spanien« problematisiert. Nach der frü­heren Kritik an den industriellen Ballungszentren und den zersiedelten Küstenregionen kamen die Probleme des entleerten, ländlichen Binnenlands erst relativ spät zu Bewusstsein. Die Industrialisie­rung seit Ende der 1950er Jahre und die Mechanisierung der Landwirtschaft in den 1970er und 1980er Jahren hatten zur Entleerung des ländlichen Raums geführt. Heute leben in diesem ländli­chen Spanien geschätzte fünf Millionen Spanier:innen ohne ausreichende Grundversorgung und ohne gleiche Lebenschancen. In dem Zusammenhang, auch darauf weist Tzschaschel hin, kam be­merkenswerterweise einem Essay über »Das leere Spanien« (Sergio del Molino 2016; auf Deutsch 2022) eine Initialfunktion zu, da es ihm gelang, die Aufmerksamkeit für das Thema spürbar zu erhöhen und zur Mobilisierung der benachteiligten Regionen, der España vaciada, beizutragen.

3. Zum politischen System

3.1 Polarisierung und Lagerbildung als Problem

Günther Maihold legt eine rigorose Analyse der Probleme des politischen Systems Spaniens vor, die seit den Krisenjahren ab 2008 zugenommen und sich verfestigt hätten. Eine seiner Generalthe­sen ist, dass der frühere Grundkonsens der spanischen Gesellschaft zusehends erodiert und sich eine wachsende Polarisierung bemerkbar macht (S. 42). Die entscheidenden Gründe werden darin gesehen, dass die vermeintlichen Garanten der nationalen Identität und des Zusammenhalts, die Monarchie und die Verfassung von 1978, nicht das geleistet hätten, was von ihnen erhofft oder er­wartet wurde. Die Monarchie als Institution sei durch das Verhalten der Monarchen, besonders durch das Fehlverhalten von Juan Carlos I, geschwächt. Die Verfassung des Autonomiestaats kranke weiter an ihren Geburtsfehlern, die nicht korrigiert wurden. Das Konstrukt eines asymmetrischen Autonomiestaats mit Sonderrollen für die historischen Nationalitäten (Katalonien, Baskenland, Ga­lizien) habe nicht zu einem die Einzelinteressen der Regionen und Nationalitäten übergreifen­dem, integrierendem Verfassungspatriotismus geführt. Dazu komme ein Senat, der »aufgrund seiner unvollständigen Rolle als echte zweite Kammer für den Ausgleich der ver­schiedenen Interessenssphären zwischen den unterschiedlichen Gebietskörperschaften dysfunktio­nal geblieben« sei (S. 26).

Polarisierung und Lagerbildung seien zum gravierenden Problem der politischen Kultur geworden. Polarisierung taucht übrigens wie ein Leitmotiv in vielen Beiträgen des Bandes auf. Maihold weist speziell auf die Konfrontationsstrategien der Parteien hin, die auf Polarisierung statt auf Konsens setzten, und er weist auf die Politisierung der Justiz hin, wo die Besetzung hochrangiger Posten und politische Lagerzugehörigkeit häufig zusammen gehen.

Auch im Beitrag von Nicolaus Werz »Von der demokratischen Transition zu neuen Konfrontatio­nen« ist das Leitmotiv der politischen Konfrontation deutlich zu vernehmen. In gut lesbarer Form werden die Regierungen ab 2004 und die Umstände der jeweiligen Regierungswechsel bis 2020 charakterisiert. Korruptionsskandale spielen dabei keine unwesentliche Rolle. In den Zeitraum fällt auch die Diversifizierung der Parteienlandschaft ab 2013, wobei nach Werz, die »Links-Rechts-Achse im spanischen Parteiensystem« trotzdem äußerst stabil geblieben sei (S. 65). Zugenommen habe aber mit dem Auftreten der links-populistischen Podemos und der rechtspopulistischen Vox die Polarisierung und ein zugespitztes Freund-Feind-Denken (S. 66).

3.2 Medien und Demokratie

Mit der so-genannten Vierten Gewalt, den Medien, befasst sich Helene Zuber. Auch auf diesem Feld findet sich das Element der politischen Einflussnahme und der Polarisierung. Ab Mitte der 1990er Jahre hätten die Journalisten nicht mehr überparteilich berichten können, sondern sich der parteipolitischen Ausrichtung ihrer Geldgeber unterordnen müssen (S. 606f.). Folglich konnten spa­nische Zeitungsleser sich meist »nur noch ein ausgewogenes Bild über die Realität in der Gesell­schaft machen, wenn sie verschiedene Blätter kauften, die unterschiedliche politische Ausrichtun­gen vertraten« (S. 608). Was für den Zeitungsbereich gelte, sei auch bei den audiovisuellen Medien zu beobachten. Beim Privatfernsehen führten Fusionen von Sendern unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung unter dem Dach eines Unternehmens zum Verlust an Vielfalt.

Dazu käme, dass immer mehr Spanier in Medienblasen feststeckten, was eine weitere Ursache für die immer stärkere Polarisierung der Gesellschaft sei (S. 618). Komplementär dazu ist die folgende Einschätzung zu sehen: »Früher beobachteten Journalisten die Realität, in der Ära des Digitalen beobachten sie, wie die Aktualität in den sozialen Netzwerken beobachtet wird. Diese Meta-Obser­vation, die typisch ist für viele spanische Medien, gefährdet die Demokratie« (S. 619).

Erschreckend ist zu sehen, wie hart die Wirtschaftskrise gerade die Presse getroffen hat. Zum Bei­spiel wurden für die auflagenstärkste Tageszeitung Spaniens, El Pais, 2007 noch 435.083 Tagesver­käufe, 2021 dagegen bloß noch 74.370 verzeichnet (S. 612).

3.3 Vergangenheitsbewältigung

Walther L. Bernecker hat sich schon viele Jahre intensiv mit der Vergangenheitsbewältigung (me­moria histórica) in Spanien befasst und tut das auch in seinem fundierten Beitrag zu dem vorliegen­den Band. An dieser Stelle soll wieder nur auf einen Aspekt abgestellt werden, nämlich dass gerade die Vergangenheitsbewältigung zu einem zentralen Zankapfel der politischen Polarisierung gewor­den ist. Viele Jahre hatten die politischen Eliten nach Francos Tod 1975 »in der Frage der Ver­gangenheitsaufarbeitung eine auffällige Zurückhaltung« an den Tag gelegt (S. 174). Die Amnes­tie von 1977, so das beliebte Wortspiel, ging mit politischer Amnesie einher.

Die Politisierung und Polarisierung setzte in der Regierungszeit José María Aznars ein, und ist sichtbar geworden an der Weigerung des konservativen Partido Popular, an der Aufarbeitung der Vergangenheit mitzuwirken und diese sogar nach Kräften zu behindern (S. 178, 181). Mit der Grün­dung der Partei Vox (2013) nahm der Geschichtsrevisionismus der rechten Kräfte weiter zu: »Jahr­zehnte intensiver historischer Forschung werden beiseitegeschoben, altfranquistische Mythen wer­den in neofranquistischem Gewand als historische Wahrheiten präsentiert.« (S. 195). Auf der ande­ren Seite haben die von dem PSOE (Partido Socialista Obrero Español) geführten Regierungen Ge­setze durchgebracht ‒ 2007 das »Gesetz zur historischen Erinnerung« (Ley de Memoria Histórica) und 2022 das »Gesetz zur Demokratischen Erinnerung« (Ley de Memoria Democrática) ‒, die zwar nicht allen weit genug gehen, die allerdings den Unrechtscharakter des Franco-Regimes eindeutig feststellen, die Präsenz des Franquismus im öffentlichen Raum zurückdrängen sollen und die An­sprüche der Opfer von Bürgerkrieg und Diktatur anerkennen.

An dieser Stelle ist auf den Beitrag Dieter Ingenschays zur »Literatur als Reflex gesellschaftlicher Debatten« hinzuweisen, der unter anderem den Boom der neueren Bürgerkriegsliteratur (1985-2010) behandelt. Die Bürgerkriegsliteratur ab 2000 erweist sich dabei als engagierte Literatur, die sich in die politische und geschichtswissenschaftliche Diskussion einklinkt, und dadurch selbst »Teil dieser Auseinandersetzung geworden« ist (S. 574).

4. »Das bewegte Spanien«

4.1 Protestbewegungen und neue Parteien

Auf die strukturellen Probleme und die Folgen der Krise (2008-2014) hat die Gesellschaft, wie Ju­lia Macher, Journalistin mit Wohnsitz in Spanien, aus eigener Anschauung weiß, mit einem Politi­sierungs- und Mobilisierungsschub reagiert, der in der »Bewegung gegen Zwangsräumungen« (Plattform der Hypothekengeschädigten), der »Bewegung der Empörten« (15-M) und der »Munizi­palbewegung« sichtbaren Ausdruck fand. Mit dem Abflachen der Krise, so ihre Beobachtung, wur­de, was als außerparlamentarische Bewegung begann, zunehmend in das etablierte politische Sys­tem integriert. Aus Podemos, die als »links-populistische« Bewegungspartei begann, wurde im Lau­fe der Jahre eine »klassische linke Partei« (S. 383), wodurch sie für bestimmte politisch linke Krei­se an Attraktivität verlor. Die Frage des Rezensenten, ob Podemos denn als Bewegungspartei auf Dauer hätte erfolgreich bleiben können, wird nicht erörtert.

Auf Ebene der Lokalpolitik hat sich die »Munizipalbewegung« nur in wenigen Städten halten kön­nen und konnte die politischen Verhältnisse nicht tiefgreifend verändern (S. 384f.). Zu den Folgen der Krise gehört aber auch die Gründung der rechtsextremen Partei Vox im Jahr 2013, die »vor al­lem von den Nachbeben des Katalonien-Konflikts« profitierte und »versuchte gesellschaftlichen Unmut in politisches Kapital umzumünzen« (S. 386).

4.2 Frauen- und LGTBIQ-Bewegung

Die Entwicklung der Frauenbewegung und der LGTBIQ-Bewegung seit den 1970er Jahren erläutert Werner Altmann kenntnisreich. Sie »erkämpften sich im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte ihre Ent­kriminalisierung und eine gesellschaftliche Akzeptanz und Gleichstellung, wie es sie noch nie in der spanischen Geschichte gegeben hat« (S. 269). Die Resonanz der LGTBIQ-Bewegung in der spanischen Literatur wird übrigens in dem bereits erwähnten Beitrag von Dieter Ingenschay behan­delt (S. 583-589).

In vieler Hinsicht nimmt Spanien in Europa, nicht nur wegen der hohen Demonstrationsbereitschaft seiner Bürger:innen eine besondere Rolle ein. Allein in Madrid sollen nach offiziellen Angaben rund 120.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Weltfrauentag 2020 – trotz Pandemie – auf den Beinen gewesen sein (S. 294). Eine Vorreiterrolle ist auch auf der gesetzgeberischen Seite feststell­bar. Vor allem unter dem sozialistischen Präsidenten José Luis Rodríguez Zapatero (2004 – 2011) wurde Grundlegendes rechtlich neu geregelt. Stichworte sind hier: Schutz vor häuslicher, machisti­scher Gewalt, Scheidungsrecht, Abtreibungsrecht, künstliche Befruchtung und Präimplantationsdia­gnostik sowie Gleichstellung von Mann und Frau (S. 289-291).

Altmann weist auf innere Konfliktlinien und äußere Bedrohungen hin. Die sich seit Ende der 90er Jahre ausbreitende Identitätspolitik, habe »zu einer Entsolidarisierung der Frauen und sexuellen Minderheiten innerhalb der eigenen communities und gegenüber anderen marginalisierten gesell­schaftlichen Gruppen« geführt (S. 301). Hass in den sozialen Netzwerken und die Gegnerschaft der extremen Rechten setzen diesen Bewegungen von außen zu.

4.3 Bürgerinitiativen zur Rückgewinnung der historischen Erinnerung

Auf eine andere, wichtige soziale Bewegung kommt Walther L. Bernecker in seinem bereits ange­sprochenem Beitrag »Widerstreitende Erinnerungskulturen in einem gespaltenen Land« zu spre­chen. Die Regierungen nach 1975 kümmerten sich nicht um die Exhumierung, Identifizierung und würdige Bestattung der auf über 100.000 (S. 174) geschätzten Opfer von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur, die im Lande verstreut, anonym verscharrt worden waren. Sie zeigten kein Interesse an der »Aufklärung von politischen Morden und Massenhinrichtungen, die die Aufständischen während des Bürgerkrieges und danach an den Anhängern der Republik verübt« hatten (S. 174f.). Bürgerin­itiativen nahmen sich dann des Themas an. Die erste Initiative dieser Art ging im Jahr 2000 von Emilio Silva aus, führte zur Gründung der »Vereinigung zur Rückgewinnung der historischen Erin­nerung« (Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica, ARMH) und ähnlicher Platt­formen, die seitdem Druck auf die Regionalregierungen ausüben, endlich erinnerungspolitisch tätig zu werden (S. 181f.).

4.4 Katholizismus und andere Religionen

In den Kontext des bewegten Spaniens lässt sich auch die Frage einreihen, was und wen die Kirche in Spanien heute noch bewegt. Maihold stellt dazu fest, dass der »religiöse cleavage in der Gesell­schaft zunehmend an Bedeutung für das politische Leben« verloren hat (S. 32). Eingehend behan­delt Mariano Delgado die gegenwärtige Bedeutung von Kirche und Religion. Folgt man seinen Ausführungen, dann hat Spanien in der Tat, um es auf eine Kurzformel zu bringen, aufgehört, ka­tholisch zu sein. Religionssoziologisch ist Spanien heute »ein stark säkularisiertes, religiös pluralis­tisches Land mit einer großen katholisch getauften Bevölkerungsmehrheit, die bei Umfragen über Glaube und Moral ähnlich antwortet wie die Katholiken anderer westlicher Länder« (S. 203f.).

Die meisten Spanier:innen können sicherlich noch als »Kulturkatholiken« angesprochen werden (S. 204). Für katholisch halten sich nach einer Umfrage aus dem Jahre 2021 nur noch 56,6%, wovon die wenigsten praktizierende Katholiken sind. Etwas mehr als 40% bezeichnen sich dagegen als nicht-gläubig, atheistisch, agnostisch oder gleichgültig. Gleichzeitig gibt es aber – trotz aller Auflö­sungserscheinungen des Katholizismus – ein Revival der Volksreligiosität, die etwa an der Attraktivität von Bruderschaften, Pilgerreisen, Wallfahrten, festlichen Taufen und Kommunionen sowie Tierseg­nungen abzulesen ist (S. 232).

Interessant sind die Zahlen zu den Anhängern anderer Glaubensbekenntnisse und Religionen: die Zahl der Protestanten wird auf 1,5 Millionen geschätzt, wovon mehr als die Hälfte freikirchlich oder evangelikal ausgerichtet sein dürften. Gerade bei Einwanderern aus Lateinamerika erfreuen sich diese Richtungen großer Beliebtheit (S. 219). Orthodoxe Christen, etwa 900.00, sind vor allem die rumänischen Einwanderer (S. 223). Dem Islam zugerechnet werden etwa 2,5 Millionen Personen, die hauptsächlich aus Marokko und Algerien stammen. Die Zahl der Juden wird auf etwa 65.000 geschätzt, wovon 45.000 organisiert sind.

Lagerdenken und die Polarisierung finden sich auch bei der Religionspolitik: Nach Delgado wird in keinem anderen Land Europas »um die Laizität des Staates so intensiv und ideologisch gestritten wie eben in Spanien seit der Wahl Zapateros im Frühjahr 2004« (S. 213). Dieser (in Anführungszei­chen) »ideologische Bürgerkrieg« werde erst zu Ende sein, wenn einerseits »die Kirche die von ihr 1975 selbst erwünschten Bedingungen der Moderne restlos akzeptiert« und andererseits die Laizis­ten »jede kulturkämpferische Attitüde des 19. Jahrhunderts endgültig hinter sich lassen« (S. 235).

4.5 Migration

Das Thema Migration wird von dem ausgewiesenen Spezialisten Axel Kreienbrink faktenreich und umsichtig behandelt. Zu begrüßen ist dabei, dass er das Thema nicht auf Asyl und illegale Migrati­on begrenzt, sondern Zu- und Abwanderung insgesamt adressiert. Eine gewisse Orientierung geben die folgenden Zahlen: Im Jahr 2019 erreichte die Zuwanderung nach Spanien einen Rekordwert von 750.000 Personen (S. 249). Insgesamt lag die Zahl der ausländischen Bevölkerung Spaniens Anfang 2020 bei 5,43 Millionen, was bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 47,33 Millionen einem Anteil von 11,5 % entspricht. Zählt man alle in Spanien lebenden Menschen, die nicht in Spanien geboren wurden, erhöht sich dieser Anteil sogar auf 15%.

Von den 5,43 Millionen stammten 34,6% aus der EU (40,1% Europa gesamt), 27,2% aus La­teinamerika (28,6% Amerika gesamt), 22% aus Afrika und 9,2% aus Asien. Die zehn wichtigsten Herkunftsländer waren Marokko (15,9%), Rumänien (12,3%), Kolumbien (5,0%), Vereinigtes Kö­nigreich (4,8%), Italien (4,6%), China (4,3%), Venezuela (3,5%), Ecuador (2,4%), Bulgarien (2,3%) und Honduras (2,2%) (S. 250).

Erst ab 2020 wurden Asyl und illegale Migration zum Problem (S. 245ff.). Hatte es 2015 nur 15.000 Asylanträge gegeben, waren es 2019 bereits 118.000 Anträge, von denen 81% von Lateinamerika­ner:innen (insbesondere aus Venezuela, Kolumbien und Mittelamerika) gestellt wurden. Dreiviertel dieser Anträge wurden abgelehnt, was aber in vielen Fällen nicht bedeutete, dass ein Bleiberecht verwehrt wurde. Die illegale Migration über das Mittelmeer, Ceuta, Melilla und die kanarischen In­seln wird für das Jahr 2016 auf 64.000 Personen beziffert. Davon kam ein Fünftel aus Marokko. Durch Kooperationsabkommen mit Marokko ging dieser Anteil bis 2019 auf die Hälfte zurück.

Die gute Botschaft lautet: Nationale wie internationale Umfragen der letzten drei Jahrzehnte haben für Spanien im Unterschied zu anderen EU-Staaten »eine positive, tolerante Sicht auf Einwanderin­nen und Einwanderer« ausgemacht. Bemerkenswert ist weiterhin, dass die Neigung zur Polarisie­rung diesen Politikbereich auf Ebene der Regierungspraxis bislang aussparte. Kreienbrink stellt für die Jahre 2008-2020 insgesamt eine weitgehende Kontinuität bei den politischen und rechtlichen Maßnahmen fest, unabhängig davon, welche Partei die Regierung bildete. Unterschiede in Einzelpunkten schließt das nicht aus. Und selbst für die sich rassistisch-fremdenfeindlich äußern­de und vor allem gegen Muslime aus arabischen Ländern polemisierende Partei Vox, gehört das Thema bislang nicht zum »Markenkern« (S. 261). Die Gefahr, dass über das Agieren von Vox auch dieses Politikfeld polarisiert wird, ist allerdings nicht zu übersehen.

5. Nationalismen in Spanien

5.1 Spanischer Nationalismus

Fragen des Nationalgefühls und nationaler Bewegungen bilden ein weiteres Kapitel des bewegten Spaniens, auf das im Folgenden eingegangen wird. Xosé Manoel Núñez Seixas befasst sich mit dem spanischen Nationalismus. Anders als sich vermuten ließe, meint er damit nicht nur den zentra­listischen, neo-franquistischen, anti-separatistischen, illiberalen Nationalismus, der zuerst in der Re­gierungszeit von Aznar verstärkt auftrat und heute paradigmatisch von der Partei Vox vertreten wird. Für Núñez Seixas kennzeichnet alle spanisch patriotisch nationalistischen Positionen, dass sie »die Verfassung von 1978 als die legitime Basis für den Erhalt der politischen und territorialen Einheit Spaniens« ansehen (S. 308) und den Artikel 2 der Verfassung zur territorialen Staatsstruktur nicht in Frage stellen. Der Artikel spricht von der »unauflöslichen Einheit der spanischen Nation als ge­meinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier« (zitiert nach Maihold in diesem Band, S. 22).

Vereinfacht darf man die Auffassung von Núñez Seixas wohl so verstehen, dass im spanischen staatsnationalistischen Diskurs für Separation und Sezession kein Platz ist. Unter dieser Prämisse sind dann durchaus verschiedene Konzepte entstanden, wie Vielfalt und Einheit zusammenzubrin­gen wären, etwa in Formeln wie »Nation aus Nationen«, »Land aus Ländern«, »vielfältiges Spani­en«, aber letztlich, so das Fazit, fehle es immer noch an einer tragfähigen Formel und an einfallsrei­chen theoretischen und politischen Lösungen (S. 326f.). Welche Lösung der Autor selbst favorisieren würde, bleibt offen. Wichtig festzuhalten ist auf jeden Fall der folgende Befund: »[…] im Alltag sind die friedliche Koexistenz und das Zusammenleben von Personen mit unterschiedlichen regionalen und sprachlichen Hintergründen die Regel« (S. 316) und in der Regel gibt es heute keinen »wirkli­chen Konflikt zwischen ‚ethnischen‘ Gruppen, auch nicht zwischen ‚einheimischen‘ Spaniern und nicht-europäischen Einwanderern« (ebd.).

5.2 Katalanischer Nationalismus und Katalonienkonflikt

Carlos Collado Seidel stellt die Frage, die Viele teilen werden, die auf den Katalonienkonflikt schauen: »Wieso strebt eine hoch industrialisierte Region, die im Rahmen einer demokratischen Verfassung über weitgehende Autonomie verfügt, mit derartiger Vehemenz in die Unabhängigkeit?« (S. 99). Detailliert und in gut nachvollziehbarer Weise zeichnet Collado Seidel den Konflikt zwi­schen Katalonien als Teil der spanischen Nation und Katalonien als eigener Nation nach ‒ von den Anfängen bis zu seiner permanenten Zuspitzung ab 2000 und insbesondere von 2010 bis 2017, dem Jahr des gescheiterten Sezessionsversuchs, dem eine gewisse Ernüchterung und Beruhigung folgte. Am Ende steht bei Collado Seidel die Annahme, dass der Konflikt nicht einfach rational zu lösen ist, da das spanische und das katalanische Nationsverständnis nicht vereinbar seien: »Aus spani­scher Perspektive ist Katalonien ein integraler Bestandteil der spanischen Nation, während aus kata­lanischer Sicht ein eigener, hiervon losgelöster nationaler Bezugsrahmen sehr wohl existiert« (127f.). Dazu kommt, dass Nationalismen sich »vor allem aus Emotionen und Projektionen« spei­sen und »damit rational nicht zu fassen sind« (ebd).

Dem möchte der Rezensent hinzufügen, dass die zitierte katalanische Sicht in ihrer separatistischen Variante ‒ nach den Zahlen, die bekannt sind ‒, nicht von der Mehrheit der in Katalonien lebenden Bevölkerung geteilt wird. 1976, im ersten Jahr nach Francos Tod, sprachen sich Umfragen zufolge nur zwei Prozent der Katalanen für die Unabhängigkeit aus, im Jahr 2006 erst 14% (Zahlen nach B. Aschmann: Beziehungskrisen, 2021 und M. Clua i Fainé: Identidad y política en Cataluña, 2014). Die als relativ hoch angenommene Zustimmung zur Option einer Abspaltung ab 2013 ist mithin kein natürliches Faktum, sondern das Ergebnis eines politischen und sozialen Prozesses (mit einer langen Vorgeschichte). Das Hochkochen nationalistischer Emotionen in Katalonien hat schon meh­rere Konjunkturen erlebt. Die jüngste Konjunktur und Krise sollte nicht allein auf rational nicht zu fassende Emotionen zurückgeführt werden, wenngleich diese für ihre Dynamik wesentlich waren. Denn die Zuspitzung hing nicht zuletzt vom Kalkül und Agieren bestimmter politischer Akteure auf gesamtstaatlicher und katalanischer Ebene ab, denen an politischer Polarisierung gelegen war. Von der Verschwörung der verantwortungslosen Verantwortlichen sprach der Kolumnist und Schriftstel­ler Jordi Amat in diesem Zusammenhang (vgl. seinen Essay »La conjura de los irresponsables«, 2018). Auch das gehört zur Antwort auf die von Collado Seidel eingangs gestellte Wieso-Frage dazu.

5.3 Baskischer Nationalismus und das Ende des ETA-Terrorismus

Den Fall des baskischen Nationalismus von 2005 bis 2021 behandelt Ludger Mees ausführlich und mit großer Sachkenntnis. Hier wird nur ein Punkt herausgegriffen: das definitive Ende des ETA-Terrorismus nach einem halben Jahrhundert politisch motivierter Gewalt. Es ist interessant, dass für das Ende der Gewalt nach Ansicht von Mees eine Persönlichkeit von besonderer Bedeutung war: Arnaldo Otegi, der heutige Koordinator des linksnationalistischen Parteienverbands EH Bildu. Ihm wird wesentlich das Verdienst zugeschrieben, einen Wandel im Denken der radikalen baskischen Nationalisten bewirkt zu haben mittels eines Narrativs, wonach die Basken den nationalistischen Zielen nicht näher kämen, solange ETA aktiv sei. Stattdessen wäre eine breit gefächerte demokrati­sche Mobilisierung für die baskischen Freiheitsrechte nötig. Das beinhaltete die unmissverständli­che Botschaft an die ETA sich aufzulösen: »Der induzierte Selbstmord ermöglichte den ETA-Para­militärs wenigstens, öffentlich das von Otegi angebotene Narrativ vom einseitig beschlossenen Rü­ckzug als letzten, selbstlosen Beitrag zum Kampf des baskischen Volkes zu inszenieren« (158f.). Der Philosoph Fernando Savater, der selbst Morddrohungen der ETA bekommen hatte, konnte die­ser Inszenierung wenig abgewinnen: »Ohne unter der Kapuze zu zucken, versichern sie uns, durch den bewaffneten Kampf hätten wir den glücklichen Augenblick erreicht, da wir auf den bewaffneten Kampf verzichten können« (zitiert in Ingendaay in diesem Band S. 558). Dennoch war es, nach Mees, überhaupt nur vermittels dieses Narrativs möglich, die Spirale der Gewalt zu stoppen und eine Ausfahrt aus dem Labyrinth, so die Formulierung im Titel seines Beitrags, zu finden.

Um den langen Lebenszyklus der ETA zu verstehen, ist der Hinweis darauf, dass sich ein bedeuten­der Sektor der baskischen Gesellschaft – aktiv oder passiv – an der Legitimation der ETA-Gewalt beteiligte, wichtig. »ETA waren nicht nur die Kommandos, sondern auch die willigen Mitläufer. Dieses Phänomen muss einer der zentralen Themen bei jedem Versuch der Vergangenheitsaufarbei­tung und -bewältigung sein« (S. 164). Damit einher geht die Aufgabe zu verstehen, was dieser über Jahrzehnte sozial mitgetragene Terrorismus für die baskische Gesellschaft im Alltag bedeutet hat. In dem Roman »Patria« von Fernando Aramburu (2016; auf Deutsch 2018) finden sich die Lebensver­hältnisse jener Jahre im Baskenland plastisch und exemplarisch verarbeitet. Genau diesem Roman und seiner Bedeutung für die Debatten um ETA und den Terrorismus in Spanien ist der Beitrag von Paul Ingendaay im vorliegenden Band gewidmet (S. 541-561).

6. Fazit

6.1 Das Spanienbild des Bandes

Die Beiträge des Bandes fördern einerseits ein Spanienbild zu Tage, das durch wirtschaftliche und politische Sackgassen und Fehlentwicklungen, durch Krisen, Konflikte und Polarisierung gekenn­zeichnet ist. Ein besonders dunkler Fleck ist darin die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Dem steht auf der helleren Seite ein bewegtes, vielstimmiges Spanien gegenüber, das von den nationalen, regiona­len und kommunalen Protestbewegungen, die in der Krise von 2008 aufkamen, über die Frauen-, LGTBIQ- und ARMH-Bewegung bis zur Bewegung des España vaciada reicht.Viele zivilgesell­schaftliche Anliegen fanden Eingang in eine Reihe liberaler Gesetze nach 2004. Positiv zu bewerten ist außerdem die derzeitige Abwesenheit von Gewalt im Baskenland und in Katalonien und die Be­ruhigung der jeweiligen Konflikte. Besonders hervorhebenswert und ein Glanzlicht im Spanienbild ist nach Meinung des Rezensenten, dass bei allen Konflikten und bei aller Polarisierung auf der po­litischen Ebene, »im Alltag die friedliche Koexistenz und das Zusammenleben von Personen mit unterschiedlichen regionalen und sprachlichen Hintergründen die Regel« sind (S. 316).

6.2 Der Band »Spanien heute« – ein Resümee

In dem Sammelband werden viele Fragen zur Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Spaniens nüch­tern und kompetent abgehandelt. Übergreifend gilt, dass die Autorinnen und Autoren erfreulicher­weise stets auch die politische Dimension ihres Gegenstandes im Auge haben, selbst bei Themen wie Tourismus, Religion, Sport oder Literatur. Insgesamt kann von einer wissenschaftlich abgesi­cherten, problemorientierten, kritischen Sicht auf Spanien im Jahr 2022 gesprochen werden. Wer sich tiefer gehend über die spanischen Verhältnisse themenspezifisch oder generell informieren möchte, bekommt mit dem vorliegenden Sammelband eine ausgezeichnete Grundlage.

Wünsche der Art, dass manche Themen hätten eingehender behandelt werden sollen (z.B. die West­sahara-Frage) oder weitere Themen noch in den Band gehört hätten (z.B. die sozialen Sicherungs­systeme oder das Bildungssystem) stehen jedem frei. Angesichts der Grenzen eines solchen Sammelbandes, versteht es sich allerdings von selbst, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Insistieren würde der Rezensent nur in einem Punkt. Insgesamt wäre, über den hervorragenden Beitrag von Sabine Tzschaschel zur Landnutzung hinaus, noch weit mehr Aufmerksamkeit für das Themenfeld Nachhaltigkeit, Klimawandel, Umweltbewe­gung und Umweltpolitik, Energiewende und Energiepolitik (samt Atomausstieg) zu wünschen ge­wesen. In der nächsten Auflage von »Spanien heute« wird diesen Themen mehr Raum gegeben werden müssen. Ein weiterer Wunsch für die nächste Auflage wäre, die Autor:innen zu ermuntern, wo immer möglich, Vergleiche mit der jeweiligen Situation in anderen Ländern, besonders aber mit Deutschland, anzustellen. Denn das Verstehen anderer Verhältnisse wird durch den Vergleich mit Bekanntem entscheidend erleichtert und oft erst möglich.


Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel (Hgg.): Spanien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur. 6., vollständig neu bearbeitete Auflage. Verlag Klaus Dieter Vervuert: Frankfurt am Main 2022; ISBN: 978-3-96869-280-7

Das Buch ist beim Verlag auch im Epub-Format erhältlich.



Birgit Aschmann: Beziehungskrisen. Eine Emotionsgeschichte des katalanischen Separatismus ― Crisis de relaciones. Una historia emocional del separatismo catalán


Un libro de fácil comprensión sobre un problema difícil de comprender

Reseña de Knud Böhle (Spanienecho de 19.10.2021), traducción de Pascual Riesco Chueca (Spanienecho de 29.09.2022)

Entender a los catalanistas

Para quienes, de forma desprejuiciada, se interesan en Alemania por la política, no resulta fácil entender el nacionalismo catalán y su objetivo de fundar un nuevo estado nacional segregándose de España. Sobre la comprensión de lo foráneo pesa una dificultad añadida, el hecho de que en Alemania no existe actualmente ningún problema real de nacionalidades ni hay movimientos independentistas. De ahí la ausencia en Alemania de partidos políticos relevantes que pongan en cuestión los fundamentos de la constitución y, con ello, la estructura del estado. El texto publicado por la editorial Wallstein de la historiadora Birgit Aschmann, profesora en la Universidad Humboldt de Berlín, se propone hacer accesible a un público amplio el nacionalismo catalán y, específicamente, su radicalización como movimiento independentista a partir de aproximadamente 2010.

La increíble curva de crecimiento del separatismo catalán

En 1976, el primer año tras la muerte de Franco, solo un dos por ciento de los catalanes apoyaban la independencia (cf. p. 159). En el referéndum constitucional de 1978, que otorgó a nacionalidades y regiones el derecho a la autonomía, participó el 68 % de los catalanes y de ellos 90,5 % votaron a favor de la nueva constitución. Cuatro décadas más tarde, el panorama es radicalmente diferente: el presidente de gobierno de la comunidad autónoma de Cataluña, Carles Puigdemont, anunció el 10 de octubre de 2017: «Cataluña se constituye en un estado independiente en forma de república» (cf. p. 230). Es cierto que, segundos más tarde, esta declaración unilateral de independencia quedó suspendida. Pero el 27 de octubre del mismo año fue sometida a votación la declaración de independencia en el parlamento autonómico catalán, la Generalitat. La mayoría de los diputados, por entonces en manos de los separatistas, era favorable: del total de 135 diputados en el parlamento, 72 eran independentistas. En la votación celebrada el 27 de octubre, hubo 70 votos válidos pro independencia.

El proceso constitucional de un nuevo estado nacional, la República Catalana, previsto tras esta declaración unilateral de independencia, no llegó a activarse de facto. El mismo día, el gobierno catalán fue depuesto, el parlamento fue disuelto y se estableció una administración judicial basada en el artículo 155 de la constitución española. Paralelamente, se convocaron nuevas elecciones para la comunidad autónoma. Pocos días después se dictaron órdenes de detención para los principales protagonistas del movimiento independentista. Tras las elecciones del 21 de diciembre de 2017 hubo que esperar al 14 de mayo de 2018 para que se formara un nuevo gobierno en Cataluña y concluyera la administración judicial.

En aquellas fechas los partidos favorables a la independencia de Cataluña tenían una ajustada mayoría en el parlamento catalán. Ello no significa automáticamente que contaran con el respaldo de una mayoría de la población. El sistema de voto y la participación electoral deben ser tenidos en cuenta para interpretar los datos. En 2017, una mayoría separatista de escaños no se correspondía con una mayoría de votos.

A tenor de los resultados hubiera podido establecerse tras las últimas elecciones del 14 de febrero de 2021 una coalición de gobierno izquierdista, específicamente socialdemócrata. Pero ello iba contra los intereses de la mayoría separatista en el parlamento, que se aferraba al proyecto político de la independencia. En el seno de los partidos de gobierno coexistían entonces distintas opiniones sobre cómo acceder al objetivo de la independencia de Cataluña, a corto plazo o más bien a medio y largo plazo; y sobre la cuestión de si la declaración unilateral de independencia seguía siendo una opción política. Parecían existir también entre los nacionalistas catalanes separatistas no genuinos, para quienes la petición de independencia era un medio estratético para forzar al estado central a sentarse a la mesa, consiguiendo un estatus especial y ventajoso para Cataluña dentro del estado autonómico.

Desde el punto de vista jurídico se distingue a veces entre separación y secesión, consistiendo la primera en una aceptación por parte del estado central de la escisión (por ejemplo, a raíz de un referéndum legal), mientras que la segunda implica la no aceptación por el estado central de la división, como es el caso en la declaración unilateral de independencia de Cataluña en 2017. Por añadidura, un estado nuevo originado por el segundo tipo de escisión tendría comparativamente pocas oportunidades de conseguir el reconocimiento internacional.

El dinamismo del procés visto a través de la historia de las emociones

La pregunta central del libro es cómo pudo pasarse de un catalanismo político relativamente poco virulento, al menos hasta el año 2006, a este inverosímil robustecimiento del nacionalismo catalán. ¿Cómo pudo ocurrir que la construcción y profundización de la autonomía (autonomismo) dejara de ser el objetivo compartido por amplios sectores del catalanismo político, para ceder su lugar a un nuevo horizonte de expectativas, la separación de España y la fundación de un estado propio?

Para entender mejor la dinámica del procés, se esfuerza Aschmann en seguir los giros y mutaciones del catalanismo político desde sus comienzos hasta la actual situación a finales de 2020. Lo peculiar de su análisis, también si se compara con los numerosos estudios españoles acerca del procés, es la perspectiva de su investigación, centrada en la historia de las emociones (cf. pp. 15 y 160). Consecuentemente, su atención se dirige a fenómenos como la política emocional entendida como medio de dominación e instrumento de poder, a la lógica inherente a las emociones, y a la dialéctica entre construcción emocional de la comunidad y exclusión social. En la dinámica del proceso juegan un papel destacado las expectativas, decepciones, temores e ira, indignación y resentimientos.

El reciente nacionalismo catalán es percibido pues, no como un peculiar movimiento territorial, socialmente singular, sino que es puesto en el contexto más amplio de una cultura de las emociones que en las dos últimas décadas registra una apreciable transformación, caracterizada por una creciente intensificación emocional de política y sociedad. Esta transformación es entendida ―remitiendo al sociólogo An­dreas Reckwitz ― como signo de la modernidad tardía, vinculándola a fenómenos como el nacionalismo y populismo en auge, los movimientos sociales de la indignación, y la activación social en torno a cuestiones de identidad ―y en particular, también de identidades colectivas―. También desde otro punto de vista, el nacionalismo periférico catalán rehuye actuar en solitario, observando a otros nacionalismos periféricos y aspiraciones separatistas fuera de su territorio y manteniendo contacto con ellos. En España, la referencia principal es sin duda la trayectoria del País Vasco (cf. pp. 194 ss.).

El catalanismo desde sus comienzos en el siglo xix hasta el fin del franquismo

Tras la introducción, con la explicación del procedimiento y los interrogantes planteados, se procede a tratar la historia y, con ella, la historia emocional del catalanismo de forma cronológica en tres capítulos (véase al respecto el detalle del índice de contenidos en alemán). Es característico del siglo xix un regionalismo de doble identidad y la coexistencia de comunidades emocionales (capítulo II). El capítulo III describe la emergencia del nacionalismo catalán a partir de 1898 en el contexto de la historia de España y Cataluña hasta la muerte en 1975 de Franco. Este periodo comprende la monarquía hasta la dictadura de Primo de Rivera, la dictadura de Primo (1923-1930), la etapa de la segunda república y la guerra civil (1931-1939) y, por último, el largo tiempo de la dictadura de Franco, hasta 1975. Se explica cómo el nacionalismo centralista español durante ambas dictaduras no consiguió sofocar el nacionalismo periférico catalán, sino que incluso lo reforzó indirectamente. Aschmann habla de la dialéctica entre las exigencias autonómicas catalanas y el nacionalismo español (p. 68). Incluso hoy día puede detectarse una especie de acaloramiento nacionalista.

Es verdad que al comienzo de los años de la república se proclamó una república catalana «dentro de la Federación de Repúblicas Ibéricas» (1931), proclamación que fue retirada tres días más tarde; en 1934 se constituyó un estado catalán «dentro de la República Federal Española», abolido por la fuerza diez horas más tarde. Pero ninguno de los dos avances en la dirección federal llegaron a realizarse; fueron de corta duración y debidos a circunstancias históricas muy especiales. De hecho, durante la segunda república se alcanzó un estatuto de autonomía para Cataluña. A esta línea pudo darse continuidad en 1975.

Durante el franquismo se consolidó en el seno del catalanismo, según la autora, «la fuerza hegemónica del catalanismo católico», opuesto a la dictadura y unificador de los catalanes (p. 101). Es destacable también la creación de robustas organizaciones de la sociedad civil como Crist y Catalunya (1954) u Òmnium Cultural (1961) ya en tiempos de la dictadura (cf. pp. 103, 107).

El catalanismo en la democracia, 1975 a 2010: autonomismo y nation-building

En el periodo 1975-2009 (capítulo IV) tuvo lugar la aprobación de la constitución (1978) y la edificación del estado autonómico español (véase al respecto la discusión sobre derecho constitucional, reseñada en Spanienecho, en el libro de Aschmann y Waldhoff). En la comunidad autónoma de Cataluña gobernó entre 1980 y 2003 una coalición burguesa con Jordi Pujol como jefe de gobierno (presidente de la Generalitat). Hoy recibe esta era política la denominación de pujolismo, asociada a la profundización institucional de la autonomía (p. 128) en el sentido del nation-building (p. 133). Ello equivalía a una catalanización de la política lingüística, de la política mediática, de la política de educación y escuela, y, cuestión no menor, de la narrativa histórica.

Piedra angular de la revisión histórica fue la «narrativa victimista catalana», que, en su forma más abreviada se resume con las palabras de un independentista, «solo nos han dado palos» (cf. p. 187). Este punto de vista refleja el resentimiento que se nutre de repetidas derrotas (reales o imaginadas), persistentes experiencias de impotencia y la memoria activa de ello. Los rencores se combinan fácilmente con sentimientos de aversión. Para el movimiento independentista catalán fue decisiva la actualización del «resentimiento antiespañol catalán» (p. 190). Con tono moderado pero inconfundible señala Aschmann que también participaron en ello historiadores especializados: «la disposición a considerar como un hecho la opresión continuada por “España” era tanto mayor cuanto que los historiadores profesionales pusieron de su parte para hacer plausible esta tesis» (p. 187).

En 2003 sucedió a la alianza de partidos burgueses dirigidos por Pujol una coalición de izquierdas liderada por el socialista Pasqual Maragall, del PSC (Partit dels Socialistes de Catalunya). Un objetivo de este gobierno fue alcanzar un nuevo estatuto de autonomía para Cataluña en el que, entre otras cosas, Cataluña había de ser reconocida como «nación». Con ello, como expresa con cautela Asch­mann, «se tocaban ámbitos sumamente delicados de la constitución española» (p. 151).

Dado que no hubo examen preliminar sobre la constitucionalidad del estatuto de autonomía en proceso, este estatuto pudo ser aceptado en las Cortes españolas, aunque con considerables modificaciones del texto, y tras un referéndum favorable en Cataluña, entró en vigor en 2006. Seguidamente fue recurrido ante el Tribunal Constitucional por distintas instancias, destacadamente el principal partido de la oposición, el conservador Partido Popular. La decisión del alto tribunal se retrasó hasta 2010. Algunos artículos y disposiciones del estatuto fueron considerados contrarios a la Constitución. «El fracaso del intento de atribuir a Cataluña oficialmente el estatuto de “nación” fue el desencadenante de un giro político radical» (p. 160). A partir de entonces se constató un acelerado crecimiento del número de personas favorables a la independencia.

El catalanismo en democracia a partir de 2010: el procés, hijo de la indignación

Especialmente a partir de 2010 demostró la sociedad civil catalana su extraordinaria capacidad organizativa, su potencial movilizador y su llamativa creatividad. Un ingrediente fueron los «plebiscitos subversivos» (p. 168) entre 2009 y 2011, en los que casi el 60 % de los municipios catalanes votaron sobre si Cataluña debía convertirse en un «estado social, independiente y democrático en el seno de la Unión Europea» (cf. ibid.). Otro elemento fueron las manifestaciones masivas que se celebraron con ocasión del día nacional catalán, la Diada (11 de septiembre), y que pusieron en las calles, visiblemente, a cientos de miles y a veces más de un millón de personas. Aschmann subraya la significación de estas acciones performativas, colectivas, cargadas de emoción, en breve, del formar parte y contribuir activamente a ellas, para el sentimiento comunitario de los nacionalistas catalanes (p. 179). Era también inherente a la creatividad del movimiento el saber reforzar la capacidad de enganche entre sectores no separatistas de la población y de la vida pública. La exigencia del «derecho a decidir» (cf. p. 168) fue apoyada por una base más amplia que lo de los puros independentistas.

De igual importancia o incluso mayor si se contempla desde la perspectiva histórico emocional fue la transformación del emotional regime. Las dos principales organizaciones de la sociedad civil, Òmnium Cultural, encabezada por Muriel Casals, y la Assemblea Nacional Catalana (ANC), de nueva creación, con Carme Forcadell en la dirección, consiguieron, según Aschmann, revolucionar el emotional regime del movimiento y alumbrar una «revolución de las sonrisas» (revolució dels somriures). «No se trata en modo alguno de un pretendido comportamiento esencialmente “femenino”, sino de una estrategia deliberada de ambas mujeres para cosechar notables ganancias para el nacionalismo catalán en términos de simpatía en el interior y en el extranjero, aprovechando una específica gestión emocional. Ello exigía una rigurosa exclusión de emociones y prácticas agresivas» (p. 174).

Fue en 2012 cuando se hizo visible el giro decisivo desde el autonomismo al separatismo y se produjo la siguiente vuelta de tuerca independentista. En esta fase fue sintomática la novedosa colaboración de las organizaciones separatistas de la sociedad civil y el gobierno regional. El presidente Artur Mas y su partido habían apoyado hasta entonces la ampliación de los derechos y competencias de la comunidad autónoma. El fracaso en las negociaciones del gobierno regional en Madrid en torno a un nuevo acuerdo fiscal que consiguiera para Cataluña unas condiciones ventajosas, análogas a las que ya el País Vasco había conquistado (cf. p. 182), suscitó en Artur Mas un cambio de perspectiva y movió al cierre de filas con las fuerzas separatistas.

Escalada e implosión del procés

La nueva fase de escalada, minuciosamente descrita por Aschmann, prosiguió tras la Diada de 2012, cuando Artur Mas anunció «estructuras de estado para Cataluña», promovió en noviembre de 2012 con Diplocat un «servicio diplomático» para Cataluña y llamó a nuevas elecciones para fin de año, que debían tener carácter plebiscitario. En otras palabras: los votantes fueron llamados a votar por los partidos separatistas, para comisionar a esta facción el mandato de emprender nuevos pasos políticos hacia la secesión.

Bastan algunos sucintos indicios para evidenciar que el procés se encontraba ya por entonces en plena eclosión. Se iban emprendiendo más y más acciones difíciles o imposibles de armonizar con la constitución española: en 2013 proclamó el parlamento autonómico la soberanía del pueblo catalán; en 2014 tuvo lugar una consulta no vinculante (una especie de sucedáneo de referéndum de independencia); en 2015 se volvieron a celebrar elecciones de carácter plebiscitario; en junio de 2016 se decidió organizar ahora un referéndum vinculante sobre independencia; en septiembre de 2017 siguieron leyes preparatorias de la independencia; y en octubre de 2017 se llegó al referéndum y la proclamación de la república catalana.

A continuación, se produjo lo que ya arriba se ha indicado. Aschmann habla de una «virtual implosión silenciosa del procés» (p. 240). El hecho de que apenas hubiera violencia y que la intervención del estado central discurriera pacíficamente puede explicarse apelando al régimen emocional, al que iba aparejada de forma muy decisiva la no violencia, pero también a que los separatistas carecían de nociones precisas sobre los pasos y procedimientos ulteriores al momento de la declaración de independencia (cf. p. 241).

A ello se añade que también el gobierno central (tras su intervención violenta el día del referéndum del 2 de octubre) había aprendido que las fotos difundidas en los medios internacionales de policías dando golpes dañaban su imagen. Aschmann sugiere que las cosas pudieran haber sucedido de otro modo: «Era del todo desconocido qué hubiera pasado si en esta situación cargada de tensión se produjera el encontronazo entre elementos catalanes y españoles dispuestos a la violencia» (p. 242).

Resumen y observaciones finales

La autora proporciona en 250 páginas la mejor presentación hasta la fecha del catalanismo político desde sus comienzos hasta 2020 (para un público alemán). El tono es objetivo, la exposición concisa y el lenguaje pegadizo. La metodología elegida, basada en la historia emocional, demuestra cualidades como hilo conductor a lo largo del sucederse dinámico del procés. Parece también adecuada para llegar a un público amplio.

Como resultado, se ofrece una visión crítica, desde distintos ángulos, del movimiento independentista. Desde el punto de vista jurídico parecen problemáticas las vulneraciones separatistas del articulado de la constitución de 1978, así como el desacato de decisiones del tribunal constitucional. En cuanto a la objetividad, la reelaboración separatista de la narrativa de la historia hispanocatalana es problemática porque en muchos de sus puntos no puede comprobarse científicamente.

Han de añadirse dos notas críticas sobre la visión acerca de la democracia de los separatistas, que se consideraban a sí mismos ejemplarmente democráticos. Por un lado, Aschmann censura la falta de respeto de los separatistas hacia las reglas de juego del parlamento catalán (en particular durante la fase acalorada del procés, 2016 / 2017). Por otro lado, alude al déficit democrático del movimiento, que estriba en que los partidos separatistas, sobre la base de una exigua mayoría de escaños en el parlamento autonómico, se sentían autorizados a decidir unilateralmente en nombre de todos los catalanes (y todos los españoles) en una cuestión tan fundamental y tan decisiva para el futuro.

Un análisis histórico emocional, como el que aquí se dedica al procés, debe ser consciente del riesgo de atribuir especulativamente sentimientos que apenas pueden demostrarse empíricamente. Para el periodismo político, esto no es un problema, pero para la ciencia puede llegar a serlo. Un ejemplo: ¿qué sentimientos se apoderaron de Carles Puigdemont el día anterior al voto sobre la declaración de independencia del 27 de octubre de 2017? Según la autora «podrían haberse instalado en Puigdemont una confrontación entre miedos: el miedo a las consecuencias políticas, sociales y económicas de la independencia se enfrentaba al miedo ante el propio final de su carrera política y el desasosiego por la posible difamación de su persona» (p. 235). Ello es posible, pero lo desconocemos. Cabe añadir que la etiqueta de sentimiento elegida, «miedo», contiene también una componente de sugestión. En términos de enunciado (el miedo a las consecuencias de la independencia) podría también haberse elegido la expresión «sentimiento de responsabilidad», lo cual hubiera sonado diferente. Posiblemente, para tratar del procés y sus protagonistas, la responsabilidad sería la categoría políticamente más productiva.

Se puede dar por alcanzado el objetivo del estudio, de enfoque preciso, «analizar la lógica propia de las emociones, y consecuentemente entender lo sucedido, al menos retrospectivamente» (p. 15). Pero al mismo tiempo, ha sido la exitosa exploración de los mecanismos de escalada lo que despierta el deseo de comprender mejor y de otra manera aquello que caracteriza y motiva social, política y económicamente a las personas que se comprometieron con el movimiento independentista. Este desiderátum puede cifrarse para terminar en dos bloques de preguntas. Uno aborda el «resentimiento antiespañol»; el otro, los factores sociales que dieron un giro favorable a la causa catalanista.

En el libro se introduce el «resentimiento antiespañol» y el odio que se alimenta de él. Quedan en el aire las preguntas: ¿contra quién se dirige realmente este odio? ¿contra el gobierno central en Madrid en aquellas fechas? ¿contra cualquier gobierno en Madrid? ¿contra el sistema político? ¿contra los procedentes de otras partes de España que viven en Cataluña y que desean ser a la vez catalanes y españoles? ¿está confinado el resentimiento en los planos retórico-discursivos o se manifiesta en la vida cotidiana a través de prácticas en consonancia? ¿puede demostrarse la discriminación (presunta o real) de los no separatistas por los catalanistas en el día a día? Y, dicho de otra manera, ¿cómo se plasma en la vida cotidiana la opresión (presunta o real) de los catalanes, específicamente de los separatistas, a manos del estado central?

Este bloque de preguntas, que sondea la vida cotidiana de Cataluña, requiere investigaciones empíricas, así como el segundo bloque de preguntas, que apunta al sustrato social y los intereses de los agentes. ¿A qué círculos de personas seduce el separatismo, y a que intereses económicos va ligado? Aschmann da unas indicaciones iniciales sobre dónde es fuerte el movimiento independentista: algunos bastiones urbanos como Gerona en el nordeste catalán, y municipios del interior (cf. p. 169). Sería deseable dar pasos adicionales para describir la estructura del movimiento atendiendo a distribución de edades, nivel educativo, ingresos y posición social. ¿El catalanismo radical es más bien un fenómeno de clase media, o un movimiento transversal que se nutre de todas las capas sociales? ¿cuál es la caracterización social de los que no votan a los partidos separatistas o de los que se abstienen? ¿cuál es la actitud de las elites económicas y las familias catalanas hegemónicas ante el procés y cómo influyen sobre él? Tales cuestiones, es verdad, no recaen en principio en la órbita de la ciencia histórica, sino en la de otras ciencias sociales y el buen periodismo. Si ya existen investigaciones en esta línea en España, y en particular en Cataluña, sería de extraordinaria oportunidad dar a conocer también entre el público alemán sus resultados.

El procés no ha concluido. Lo que demuestra de forma impresionante el trabajo de Birgit Aschmann y lo que debe tenerse en cuenta para el futuro del conflicto es que pueden ocurrir muchas cosas y ni siquiera lo inverosímil puede ser descartado.


Birgit Aschmann: Beziehungskrisen. Eine Emotionsgeschichte des katalanischen Separatismus. Göttingen: Wallstein-Verlag 2021; ISBN 978-3-8353-3840-1

[Birgit Aschmann: Crisis de relaciones. Una historia emocional del separatismo catalán. Gotinga: Wallstein-Verlag 2021; ISBN 978-3-8353-3840-1]

El texto puede conseguirse en la editorial también como e-book en formato pdf.

Birgit Aschmann: Beziehungskrisen. Eine Emotionsgeschichte des katalanischen Separatismus

Ein gut verständliches Buch über einen schwer verständlichen Prozess

Rezension von Knud Böhle

Katalanisten verstehen

Für den unvoreingenommenen politisch Interessierten in Deutschland ist der katalanische Nationa­lismus und sein Ziel, einen neuen Nationalstaat durch Abspaltung von Spanien zu gründen, nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen. Das Fremdverstehen ist dadurch erschwert, dass es in Deutschland derzeit kein nennenswertes Nationalitätenproblem und keine Unabhängigkeitsbewegung gibt. Dazu kommt, dass es auch keine relevante politische Partei gibt, die das Grundgesetz und mithin die fö­derale Struktur der Bundesrepublik oder die Staatsform grundsätzlich in Frage stellte. Die im Wall­stein Verlag erschienene Schrift der an der Humboldt Universität lehrenden Historikerin Birgit Asch­mann verspricht, den katalanischen Nationalismus und besonders seine Radikalisierung als Unab­hängigkeitsbewegung, etwa seit 2010, einer breiteren Öffentlichkeit zu erschließen.

Die unglaubliche Wachstumskurve des katalanischen Separatismus

1976, im ersten Jahr nach Francos Tod, sprachen sich nur zwei Prozent der Katalanen für die Unabhängigkeit aus (vgl. S. 159). Im Referendum über die Verfassung von 1978, die das Recht auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen festschrieb, stimmten (bei einer Wahlbeteiligung von 68 Prozent) 90,5 Prozent der Katalanen für diese Verfassung. Vier Jahrzehnte später zeigte sich ein völlig verändertes Bild: Der Präsident der Regierung der autonomen Region Katalonien Carles Puigdemont verkündete am 10. Oktober 2017: «Katalonien konstituiert sich als unabhängiger Staat in Form einer Republik» (vgl. S. 230). Sekunden später wurde diese einseitige Unabhängigkeitserklärung zwar ausgesetzt. Aber am 27. Oktober 2017 wurde dann über die Unabhängigkeitserklärung im katalanischen Regionalparlament, der Generalitat, abgestimmt. Die zu dem Zeitpunkt pro-separatistische Mehrheit der Abgeordneten stimmte dafür. Von den 135 Abgeordneten des katalanischen Parlaments galten 72 als Unabhängigkeitsbefürworter. Bei der Abstimmung am 27. Oktober wurden 70 gültige Stimmen pro Unabhängigkeit abgegeben.

Der nach dieser einseitigen Unabhängigkeitserklärung vorgesehene Konstitutionsprozess eines neuen Nationalstaats, der katalani­schen Republik, kam de facto nicht in Gang. Noch am selben Tag wurde die katalanische Regierung abgesetzt, das Parlament aufgelöst, und eine Zwangsverwaltung gemäß § 155 der spanischen Verfas­sung trat in Kraft. Außerdem wurden Neuwahlen in der autonomen Region anberaumt. Haftbefehle gegen hochrangige Protagonisten der Unabhängig­keitsbewegung wurden wenige Tage später erlassen. Nach der Wahl am 21. Dezember 2017 dauerte es bis zum 14. Mai 2018 bis eine neue Regierung in Katalonien gebildet wurde und die Zwangsverwaltung endete.

Damals wie heute haben die Parteien, die für eine Unabhängigkeit Kataloniens eintreten, eine knap­pe Sitzmehrheit im katalanischen Parlament. Das bedeutet nicht automatisch, dass sie die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich haben. Das Wahlsystem und die Wahlbeteiligung wären für eine korrekte Beurteilung einzubeziehen. Im Jahr 2017 entsprach die Mehrheit der Sitze der separatistischen Parteien keiner Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Rechnerisch wäre nach der letzten Wahl (14. Februar 2021) eine linke (sinngemäß: sozialdemokratische) Koalitionsregierung möglich gewesen. Dem stand jedoch das In­teresse der separatistischen Mehrheit im Parlament entgegen, die am politischen Projekt der Unabhängigkeit fest­hielt. Innerhalb der Regierungsparteien gibt es derzeit unterschiedliche Auffassungen, ob das Ziel, die Unabhängigkeit Kataloniens zu erreichen, kurzfristig oder eher mittel- bis langfris­tig anzusetzen ist, und ob eine einseitige Unabhängigkeitserklärung weiterhin als politische Option gesehen wird. Es dürfte unter den nationalistischen Katalanen außerdem auch unechte Separatisten geben, denen die Unabhängigkeitsforderung als strategisch einzusetzendes Mit­tel dient, um den Zentralstaat an den Verhandlungstisch zu zwingen und einen vorteilhaften Sonderstatus für Katalonien im föderalen spanischen Staatsgebilde zu erstreiten.

Juristisch wird manchmal zwischen Separation und Sezession unterschieden, wo­bei erstere eine Zustimmung des Gesamtstaats zur Abspaltung (etwa auf Basis eines legalen Referen­dums) voraussetzt, während die letztere die Nicht-Zustimmung des Gesamtstaates zur Abspaltung, wie bei der einseitigen Unabhängigkeitserklärung 2017 in Katalonien, in Kauf nimmt. Ein aus einer solchen Abspaltung hervorgehender Neustaat dürfte vergleichsweise geringe Chancen haben, inter­national anerkannt zu werden.

Fragestellung der Analyse und emotionsgeschichtlicher Ansatz

Die zentrale Frage des Buches ist, wie es von der relativ geringen Virulenz des politischen Katala­nismus zumindest bis zum Jahr 2006 zu diesem unwahrscheinlichen Erstarken des katalanischen Nationalismus kommen konnte. Wie konnte es dazu kommen, dass nicht mehr der Ausbau und die Vertiefung der regionalen Autonomie (Autonomismus) das Ziel weiter Teile des politischen Katalanismus blieb, son­dern die Abspaltung von Spanien und die Gründung eines eigenen Staates zum neuen Erwartungs­horizont wurde?

Um die Dynamik des Prozesses (el Procès) besser zu verstehen, verfolgt Aschmann die Wendungen und Wandlungen des politischen Katalanismus von seinen Anfängen bis zur aktuel­len Lage Ende 2020. Das Besondere an der Darstellung, auch im Unterschied zu zahlreichen spanischen Analysen des Procès, ist die emotionsgeschichtliche Perspektive ihrer Untersuchung (vgl. S. 15 und S. 160). Das Augenmerk wird folglich auf Phänomene wie die Emotionspolitik als Herrschaftsmittel und Machtinstrument, auf die Eigenlogik von Emotionen und die Dialektik von emotionaler Gemeinschaftsbildung und sozialer Ausgrenzung gelegt. Erwartungen, Enttäuschungen, Ängste und Wut, Empörung und Ressentiments spielen für die Dynamik des Prozesses eine große Rol­le.

Der jüngere katalanische Nationalismus wird dabei nicht als regional einzigartige, singuläre soziale Bewegung verstanden, sondern in den größeren Kontext einer in den letzten zwei Jahrzehnten weit­hin beob­achtbaren veränderten Emotionskultur gestellt, die eine stärkere Emotionalisierung von Po­litik und Gesellschaft auszeichnet. Diese Veränderung wird – mit Verweis auf den Soziologen An­dreas Reckwitz ­– als Signum der Spätmoderne begriffen, und an Phänomenen wie erstarkendem Na­tionalismus und Populismus, neuen sozialen Bewegungen der Empörung und sozialen Bewegungen entlang von Identitätsfragen – eben auch von kollektiven Identitäten – festgemacht. Auch in anderer Hinsicht operiert der periphere Nationalismus Kataloniens nicht isoliert, sondern beobachtet andere periphere Nationalismen und separatistische Bestrebungen außerhalb des Landes und ist mit diesen in Kontakt. In Spanien sind die Entwicklungen im Baskenland unbestritten die wichtigste Referenz (vgl. S. 194f.).

Katalanismus von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zum Ende des Franquismus

Im Anschluss an die Einleitung, die Ansatz und Fragestellungen der Arbeit erläutert, wird die Ge­schichte und mithin auch die Emotionsgeschichte des Katalanismus chronologisch in drei Kapiteln abgehandelt (vgl. dazu im Detail das Inhaltsverzeichnis). Für das 19. Jahrhundert wird als kennzeichnend ein Regionalismus mit doppelten Identitäten und die Ko­existenz emotionaler Gemeinschaften herausgearbeitet (Kapitel II). Das folgende Kapitel (III) be­schreibt die Formierung des katalanischen Nationalismus ab 1898 im Kontext der spanisch-katala­nischen Geschichte bis zum Tode Francos 1975. Der Zeitraum umfasst die Monarchie bis zur Dikta­tur Pri­mo de Riveras, die Diktatur Primos (1923-1930), die Zeit der Zweiten Republik und des Bür­gerkriegs (1931-1939) und schließlich die lange Zeit der Franco-Diktatur (bis 1975). Es wird aufge­zeigt, dass der zentralistische spanische Nationalismus während der beiden Diktaturen den periphe­ren katalanischen Nationalismus nicht ausschalten konnte, sondern indirekt sogar eher bestärkte. Aschmann spricht von der «Dialektik von katalanischen Autonomieansprüchen und spanischem Nationalismus» (S. 68). Eine Art nationalistisches Hochschaukeln ist auch heute zu beobachten.

In den Jahren der Republik wurde zwar gleich anfangs eine kata­lanische Republik «in der Föderation iberischer Republiken» (1931) proklamiert (und nach drei Ta­gen wieder zurückgenommen) und 1934 ein katalanischer Staat «innerhalb der föderalen spanischen Republik» ausgerufen (und zehn Stunden später gewaltsam abgeschafft). Aber beide Vorstöße in Rich­tung Föderation realisierten sich nicht, waren nicht von Dauer und sehr spezifischen historischen Um­ständen geschuldet. Tatsächlich erreicht wurde während der Zweiten Republik ein Autonomiestatut für Katalonien. Dar­an konnte nach 1975 angeknüpft werden.

Während des Franquismus entwickelte sich innerhalb des Katalanismus, so die Autorin, der gegen die Diktatur gerichtete und die Katalanen einigende «katholische Katalanismus zur hegemonialen Kraft» (S. 101). Bemerkenswert ist auch die Schaffung starker zivilgesellschaftlicher Organisatio­nen wie Crist y Catalunya (1954) oder Òmnium Cultural (1961) bereits unter der Diktatur (vgl. S. 103, S. 107).

Katalanismus in der Demokratie 1975 bis 2010: Autonomismus und nation-building

In die Zeit von 1975 bis 2009 (Kapitel IV) fielen die Verfassungsgebung (1978) und der Aufbau des spanischen Autonomiestaats (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Dis­kussionen das im Spaniene­cho besprochene Buch von Aschmann und Waldhoff). In der autonomen Gemeinschaft Katalonien regierte von 1980 bis 2003 eine bürgerliche Koalition mit Jordi Pujol als Regierungschef (Präsident der Generalitat). Als Pujolismo wird diese politischen Ära heute bezeichnet, die im Zeichen des institutionellen Ausbaus der Autonomie (S. 128) im Sinne eines nation-building (S. 133) stand. Das meint eine Katalanisie­rung der Sprachpolitik, der Me­dienpolitik, der Bildungs- und Schulpolitik, und nicht zuletzt des Geschichtsnarrativs.

Zentraler Baustein der Geschichtsrevision wurde das «katalanistische Opfernarrativ», das in seiner kürzesten Form aus dem Mund eines Unabhängigkeitsbefürworters lautet «Wir haben immer nur in die Fresse gekriegt» (vgl. S. 187). Diese Sicht spiegelt das Ressentiment, das sich aus (realen oder vermeintlichen) wiederholten Niederlagen und dauerhaften Ohnmachtserfahrun­gen und der Er­innerung daran speist. Ressentiments verbinden sich leicht mit aversiven Gefühlen. Für die katalani­sche Unabhängigkeitsbewegung spielte die Aktualisierung des «katalanisch antispanischen Ressen­timents» (S. 190) eine zentrale Rolle. Gemäßigt im Ton, aber unmissverständlich bemerkt Aschmann, dass sich auch Fachhistoriker daran beteiligten: «Die Bereitschaft, die kontinuierliche Unterdrückung durch ‹Spanien› für eine Tatsache zu halten, war umso größer, als professionelle Historiker das ihre dazu beitrugen, die The­sen zu plausibilisieren» (S. 187).

Im Jahr 2003 wurde das bürgerliche Parteienbündnis unter der Führung Pujols von einer linken Koa­lition unter dem Sozialisten Pasqual Maragall von der PSC (Partit dels Socialistes de Catalunya) abgelöst. Ein Ziel dieser Regierung war es, ein neues Autonomiestatut für Katalonien zu erwirken, in dem un­ter anderem Katalonien als «Nation» anerkannt werden sollte. Damit waren, wie Asch­mann es vorsichtig formuliert «überaus heikle Bereiche der spanischen Verfassung tangiert» (S. 151).

Da es keine Vorprüfung der Verfassungsmäßigkeit des auf den Weg gebrachten Autonomiestatuts gab, konnte das Statut, wenngleich mit erheblichen Veränderungen am Text, im spanischen Parla­ment angenommen werden, und nach einem positivem Referendum in Katalonien auch 2006 in Kraft treten. Nicht zuletzt von der konservativen Volkspartei (Partido Popular), die zu der Zeit in der Opposition war, wurde danach noch gegen das Statut vor dem Verfassungsgericht geklagt. Die höchstrichterliche Entscheidung zog sich bis 2010 hin. Einige Passagen des Statuts waren dem­nach nicht verfassungs­konform. «Das Scheitern des Versuches, Katalonien offiziell den Sta­tus einer ‹Nation› zuzuschreiben, bildete den Ausgangspunkt einer politischen Kehrtwende» (S. 160). Von da an war ein schneller Anstieg der Zahl der Unabhän­gigkeitsbefürworter zu verzeichnen.

Katalanismus in der Demokratie ab 2010: der Procés als Kind der Empörung

Vor allem ab 2010 stellte die katalanische Zivilgesellschaft ihre außerordentliche Organisationsfä­higkeit, ihr Mobilisierungspotenzial und ihre beeindruckende Kreativität unter Beweis. Ein Element waren die «subversiven Urnengänge» (S. 168) zwischen 2009 und 2011, bei denen fast 60 Prozent aller katalanischen Gemeinden darüber abstimmten, ob Katalonien ein «unabhängiger und demokrati­scher Sozialstaat innerhalb der Europäischen Union» werden sollte (vgl. ebd.). Ein anderes Element waren die Massendemonstrationen, die jeweils am Nationalfeiertag der Katalanen, der Diada, am 11. September stattfanden, und offenkundig Hunderttausende, bisweilen sogar mehr als eine Million Menschen auf die Straße brachten. Aschmann unterstreicht die Bedeutung dieser kollekti­ven emotionsgeladenen performativen Aktionen, also das aktive Dabeisein und Mittun, für das Ge­meinschaftsgefühl der katalanischen Nationalisten (S. 179). Zur Kreativität der Bewegung gehörte es auch, die Anschlussfähigkeit für nicht separatistische Teile der Bevölkerung und der Öffentlich­keit zu erhöhen. Die Forderung auf das «Recht zu entscheiden» (vgl. S. 168) wurde nicht nur von Unabhängigkeitsbefürwortern unterstützt.

Genauso wichtig, oder sogar noch wichtiger aus emotionshistorischer Perspektive war eine Trans­formation des emotional regime. Den zwei stärksten zivilgesellschaftlichen Organisationen Òmnium Cultural mit Muriel Casals an der Spitze und der neu gegründeten Assemblea Nacional Catalana (ANC) mit Carme Forcadell an der Spitze gelang es, so Aschmann, das emotional regime der Be­wegung zu revolutionieren und die «Revolution des Lächelns» (revolució dels somriures) auf den Weg zu bringen. «Dabei handelt es sich keineswegs um ein vermeintlich essentiell ‹weibliches› Ver­halten, sondern um eine gezielte Strategie dieser Frauen, anhand eines spezifischen Emotionsmana­gements dem katalanischen Nationalismus im In- und Ausland erhebliche Sympathiegewinne zu er­möglichen. Das erforderte eine strikte Abgrenzung von aggressiven Emotionen und Praktiken» (S. 174).

2012 war das Jahr, in dem die entscheidende Wende vom Autonomismus zum Separatismus Gestalt annahm und die nächste Drehung an der Unabhängigkeitsschraube erfolgte. Für diese Phase war das neuartige Zusammenspiel von separatistischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Re­gionalregierung charakteristisch. Deren Präsident Artur Mas und dessen Partei hatten bis dahin für den Ausbau der Rechte und Kompetenzen der autonomen Gemeinschaft gestanden. Das Scheitern der Verhandlungen der Regionalregierung in Madrid über einen neuen Fiskalpakt, der für Kataloni­en ähn­lich vorteilhafte Bedingungen vorsah, wie sie das Baskenland bereits erreicht hatte (vgl. S. 182), werden zu einem Sinneswandel bei Artur Mas und zum Schulterschluss mit den separatisti­schen Kräften beigetragen haben.

Eskalation und Implosion des Procés

Die neue Phase der Eskalation, die bei Aschmann minutiös beschrieben wird, setzte dann nach der Diada 2012 ein, als Artur Mas «staatliche Strukturen für Katalonien» ankündigte und mit Diplocat im November 2012 einen «diplomatischen Dienst» Kataloniens ins Leben rief und für das Ende des Jahres Neuwahlen ankündigte, die plebiszitären Charakter haben sollten. Mit anderen Worten: die Wähler wurden aufgerufen, mit ihrer Stimmabgabe für eine der separatistischen Parteien, diesem Lager ein Mandat für weitere politische Schritte auf dem Weg der Abspaltung zu erteilen.

Einige wenige Hinweise genügen, um deutlich zu machen, dass der Procés von da an in vollem Gang war. Immer mehr Schritte wurden unternommen, die nicht oder nur schwerlich in Einklang mit der spanischen Verfas­sung zu bringen waren: 2013 proklamierte das Regionalparlament die «Souveränität» des katalani­schen Volkes, 2014 erfolgte eine Konsultation ohne bindenden Charakter (eine Art Surrogat für ein Unabhängigkeitsreferendum), 2015 wurde wieder eine Wahl mit plebiszitärem Charakter durchgeführt, im Juni 2016 wurde beschlos­sen, nun ein bindendes Referen­dum über die Unabhängigkeit durchzuführen, im September 2017 folgten Gesetze zur Vorbereitung der Unabhängigkeit, und im Oktober 2017 kam es zu dem Referendum und dem Ausrufen der katalanischen Republik.

Es folgte, was bereits oben angesprochen wurde. Aschmann spricht von einer «nachgerade ge­räuschlosen Implosion des Procés» (S. 240). Dass es kaum zu Gewalt kam und dass die zentralstaat­liche In­tervention friedlich verlief, wird mit dem emotionalen Regime, zu dem ganz entscheidend auch die Gewaltlosigkeit gehörte, erklärt, aber auch damit, dass die Separatisten über den Punkt der Unab­hängigkeitserklärung hinaus keine präzisen Vorstellungen über weitere Schritte und Vorge­hensweisen entwickelt hatten (vgl. S. 241). Dazu kam, dass auch die Zentralregierung inzwischen (nach ihrem gewaltsamen Einschreiten am Tag des Referendums am 2. Oktober) gelernt hatte, dass in den internationalen Medien veröffentlichte Bilder schlagender Polizisten ihrem Image schadeten. Aschmann gibt zu bedenken, dass es auch anders hätte kommen können: «Was passieren würde, wenn in der spannungsgeladenen Situation gewaltbereite katalanische und spanische Akteure aufeinanderträfen, war keineswegs ausgemacht» (S. 242).

Fazit und Schlussbemerkungen

Die Autorin liefert auf 250 Seiten die derzeit beste deutschsprachige Darstel­lung des politischen Katalanismus von seinen Anfängen bis zum Jahr 2020. Der Ton ist sachlich, die Darstellung konzis und die Sprache eingängig. Der gewählte emotionsgeschichtliche Ansatz be­währt sich als Leitfaden durch das dynamische Geschehen des Procés. Er dürfte auch geeignet sein, ein breiteres Publikum anzusprechen.

Im Ergebnis wird die katalanische Unabhängigkeitsbewegung aus verschiedenen Gründen kri­tisch gesehen. Rechtlich erscheinen die Verstöße der Separatisten gegen die Buchstaben der Verfassung von 1978 und die Missachtung von Entscheidungen des Verfassungsgerichts problematisch. Sachlich ist die Arbeit der separatistischen Kräfte am Narrativ der spanisch-katalanischen Geschichte problematisch, weil sie in mehreren Punkten als wissenschaftlich nicht haltbar nachgewiesen werden kann. Dazu kommen zwei kritische Punkte in Bezug auf das Demokratieverständnis der Separatisten, die sich selbst als vorbildlich demokratisch verstehen. Da ist zum einen die Kritik am mangelnden Respekt der Separatisten für die demokratischen Verfahrensregeln des katalanischen Parlaments (besonders in der heißen Phase des Procés 2016/2017). Zum anderen wird auf das demokratische Defizit der Bewegung hingewiesen, das darin liegt, dass sich die separatistischen Parteien auf Basis einer knappen Sitzmehrheit im Regional­parlament ermächtigt fühlten, für alle Katalanen (und alle Spanier) ­in einer so grundsätzlichen, die Zukunft betreffenden Angelegenheit, einseitig zu entscheiden.

Eine emotionsgeschichtliche Analyse, hier des Procés, sollte sich der Gefahr bewusst sein, spekulative Zuschreibungen von Gefühlen vorzunehmen, die empirisch kaum überprüfbar sind. Für den politischen Journalismus ist das kein Problem, für die Wissenschaft kann es dazu werden. Ein Beispiel: Welche Gefühle beherrschten Carles Puigdemont am Tag vor der Abstim­mung über die Unabhängigkeitserklärung vom 27. Oktober 2017? Nach Ansicht der Autorin «dürfte sich bei Puigdemont eine Konkurrenz der Ängste etabliert haben: Der Angst vor den politischen, sozia­len und ökonomischen Folgen der Unabhängigkeit standen die Befürchtungen bezüglich des eige­nen Karriereendes und das Unbehagen angesichts persönlicher Diffamierung gegenüber» (S. 235). Das mag so sein, aber wir wissen es nicht. Dazu kommt, dass das gewählte Gefühlslabel «Angst» auch eine suggestive Komponente beinhaltet. Von der Aussage her (der Angst vor den Folgen der Unabhängigkeit) hätte zum Beispiel auch von «Verantwortungsgefühl» gesprochen werden können, was einen anderen Klang gehabt hätte. Verantwortung wäre, auf den Procés und seine Protagonisten bezogen, wohl auch die politisch ergiebigere Kategorie.

Das Ziel der präzise fokussierten Studie, «die Eigenlogik von Emotionen zu analysieren und damit die Entwicklung zumindest retrospektiv zu verstehen» (S. 15), wurde erreicht. Gleichzeitig haben aber gerade die Einsichten in die Mechanismen der Eskalation den Wunsch erzeugt, noch besser und auf andere Weise zu verstehen, was die Personen, die sich in der Unabhängigkeitsbewegung engagieren, sozial, politisch und ökonomisch charakterisiert und motiviert. Dieses Desiderat soll abschließend an zwei Fragekomplexen verdeutlicht werden. Der eine betrifft das «antispanische Ressentiment», der andere die sozialen Faktoren, die eine Hinwendung zum Katalanismus begünstigen.

In dem Buch wird das «antispanische Ressentiment» und der sich daraus speisende Hass angeführt. Die Frage bleibt offen, gegen wen sich dieser Hass eigentlich richtet? Gegen die Regierung in Madrid? Gegen jede Regierung in Madrid? Gegen das politische System? Gegen die Spanier, die in Katalonien leben und Katalanen und Spanier sein wollen? Gegen alle Spanier? Bleibt das Ressentiment auf der rhetorisch-diskursiven Ebene oder manifestiert es sich auch im Alltagsleben in entsprechenden Praktiken? Lässt sich die (vermeintliche oder reale) Diskriminierung der Nicht-Separatisten durch die Katalanisten im Alltag nachweisen? Und andersherum gefragt: Wie schlägt sich die (vermeintliche oder reale) Unterdrückung der Katalanen durch den Zentralstaat im Alltag insbesondere der Separatisten nieder?

Dieser Fragenkomplex, der das Alltagsleben in Katalonien hinterfragt, verlangt empirische Untersuchungen, ebenso wie der zweite Fragenkomplex, der insbesondere auf den sozialen Hintergrund und die Interessen der Akteure zielt. Welche Personenkrei­se spricht der Separatismus an, und mit welchen ökonomischen Interessen ist er verbunden? Asch­mann gibt erste Hinweise, wo die Unabhängigkeitsbewegung stark ist: in einigen städti­schen Hochburgen wie Girona im Nordosten Kataloniens und in Gemeinden im Landesinne­ren (vgl. S. 169). Es wäre wünschenswert, hier weiter zu gehen, um die Struktur der Bewegung mit Blick auf Altersverteilung, Bildungsgrad, Einkommen und soziale Stellung zu ermitteln. Ist der radikale Katalanismus eher ein Mittelschichtenp­hänomen oder eine breite, sich aus allen Schichten speisende Bewegung? Wie ist die soziale Charakteristik derer, die keine separatistischen Parteien oder gar nicht wählen? Wie ist die Ein­stellung der ökonomischen Eliten und der mächtigen katalanischen Familien zum Procés und wie wirken sie auf ihn ein? Solche Untersuchungen sind freilich nicht primär von der Geschichtswissenschaft einzufordern, sondern von anderen Sozialwissenschaften und guten Journalisten. Wenn es solche Untersuchungen in Spanien und besonders in Katalonien schon gibt, wäre es außerordentlich verdienstvoll, ihre Ergebnisse auch in der deutschen Öffentlichkeit zu verbreiten.

Der Procés ist noch nicht zu Ende. Was die historische Arbeit von Birgit Aschmann eindrucksvoll gezeigt hat und was auch für die Zukunft des Konflikts im Auge zu behalten ist: Vieles ist noch möglich, und selbst das Unwahrscheinli­che kann nicht ausgeschlossen werden.


Birgit Aschmann: Beziehungskrisen. Eine Emotionsgeschichte des katalanischen Separatismus. Göttingen: Wallstein-Verlag 2021; ISBN 978-3-8353-3840-1

Der Text ist beim Verlag auch als E-Book im PDF-Format erhältlich



Jordi Amat: El hijo del chófer | Der Sohn des Chauffeurs

Über Alfons Quintà und ein katalanisches Kapitel der Universalgeschichte der Niedertracht

Rezension von Knud Böhle

1. Ein Buch, das an der Zeit ist

Es ist eher unwahrscheinlich, dass das literarische Sachbuch (no ficción literaria, S. 251), das Jordi Amat im November 2020 veröffentlicht hat, jemals ins Deutsche übersetzt wird. Das ist bedauerlich, weil auch in Deutschland viele, die weder spanische noch katalanische Bücher le­sen können, gerne mehr über Entwicklungen in Katalonien und den politischen Katalanismus (katalanischen Nationalismus) wüssten.

Jordi Amat ist einer der besten Kenner der katalanischen Kultur und der politischen Entwicklun­gen in der Region. Er ist von daher ein idealer Führer durch das national-katalanische Laby­rinth, ein Subsystem des spanischen Labyrinths (vgl. S. 194). Offenkundig war eine spannend geschriebene, faktenreiche Arbeit zu diesem Themenkomplex in aufklärerischer Absicht (vgl. dazu das Nach­wort des Autors S. 249-252) in Spanien an der Zeit. In wenigen Monaten brachte es das Buch in beiden Sprachen (Spanisch und Katalanisch) auf sechs (Stand 4.3.2021) bzw. zehn Auflagen (Stand 13.4.2021). Die Medienreso­nanz war außerordentlich. Die etwa zwanzig Besprechungen, die ich mir angesehen habe, waren positiv, manche sogar überschwänglich. Auf negative Kritiken bin ich noch nicht gestoßen. Ge­lobt wird allenthalben die schriftstellerische Qualität und mindestens ebenso die intelligente Analyse der jüngsten Geschichte Kataloniens (besonders der transición, des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie nach Francos Tod). Hervorzuheben ist auch die intensive Recherchear­beit, die das Buch erst ermöglichte. In einer Rezension wird von etwa 70 Interviews gesprochen, die Jordi Amat führte und etwa 600 Dokumenten, die für das Buchprojekt herangezogen wurden (vgl. Carles Geli in: El País vom 11.11.2020). In dem Buch treten weit mehr als 100 namentlich genannte Personen auf.

2. Worum genau geht es in dem Buch?

Der Titel des Buches «Der Sohn des Chauffeurs» sagt zunächst noch nicht viel. In der katalani­schen Ausgabe kommt ein erläuternder Untertitel dazu: «Die geheimen Fäden der Macht: Auf­stieg und Fall des Alfons Quintà». Auf den Spuren eines ebenso ehrgeizigen wie psychopathi­schen katalanischen Journalisten, und sagen wir es gleich, auch Mörders, schlägt Jordi Amat eine Schneise durch die neuere Geschichte des politischen Katalanismus, die auch eine Geschichte der Macht ist: politischer, ökonomischer und nicht zuletzt auch von Medienmacht (die vierte Macht neben Exekutive, Legislative und Judikative). Jordi Amat nimmt seine Leser bei der Hand und führt sie durch das katalani­sche Labyrinth vorbei an Regierungspalästen, Banketagen, Chefredaktionen und Kloaken der Macht. Das ansonsten unentwirrbare Netz aus zahllosen Kommunikationen und Aktionen – solcher die im Licht der Öffentlichkeit stattfinden und solcher, die dieses Licht gerade scheuen – wird in eine kriminalistisch angelegte, detailreiche Erzählung überführt, die an wichtigen Stationen der katalanischen Po­litik in die Tiefe geht. Da es sich um eine Geschichte von Machtverhältnissen handelt, spielen sich viele Ereignisse außerhalb des Rechts, der Wahrheit und der Öffentlichkeit ab, und sind folglich wie bei jedem Kriminalfall zunächst intransparent. Jordi Amat geht investigativ vor, wie ein Detektiv, der aus Zeugenaussagen und Indizienbeweisen eine komplexe Geschichte rekonstruiert.

Alfons Quintà war ein knappes Jahrzehnt lang ein äußerst einflussreicher Journalist und Medi­enmacher in Spanien. Sein Lebensweg, die Biografie einer infamen Person, und die schmutzigen Seiten einer national-katalanischen Episode werden in dem Buch ineinander verwoben. In ge­wisser Weise schlüpft der auktoriale Erzähler Jordi Amat in die Rolle eines Meisterdetektivs vom Typ Hercule Poirot, der nach abgeschlossener Untersuchung dem staunenden Publikum er­läutert, wie die Puzzlestücke zusammenpassen. Überlegungen zur Macht allgemein und zur Me­dienmacht im Besonderen stehen im Zentrum des Erklärungsansatzes. Erstens: Macht lässt sich als die Herstellung erwünschter Wirkungen definieren (S. 24). Da muss es weder legal noch transparent zugehen. Zweitens: Medien sind die vierte Macht und erfüllen als solche eine demo­kratische Funktion. Der Theorie nach sind sie unabhängig, in der Praxis aber nicht (vgl. S. 111). Interesse, Instrumentalisierung und Korruption kommen ins Spiel: Welcher wirtschaftlichen oder politischen Macht nützt die Veröffentlichung einer bestimmten Nachricht? Wer ist daran in­teressiert, dass eine bestimmte Nachricht unterdrückt wird? Wer liefert mit welchem Interesse Informationen an welche Medien? Dazu kommt die generelle Überlegung, dass sich die politi­sche Macht dessen bewusst ist, dass sie Medien benötigt, die ihr Trachten nach politischer und kulturel­ler Hegemonie unterstützen.

3. Die Protagonisten der Geschichte: Alfons Quintà und Jordi Pujol

Es treten auf: Alfons Quintà (1943-2016), der Sohn des Chauffeurs; Jordi Pujol (*1930), der Sohn eines Bankiers; die vierte Macht (Hörfunk, Presse, Fernsehen) mit El País und TV3 in herausgehobe­ner Stellung; die Banca Catalana als Inbegriff der ökonomischen Macht; die politische Macht mit den Regierungen in Madrid und der regionalen Regierung in Katalonien (Generali­tat) als Kraftzentren. Dazu kommen zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten (Hintermänner, Strohmänner, Intellektuelle, graue Eminenzen, Staatsmänner etc.). Der Glutkern der Geschichte ist der Fall Banca Catalana, den Alfons Quintà skandalisieren und den Jordi Pujol unter dem Ra­dar der Öffentlichkeit halten will. Hier soll nicht der gesamte Inhalt des vielschichtigen und vielfädigen Buches wiedergegeben werden, aber einige Worte zu den beiden Protagonisten Quintà und Pujol und zum Fall Banca Catalana sind nötig, um das Machtknäuel anzudeuten, um dessen Entwirrung es Amat geht.

Alfons Quintà kam aus kleinen Verhältnissen, erlebte eine unglückliche Kindheit, in der nicht allein die Schläge des Vaters Verletzungen und Narben hinterließen. Er durchlebte eine turbulente Jugend, erst als Halbstarker und etwas später als Linksradikaler. Seine journalistische Laufbahn beginnt Mitte der 60er Jahre mit Arbeiten für Associated Press, Le Monde und die New York Times. Seinen ersten Zeitungsartikel in Spanien veröffentlichte er 1969.

Das Pfund, mit dem er wuchern konnte, waren seine Kontakte zum konservativen Katalanismus, die über seinen Vater vermittelt waren, der es vom Handlungsreisenden in Sachen Textil zum Chauffeur, Sekretär und Vertrauten des katalanischen Schriftstellers Josep Pla gebracht hatte. Übrigens ist Pla als Schriftsteller in Deutschland kein Unbekannter. Neben einigen Erzählungen wurden die bekannten Bücher Enge Straße (Ammann Verlag), Das graue Heft (Suhrkamp Verlag) sowie die Künstlerbiografien über Dalí und Gaudí (Berenberg Verlag) übersetzt.

Josep Pla war das Zentrum einer Art politischer Tafelrunde einflussreicher Leute, die an der Stär­kung der Position Kataloniens in Spanien interessiert waren. Amat spricht in Anspielung auf die Tafelrunde des Königs Artus vom «Camelot de Pla». Was da verhandelt und unternommen wur­de, bekommt auch Alfons Quintà mit, und vor allem nützt ihm dieses Elite-Netzwerk bei seiner Karriere. In der eindrücklichen Beschreibung dieser Tafelrunde, findet sich auch eine für die Machtanalyse Amats wichtige Einsicht, die aus dem Kreis selbst kommt: Diktaturen korrumpieren alles, insbesondere lange andauernde Diktaturen. Man kann sie nur von innen bekämpfen, und das wiederum verlangt ein doppeltes Spiel, oder mit einem anderen Ausdruck: es gab viel Antifranquismus im Franquismus (vgl. S. 29f).

Quintà machte sich einen Namen bei Radio Barcelona als Direktor des ersten Nachrichtenpro­gramms auf Katalanisch (Dietari), das ab 1974 gesendet wurde. Es gelang ihm dann der Karriere­sprung zum Katalonien-Korrespondenten der Tageszeitung El País (1976). 1981 endete seine Karriere bei El País unfreiwillig (aber mit einer hohen Abfindung). Seine nächste prestigeträchtige Aufgabe war der Aufbau des ersten öffentlich-recht­lichen Fernsehsenders Kataloniens, TV3, ab Juni 1981. Dort verlor er seinen Posten als Direk­tor im Juni 1984. Wiederum erhält er eine hohe Abfindung. Nach seiner Entlassung zog er sich einige Jahre zurück, wurde dann wieder als Journalist und Medienmacher tätig, aber die Erfolge früherer Zeiten blieben aus.

Schlagzeilen machte er erst wieder, nachdem er sich mit derselben Schusswaffe das Le­ben nahm, mit der er zuvor seine Frau umgebracht hatte. Seine Frau lebte zu dem Zeit­punkt nicht mehr mit ihm zusammen, kümmerte sich aber um ihn nach einer Herzoperation. Diese scheußliche Tat bildete den Schlusspunkt eines wenig erbaulichen Lebenswegs. Quintà wird als gewalttätig, übergriffig, frauenfeindlich, aggressiv, sexistisch, ty­rannisch, gefräßig, maßlos, nachtragend, erpresserisch, rachsüchtig und autoritär beschrieben. Es sind diese Eigenschaften, so lesen wir, die seine Beziehungen zu Frauen ebenso wie seine Karriere immer wieder zerstört haben. Jordi Amat spart nicht mit oft geradezu absurden und grotesken Beispielen aus Quintàs Privat- und Berufsleben. Selbst nach seinem Tod hat anscheinend niemand ein gutes Wort für ihn übrig gehabt. Wir müssen uns Quintà nicht als ei­nen glücklichen Menschen vorstellen.

Jordi Pujol ist als öffentliche Person freilich viel be­kannter als Quintà. Er kam aus der katholisch-katalanischen Opposition gegen Franco. 1974 gründete er die bürgerlich-katalanistische Partei Convergència Democràtica de Catalunya. 1980 wurde er zum Präsidenten der Generalitat (Regierungschef Kataloniens) gewählt und löste damit seinen Vorgänger im Amt, Josep Tarradellas, ab, der für einen moderaten und konzilianten Katala­nismus stand. Pujol war dann ohne Unterbrechung bis 2003 Regierungschef. Er prägte eine ganze Ära, bekannt als pujolismo, in der das katalanische «nation building» (hacer país) als das alles überwölbende Vorhaben gelten kann. Ab 1984 bekam der pujolismo einen stark popu­listischen Zug: der Zentralstaat wurde zum Gegner erklärt, Politik wurde moralisiert und emotiona­lisiert, und viele Katalanen wurden mobilisiert (S. 173). Jordi Pujol begegnet uns außer­dem als ein wenig erfolgreicher Medienunternehmer, der erst mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TV3 (von Alfons Quintà aufgebaut) das bekam, was er als mediale Unterstüt­zung seiner politischen Macht anstrebte. Von 1980 bis 1986 musste er sich auch darum kümmern, dass der Fall Banca Catalana seine politischen Ambitionen nicht zerstörte. In der Banca Catala­na steckte das Vermögen des Vaters, das dieser während der Franco-Diktatur, teilweise durch il­legale Geschäfte, erworben hatte. Er selbst war in leitender Funktion in der Bank tätig.

4. Der Fall Banca Catalana als Lehrstück

Die Banca Catalana geriet Ende 1979 in finanzielle Schwierigkeiten, was damals nur wenige wussten. Alfons Quintà und ein Kollege berichteten darüber in El País am 29. April 1980 in ei­nem ersten Artikel einer als Dreiteiler angelegten kleinen Serie. «Ökonomische Schwierigkeiten der Bankengruppe von Jordi Pujol» lautete der Titel des ersten Teils, der in dem Buch in Gänze wiedergegeben wird (S. 100-105). Der gut recherchierte und informierte Text hatte das Potenzial, dem Ruf der Bank, ihren Aktionären und Einlegern sowie dem Ansehen des Politikers Pujol, der gerade die erste Regionalwahl in Katalonien gewonnen hatte, zu schaden. Ein fundierter Artikel dieser Art konnte nicht ohne geheime Informationen von Gegnern Pujols geschrieben, und nicht ohne die Zustimmung des damaligen Chefredakteurs von El País, Luis Cebrián, veröffent­licht werden. Die Banca Catalana intervenierte bei Cebrián, zuerst vermittelt über die spanische Zentralbank und später in einem direkten Gespräch mit den Herausgebern der Tageszeitung. Ce­brián sagte zu, einstweilen keine weiteren Folgen des geplanten Dreiteilers zu publizieren. Die geplanten Artikel erschienen auch nicht, aber die kritische Berichterstattung über die Banca Catalana wurde in kleineren Portionen noch bis Ende 1981 fortgesetzt. Erst als die Pläne von El País ge­reift waren, eine katalanische Ausgabe der Zeitung herauszugeben, musste Quintà seine Attacken einstellen. Seine Ambition, Chef der katalanischen Ausgabe von El País zu werden, wurde frustriert. Dies machte sich Jordi Pujol zu Nutze, der nun dem bis dato entschiedenen Anti-Pujolisten Quintà anbot, Direktor des ersten öffentlich-rechtlichen katalanischen Fern­sehsenders zu werden. Der nahm an, baute den Sender auf, und gleichzeitig verstummte mit dem Wechsel ins Lager der Pujolisten seine Kritik an der Banca Catalana.

Die Kritik an der Banca Catalana flammte aber 1984 an anderer Stelle wieder auf, als sich der spanische Generalstaatsanwalt mit dem Fall zu befassen begann. Die konkrete Untersuchung der Vorwürfe gegen die Banca Catalana wurde vorschriftsmäßig von zwei zuständigen Staatsanwäl­ten in Barcelona durchgeführt. Diese kamen zu der Auffassung, dass ein Strafverfahren gegen die Banca Catalana zu eröffnen sei, bei dem es unter anderem auch um die persönliche Bereiche­rung einiger Insider, darunter Jordi Pujol, zu gehen habe, die – während die Bank auf die Insol­venz zusteuerte – auf Kosten der Einleger und Steuerzahler, noch Vermögen für sich privat bei­seite geschafft hätten. El País erhielt entsprechende Informationen und berichtete unverzüglich darüber.

Und nun passierte etwas höchst Unwahrscheinliches: Jordi Pujol, der bei den Wahlen in Katalonien vom 29.4.1984 die absolute Mehrheit erlangt hatte, ging zum Gegenangriff über und drehte den Spieß um. Derjenige, der auf die Anklagebank sollte, klagte an und stellte sich und Katalonien als Opfer einer Kampagne des Zentralstaats, der sozialistischen Regierung und der die Regierung stützenden Medien dar. Das gipfelte am 30. Mai 1984 in einer Rede (selbstverständlich in Katalanisch) auf einer gut vorberei­teten Massenkundgebung anlässlich seiner Einsetzung als Präsident: «Ich möchte etwas klarstel­len: Die Madrider Regierung, genauer gesagt die Zentralregierung, hat ein unwürdiges Spiel getrieben, und von nun an, wenn jemand über Ethik und faires Spiel spricht, werden wir es sein» (vgl. S. 177). Diese Rede kann als Wendepunkt zum populistischen Katalanismus angesehen werden, der mit dem Opfer-Narrativ, einfachen Feindbildern und emotionalisierter Politik ein­hergeht (vgl. S. 173).

Es gab auch danach durchaus noch Journalisten, die sich für den Fall der Banca Catalana inter­essierten. Diese wurden, wie in dem Buch an einem Beispiel verdeutlicht wird, in ihrer Arbeit behindert. Die Ergebnisse ihrer Recherchen erschienen erst nach erheblicher Verzögerung im Sommer 1985. Zudem war der veröffentlichte Text ohne Wissen der Autoren um entscheidende Passagen gekürzt worden. Die politi­sche Großwetterlage hatte sich verändert. In Madrid regierten die Sozialisten mit absoluter Mehr­heit. Felipe González war Ministerpräsident: felipismo in Madrid, pujolismo in Barcelona. Der Chefredakteur von El País liess im Oktober 1985 seine Mitarbeiter in Katalonien wissen, dass das Thema Banca Catalana nicht weiter verfolgt werden müsse. Die Staatsanwälte aus Barcelo­na, die noch mit dem Fall betraut waren, gerieten unter Druck. Im September 1986 trafen sich González und Pujol persönlich. Die Sache sollte beigelegt werden, um die Stabilität der neuen staatlichen Ordnung nicht zu gefährden – auf Kosten der Informations- und Pressefreiheit sowie der Rechtsstaatlichkeit. Eine Woche nach dem Gespräch trat der Generalstaatsanwalt zurück, möglicherweise um seiner Entlassung zuvor zu kommen (S. 191). Und im November 1986 beschloss die Mehrheit der in Barcelona zuständigen Richter (der Audien­cia Territorial de Barcelona), das Verfahren gegen Banca Catalana erst gar nicht zu eröffnen. Wir erinnern uns an die Ausgangsthese Amats, Macht als das Erreichen erwünschter Wirkungen zu verstehen. Quod erat demonstrandum.

4. Einsichten, Hypothesen, Schlussgedanken

Als wichtigste Einsichten über den politischen Katalanismus nehme ich aus dem Buch mit, dass er lange Zeit weder links noch separatistisch, sondern vorwiegend bürgerlich, liberal und kon­servativ war. In der Ära Pujol, die in der transición beginnt und im pujolismo ihre Fortsetzung findet, wurde der katalanische Nationalismus im Sinne eines «nation building» (hacer país), un­terstützt von Medien wie TV3, massiv vorangetrieben. Eine Alternative zu Pujol im postfranquistischen Katalonien hätte Josep Tarradellas, der Präsident der Generalitat im Exil (1954-1977) und von 1977 bis 1979 Präsident der Generalitat, sein können. Dieser Option fehlte es indes an der nötigen parteipolitischen Unterstützung. Bereits nach wenigen Jahren der Präsi­dentschaft Pujols gab es im Zusammenhang mit dem Fall der Banca Catalana einen populisti­schen Schub im katalanischen Nationalismus, der für das Verständnis der heutigen politischen Situation in Katalonien wichtig ist.

Das Buch legt auch nahe, mehr auf die Gesamtkonstellation Spanien-Katalonien zu schauen. Zum Beispiel wurde das Start­kapital der Banca Catalana im korrupten Franquismus erworben, und die Bank war Teil des spanischen Finanzsystems und wurde deshalb von der Zentralbank gestützt, als sie in finan­zielle Schwierigkeiten geriet. Ein anderes Beispiel: die franquistische Regierung konnte Ende der 50er Jahre bei der Entwicklung des für das Überleben des Regimes so wichtigen Sta­bilisierungsplans katalanische Experten wie Joan Sardà (Mitarbeiter von Tarradellas auf republikanischer Seite während des Bürgerkriegs) und Fabián Estapè einbinden. Beide gehörten zur Tafelrunde Josep Plas. Und wir erfahren auch, dass dieser katalanische Schriftsteller eine Zeit lang für einen der franquistischen Ge­heimdienste tätig war (öffentlich gemacht von Alfons Quintà).

Es gab viel Franquismus im Anti­franquismus oder auch umgekehrt viel Antifranquismus im Franquismus. Da Franco nicht ange­treten war, die Interessen der reichen und wohlhabenden Klassen zu beschneiden, gab es Raum für solche Ambivalenz. Eine genaue Untersuchung der reichen und einflussreichen Familien Kataloniens und Spani­ens generell, würde vermutlich einiges zum Verständnis der Funktionsweise der Diktatur und zur politischen Kultur in der Zeit danach beitra­gen können. Für die Verlierer im Bürgerkrieg gab es bekanntermassen keine vergleichbaren Möglichkeiten sich zu arrangieren: viele wurden noch nach dem Ende des Bürgerkriegs, wenn nicht gar getötet, verfolgt, verhaftet, gefoltert, zu Zwangsarbeit gezwungen, sozial ausgegrenzt und benachteiligt.

Das Buch legt auch den Gedanken nahe, dass gerade eine lang andauernde Diktatur dieser Art, die Kor­ruption selbst nach ihrem Ende noch zu begünstigen scheint. Machtausübung qua informeller, intransparenter und illegaler Einflussnahme ist der springende Punkt. Am Fall der Banca Cata­lana hat Jordi Amat die vielfältigen Wege der Einflussnahme exemplarisch aufgezeigt. Meister­lich führt er die Ambivalenz der Medien vor, die als vierte Macht eine Säule der Demokratie sein sollen, gleichzeitig aber auch stets Gefahr laufen, als Arm der Macht und der Mächtigen in­strumentalisiert und missbraucht zu werden. Der Lebensweg des zeitweise mächtigen, letztlich aber auch korrumpierbaren und ausnutzbaren Alfons Quintà passt dazu. Dem Le­bensweg des Journalisten Quintà zu folgen, der Ende der sechziger Jahre klein anfängt (Tele/eXpress), groß rauskommt, und wieder klein endet (Diari de Girona), bedeutet gleichzeitig, der Mediengeschichte in Katalonien und der Konkurrenz der Medienunternehmen in Katalonien und Madrid während der transición zu folgen. Auf diese Ebene des Buches einzugehen, wie auf einige andere Ebenen mehr, ginge über die Absicht dieser Rezension, auf ein lehrreiches und spannendes Buch zur neuesten Geschichte Kataloniens und Spaniens hinzuweisen, hinaus.


Jordi Amat: El hijo del chófer. Barcelona: Tusquets Editores 2020 (10.11.2020), ISBN 978849066871

Jordi Amat: El fill del xofer. Els fils secrets del poder: ascens i caiguda d‘ Alfons Quintà. Barcelona: Edici­ons 62 2020 (11. November 2020); Übersetzer: Ricard Vela, ISBN 8429778942

Beide Texte sind auch als e-book erhältlich, die spanische Fassung gibt es auch als Hörbuch gelesen von Pere Molina.

Birgit Aschmann und Christian Waldhoff (Hrsg.): Die Spanische Verfassung von 1978: Entstehung, Praxis, Krise?

Vom Wunderkind zum Prügelknaben oder von Reformbedarf und Reformchancen

Rezension von Knud Böhle

1. Einleitung

2018 wurde das 40-jährige Jubiläum der spanischen Verfassung von 1978 begangen. Das war auch der An­lass für ein Symposium in der Spanischen Botschaft in Berlin (13.12.2018 – 14.12.2018), zu dem renom­mierte Rechtswissenschaftler und Historiker aus Deutschland und Spanien geladen waren (vgl. dazu den Ta­gungsbericht). Auf diese Veranstaltung, die Birgit Aschmann und Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität zu Berlin organisiert hatten, geht auch der vorliegende Sammelband zurück. Die Publikation enthält 12 Beiträge, dazu eine Einleitung der bei­den Herausgeber und als Anhang den Verfassungstext auf Deutsch (vgl. das Verzeichnis der Beiträge am Ende dieser Be­sprechung). Acht Beiträge sind auf Spanisch und vier auf Deutsch verfasst. Fünf Beiträge stammen von Histo­rikern, sieben von Juristen (überwiegend Verfassungsrechtler).

In dieser Besprechung wird versucht, aus dem Gesamt der Beiträge eine knappe, synthetisierende Darstellung der Entstehung der Verfassung, ihrer Struk­tur und ihrer Besonderheiten herauszufiltern, um dann den Diskurs um Reformbedarf und Reformchancen, so wie er sich in den Beiträgen des Bandes findet, darzustellen. Dabei sind neben der poli­tisch-territorialen Verfasstheit Spaniens, die Staatsform der Monarchie und das Schutzregime für die sozialen Grundrechte wichtige Streitpunkte. In einem Fazit wird dann zusammengefasst, was das Buch leistet.

2. Genese der Verfassung von 1978 im Kontext

Drei Beiträge ordnen die spanische Verfassung in einen größeren Rahmen ein und liefern damit nützliches Hintergrundwissen. Birgit Aschmann stellt die aktuelle Verfassung von 1978 in den Kontext der spanischen Verfassungsgeschichte seit 1812, Christian Waldhoff arbeitet die Besonderheiten der Verfassungsentstehung, des «constitutional moment», in einem typisierenden Vergleich heraus, und Karl-Peter Sommermann stellt einen systematischen Vergleich mit den beiden anderen in den 1970er Jahren entstandenen demokratischen Verfassungen Griechenlands und Portugals an.

In fast allen Artikeln wird, mehr oder weniger ausführlich, auf den Entstehungsprozess der Verfassung einge­gangen, der in den Kontext der Demokratisierung nach Francos Tod (November 1975) einzuordnen ist. Die erste Etappe war das erste halbe Jahr nach Francos Tod, das sich als unergiebiges «Weiter-so» abschreiben ließe, die zweite Etappe setzte mit der Ernennung von Adolfo Suárez zum Ministerpräsidenten im Juli 1976 ein, der den Demokratisierungsprozess vorantrieb und es dabei fertig brachte, die reformwillige politische Klasse des Franquismus im Spiel zu halten, die reformunwilligen reaktionären Kräfte des Franquismus weitgehend aus dem Spiel zu halten, und den von der antifranquistischen Opposition angestrebten konsequenten Bruch mit dem alten System zu vermeiden. Karl-Peter Sommermann ist sogar geneigt, Adolfo Suárez «‘als welthistorisches Indivi­duum‘ im Hegelschen Sinne» zu sehen (S. 76). Ein zentraler Baustein dieses Trans­formationsprozesses, der «transición», war das «Gesetz für die Politische Reform» (Ley para la Reforma Política), das quasi eine Schar­nierfunktion zwischen der Legalität der Diktatur, also den von Franco erlassenen «leyes fundamentales», und der zu erreichenden demokratischen Verfassung erfüllte. In der Formulierung des damaligen Präsidenten der Cortes Fernández-Miranda «de la ley a la ley a través de la ley» (deutsch in etwa: vom Gesetz zum Gesetz durch das Gesetz) wird diese Funktion des Gesetzes auf den Punkt gebracht. Am 15.12.1976 wurde dieses Gesetz in einem Referendum mit 94 % Zustimmung, bei einer Beteiligung von 78 % der Stimmberechtigten, ange­nommen (S. 37). Mit diesem Gesetz und dieser Phase der transición befasst sich in dem Sammelband eingehend Alejandro Saiz Arnaiz.

Andreu Mayayo i Artal betont, dass der Prozess zwar von der franquistischen politischen Klasse geleitet wur­de, aber von der sozialen Mobilisierung vorangetrieben wurde (S. 45) und dadurch zur «ruptura pactada» (dem paktierten Bruch mit dem Franquismus) wurde. Er erinnert außerdem daran, dass sich der Demokratisierungsprozess unter der Drohung des Militärs vollzog, diesen zu stoppen, und von erheblicher politischer Gewalt begleitet wurde: 647 Todesopfer poli­tischer Gewalt waren während der transición zu beklagen. 485 Menschen kamen bei Terroranschlägen um, von denen 354 als Opfer der baskischen Terrororganisation ETA gelten. 162 Menschen kamen bei Aktionen der staatlichen Sicherheitsorgane um (vgl. S. 47). Den Endpunkt dieser Phase des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie bildete die Parlamentswahl vom Juni 1977.

Darauf folgte der im gewählten Parlament bewerkstelligte fünfzehn Monate dauernde verfassungsgebende Prozess, der mit dem Referendum über die Verfassung im Dezember 1978 abgeschlossen wurde. Die Wahlbeteiligung lag bei 67 %. Für die Verfassung stimmten davon 88 % (S. 7). Häufig wird die transición erst 1982 als abgeschlossen angesehen, nachdem der Putschversuch vom 23. Februar gescheitert war und der PSOE (Partido Socialista Obrero Español, dt.: Spanische Sozialistische Arbeiterpartei), die erste Partei aus der anti-franquisti­schen Opposition, in den vorgezogenen Neuwahlen vom Oktober 1982 bei hoher Wahlbeteiligung (80 %) die absolute Mehrheit erreichte.

3. Besonderheiten und Strukturmerkmale der spanischen Verfassung von 1978

Der Wille zum Konsens und die Kompromissbereitschaft der am verfassungsgebenden Prozess beteiligten Akteure wurden vielfach bewundert. „Niemals zuvor hat es eine solche Bereitschaft zu Kompromiss und Konsens gegeben wie im Zuge der Entstehung und Einsetzung dieser Verfassung“ (Aschmann, S. 23). In dem Band ist es vor allem Luis López Guerra, der darauf hinweist, dass der Zwang zum Konsens in der his­torischen Situation dazu führte, verfassungsrechtliche Unbestimmtheiten bewusst in Kauf zu nehmen und so­gar absichtlich vage Formulierungen zu verwenden, wohl wissend, dass damit konkrete Entscheidungen in die Zukunft verlegt würden (López Guerra, S. 92-94; vgl. auch Aschmann, S. 23). Dies gilt sowohl für die Grundrechte als auch in besonders folgenreicher Weise für die territoriale Ordnung. Man könnte es auch so sagen: das Prädikat Kompromiss- und Konsensbereitschaft bezog sich in erster Linie auf den Willen, eine de­mokratische Verfassung zu schaffen, nicht aber auf die Einigung auf der Ebene der konkreten politischen Ausgestaltung. Darum ist es in gewisser Weise nicht verwunderlich, dass auf der Ebene des Verfassungstextes verdrängte Probleme später als politische Konflikte auftauchten. Auf diese hatte dann der Gesetzgeber Antwor­ten zu finden, wobei das Verfassungsgericht häufig als Schiedsrichter angerufen wurde.

Generell lässt sich über die Verfassung von 1978 weiterhin sagen, dass sie sehr stark an die republikanische Verfassung von 1931 anknüpft (vgl. Aschmann, S. 18), wenngleich die Staatsform geändert wurde: «Die Staatsform des spanischen Staates ist die parlamentarische Monarchie» (Artikel 1 (3) der spanischen Verfassung, vgl. dt. S. 206). Die weitgehend repräsentativen Aufgaben des spanischen Königs behandelt Jordi Canal ausführlich in seinem Beitrag zu dem Sammelband.

Zu erwähnen ist auch, dass es bemerkenswert hohe Verfahrenshürden für eine Änderung der Verfassung gibt und bislang kaum Änderungen stattgefunden haben (vgl. dazu Som­mermann, S. 87). Die bislang einzigen Verfassungsänderungen wurden durch das Europarecht erzwungen (Stichwort: Schuldenbremse, Stichwort: passives Kommunalwahlrecht aller Unionsbürger). Eine Änderung wichtiger Teile der Verfassung (etwa der Staatsform Monarchie, der territorialen Ordnung, der Grundrechte) verlangte erstens, dass beide Kammern der Änderung mit 2/3-Mehrheit zustimmen würden, woraufhin zweitens das Parlament aufzulösen wäre und Neuwahlen stattfänden, nach denen dann drittens die beiden neu zusammen­gesetzten Kammern wiederum mit einer 2/3 Mehrheit der anhängigen Verfassungsänderung zustimmen müssten, bevor dann viertens der Änderungsvorschlag in einem Referendum eine Mehrheit finden müsste.

4. Dezentralisierung und territoriale Ordnung

In der Geschichte des spani­schen Konstitutionalismus zeichnet sich die spanische Verfassung von 1978 durch ihre starke Dezentralisierung aus (Bernecker, S. 168, Canal, S. 179 ). Die «Länderebene» in Spanien besteht heute aus 17 autonomen Gemeinschaften mit jeweils eigenen Autonomiestatuten, die zusammen den spanischen Autonomiestaat bilden.

Die gewählte Form eines «asymmetrischen Föderalismus», der Nationalitäten und Regionen unterscheidet, ist eine Besonderheit. Der Artikel 2 der Ver­fassung ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt der territorialen Ordnung Spaniens als Autonomiestaat. Er hat sich als interpretations­bedürftig erwiesen und wurde durchaus unterschiedlich interpretiert.

«Die Verfassung stützt sich auf die unauflösliche Einheit der spani­schen Nation, gemeinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier, und anerkennt und gewährleistet das Recht auf Autonomie der Natio­nalitäten und Regionen, die Bestandteil der Nation sind, und auf die Solidarität zwischen ihnen.»

Quelle: Deutsche Fassung der spanischen Verfassung im Boletín Oficial del Estado

Die ursprüngliche Annahme der Verfassungsväter war offenbar, dass die peripheren Nationalismen der «Na­tionalitäten» sich loyal zu den in der spanischen Verfassung ausgedrückten Werten verhalten würden (Berne­cker, S. 174). Nach Xosé M. Núñez Seixas, der in dem Sammelband den parteipolitischen Diskurs zur dezen­tralen territorialen Verfassung Spaniens nach Franco nachzeichnet, entsprach die Unterscheidung spanische Nation und Nationalität gedanklich der Unterscheidung Meineckes von 1907 in Staatsnation und Kulturnati­on. Nur die Staatsnation wird dabei als politisch souverän gedacht. Später wurde in dem Zusammenhang mitunter auch das Konzept des «Verfas­sungspatriotismus» unter Bezugnahme auf Dolf Sternberger und Jürgen Habermas bemüht (vgl. etwa Núñez Seixas, S. 127f, vgl. Aschmann, S. 29 mit Bezug auf Peces-Barba, einen der Verfassungsväter). Diese Diskussion beförderte augenscheinlich jedoch die emotionale Bindung an den Zentralstaat in den autonomen Gemeinschaften mit starken Nationalbewegungen keineswegs. Oder anders gesagt: «Nicht der zentrale Staat, sondern die periphere nationale Gemeinschaft konnte innerhalb der letzten Dekade in Spanien eine spezifische Dynamik von Zugehörigkeits­gefühlen einerseits und Exklusionsgefühlen andererseits generieren» (Aschmann, S. 29).

Das zweite Problem des Artikels 2 liegt im Verhältnis der Nationalitäten zu den anderen Regionen. Bislang habe der politische Diskurs noch keine das Dilemma «Symmetrie vs. Asymmetrie» überwindende Formel hervorgebracht, so Núñez Seixas (vgl. S. 137 u. S. 139). Felipe González, Ministerpräsident Spaniens von 1982 bis 1996, sprach in diesem Zusammenhang einmal von «differentiellen Tatsachen» (hechos diferenciales) in Spanien, die zwar dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, dafür aber die Integration unterschiedlicher (nationaler) Identitäten ermöglichen (González 2013 zitiert bei Bernecker, S. 174). Aber nicht alle Regionen mochten sich damit abfinden, weniger Rechte und Kompetenzen zu haben als die drei in der Verfassung als «historische Nationalitäten» gemeinten Gebiete (Galicien, das Baskenland und Katalonien).

Heute nehmen acht der 17 Autonomen Gemeinschaften in ihren Statuten für sich in Anspruch Nationalitäten zu sein. Neben den so genannten «historischen Nationalitäten» sind das Andalusien, Aragon, Valencia, die Balearen und die Kanarischen Inseln. Über entsprechende Änderungen ihrer Autonomiestatuten haben inzwischen Andalusien, Aragon, Valencia und die Balearen sogar den Status «historischer Na­tionalitäten» erlangt. Pedro Cruz Villalón, Präsident des spanischen Verfassungsgerichts von 1998 bis 2001, sieht dahinter die Absicht, den Begriff der «historischen Nationalitäten» aufzuweichen. (S. 158). Erwähnens­wert ist an dieser Stelle auch der Versuch vom Juli 1982, ein «Organgesetz zur Harmonisierung des Autono­mieprozesses» (LOAPA, Ley Orgánica de Armonización del Proceso Autonómico) auf den Weg zu bringen. Das Gesetzesvorhaben wurde seinerzeit von der UCD (Unión de Centro Democrático, deutsch: Union des Demokratischen Zentrums), die damals noch an der Regierung war, und dem PSOE eingebracht, hatte aber vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand.

Weit größere Bedeutung als Katalysator für die derzeitige politische Krise und den Katalonienkonflikt hat indes das zweite Autonomie­statut Kataloniens, das alle erforderlichen demokratischen Abstimmungen erfolgreich bewältigt hatte und 2006 in Kraft trat. Vier Jahre später aber wurde es dann über ein Verfassungsgerichtsurteil in Tei­len für nicht verfassungsgemäß erachtet. Die mit dem neuen Statut angestrebte Aufwertung Kataloni­ens zur Nation wurde zurückgewiesen. Ohne die vorherige (oder auch nachträgliche) unerlässliche Reform einiger Bestimmungen der Verfassung (Cruz Villalón, S. 154, Mayayo i Artal, S. 53, 55) war das Statut, wie seine Befürworter wohl wussten, rechtlich anfechtbar. Damit, so Mayayo, begann die Fehlerkette, die zu der heutigen Situation geführt hat.

Kurzum, wir haben es bei der territorialen Ordnung Spaniens mit äußerst anspruchsvollen und deshalb auch zerbrechlichen Anerkennungsverhältnissen zu tun. Es war von daher mit Versuchen zu rechnen, die in der Konstitution nicht ausreichend ausbuchstabierte Konfiguration je eigenen Interessen und Vorstellungen gefügig zu machen. Mit der tiefgreifenden Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008, der folgenden sozialen Protestbewegung, dem Erstarken der separatistischen Bewegung in Katalonien ab 2010 und dem erweiterten Parteienspektrum ab 2013/14 (rechtsnationalistisch Vox, linkspopulistisch Podemos) ist ein Interessenausgleich nicht gerade leichter geworden. Drei unterschiedliche Sichtweisen der Krise und nötiger Reformen zu ihrer Überwindung werden in dem Sammelband erläutert.

5. Sichtweisen der Krise und Lösungsoptionen

Pedro Cruz Villalón plädiert dafür, dem «Estado de las nacionalidades», der in der Verfassung angedacht und in der Entwicklung verwässert wurde, wieder Geltung zu verschaffen, wobei er die Chancen zu diesem Modell zurückzukehren, selbst als gering erachtet (S. 154). Die Uneindeutigkeit der Verfassung habe dazu beigetragen, dass es heute die bekannten Probleme mit der Konfiguration des Staates gibt (S. 164f). In der spanischen Geschichte habe es nachweislich ein Integrationsproblem bezogen auf das Baskenland, Galicien und Katalonien gegeben. Es sei dieses reale Problem, das die Verfassungsväter von 1978 dazu veranlasste, das Konzept der «Nationalitäten» in Artikel 2 aufzunehmen und eine Sonderstellung bestimmter Gebiete da­mit zu ermöglichen. Gedacht war damals offenkundig an die drei genannten Gebietskörperschaften, die wäh­rend der II. Republik (1931-1939) Autonomiestatuten auf den Weg gebracht hatten (vgl. S. 160). Die Qualifikation einer autonomen Gemeinschaft als «Nationalität» macht nur Sinn, wenn tatsächlich Unterschiede zu den anderen autonomen Gemeinschaften der «Regionen» ausgemacht werden können. Dankenswerterweise wird Cruz Villalón hier konkret, und nennt neben der eigenen Sprache und Kultur zwei weitere Kennzeichen von «Natio­nalitäten»: erstens das messbare und stabile Vorhandensein einer gewissen Anzahl von Bürgern mit ei­nem ausgeprägten Verlangen nach der Unabhängigkeit des Territoriums, das sie als ihr Land betrachten. Dar­aus leitet sich die Anerkennung ihres kollektiven Selbstbestimmungsrechts ab, dessen Wahrnehmung mögli­cherweise zur Abspaltung des Gebiets vom Staat führen könnte (vgl. S. 161). Das zweite Kennzeichen ist ein Parteiensystem mit Parteien, die es grundsätzlich ablehnen sich außerhalb ihres Territoriums aufzustellen und die ihren engen nationalen Bezug in den Vordergrund stellen, der ihnen vielleicht sogar wichtiger ist als jede andere politische Festlegung (vgl. S. 161). Die Lösung des Problems sieht Cruz Villalón darin, die drei «Nationalitä­ten» in der Verfassung konkret auszuweisen und klar zu definieren, welche Rechte und Pflichten sie als be­sondere autonome Gemeinschaften hätten (vgl. S. 163). Im Gegenzug wäre dann Loyalität gegenüber der Verfassung zu erwarten.

José Manuel Sánchez Saudinós spricht von einem eklatanten Scheitern (rotundo fracaso, S. 148) der Verfas­sung in Sachen Autonomiestaat. Er sieht es so, dass der Verfassungspatriotismus, also die Idee dass die Werte der Verfassung über den Nationalismen stehen, in der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 verbraucht wurde. Je mehr Dezentralisie­rung (Katalonien) gewährt wurde, desto stärker wurde die nationalistische Radikalisierung. Der Prozess zu immer umfangrei­cherer Selbstverwaltung und -regierung ging einher mit dem Verlust der kollektiven Identität (als Spanier) zugunsten einer spanienfeindlichen, nationalistischen Identität. Sprachpolitik, Erziehungswesen und Medien trugen ihren Teil dazu bei. Der Prozess ging auch auf Kosten der Binnenpluralität in den betreffenden Regio­nen und führte schließlich sogar dazu, dass aus einer autonomen Regierung heraus (Katalonien) die spani­sche Verfassung angegriffen wurde.

Man kann diese Diagnose auch so beschreiben, dass mit dem Sonderstatus der «Nationalität» in der Verfassung ein Erstarken des peripheren Nationalismus begünstigt wurde. Dieser sah sich zunächst im Rahmen der Verfassung ermächtigt, «nation building» zu betreiben, also die eigene Kulturnation zu fördern und möglichst viel in Verhandlungen mit dem Zentralstaat für die autonome Gemeinschaft herauszuholen. Ab einem bestimmten Punkt in der Krise, zu der auch die Frustration nach dem Urteil des Verfassungsgerichts von 2010 zum Auto­nomiestatut beitrug, politisierte sich das «nation building» in Katalonien und wandte sich gegen den spanischen Staat. Souveränitätsansprüche wurden artikuliert, die separatistischen Parteien erstarkten, und die Loyalität gegenüber der spanischen Verfassung war nicht mehr selbstverständlich. Aus dem Ziel «nation building» wurde das Ziel «state building».

Nach Sánchez Sau­dinós sind weder Re-Zentralisierung noch Separatismus noch Konföderation angemessene Lösungen in diesem Konflikt. Er bringt, ohne sehr konkret zu werden, eine Ausweitung der Instrumente der direkten und partizipa­tiven Demokratie ins Spiel, die Stärkung der Kontrollmechanismen und der checks and balances des Rechtss­taates sowie eine Verbesserung der Garantien des politischen und territorialen Pluralismus (vgl. S. 150).

Walther L. Bernecker spricht sich dafür aus, eine Re­form der Verfassung einzuleiten (S. 174f). Er nimmt dabei Bezug auf einen von mehreren spanischen Verfas­sungsrechtlern 2017 erarbeiteten Vorschlag für ein modifiziertes Modell territorialer Organisation, das von Kommunikations-, Partizipations- und Kooperationsdefiziten im derzeitigen System ausgeht (vgl. S. 175). Es wird dia­gnostiziert, dass die autonomen Gemeinschaften zu wenig in die Institutionen des Staates eingebunden und zu wenig an den Entscheidungen des Staates beteiligt seien. Ein Gremium, über das die autonomen Ge­meinschaften an den Entscheidungen des Staates mitwirken könnten, fehle. Der Senat, die zweite Parlamentskammer, kann diese Aufgabe in seiner jetzigen Form, so Bernecker, nicht erfüllen (vgl. S. 175). Außerdem fehle ein Gremium für den Interessenausgleich und die Aushandlung gemeinsamer Positionen zwischen den auto­nomen Gemeinschaften. Es würde helfen, in der Verfassung die Verteilung der Kompetenzen und die wesent­lichen Elemente der Finanzierung sowie die Instrumente der Kooperation festzulegen. Eine Reform dieser Art könnte die problematischen Einzelverhandlungen zwischen Zentralstaat und jeder einzelnen autonomen Gemein­schaft beenden. Zudem würden die entsprechenden Konkretisierungen in der Verfassung zu einer Entlastung des Verfassungsge­richts führen.

Dieser Vorschlag ist einleuchtend: institutionelle und organisatorische Verzahnung der Ebenen und ständiger Austausch zwischen den autonomen Gemeinschaften und dieser mit dem Zentralstaat. Das Ziel wäre, abs­trakt gesprochen, durch institutionelle Vorkehrungen und Verfahren eine gemeinsame Verantwortung für den Staat als integriertes Mehrebenensystem aufzubauen. Welchen Status die «Nationalitäten» dabei in der neuen Konfiguration hätten, wäre im Reformprozess zu klären.

Die praktischen Schwierigkeiten einer Verfassungsreform dürften allerdings weniger bei den verfahrenstechni­schen hohen Hürden einer Verfassungsänderung liegen als vielmehr darin, dass man sich in der zerstrittenen politischen Parteienlandschaft nur schwerlich auf ein konsensfähiges Reformprojekt wird verständigen kön­nen – von der hochemotionalen Lage in Katalonien noch ganz abgesehen.

6. Monarchie oder Republik

Die Kritik an der parlamentarischen Monarchie als Staatsform, die selbstverständlich die Verfassung berührt, wird vor allem aus dem linken Spektrum (jenseits der Sozialdemokraten) und von Unabhängigkeitsbe­fürwortern vorgetragen. Dem setzt der Historiker Jordi Canal i Morell eine Apologie der Monarchie als Insti­tution und ein Loblied auf den aktuellen König Felipe VI entgegen. Im Ton hört sich das stellenweise nach Hofberichterstattung an, wenn etwa mitgeteilt wird, welche spanischen Modeschöpfer die Königin Letizia bei dieser oder jener Gelegenheit einkleideten (namentlich Felipe Varela und Manuel Pertegaz, vgl. S. 186 und 189). In der Sache ist ihm jedoch zuzustimmen, dass parlamentarische Monar­chien nicht per se schlechtere Demokratien sein müssen (S.183). Dass die Wiedereinführung einer Monar­chie, nach einer nur kurz währenden Republik und einer langen Diktatur, verfassungsgeschichtlich einzigar­tig ist, liegt auf der Hand (S. 180). Canal betont, dass die Legalität der parlamentarischen Monarchie sich allein aus der Verfassung von 1978 ableite, und nicht aus einer Kontinuität der monarchischen Tradition und auch nicht aus den «leyes fundamentales», also der franquistischen Legalität. Dass Juan Carlos I am 22. November 1975 noch im alten Regime zum König proklamiert wurde, würde Canal wohl nicht als Einwand gelten lassen. Er betont des weiteren die Vorbildfunktion des Königs als Element der Legitimität der Institution. Insofern war es konse­quent, dass Juan Carlos I abdankte, als er dem Anspruch nicht mehr genügte, und sein Sohn an seine Stelle trat. Der neue König macht nach Canal seine Sache bislang gut, orientiert sich strikt an seinem Verfassungs­auftrag und distanziert sich entschieden von den Mitgliedern der königlichen Familie, die sich nicht ein­wandfrei verhalten. Die Diskussion um die Staatsform und eine mögliche Verfassungsänderung hält selbst­verständlich auch Canal für legitim, nur den Zeitpunkt erachtet er als ungünstig. Seiner Meinung nach ist Spanien zwar nicht unbedingt mehrheitlich monarchistisch, aber doch zunehmend dezidiert «pro-felipistisch» (sólidamente felipista, S. 202).

7. Reformbedarf bei den Grundrechten

Auch bei den Grundrechten wird von manchen eine Revision der Verfassung für nötig gehalten. In der spani­schen Verfassung werden die Grundrechte eingeteilt in «Grundrechte und öffentliche Freiheiten», «Rechte und Pflichten der Bürger» und «Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik». Die Grundrechte der ers­ten Gruppe gelten als direkt anwendbar und für sie ist eine Verfassungsbeschwerde zulässig. Für die zweite Gruppe gilt allgemeiner Gerichtsschutz, während die dritte Gruppe der sozialen Rechte den Status von Leitprinzipien hat, die der Orientierung und als Prüfmaßstab dienen sollen (vgl. Sommermann, S. 81, López Guer­ra, S. 94-97). Für diese Differenzierung innerhalb der Grundrechte wird auch der Terminus «Normativitätsdistinktion» gebraucht. Während Sommermann die Normativitätsdistinktion und die damit verbundenen gestaffelten Schutzregime für ein innovatives Merkmal der spanischen Verfassung hält (S. 80f), sieht López Guerra darin eher etwas Barockes («un cierto barroquismo», S. 94). Er bedauert, dass die sozialen Rechte nicht besser ge­schützt sind. Gleichwohl hält er eine Reform der Verfassung bei den Grundrechten wegen der hohen verfah­renstechnischen Hürden für unwahrscheinlich, und sieht die Verantwortung für künftige Verbesserungen beim Gesetzgeber und der Rechtsprechung, insbesondere auch beim Verfassungsgericht (S. 98). Dem gegen­über macht sich Itziar Gómez Fernández, wissenschaftliche Mitarbeiterin am spanischen Verfassungsgericht, in einem überaus ausführlichen Beitrag für eine umfassende Reform stark, die konzeptionell von der Univer­salität aller Grundrechte und dem Kriterium der Vulnerabilität von Individuen und Gruppen ausgehen solle. Sie plädiert für die Aufhebung der Abstufung bei den Grundrechten und ein Schutzregime, das auch die Durchsetzbarkeit (exigibilidad) der sozialen Rechte einschließt – eine alte sozialdemokratische und sozialis­tische Forderung. Die Unterentwicklung des spanischen Staates als Sozialstaat wird von ihr in einen größe­ren Zusammenhang gestellt: die Krise der Demokratien und das Aufkommen des Rechtspopulismus. Der Ausbau des Sozialstaats durch die Stärkung der sozialen Rechte wird als probates Mittel angesehen, die Bin­dung an die Verfassung und den Staat zu erhöhen. Wie López Guerra weist auch sie auf den Handlungsspiel­raum des Verfassungsgerichts hin, anders als dieser spricht sie sich aber für eine grundlegende Reform der Verfassung aus und denkt dabei perspektivisch an einen neuen, vom Volk als Souverän ausgehenden verfassungsgebenden Prozess (S. 123).

8. Fazit

Der mit etwa 250 Seiten (samt Anhängen) gar nicht so umfangreiche Band ermöglicht insgesamt ein gutes und differenziertes Verständnis der spanischen Verfassung von 1978. Die Kontextualisierung der Verfas­sungsgenese in zeitgeschichtlicher (transición), systematischer (constitutional moment), historischer (Cádiz 1812 ff) und ländervergleichender (Portugal, Griechenland) Hinsicht ist nützlich, um die Besonderheiten der Verfassung zu verstehen. Als Problemfelder, die eine Verfassungsreform nötig machen könnten, werden in der Hauptsache die territoriale Ordnung und daneben auch die sozialen Grundrechte und die Frage der Staatsform behandelt.

Was die territoriale Ordnung bzw. das Nationalitätenproblem und seine mögliche Bewältigung angeht, kom­men erfreulicherweise unterschiedliche Einschätzungen zu Wort. Weitgehende Einigkeit besteht dahinge­hend, dass ein Kernproblem der Verfassung von 1978 ihre Unbestimmtheit in wichtigen Punkten war und ist. Rückblickend scheint das größte Versäumnis der Verfassung von 1978 darin zu liegen, keine gemeinsame Verantwortung für den neuen föderalen Staat insti­tutionell und operational verankert zu haben. Das Zusammenspiel der territorialen Einheiten festzulegen, ist eine Aufgabe der Verfassung, die weder die Gerichte noch der Gesetzgeber im Nachhinein übernehmen kön­nen. Von daher wäre ein längerfristig angelegter Reformprozess wünschenswert, an dessen Ende die Verfassung konkret festschriebe, welche Rechte und Pflichten den unterschiedlichen territorialen Einheiten zukommen, und wie die verschiedenen Ebenen verlässlich und belastbar zusammenwirken können.

Wie mehrfach in dem Sammelband angesprochen, sind Änderungen der Verfassung vom Verfahren her in Spanien zwar nicht leicht durchzusetzen, aber es ist auch klar geworden, dass darin nicht unbedingt das Hauptproblem liegt. Es fehlt, anders als nach 1975, ein einigendes Reformvorhaben und der nötige parteiübergreifende Kon­sens.

Abschließend lässt sich über den Band noch sagen, dass praktisch nur das gemäßigte Spektrum des wissen­schaftlichen Diskurses abgebildet wird, während extreme Kritiker des «Regimes von 1978» von Links oder aus den Strömungen der peripheren Nationalismen nicht vertreten sind. Ob von dieser Seite konkrete Vorschläge ausgearbeitet wurden, die über die in dem Sammelband angesprochenen Reformvorschläge hinausgehen, sei dahingestellt.

Es hätte wohl auch den Rah­men des Bandes gesprengt, die wichtigen Unterschiede zwischen den peripheren Nationalismen und den dort jeweils geltenden Autonomiestatuten eingehend zu behan­deln. Insbesondere hätte es sich vermutlich gelohnt, die Beilegung des Konflikts zwischen Zentralstaat und baskischem Nationalismus, der die transición überschattete, im Zusammenhang mit dem heute dort geltendem Autonomiestatut zu erörtern.

Ein letzter Satz: Angesichts des relativ breiten öffentlichen Interesses in Deutschland an den Vorgängen in Katalonien und der politischen Situation in Spanien insgesamt wäre ein deutschsprachiges Angebot aller Beiträge dieses inhaltsreichen Buches sicherlich die attraktivere Variante gegenüber dem gewählten Mix ge­wesen.

9. Übersicht über Autoren, Titel und Themen

  • Birgit Aschmann (Prof. für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin): Die Verfassung von 1978 im Kontext der spanischen Geschichte
  • Alejandro Saiz Arnaiz (Prof. für Verfassungsrecht an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona): La Ley para la Reforma Política: de la legalidad fundamental del franquismo a la Constitución democrática
  • Andreu Mayayo i Arial (Prof. für Zeitgeschichte an der Universität von Barcelona): La ruptura con el fran­quismo
  • Christian Waldhoff (Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Finanzrecht an der Juristischen Fa­kultät der Humboldt-Universität zu Berlin): Der „constitutional moment“. Wann und wie entstehen Verfas­sungen?
  • Karl-Peter Sommermann (Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Staatsrecht und Rechtsverglei­chung an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaft in Speyer): Die südeuropäischen Transfor­mationsverfassungen der 1970er Jahre im Vergleich – Griechenland, Portugal, Spanien
  • Luis López Guerra (Prof. emeritus für Verfassungsrecht an der Universität Carlos III, Madrid): Los de­rechos fundamentales en la Constitución española
  • Itziar Gómez Fernández (Professorin am Institut für Vergleichendes Öffentliches Recht an der Universität Carlos III, Madrid): Vulnerabilidad y derechos fundamentales en el actual sistema constitucional español
  • Xosé M. Núñez Seixas (Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Santia­go de Compostela): Verfassungspatriotismus und Nationalismus im Spanien des 21. Jahrhunderts
  • José Manuel Sánchez Saudinós (Prof. für Verfassungsrecht an der Universität Carlis III in Madrid): La rela­ción entre el derecho, la historia y la sociedad
  • Pedro Cruz Villalón (Prof. für Verfassungsrecht an der Universität Autónoma de Madrid): El malogrado Estado de las nacionalidades (y la enorme dificultad de su reconducción)
  • Walther L. Bernecker (Inhaber des Lehrstuhls Auslandswissenschaft Romanischsprachige Kulturen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg): ¿Existe una urgente necesidad de reformar la Consti­tución española de 1978?
  • Jordi Canal i Morell (Prof. für Geschichte der Moderne an der École des hautes études en sciences sociales, París): La Constitución española, la monarquía de Felipe VI y el proceso independentista en Cataluña (2014-2018)

Birgit Aschmann und Christian Waldhoff (Hrsg.): Die spanische Verfassung von 1978: Entstehung – Praxis – Krise? Münster: Aschendorff Verlag 2020